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Ohne
Adressen geht
nichts
In
diesem Kapitel
Alles über Karteileichen und andere Bewohner des Rolodex
Was bei vernünftiger Pressearbeit keinesfalls fehlen darf
Was Sie mit Ihrem Verteiler anstellen
Was auch immer Sie kommunizieren wollen – beispielsweise Pressemitteilungen, Veranstaltungsankündigungen, Personalien – Sie müssen wissen, wie Sie Ihre Nachricht zur Zielgruppe bringen. Dazu gibt es verschiedene Möglichkeiten. So mancher Pressearbeiter öffnet seine Küchenschublade, zieht ein vergammeltes Notizblatt heraus und schreibt die Adressen seiner drei Lieblingsredaktionen von Hand auf Briefumschläge. Etwas professionell ist es, die Pressemitteilung ins Faxgerät zu legen und über die Gruppenzielwahl hunderte Redaktionen anzuwählen. In Zeiten des Internet ist es auch möglich, den Text einer Pressemitteilung mittels Copy & Paste ins E-Mail-Programm zu übernehmen und mit wenigen Mausklicks aus verschiedenen Verteilern die richtigen Empfängergruppen kontextsensitiv auszuwählen.
Egal, welches Verfahren Sie bevorzugen: Ganz entscheidend ist, dass Sie Ihren Presseverteiler regelmäßig pflegen und aktuell halten. Er ist Ihr Kapital und der Schlüssel zum Erfolg!
Aufbau eines
Presseverteilers
In Kapitel 3 haben wir analysiert, welches die Zielgruppen unserer Pressearbeit sind. (Sie haben doch hoffentlich nicht geschummelt und das Kapitel übersprungen? Wenn doch, dann aber Marsch, Marsch dorthin zurück. Ich warte hier so lange auf Sie.)
Grundlage jeder Pressearbeit ist ein funktionierender Presseverteiler. Früher machte man das meistens mit Karteikarten. Heutzutage wird diese Arbeit natürlich mit dem Computer erledigt (oder alternativ von der Sekretärin – wie die es macht, wissen wir natürlich nicht). Sobald eine Nachricht verschickt werden soll, werden die Adressdaten entnommen, und schon kann’s los gehen.
Zum Aufbau eines Presseverteilers gibt es nicht den einen richtigen Weg, wie übrigens meistens nicht in der Pressearbeit. Am einfachsten ist es wohl, sich alle Zeitungen der Zielregion (en) vorzunehmen und die Adressen der Redaktionen in die Datenbank zu übernehmen. Wer seine Meldungen auch überregional streuen will, muss natürlich auch die entsprechenden Blätter aufnehmen. Das Gleiche machen Sie mit den Radio- und Fernsehstationen und natürlich auch mit den Internetredaktionen, die Sie erreichen wollen. Vergessen Sie keinesfalls die für Sie relevanten Nachrichtenagenturen (siehe Kapitel 4).
Achten Sie beim Aufbau Ihres Presseverteilers von Anfang an genau auf mögliche Inkompatibilitäten. Wenn Sie beispielsweise eine kirchliche Einrichtung evangelischer Konfession vertreten, ist es vermutlich empfehlenswert, die Katholische Nachrichtenagentur eher auszulassen.
In einen Presseverteiler gehören aber nicht nur streng und sklavisch die Redaktionen der einschlägigen Medien. Nehmen Sie beispielsweise auch wichtige Lokalpolitiker, Verbände und Interessengemeinschaften auf, die von Ihren Informationen erfahren sollen.
Je mehr Sie in Ihre Pressearbeit hineinwachsen, desto mehr Medienvertreter lernen Sie im Laufe der Zeit persönlich kennen. Dabei stellen Sie fest, dass bestimmte Redakteure immer wieder über bestimmte Themen schreiben, sei es aus persönlichem Interesse oder wegen der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Ressort. Oder weil der Chef die arme Seele dazu verdammt hat, Zeit ihres Lebens nur noch über die vom Aussterben bedrohte skandinavische Steinlaus zu berichten. Ein Thema, das aber höchstens einmal im Jahr in einer Fußnote im Lokalteil der Zeitung erscheint.
Persönliche Kontakte sind gerade in der Pressearbeit essenziell. Nehmen Sie daher die für Ihr Nachrichtenspektrum zuständigen Redakteure namentlich in Ihre Datenbank auf.
