18. KAPITEL

N ur wenige Minuten, nachdem sie ins Auto gestiegen waren, war von Rockets Professionalität nicht mehr viel übrig. Stattdessen war er mehr als heiß. Was zur Hölle war nur los mit ihm? Wenn es um Sex ging, war er doch immer Mr. Cool höchstpersönlich gewesen. Und jetzt, wo er sich um die Sache mit Victorias Bruder kümmern sollte, wo war er bloß mit seinen Gedanken? Bei ihrem Duft. Oder der verführerischen Rundung ihres Oberschenkels unter der engen Jeans.

Er war wirklich ein tiefsinniger Bursche – anscheinend gab es doch kein Entkommen vor den Miglionni-Genen.

Die Ankunft am Hotel gab ihm die Gelegenheit, wenigstens kurzfristig an etwas anderes zu denken. Sie gingen auf ihr Zimmer, packten ihre Sachen inklusive der Kondompackung, brachten sie hinunter in die Lobby und checkten aus. Dann machten sie sich auf den Weg zu seiner Wohnung.

Auf der Fahrt machte er sich Gedanken darüber, was sie als Nächstes für Jared tun müssten, und als er die Tür aufschloss, war Sex tatsächlich nicht mehr das Erste, woran er dachte. Er fragte sich, was Victoria wohl von seinem Zuhause hielt.

Sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, wirbelte sie jedoch herum, warf sich förmlich in seine Arme und küsste ihn leidenschaftlich. Das war alles, was er brauchte, um alle guten Vorsätze über Bord zu werfen. Er schlang seine Arme um sie und legte so richtig los.

Einen Augenblick später lehnte Victoria sich atemlos zurück und sah ihn an. „Danke“, sagte sie.

„Gern geschehen.“ Seine Hände wanderten zur Vorderseite ihrer Jeans und begannen, diese zu öffnen. „Wie dankbar bist du denn?“

„Oh, sehr dankbar.“ Ihre Hände wanderten ebenfalls zu seinem Hosenbund. „Ich werde es dir zeigen.“

Bevor er sich versah, hing ihm seine Jeans um die Knöchel herum, und er hatte ihr Jeans und Höschen ausgezogen. Er küsste sie fieberhaft und stülpte sich dabei ein Kondom über. Sobald der Schutz saß, schob er sie gegen die Tür, hob sie hoch und drang mit einem tiefen Stoß in sie ein.

Sie stöhnte, und es brauchte nur ein paar kräftige Stöße, bevor sie kam. Sie verschränkte die Beine um seine Hüfte. Ihre Muskelkontraktionen melkten seine pralle Männlichkeit regelrecht und brachten ihn selbst an den Rand des Orgasmus.

„Gott!“ Eine Reihe von Emotionen erfüllte ihn. Er beugte den Kopf nach unten, küsste sie an der Stelle, an der der Hals in die Schulter überging, und saugte sanft daran. Als er spürte, wie ihre Muskeln sich noch kräftiger um ihn schlössen, begann er, härter und schneller zu stoßen.

„Vom ersten Augenblick an hast du mich einfach verrückt gemacht“, murmelte er. Er hinterließ eine Spur von Küssen von ihrer Kehlgrube bis hinauf zu ihrem Ohr. „Bei dir konnte ich mich nie zurückhalten.“

Dann hob er den Kopf und sah in ihre Augen, während sich seine eigene Erlösung langsam aufbaute. „Du hast mich verändert“, sagte er und stöhnte auf, als ein gewaltiger Orgasmus über ihn hereinbrach. Er stieß noch einmal kraftvoll in sie hinein. Bevor er sich ganz dem unglaublichen Gefühl überließ, flüsterte er: „Es ist wahr, Tori. Du hast einen besseren Mann aus mir gemacht.“

Verdammt, Miglionni, dachte er, als er langsam wieder zur Besinnung kam und sie beide kraftlos an der Wand lehnten. Seit wann bist du so eine Plaudertasche? Durch seine uncharakteristische Redseligkeit fühlte er sich ungeschützt und verletzlich. Als Victoria ihre Beine von seinen Hüften wickelte, hielt er sie fest und drückte sie wieder gegen die Wand. „Wo willst du denn hin?“, knurrte er. Er zog seine Jeans weit genug hoch, um nicht darüber zu stolpern, trug sie ins Wohnzimmer und beugte sich hinunter, um ihr achtlos weggeworfenes Höschen aufzuheben.

„Ooh“, stöhnte sie, als sie mit dem nackten Hintern auf seinen Oberschenkeln saß, bevor er sich wieder aufrichtete. „Es ist ein irres Gefühl, all diese … Muskeln zu spüren. Ich wünschte, ich hätte noch mehr ausgezogen.“ Sie lief rot an und wich seinem Blick aus. Er fühlte, wie ihr Gesicht glühte, als sie ihm ins Ohr flüsterte: „Du bist ja immer noch hart. Damit hatte ich gar nicht gerechnet.“

Er musste lachen und spürte dabei, wie ihn das Bedürfnis, die Oberhand zu behalten, verließ. Victoria hatte schon immer diesen Effekt auf ihn gehabt. „Genieß es, solange du kannst –lange hält es nicht mehr an.“

„Ah.“ Lächelnd legte sie den Kopf auf seine Schulter. „Das muss einer der Vorteile sein, wenn man so … äh … groß ist.

