I

Es war eine heiße Nacht, selbst für tropische Verhältnisse.

Vickery mixte sich gerade einen Gin-Tonic, als er das diskrete Klopfen an der Tür seines Hotelzimmers hörte.

»Sarah?« fragte er leise.

Ein Mann trat hastig und schweigend ein und schloß die Tür hinter sich.

»Ich bin Fenner«, sagte er. »Sarahs Mann.« Er grinste auf Vickery herab, der auf seinem Stuhl saß. »Überrascht, mich zu sehen? Sarah war es jedenfalls.«

»In der Tat«, sagte Vickery und machte Anstalten, sich zu erheben.

»Keine Umstände«, bedeutete ihm Fenner. »Bleiben Sie, wo Sie sind.« Immer noch grinsend zog er die große Webley aus der Jackentasche und richtete den Lauf auf Vickerys Bauch.

»Sitzendes Ziel«, bemerkte Vickery. »Nicht gerade sehr sportlich, alter Junge.«

»Sie haben gut über Sportlichkeit reden – nach dem, was Sie mit meiner Frau angestellt haben. Großer, weißer Jäger, wie?

Nebeneinanderliegende Hotelzimmer mit Verbindungstüre und all das. Muß ja eine tolle Safari gewesen sein.«

Vickery seufzte. »Ich nehme an, es hat keinen Sinn, es abzu-streiten. Also schießen Sie schon und werden Sie gehängt.«

»Das ist es. Ich möchte nicht gehängt werden. Also werde ich auch nicht schießen.« Die Waffe in der Hand, fischte Fenner in seiner Jackentasche herum und brachte einen kleinen Lederbeutel zum Vorschein. Er öffnete ihn vorsichtig und ließ einen leuchtenden, farbig schillernden Gegenstand vor 162

Vickerys Füße fallen. Es sah aus wie ein kleines Korallen-halsband, aber es war lebendig.

»Bewegen Sie sich lieber nicht«, murmelte Fenner. »Ja, es ist eine Krait. Die tödlichste, kleine Schlange der Welt, wie man mir versicherte.«

»Fenner, einen Augenblick, hören Sie mir zu …«

Das kleine Korallencollier entrollte sich plötzlich. Noch ehe Vickery sich zurückziehen konnte, schlug ein roter Blitz zu.

Immer und immer wieder schlug die Krait ihre Zähne durch den dünnen Hosenstoff in Vickerys rechtes Bein.

Vickery schnappte nach Luft, schloß die Augen und machte keinen Versuch, das Reptil zu zertreten. Plötzlich ließ die Schlange träge von ihm ab und rollte sich in der Mitte des Teppichs zusammen.

Fenner schluckte, wischte sich über die Stirn und erhob sich.

Er legte den Revolver auf den Tisch. »Den lasse ich Ihnen da«, sagte er. »Vielleicht wollen Sie ihn benützen. Man hat mir gesagt, daß normalerweise in weniger als zehn Minuten …«

Vickery kicherte. »Fenner, Sie sind ein Tölpel.«

»Was soll das heißen?«

»Irgend ein Eingeborener auf dem Basar verkauft Ihnen eine harmlose Glasschlange, und Sie glauben ihm blindlings, daß es sich um eine Krait handelt. Genauso, wie Sie den Worten einer eifersüchtigen Frau glauben, die behauptet, wir hätten eine Affäre miteinander gehabt. Wenn Sie’s genau wissen wollen, alter Junge: Sie war verschnupft, weil ich nichts mit ihr anfangen wollte.« Vickery kicherte wieder. »Nicht gerade eine galante Bemerkung, das muß ich zugeben, aber Sie haben ein Recht, die Wahrheit zu erfahren.«

»Sie erwarten doch nicht, daß ich das schlucke, nicht wahr?«

»Wie’s Ihnen beliebt«, bedeutete ihm Vickery mit einer lässigen Handbewegung. »Oh, gehen Sie noch nicht. Nehmen Sie doch Platz und trinken Sie ein Glas mit mir. Ich versichere Ihnen, daß Ihnen nichts geschehen wird.«

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Es passierte tatsächlich nichts, außer daß Fenner seinen Drink bekam und sich, während er ihn sich zu Gemüte führte, restlos davon überzeugte, daß Vickery so unschuldig und harmlos wie die kleine, hübsche Schlange war, die sich dort auf dem Teppich eingerollt hatte.

Als er ging, entschuldigte er sich bei Vickery überschwänglich für alles. Er hatte Sarah veranlaßt, zu packen und mit der nächsten Maschine nach London zurückzukehren. Er plante, ihr am folgenden Morgen nachzureisen.

Vickery wünschte ihm alles Gute.

»Nehmen Sie Ihren Revolver mit«, sagte er. »Und die Schlange auch. Den Lederbeutel brauchen Sie nicht. Stecken Sie sie einfach in die Tasche. Schlangen lieben die Wärme und den Kontakt zum Körper.«

Als Fenner in das angrenzende Zimmer gegangen war, das bislang seine Frau bewohnt hatte, bereitete sich Vickery weiter aufs Schlafengehen vor. Seine Gedanken arbeiteten unter-dessen mit mathematischer Präzision. Wie lange würde es zum Beispiel dauern, bis Sarah in London war und er ein Gespräch anmelden konnte? Wieviel, hatten sie gesagt, war der alte Knabe wert? Und wie lange würde es dauern, bis sich die Krait in Fenners Tasche wütend wieder zu regen begann und durch den dünnen Stoff in seinen fetten Wanst biß?

Die Antwort auf seine letzte Frage bekam er schnell.

Vickery hörte den Mann durch die dünne Wand des angrenzenden Zimmers genau in dem Augenblick aufschreien, als er sich auf sein Bett setzte und die Riemen seines künstlichen Beins löste.