Freuen Sie sich nicht zu früh: Der Aufbau eines Presseverteilers ist keine Sache von fünf Minuten. Es sei denn, Sie setzen sich für die Rettung der vom Aussterben bedrohten skandinavischen Steinlaus ein. Aus allgemein gut informierten Kreisen weiß ich, dass die Zahl der Redakteure, die sich für dieses Thema interessieren, nicht sehr groß ist.
Lesen Sie Ihre Zeitungen aufmerksam, und tragen Sie die Autoren, die potenzielle Empfänger Ihrer Presseaussendungen sind, regelmäßig in die Datenbank ein. Auch alle anderen Kontakte kommen hinein, also beispielsweise Radio- und Fernsehleute, mit denen Sie zu tun haben, und Redakteure von Nachrichtenagenturen. (Die einzigen Ihrer vielfältigen Kontakte, die Sie nicht eintragen, sind diejenigen zur Unterwelt.)
Die wichtigsten Felder Ihrer Datenbank könnten beispielsweise sein: Zeitung, Anschrift, Telefon, Fax, E-Mail, Internetadresse, Name des Redakteurs, Ressort des Redakteurs. Wenn Sie ein Gedächtnis wie ein Sieb haben (so wie ich), könnte es sich empfehlen, in der Datenbank auch Felder für Freitext zu haben, in denen Sie weitere Informationen über Ihre Kontaktleute notieren, beispielsweise Datum des letzten Kontakts, persönliche Interessen, Redaktionsschluss etc. Weil es überall menschelt, sollten Sie sich vielleicht auch ein paar persönliche Daten über Ihren Gesprächspartner notieren, damit Sie ihn bei passender Gelegenheit darauf ansprechen können. Nutzen Sie die Notizen über Ihre Partner gewinnbringend, um einen guten persönlichen Kontakt aufzubauen. Sollte daraufhin »mehr« daraus werden – Heirat, Kinder, Erbe etc. – so bedenken Sie mich bitte mit einer großzügigen Spende.
Nicht nur der Aufbau eines Presseverteilers ist für Sie »lebenswichtig«, sondern auch dessen Nachhaltung! Durchschnittlich liegt die Änderungsquote von Adressen in Presseverteilern zwischen 10 und 20 Prozent! Lesen Sie mehr dazu unter der nächsten Überschrift.
Eine weitere Möglichkeit, Ihren Verteiler aufzubauen, stellen Adressdatenbanken dar. Inzwischen leben einige Firmen davon, Pressedatenbanken sehr professionell aufzubauen und zu pflegen und dieses Wissen für viel Geld weiterzuverkaufen (siehe Kapitel 37). Auf diesem Wege könnten Sie sich vermutlich die Kontaktdaten aller Journalisten aus einem bestimmten Postleitzahlbereich liefern lassen, die jemals über Kleintierzüchtervereine geschrieben haben. Wahrscheinlich sind sogar alle Redakteure erfasst, die in naher Zukunft etwas zu dem Thema verfassen werden oder erst noch geboren werden.
Diese Pressenachschlagewerke gibt es inzwischen auch auf CD-ROM oder als Abo per Internet /E-Mail. Sie enthalten übrigens auch viele freischaffende Künstler, neudeutsch Freelancer, zu einschlägigen Themen.
Manche käufliche Adressverzeichnisse dürfen nur einmal verwendet werden, selbst wenn sie in elektronischer Form geliefert werden. Achten Sie also peinlich genau auf die Vertragsbedingungen.
Kontaktieren Sie ruhig einmal Ihr lokales Presse- und Informationsamt. Nicht selten werden Sie hier im ersten Anlauf fündig, denn Städte geben gerne Handbücher oder Listen der ansässigen Medien und Verbände heraus. – Fragen kostet jedenfalls nichts. Stellen Sie sich einfach ganz dumm (oder zeigen Sie mit entschuldigendem Lächeln das Cover dieses Buches vor).
