II

Gordy wußte nicht mehr ein noch aus, und es war wirklich katastrophal, bis er auf Onkel Louie stieß.

Gerade rechtzeitig übrigens, denn sie hatten den Countdown für die Rakete nach Flipville bereits begonnen. Er erfuhr es von 164

Phil, einem der Knaben in der Combo, mit der er zusammen-arbeitete.

»Geh und besuch ihn mal – Onkel Louie, der beste Freund eines Jungen«, hatte Phil gesagt.

Gordy ging auf der Stelle zu ihm, denn er hatte eine Angewohnheit, die er nicht missen wollte – und die bezeichnete man mit einem großen H.

Onkel Louie entpuppte sich als alter Knabe, der als Tarnung auf der South State einen Trödlerladen mit Pfandleihe betrieb.

Gordy verpfändete seine Uhr, seine Bücher, seine schönen Klamotten. Aber die Angewohnheit war eben größer und stärker als alles, und bald war Gordy wieder völlig auf dem Hund. Er hatte nichts mehr zu schießen, und die Nerven gingen ihm auch schon durch.

»Einen Fix willst du?« fragte Onkel Louie. »Dann verpfände doch dein Schlagzeug.«

»Meine Kübel soll ich versetzen? Mann, ohne die kann ich doch nicht spielen!«

»Du zitterst derart, daß du sowieso nicht spielen kannst«, erklärte Onkel Louie, und das war wahr. »Paß auf, ich geb dir eine Wochenration dafür. Eine ganze Woche.«

Das klang für Gordy wie ein Märchen. Eine Wochenration von dem Zeug würde ihn wieder so aufrichten, daß er fliegen konnte.

»Na schön«, sagte er. »Ich mach’s.«

Aber die Woche ging vorbei, und dann noch zwei Tage, und Gordy ging schon wieder die Wände hoch. Es schüttelte ihn zwar noch nicht, aber die Stimmen um ihn herum kamen in Hi-Fi.

Zuerst, als Phil in seiner Bude auftauchte und ihm die Geschichte von den Seerundfahrten erzählte, konnte er gar nicht glauben, daß es stimmte. Aber Phil überzeugte ihn.

»Wir sind für den ganzen Sommer gebucht, und zwar ab morgen abend. Also reiß dich zusammen, und wir sind wieder 165

im Geschäft.«

Noch am gleichen Abend tauchte Gordy bei Onkel Louie auf, um ihm die ganze Geschichte zu erzählen, in der Hoffnung, der alte Geier würde ihm zu einer Chance verhelfen und ihm das Schlagzeug und vielleicht auch ein bißchen Medizin überlassen.

Aber Onkel Louie hatte angeblich nichts.

»Keinen Stoff, keine Trommeln«, sagte er immer wieder.

»Ich habe mich wegen meiner Gesundheit aus dem Geschäft zurückgezogen.«

Das war vielleicht ein feines Geschwafel über seine Gesundheit, während Gordy sich für einen einzigen Fix eigenhändig sämtliche Haare ausgerissen hätte. Gordy packte ihn beim Kragen und ging richtig los. Er machte ihm ziemlich deutlich, wie dringend er es brauchte, und auch die Drums und so weiter.

Onkel Louie versuchte, ihn abzuwehren. Also ging Gordy hinter die Theke und fischte sich sein Schlagzeug selbst heraus.

Dann gab es ein lautes Krachen; das war, als die Drums auf den Boden fielen und Onkel Louie die Felle einschlug.

Er tat es tatsächlich; vor Gordys Augen zerschlug er die Felle und damit auch Gordys Job – bis Gordy merkte, daß er selbst es war, der plötzlich mit dem großen Beil, das er unter der Theke gefunden hatte, immer und immer wieder auf Onkel Louie einschlug und dabei mit spitzer Stimme gellende Schreie ausstieß.

Also bekam Gordy doch noch seinen Fix. Aber Onkel Louie mußte kurz vorher zur Bank gegangen sein, denn an diesem Abend war nirgends Geld zu finden. In dem ganzen Laden nichts als alter Trödel. Kein Zaster, kein Schlagzeug mehr. Und morgen würde Gordy die Drums brauchen. Aber die Felle waren eingeschlagen – genau wie Onkel Louies Schädel. Der alte Geier war tot.

Gordy schaute auf die Drums und auf Onkel Louie und auf 166

das Beil in seiner Hand. Dann entdeckte er, daß sich unter dem Ladentisch eine ganze Tasche mit chirurgischen Bestecken befand …

Am nächsten Abend schleppte er sein Schlagzeug über die schwankende Gangway auf den Ausflugsdampfer. Er kam sich größer vor als das Empire State Building, aber er war bereit, zu spielen, und er spielte auch. Sein Schlagzeug hatte noch nie so einen guten Klang gehabt.

»Du hast sie also zurückbekommen«, stellte Phil fest. »Wie hast du denn das geschafft, Mann? Onkel Louie ist ein ziemlich zäher Partner.«

Gordy schlug auf seinen neuen Trommelfellen einen schnellen Wirbel. Dann grinste er.

»Du kennst doch das alte Sprichwort«, sagte er. »Es gibt verschiedene Arten, einer Katze das Fell über die Ohren zu ziehen.«