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Lucky Star
Wie sich herausstellt, ist die Dinnerparty einfach nur ge nial, und Billy und Soz sind so nett, wie es überhaupt nur geht. Sie verlegen das Ganze etwas vor, damit Tante Grace mich bringen und abholen kann, ohne dass irgendwer allzu viel Schlaf verpasst. Sie wohnen in Earl’s Court, nicht allzu weit weg von Queen’s Park, wie sie sagen, aber Tante Grace braucht trotzdem eine Dreiviertelstunde voller Fluchen und Lichthupen durch stockenden Schritttempoverkehr, um zu ihnen zu kommen. Außerdem ist sie total misstrauisch und muss erst ein ellenlanges Telefonat mit Billy führen, während dem sie ihm die gesamte Tränendrüsengeschichte über mich und meinen sterbenden Vater und meine geisteskranke Freundin erzählt und dass sie zurzeit effektiv meine Mam ist und sie, wenn ich nach Hause komme, sie nichts davon hören will, dass man mir auch nur ein Haar gekrümmt hat, beziehungsweise, korrigiert sie sich, würde sie sofort davon hören, so oder so, und dann wäre die Kacke am Dampfen. Billy am anderen Ende klingt, als wäre er megacharmant, witzig und frech zu Tante Grace, und sagt ihr, sie hat ja eine fürchterliche Fantasie und dass Jungs wie er und Soz brav wie die Engelein sind und für sie normalerweise nichts aufregender ist als ein leckerer Snack und ein paar kurze Tanzeinlagen zu Madonna.
Billy beendet das Gespräch supersouverän, indem er den Spieß einfach umdreht und sich nach Tante Grace erkundigt und sie ewig lange über Grace’s Angels plaudern. Und es klingt so, als würde er ihr sagen, dass sie die beste Geschäftsfrau der Welt ist, wenn man bedenkt, wo sie herkommt, und trotzdem hat sie es geschafft, ein Arbeitsagenturenimperium rund um sich aufzubauen. Tante Grace sagt, dass es nicht leicht war, und erzählt, wie sie sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf gezogen hat, und während sie das alles erzählt, fuchtelt sie viel mit dem Zeigefinger herum. Letztendlich setzt sie sich fest entschlossen auf den Küchenstuhl und lächelt still vor sich hin und sieht aus wie eine Frau, die endlich einen monumentalen Preis für ihr Lebenswerk bekommen hat, als hätte sie Kriegsweisen aufgezogen oder jemanden mit einer tödlichen Krankheit gepflegt.
Trotzdem stopft Tante Grace mir etwa zehn Zettel mit ihrer Telefonnummer drauf in meine sämtlichen Taschen und flüstert mir zu, als ich direkt vor der Wohnung aus dem Auto steige, dass ich unbedingt dran denken soll, jedes Mal die Tür zu verriegeln, wenn ich aufs Klo gehe. Ich sage ihr, sie soll nicht rumspinnen, aber sie sagt, dass sie seit Jahren mit so Typen verkehrt und weiß, wie die drauf sind, und dass ich drei Stunden habe, höchstens, und wenn ich um elf nicht zurück unten auf der Straße bin, kommt sie rauf und holt mich.
Das Abendessen an sich ist, wie schon gesagt, absolute Spitzenklasse. Und Soz ist nicht nur ein schwuler Buchhalter mit Action-Man-Stoppeln, sondern obendrein auch noch ein fabelhafter Koch. Es gibt Lammkoteletts mit kleinen Papierkochmützen drauf und als Nachtisch selbst gemachte Schoko-Brownies. Und ich bin auch nicht der einzige Gast. Billy und Soz haben zwei ihrer besten Freunde eingeladen, Roger und Jamie, mit denen wir, wie Billy voraussagt, einen Abend voller fantabulosa Speisen teilen werden! Sofort sagt Roger ihm, dass er ein schlimmer Junge ist, wenn er so was sagt, und dann sieht er mich etwas fragend an und fragt Billy in der uralten Schwulensprache, ob ich ein omi-palone bin. Billy verdreht die Augen und sagt, Roger hat immer nur das eine im Sinn, während Soz hinter mich gleitet und sagt, ich soll Roger einfach ignorieren und dass ihm vermutlich all diese schwitzenden Männer mit ihren riesigen Schlägern und Bällen den Kopf verdreht haben.