Am Ziel angekommen, setzte er sich hin und hielt sie einen Augenblick lang einfach auf seinem Schoß fest. Zu spüren, dass er ohne Weiteres den ganzen Nachmittag so sitzen bleiben könnte, machte ihn nervös.

Schon bald hob sie jedoch den Kopf und richtete sich auf. Die Bewegung trieb ihn noch tiefer in sie hinein. Mit hochgezogenen Augenbrauen sagte sie: „Nanu, ich dachte, die Luft wäre raus?“

„War sie auch, aber er ist sehr leicht aufzuwecken, und du fühlst dich so verdammt gut an.“ Bedauernd hob er sie von sich herunter und schob sie nach hinten, sodass sie auf seinen Knien saß. „Dummerweise haben wir keine Zeit für eine zweite Runde. Ich will deinen Bruder nicht zu lange in meinem Büro warten lassen.“

„Nein, du hast recht.“ Sie stand auf und beugte sich rasch vor, um ihm einen zarten Kuss auf die Lippen zu hauchen, bevor sie sich ganz aufrichtete. „Er schien sehr erleichtert zu sein, endlich wieder nach Hause zu können, aber falls er es sich anders überlegt und wieder abhaut, weiß ich nicht, was ich tun werde.“

„Ich glaube nicht, dass du dir darüber Gedanken machen musst“, versicherte John ihr. „Aber ich bin lieber einmal zu oft vorsichtig. Das stammt noch aus der Zeit, als unter Umständen Leben davon abhingen.“ Er nahm das Kondom ab und zog seine Jeans hoch. Dabei beobachtete er, wie sie sich anzog. Er hatte nicht vorgehabt, ihre Beziehung anzusprechen, aber als er den Mund öffnete, um ihr zu sagen, dass er nur ein paar Minuten brauchen würde, um seine Sachen zu packen, hörte er sich stattdessen sagen: „Und wie geht es nun mit uns weiter?“

Die Frage erwischte Victoria eiskalt, und für einen Moment blieb sie wie angewurzelt stehen. Dann drehte sie sich um und starrte ihn an. Er erwiderte ihren Blick ganz gelassen, während er sich entspannt auf der Couch lümmelte, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Die Angespanntheit seiner Schultern und die Intensität seines Blickes verrieten jedoch, dass er sehr interessiert auf ihre Antwort wartete.

Victoria steckte ihr Hemd in die Hose. Sie wusste ganz genau, wie sie sich entscheiden würde, aber sie konnte sich nicht dazu bringen, die Worte laut auszusprechen. Sobald das einmal geschehen war, konnte man sie nicht mehr zurücknehmen, und den impulsiven Teil ihrer Natur hatte sie vor Jahren gezügelt. Außerdem stand ja noch Johns Abneigung, über bestimmte Dinge zu sprechen, im Raum. „Was hast du damit gemeint, dass dein Vater ein Alkoholiker der ganz fiesen Sorte war?

Sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. „Genau das, was ich gesagt habe. Er war Alkoholiker. Was hat das überhaupt damit zu tun?“

„Es hat etwas damit zu tun, ob du bereit bist, mit mir über Dinge zu sprechen, die wichtig für dich sind, oder ob du mich nur ins Bett schleifen willst.“ Sie sah in seine Augen. „Als wir in Pensacola zusammen waren, hast du strikt darauf bestanden, dass wir uns nur oberflächlich kennenlernen.“

„Weil das immer prima funktioniert hat, bevor ich dich getroffen habe. Und so wie du damals abgehauen bist, bin ich davon ausgegangen, dass es für dich auch okay war.“

„Möchtest du wissen, warum ich gegangen bin?“

„Das kann ich mir denken, Süße. Dir haben meine Regeln nicht gefallen.“

„Ich habe mich ganz bewusst darauf eingelassen, Rocket.“ Sie kam ein Stück näher. „Aber dann habe ich plötzlich gemerkt, dass du mir zu viel bedeutest. Das hat mir Angst gemacht. Es ist nicht sehr witzig, die Einzige in einer Beziehung zu sein, die echte Gefühle für den anderen hat. Ich hatte Angst, es würde zu sehr wehtun, dir noch näherzukommen, wenn du sowieso nur an meinem Körper interessiert bist.“

„Ich war an einer ganzen Menge mehr interessiert als an deinem Körper“, sagte er tonlos. „Ich war mit meinen Regeln immer bestens klargekommen, aber über dich wollte ich einfach alles wissen. Was du magst, was du hasst, wie du tickst. Wenn du also unbedingt wissen willst, was ein Alkoholiker der ganz fiesen Sorte ist, werde ich ein braver kleiner Marine sein und es dir erzählen.“ Er lächelte, aber seine Augen erzählten eine andere Geschichte. „Fiese Alkoholiker benutzen lieber ihre Fäuste, wenn sie zu viel getankt haben, anstatt über Dinge nachzudenken oder sich – Gott behüte – zu beherrschen.“

„Also war dein Vater ein Schläger? Nun, das ist ja wirklich eine peinliche Enthüllung.“ Irgendetwas in seinem Schweigen ließ sie aufblicken. „Warte mal … Er hat dich geschlagen?“

Er zuckte mit den Schultern, als wäre nichts dabei. Tori wusste, dass Mitleid das Letzte war, was er jetzt wollte.

