Aussage von Milo Fabian

Ich hatte gerade die Vorhänge zurechtgezogen, als er hereinkam. Natürlich glaubte ich erst, er wolle etwas liefern. Er trug eine von diesen scheußlichen olivbraunen Hosen, eine Konfektionssportjacke und eine von diesen Mützen, die ein wenig aussehen wie die, welche die Jockeys tragen.

»Nun, was gibt es?« fragte ich. Ich fürchte, ich war ein klein wenig rüde zu ihm – um die Wahrheit zu sagen, seit Jerry mir sagte, er wolle wegen der Ausstellung nach Cape Cod, war ich in miserabler Stimmung. Man hätte doch annehmen sollen, daß er zumindest meine Gefühle auch respektiert und mich zum Mitkommen aufgefordert hätte. Aber nein, ich mußte hier-bleiben und die Galerie offenhalten.

Aber sonst hatte ich eigentlich überhaupt keinen Grund, diesem Fremden gegenüber unhöflich zu sein. Ich meine, er sah ziemlich attraktiv aus, als er diese idiotische Mütze ab-nahm. Er hatte schwarzes, gelocktes Haar und war außergewöhnlich groß; ich hätte beinahe Angst vor ihm bekommen, aber dann lächelte er.

»Mr. Warlock?« fragte er.

Ich schüttelte den Kopf.

»Dies ist doch die Warlock-Galerie, nicht wahr?«

»Ja. Aber Mr. Warlock ist zur Zeit nicht in der Stadt. Ich bin Mr. Fabian. Kann ich etwas für Sie tun?«

»Es ist eine ziemlich delikate Angelegenheit.«

»Wenn Sie etwas zu verkaufen haben, können Sie es mir ruhig zeigen. Ich tätige alle Einkäufe für die Galerie.«

»Ich habe nichts zu verkaufen. Ich möchte einige Gemälde kaufen.«

»Nun, wenn das so ist – warum kommen Sie dann nicht mit mir nach hinten, Mr. …«

»Smith«, sagte er.

Als wir den Gang hinuntergingen, fragte ich ihn: »Haben Sie eine bestimmte Vorstellung? Wie Sie vielleicht wissen, sind 52

wir auf moderne Maler spezialisiert. Wir haben zur Zeit einen sehr guten Kandinski und einen frühen Mondrian …«

»Die Bilder, die ich möchte, haben Sie nicht hier«, sagte er.

»Dessen bin ich sicher.«

Wir waren schon fast in der Galerie. Ich blieb stehen. »Was wünschen Sie dann wirklich?«

Er stand da und schwang seine riesige Plastiktasche. »Sie meinen, welche Art Gemälde? Nun, ich möchte einen oder zwei gute Rembrandts, einen Raphael, etwas von Tizian, einen Tintoretto. Dann einen van Gogh, einen El Greco, einen Breughel, einen Hals, einen Holbein und einen Gauguin. Ich glaube, ›Das letzte Abendmahl‹ kann man wohl nicht haben –

das ist wohl ein Fresko, nicht wahr?«

Der Mann hörte sich einfach verrückt an. Ich fürchte, ich war richtiggehend pikiert, und ich zeigte es ihm auch, »Bitte!«

sagte ich. »Ich bin heute morgen sehr beschäftigt. Ich habe keine Zeit für solche …«

»Sie verstehen mich nicht«, antwortete er. »Sie kaufen doch Gemälde ein, nicht wahr? Nun, ich möchte, daß Sie mir ein paar besorgen. Als mein persönlicher Agent – so nennt man das wohl?«

»So nennt man das«, bedeutete ich ihm. »Aber das kann doch einfach nicht Ihr Ernst sein. Haben Sie überhaupt eine Vorstellung davon, was es kosten würde, eine solche Kollektion zusammenzukaufen?«

»Ich habe Geld«, sagte er. Wir standen in der Nähe des Ladentisches beim Eingang. Er ging hinüber, legte seine Tasche darauf und öffnete sie.

Ich habe nie, aber auch wirklich nie in meinem ganzen Leben einen solch phantastischen Anblick erlebt. Die Tasche war vollgestopft mit Geldscheinen, Bündel neben Bündel, und jede einzelne Note war ein Fünf- oder Zehntausend-Dollar-Schein! Wirklich, ich hatte so etwas in meinem ganzen Leben noch nie gesehen.

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Wenn er Zwanziger oder Hunderter gehabt hätte, hätte ich angenommen, es seien Fälschungen. Aber so etwas hätte niemand gewagt. Sie sahen echt aus, und sie waren auch wirklich echt. Ich weiß das – aber davon später.

Ich stand also da und starrte auf diesen unvorstellbaren Haufen Geld, und dieser Mr. Smith – so nannte er sich wenigstens – fragte: »Nun, glauben Sie, daß ich genug habe?«

Mir wurde richtiggehend schwindlig, als ich darüber nachdachte.

Stellen Sie sich das vor: Ein Fremder kommt einfach von der Straße herein, hat zehn oder mehr Millionen Dollar dabei und möchte dafür Gemälde kaufen. Und mein Anteil an der Provision beträgt fünf Prozent.