Pressearbeiter in AusnahmesituationenBundestagseinzug der GrünenHeinz Suhr war von 1982 bis 1985 Pressesprecher der Grünen. Heute ist er Medienunternehmer und Filmemacher.Am 29. März 1983 fand zum Einzug der Grünen in den Deutschen Bundestag ein Umzug durch die Bonner Innenstadt statt. Dazu wurden Vertreter der internationalen Ökologie-und Friedensbewegung eingeladen, um zusammen mit den Grünen in den Bundestag zu ziehen.Ich war der erste Pressesprecher der Grünen Partei 1982 und auch der erste Pressesprecher der Grünen Fraktion 1983. Nachdem ich von der Fraktion gewählt wurde, zog ich die Pressearbeit sofort an mich. Ich habe die Pressestellen nach dem bayerischen Motto geführt »Anarchie ist schon recht, aber ein starker Anarch muss es sein«. Deshalb kam es vor, dass ich Pressemitteilungen, die unleserlich waren und seitenlange Schilderungen der Weltverbesserung enthielten, in den Papierkorb warf.Ich organisierte zuvor die Wahlkampfpresse für die Bundestagswahl am 6. März 1983, bei der die Grünen die Fünf-Prozent-Hürde übersprangen. Trotzdem betrat ich Neuland. Die Grünen waren ein Segelschiff, das von Winden aus fünf Richtungen angetrieben wurde – den Altkommunisten, den Konservativen, den Ökologen, den Feministinnen und jenen, die versuchten, das Thema Umweltpolitik in die bundesdeutsche und internationale Politik zu bringen.Ich verfüge über eine Medienausbildung, daher war für mich klar, dass die Grünen als junge politische Kraft ohne Geld vor allem kreative Aktionen leisten mussten, um in die Massenmedien – vor allem ins Fernsehen – zu kommen. Ich wusste, dass man dies erreichen konnte, wenn man gute Ideen und schöne Bilder hat. Dementsprechend wurde auch der Einzug der Grünen in den Bundestag inszeniert. Die Umzugstrecke vom Bonner Hauptbahnhof zum Bundestag war ungefähr drei Kilometer lang, die mit Samba-Trommeln und vielen Medienvertretern zurückgelegt wurden. Es gab eine Pferdekutsche mit Trommlern, um einige ältere Herrschaften zu transportieren. Es wurden viele Blumen mit in den Plenarsaal genommen, was ein Sakrileg war.Die Vertreter der etablierten Parteien saßen links und rechts in ihren Anzügen – und dazu kamen jetzt die Grünen. Ein wilder Haufen mit langen Haaren, langen Bärten und Strickpullovern. Das hatte schon eine ganz eigene Atmosphäre. Die Gäste und Unterstützer aus dem Ausland nahmen auf der Tribüne Platz. Unter ihnen befand sich unter anderem der israelische Journalist und Friedensaktivist Uri Avnery. Sie wurden an die Medien vermittelt, um zu berichten, wie man den Einzug der Grünen in den Bundestag im Ausland sah.Es gab damals weltweit eine große Aufmerksamkeit über diesen nicht stilgerechten Einzug der Grünen. Ein richtiger Kulturschock. Wir waren die parlamentarische Vorhut der Ökobewegung. Die grüne Protestpartei war die erste neue Partei, die die Fünf-Prozent-Hürde bezwang. Demzufolge hatten wir alle Hände voll zu tun, einen wilden Hühnerhaufen als neue politische Kraft zu präsentieren.Unsere Arbeit haben wir immer mit Herz und Leidenschaft gemacht. Das Fruchtbarste aus meiner Tätigkeit damals ist, dass Umweltpolitik zu einem wichtigen und aktuellen Thema geworden ist.Erschienen in »Pressesprecher« 4/2008. Protokoll: Katharina Ehrler
Pflege des
Presseverteilers
Ein Presseverteiler ist nur gut, wenn Sie ihn richtig pflegen. Wenn Sie die Pflege vergessen, nutzt Ihnen Ihre Datenbank schon nach kurzer Zeit beinahe nichts mehr. Zeitschriften existieren nicht mehr, andere Publikationen wurden umbenannt, Redakteure versetzt, haben sich selbständig gemacht oder bei der Konkurrenz angeheuert.
Wenn Sie Pressemitteilungen mit dem falschen Adressaten verschicken, ist das in mehrfacher Hinsicht ärgerlich: Ist ein Redakteur beispielsweise nicht mehr da oder die Anschrift stimmt nicht mehr, so landet Ihre Post gleich im Mülleimer. Logischerweise ist die Resonanz auf Ihre Aussendung dann auch entsprechend klein. Außerdem kostet jeder Versand auch Geld, das sich ganz schnell summiert – da kommen Sie bei geringer Durchdringung der Medien schnell in Erklärungsnöte gegenüber Ihren Chefs.