Sie konnte sich absolut nicht vorstellen, dass dieser Mann, den sie nur als großen starken Marine kannte, von seinem Vater herumgeschubst worden war. Sie schob die erschreckende Erkenntnis erst einmal in den Hintergrund, ging zu ihm hinüber und setzte sich auf seinen Schoß. Sie legte ihm die Arme um den Hals und ließ ihren Kopf auf seiner Brust ruhen. Sein Herz schlug kräftig und beruhigend unter ihrer Wange. Tori ignorierte die Tatsache, dass er seinen Arm steif an der Seite hielt. „Was für ein Arschloch! Er hat dich gar nicht verdient.“

John lachte, aber es klang nicht bitter oder spöttisch, wie sie erwartet hatte, sondern ernsthaft amüsiert. Schließlich legte er doch noch die Arme um sie.

Sie legte den Kopf in den Nacken und sah ihn an. „Was ist daran so komisch? Es stimmt doch!“

„Da werde ich dir bestimmt nicht widersprechen, Schätzchen. Es ist nur witzig, das Wort ,Arschloch’ aus deinem Mund zu hören.“ Er strich mit dem Daumen über ihre Lippen.

„Schön, dass ich dich aufheitern konnte.“ Ihr Tonfall war zwar spöttisch, aber sie meinte es genauso, wie sie es gesagt hatte. Sie war wirklich froh, die dunklen Schatten aus seinen Augen vertrieben zu haben. „Was denkst du?“, fragte sie ihn vorsichtig. „Sollen wir es mit einer richtigen Beziehung versuchen?“

Unter ihrer Wange hob und senkte sich seine Brust. Schließlich sah er sie an. „Ja.“

„Das heißt, du müsstest mehr Zeit mit Esme verbringen“, erinnerte sie ihn. Die Worte hatten kaum ihren Mund verlassen, als sie die Hand hob und sie an seine Wange legte. „Aber das hast du ja sowieso schon gemacht, bevor der Anruf wegen Jared kam.“

„Ja“, sagte er langsam. „Vielleicht ist es auch gar nicht so … so schwer, wie ich befürchtet hatte. Sie macht es einem ziemlich leicht.“ Er streichelte ihr Haar. „Ich könnte noch stundenlang so sitzen bleiben, aber da warten ein paar Leute auf uns.

„Ich weiß. Wir müssen zurück.“ Sie klopfte ihm mit den Knöcheln auf den Kopf. „Aber glaube ja nicht, dass ich deinen Kommentar ungestraft durchgehen lasse. Pass auf, Miglionni. Pass bloß auf. Irgendwann, wenn du nicht mehr damit rechnest, wirst du dafür bezahlen.“

„Oooh, jetzt hab ich aber Angst.“ Er hob sie von seinem Schoß und stand auf.

„Dir ist aber klar“, sagte sie einige Augenblicke später, während sie ihm dabei zusah, wie er einige Sachen zusammenpackte, „dass Sex in Vaters Haus tabu ist?“

„Was?!“ Er richtete sich auf und sah sie an. „In dem Fall kannst du es vergessen. Diese Beziehung ist vorbei.“

Tori blieb das Herz stehen, und ihr Entsetzen musste sich deutlich abgezeichnet haben, denn er ließ das Hemd fallen, das er gerade in der Hand gehalten hatte, und war mit zwei großen Schritten bei ihr.

„Du meine Güte, das war doch nur ein Witz.“ Er streichelte ihre Arme. „Wir müssen uns wegen Esme zusammenreißen. Mir ist völlig klar, dass wir in ihrer Gegenwart nicht so weitermachen können wie in den letzten zwei Tagen.“

„Sie kommt oft mitten in der Nacht zu mir ins Bett“, sagte sie entschuldigend. „Natürlich nicht jede Nacht, aber ich weiß nie, wann sie auftauchen wird.“

„Dann sollten wir wohl besser die Hosen anlassen.“

Wenn er solche Sachen sagte, wurde ihr aber klar, dass sie insgeheim wohl die ganze Zeit genau auf das gehofft hatte, was er nun anzubieten schien: eine wirkliche Beziehung. Seine klaglose Akzeptanz ihrer Regeln, die ihm gerade die eine Sache nahmen, die er als integralen Teil seiner Persönlichkeit anzusehen schien, weckte in ihr das Bedürfnis, ihn mit aller Macht festzuhalten, damit er es sich nicht plötzlich anders überlegen konnte. Und ihr war klar, dass das nicht besonders erwachsen war.

Nur schwer verliebt.