»Ich weiß nicht«, sagte ich. »Meinen Sie das alles wirklich ernst?«

»Hier ist das Geld. Wie schnell können Sie mir besorgen, was ich brauche?«

»Bitte«, sagte ich, »das ist alles so ungewöhnlich, daß ich kaum weiß, wo ich anfangen soll. Haben Sie eine endgültige Liste dessen, was Sie zu kaufen wünschen?«

»Ich kann Ihnen die Namen aufschreiben«, sagte er. »Die meisten habe ich im Kopf.«

Er wußte, was er wollte, das muß ich sagen. Velasquez, Cezanne, Degas, Utrillo, Monet, Toulouse-Lautrec, Delacroix, Ryder, Pissarro …

Dann schrieb er die Namen der Gemälde auf. Ich glaube, ich schnappte laut nach Luft. »Wirklich«, sagte ich, »Sie können nicht erwarten, daß ich Ihnen die ›Mona Lisa‹ besorge.«

»Warum nicht?« Er sah aus, als sei es ihm durchaus ernst.

»Sie ist nicht verkäuflich. Um keinen Preis der Welt.«

»Das wußte ich nicht. Wer ist der Besitzer?«

»Der Louvre. In Paris.«

»Das wußte ich nicht.« Er machte keinen Spaß. Ich schwöre es. »Und was ist mit den anderen?«

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»Ich fürchte, die meisten dieser Gemälde fallen in die gleiche Kategorie. Sie sind nicht verkäuflich. Die meisten hängen hier oder in Europa in öffentlichen Galerien und Museen. Und die anderen Gemälde, die Sie aufgeschrieben haben, befinden sich zum größten Teil in den Händen privater Sammler, die wohl niemand zu einem Verkauf überreden kann.«

Er erhob sich und begann, das Geld wieder in seine Tasche zurückzustopfen. Ich ergriff seinen Arm.

»Aber wir können selbstverständlich unser Bestes versuchen«, versicherte ich ihm. »Wir haben unsere Quellen, unsere Verbindungen. Ich bin ganz sicher, daß wir Ihnen von jedem einzelnen Meister, den Sie aufgeschrieben haben, eines der weniger bedeutenden und bekannten Werke besorgen können. Das Ganze ist nur eine Frage der Zeit.«

Er schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Wir haben heute Dienstag, nicht wahr? Ich muß bis Sonntagabend alles beisammen haben.«

Haben Sie je in Ihrem Leben schon einmal so etwas Lächerliches gehört? Der Mann starrte nachdenklich vor sich hin.

»Sehen Sie«, sagte er. »Ich verstehe jetzt, wie die Dinge sind. Die Gemälde, die ich brauche, sind über die ganze Welt verstreut. Sie befinden sich im Besitz öffentlicher Galerien und Museen, die nicht verkaufen. Und ich glaube, das gleiche gilt dann auch für die Handschriften und Manuskripte. Die Gutenberg-Bibel zum Beispiel. Oder Erstausgaben von Shakespeare-Werken, die Unabhängigkeitserklärung …«

Er starrte mich an. Ich wagte nur noch zu nicken.

»Wie viele von den Dingen, die ich brauche, sind hier?«

fragte er. »Ich meine, hier, in diesem Land?«

»Ein guter Teil. Etwas mehr als die Hälfte.«

»Nun gut. Sie tun also folgendes: Setzen Sie sich dort drüben hin und machen Sie mir eine Liste. Ich möchte nur, daß Sie mir 55

die Namen der Gemälde aufschreiben und wo sie sich befinden. Für diese Liste gebe ich Ihnen zehntausend Dollar.«

Zehntausend Dollar für eine Liste, die er sich in jeder öffentlichen Bibliothek hätte zusammenstellen können! Zehntausend Dollar für weniger als eine Stunde Arbeit!

Ich gab ihm seine Liste. Er gab mir das Geld und verließ das Geschäft.

Ich stand kurz vor dem Wahnsinn. Ich meine, es war alles so verwirrend. Er kam einfach, ging wieder, und ich stand da und wußte nicht einmal seinen wirklichen Namen. Nichts. Diese exzentrischen Millionärstypen. Er ging einfach hinaus, und ich stand da und hielt zehntausend Dollar in der Hand.

Nun, ich bin normalerweise kein Mensch von übereilten Entschlüssen. Er war schon seit drei Minuten gegangen, ehe ich absperrte und zur Bank ging. Den Weg zurück zur Galerie legte ich förmlich im Tanz zurück.

Dann sagte ich mir: »Wozu eigentlich?«

Jetzt mußte ich wirklich nicht mehr zurückkehren. Das war mein Geld, nicht Jerrys. Ich hatte es selbst verdient. Und was ihn betraf – er konnte meinetwegen bleiben wo er war und verfaulen. Ich brauchte seinen großartigen Job nicht.

Ich ging weiter und kaufte mir einen Flugschein nach Paris.

Dieses ganze Gerede vom Krieg ist doch reiner Unsinn. Nichts als Unsinn, wenn Sie mich fragen.

Sicher, Jerry wird ziemlich wütend werden, wenn er es erfährt. Na schön, soll er. Muß er sich eben einen anderen Jungen suchen.