Wenn Sie viel Zeit haben, rufen Sie Ihre Kontaktpartner gelegentlich einfach einmal an, um sich und Ihre Themen in Erinnerung zu bringen – und um auf diesem Wege auch gleich unterschwellig in Erfahrung zu bringen, ob die Kontaktdaten noch stimmen.
Benutzung des
Presseverteilers
Nun liegt also eine mühsam erarbeitete und mit allen möglichen Menschen abgestimmte Pressemitteilung vor Ihnen auf dem Tisch und will hinaus in die weite Welt. Es kostet schon ein wenig Mut, sie auf die Reise zuschicken. Schnief.
Aber geht das denn nun, das Rausschicken? Also, das kommt darauf an. Nämlich welches Medium Sie wählen. Und das hängt davon ab, wie schnell und in welcher Form Ihr Text beim Empfänger ankommen soll.
Einladungen zu Pressekonferenzen verschicke ich beispielsweise – wenn genügend Zeit bleibt – lieber mit der Post Post in Form eines Briefes. Da liegt dann gleich noch ein Fax-Rückantwortformular bei (mehr dazu in Kapitel 11). Habe ich jedoch eine Meldung, die ein aktuelles Ereignis darstellt, so wähle ich den Faxversand. Das Medium E-Mail benutze ich beruflich und privat bei zahlreichen Anlässen, im Bereich der Pressearbeit jedoch beinahe nie zum Versand von Presseinfos o.Ä. Wenn man sich vorstellt, wie viele Mails bei Zeitungs- oder Agenturredaktionen eingehen, und wie leicht sie sich löschen lassen, dann fällt es einfach schwer zu glauben, dass all das am Bildschirm gelesen wird. Ein gedrucktes Papier – aus dem Fax oder aus dem Briefumschlag – hat da einen anderen Stellenwert.
Je nachdem, was Sie verschicken, sollten Sie möglichst jedes Mal aufs Neue einen individuellen Verteiler aus Ihrem Datenbestand generieren. Das kann von Hand geschehen oder automatisch, wenn Sie in Ihrer Datenbank entsprechende Kriterien angelegt haben. Wenig sinnvoll ist es beispielsweise, mehrere Mitarbeiter der gleichen Redaktion zu ein- und derselben Pressekonferenz einzuladen. Wenn überhaupt, so kommt maximal eine(r).
Pressemitteilungen verschicken Sie ohne weiteres Anschreiben. Allerdings kann es sinnvoll sein, den Namen des Ansprechpartners (automatisch) darauf zu drucken.
Einladungen zu Pressekonferenzen oder Veranstaltungen sind eher persönlicher Natur und sollten daher die Form eines Briefes/Anschreibens mit direkter namentlicher Anrede haben.
Achtung: Auch Journalisten sind Menschen. Wahren Sie die Form, auch wenn Sie mit Ihrem Gesprächspartner schon das eine oder andere Bier getrunken haben. Schließlich sollen Ihre Informationen auch ihr Ziel erreichen, wenn der Kontaktmann gerade im Urlaub oder krank ist. Wenn aber auf Ihrem Brief steht »Hallo altes Haus...«, so steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sich Ihre Nachricht im Rundordner wiederfindet.
Wenn Ihre Datenbank mit den gängigen Office-Programmen zusammenarbeitet, sollte sie die Nachrichten direkt von Ihrem Computer per Fax oder E-Mail versenden können. Ansonsten sind doppelte Arbeitsschritte notwendig. Ein Stand-alone (armer Einzelgänger!) Faxgerät mit
Gruppenwahl ist zwar eine feine Sache, aber leichter und schneller geht es vermutlich, wenn der Faxversand direkt aus der Datenbank auf dem PC erfolgen kann. Und Sie sparen sich die Doppelpflege in PC und Faxgerät.
Fast hätte ich’s vergessen
...
Fast täglich finde ich in meinem E-Mail-Posteingang interessante Angebote für alle möglichen Dienstleistungen, darunter auch die garantiert aktuellen und brandheißen Adressen aller Zeitungsredaktionen weltweit. Ich habe diese Angebote bislang nicht getestet, aber mich beschleicht das Gefühl, dass sie nicht ganz seriös sind. Wenn Sie dazu nähere Erkenntnisse haben, freue ich mich auf Ihre Nachricht.