»TAPFER UND TREU«

Seit über 500 Jahren schützt die Schweizergarde den Papst.

Von Johannes Saltzwedel

Sie sind männlich, ledig, höchstens 30 Jahre alt, haben militärische Grundausbildung und einen Beruf erlernt? Sie sind mindestens 1,74 Meter groß, unbescholten und katholisch? Dann fehlt zur Aufnahme eigentlich nur noch eines: der rote Schweizer Pass.

Wie man mit Hellebarden hantiert, Touristen freundlich, aber wirksam zurechtweist, stundenlang strammsteht und mit dem recht mageren Sold auskommt, das lernen die jungen Männer, die sich in der Schweizergarde verpflichten, schnell genug. In der Kaserne dicht hinter der Porta Sant’ Anna, dem Haupteingang zur Vatikanstadt, herrscht militärischer Drill; alltags brauchen nur ein paar der 110 Gardisten – vorwiegend solche mit direktem Publikumskontakt – ihre blau-gelb-rote Galauniform zu tragen. Bewähren muss man sich in dem mindestens zwei, höchstens drei Jahre dauernden Job vor allem durch Geduld.

Bis zu zweimal sechs Stunden Dienst am Tag, bisweilen in völliger Einsamkeit an einem Durchgang des verwinkelten Apostolischen Palastes, fordern den Charakter. Wer im Musikkorps oder in der Fußballmannschaft mitspielen kann, darf das schon als entspannenden Ausgleich genießen. Darüber hinaus bleibt fast nur die Ehre, der kleinsten und ältesten aktiven Armee der Welt anzugehören, die unter dem Motto »Acriter et fideliter«, »Tapfer und treu«, seit 506 Jahren das Oberhaupt der katholischen Kirche beschützt.

Schon 21 Jahre nach ihrer Gründung durch den della-Rovere-Papst Julius II., der die Alpensöhne als billige Kraftkerle hatte anwerben lassen, trat der Ernstfall ein, der bis heute die Urszene der Opferbereitschaft eines Gardisten darstellt: Als am 6. Mai 1527 beim sogenannten Sacco di Roma plündernde Landsknechtshorden den Vatikan überrannten, büßten 147 Schweizer ihren Widerstand mit dem Leben, damit der Heilige Vater Clemens VII. die Engelsburg erreichen konnte.

An jedem Jahrestag dieses Ereignisses werden die neuen Rekruten vereidigt. Viele von ihnen haben klare Vorstellungen vom neuen Arbeitsfeld, weil sie an einer der heute üblichen Schnupperwochen teilgenommen haben. Sie wissen, dass man untereinander reden kann, wie es passt, aber Befehle auf Deutsch gegeben werden. Sie kennen die Verantwortung, Fremde mit raschem Blick einschätzen zu müssen. Sie haben davon gehört, dass die Schweizergarde keineswegs konkurrenzlos arbeitet – für Grenzkontrollen zum Beispiel sind die 180 Italiener der päpstlichen Gendarmerie zuständig. Und etliche planen schon für die Zeit danach.

In dem Alpenstaat gilt jemand, der in Rom gedient hat, als Schutzfachmann; mehr als ein Drittel heuert später bei Security-Firmen an. Es gibt aber auch den umgekehrten Weg: Daniel Anrig, Kommandant seit Ende 2008, war vorher Polizeichef des Kantons Glarus. Kommandanten bleiben oft fürs Leben in Rom; der studierte Jurist Anrig ist erst der 34. auf seinem Posten.

Womit die Helvetier sich wehren oder gar zuschlagen können, ist eine heikle Frage. Papst Benedikt etwa duldete rund um sich und sein Papamobil keine Schusswaffen; im Ernstfall wären so neben Pfefferspray lediglich Judogriffe oder Karate geblieben. Doch solche Szenarien üben die Söldner nur im Stillen. Viel lieber freuen sie sich auf den Dezember, wenn es die jährliche Verlosung gibt: Geschenke, die er selbst nicht braucht, stiftet der Papst seinen treuen Schweizern – es kann schon mal ein Rennrad oder eine Stereoanlage dabei sein.