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Die Stimmung in der WG ist gedrückt. Toms erstes Bewerbungsgespräch ist erfolglos verlaufen, Isa macht sich Sorgen und sitzt schon wieder vor einem Zeitungsberg. »Willst du wirklich einen Freund, der mit einer Schürze durch den Kinderladen turnt und Bauklötze und Windeln einsammelt?«, fragt Jenny skeptisch, als sie Isas Ankreuzungen überfliegt. »Und das für ein Taschengeld?«

»Warum nicht?«, entgegnet Isa. »Außerdem ist mir egal, was er verdient. Hauptsache, er bleibt hier.«

»Na, dann beten wir mal, dass er das genauso sieht«, raunt Jenny. Doch Isa hat sich schon in die nächste Annoncenseite vergraben. Sie schließt sich auch nicht an, als ich mich von Jenny zum Weihnachtsgeschenk-Einkauf mitziehen lasse.

Ich kaufe wahllos und ohne Spaß Bücher und Kalender ein, vollkommen uninspiriert. Jenny bekommt schlechte Laune. Und als ich erschöpft wieder neben Isa an den Küchentisch sinke, rauscht Jenny ins Bad, kehrt zehn Minuten später absurd aufgestylt zurück und lässt sich von Felix abholen. »Ich verdrück mich, ihr munteren Vögel!«, schnaubt sie in unsere Richtung, dann ist sie verschwunden. Isa sieht auf. »Du musst mit ihm reden«, sagt sie leise. »Nichts anderes hilft.«

Es ist schon fast zehn, als ich an Tobias’ Tür klingle. Ich bin entschlossen, alles zu sagen. Dass ich in seinem Schreibtisch herumgewühlt habe. Dass es okay ist, verheiratet gewesen zu sein, und ich nicht erwartet habe, dass er ein Mann ohne Vergangenheit ist. Aber dass ich es nicht ertrage, wenn er einfach nichts mit mir teilen kann.

Es zieht mir schmerzhaft das Herz zusammen, dass Tobias sich so freut, mich zu sehen. Er bittet mich herein, bietet mir Kaffee an, klappt seine Arbeitsmappe zu. Ich bleibe stehen. Tief durchatmen. Und dann los. Ich sage alles, was ich mir vorgenommen habe, und sehe dabei aus dem Fenster, als würde ich meinen Text nur noch einmal zur Probe wiederholen. Ich bringe es einfach nicht fertig, herüberzuschauen und sein Gesicht zu sehen.

Als ich fertig bin, schweigt er, lange. Er sagt nichts dazu, dass ich seine Fotos angesehen habe. Er sagt überhaupt nichts. Und jetzt? Soll ich gehen?

Es dauert eine Ewigkeit, bis er mich ansieht. Seine Stimme ist leise, aber beherrscht. »Lena, ich hab dich gern«, sagt er. »Ich bin gern mit dir zusammen, es tut mir gut, wenn du da bist. Aber ich bin kein Mensch, der sein ganzes Leben teilt.«

SEIN GANZES LEBEN?! SEIN GANZES LEBEN?! Ich mache auf dem Absatz kehrt und verlasse die Wohnung.

Die Straße ist leer, der Schnee grau. Ich gehe langsam und wünsche mir, ich könnte mich auflösen.

Jenny ist noch wach, als ich zurückkomme. Sie nimmt mich in den Arm, sagt nichts. Doch sie bringt mich ins Bett und sitzt neben mir, bis ich endlich zu heulen aufhören kann.