Wie ich später herausfinde, ist das ein Witz über Baseball. Weil Roger ist nämlich Amerikaner, und er und Jamie haben den ganzen Tag in einer Londoner Wochenend-Amateurliga Baseball gespielt, die von einem Haufen Arbeitertypen organisiert wird, die hauptsächlich Amerikaner sind und Expats genannt werden, zusammen mit ein paar Deutschen und sogar Japanern, alle vereint in ihrer Liebe zum Baseball. Und obwohl Roger mindestens fünfzig ist, steht er total auf gewinnen und sagt beim Baseball-Sonntagsspiel niemandem, dass Jamie sein Freund ist, damit es die anderen nicht davon ablenkt, was in der Strike-Zone, also am Abschlag, passiert.
Roger ist garantiert der Älteste im Raum und hat zum Beweis ein faltiges Gesicht und einen glatzigen Kopf. Aber gleichzeitig ist er auch der Gesprächigste und ein noch besserer Geschichtenerzähler als Billy. Roger sitzt am Kopfende des Tisches und erzählt immer und immer weiter, mir und der gesamten Gruppe am Tisch, wie er Jamie kennengelernt hat, der ein winzig kleiner Typ aus Italien ist und nicht gut Englisch spricht, sich aber trotzdem am besten von allen zu amüsieren scheint, weil er gar nicht aufhören kann zu lachen. Roger, der früher einen ziemlich wichtigen Job hatte, in dem es ausschließlich um Import und Export ging, war letztes Jahr auf Geschäftsreise in Rom, als er Jamie sah, der ein hartes Straßenleben führte und unten an der Piazza Cavour für ein bisschen Geld Schwerter schluckte. An dieser Stelle sagt er: Bitte keine Witze, Ladys! Aber außer Jamie lacht niemand, dafür kann der schon nicht mehr vor Lachen. Roger erzählt die ganze lange Geschichte darüber zu Ende, wie er Jamie von der Straße aufgelesen und ihn gewaschen hat und ihn von den Drogen wegbekommen und für ein neues Leben in London in Form gebracht hat, an seiner Seite. Und dann, ganz am Ende, bricht er selber in Gelächter aus und sagt, dass das Ganze nur ein Witz war und dass er Jamie in der Bar vom Hilton auf der Park Lane kennengelernt hat, weil sie beide auf derselben Konferenz waren. An dieser Stelle lacht Jamie noch lauter als vorher und sagt, während er nach Luft schnappt, immer und immer wieder: Selbe Konferenz! Hahahahaaaaa! Selbe Konferenz!
Wir trinken auch Wein, für mich eine Premiere. Ich habe schon Wein getrunken, als Teil der Plörre, die man sich am Ende von Partys zusammen mit Wodka und Gin aus den Getränkeresten in den Gläsern zusammenkippt und die einen zwar zum Würgen bringt, aber auch so weit aufweckt, dass man zum Tanzteil der Party durchhält. Aber das hier ist anders. Das hier ist ein volles Glas Rotwein, rubinrot, das direkt vor mir steht, wie eine lebendige Person, in einem Weinglas, ohne Eile, und ich muss nicht alles auf einmal runterkippen, weil mich jemand dabei sehen und meiner Mam sagen könnte, dass ich Schande über die Familie bringe. Im Grunde ist es hier das genaue Gegenteil davon, weil wenn ich hier einmal am Glas genippt habe, kommt Soz sofort an meine Seite gefegt und macht das Glas wieder randvoll.
Ich verliere sofort den Überblick darüber, wie oft ich schon genippt habe, aber ich weiß, dass der Abend gut läuft, weil Roger irgendwann alle um ihre Aufmerksamkeit bittet, mich seinen keltischen Kumpel nennt und mich darum bittet, ihm meine Geschichte zu erzählen. Ich habe den ganzen Abend wie das Fleisch im Sandwich zwischen Roger und Jamie gesessen. Damit sie, wie Billy sagt, nicht den ganzen Abend miteinander tratschen wie ein paar benebelte riah shushers, aber hauptsächlich habe ich Roger dabei zugehört, wie er mir von allem und jedem erzählt, das irgendwie mit seinem Leben zu tun hat. Er hat mit den leichten Sachen angefangen, mit Baseball und den ganzen Kunstgalerien, in die er Jamie in den letzten zwölf Monaten mitgenommen hat, und dass er diesen kleinen italienischen Wilden mit der englischen Kultiviertheit und der amerikanischen Sportlichkeit vertraut machen wollte. Woraufhin Jamie seinen Kopf um mich herumbog und Roger schön feste gegen die Schulter boxte und wieder in schallendes Gelächter ausbrach und sagte: Kleiner Wilder! Hihihiiii! Kleiner Wilder!
Als die Schoko-Brownies serviert werden, ist Roger jedoch ganz ernst. Er erzählt mir über seinen Arschloch-Vater und seine Kindheit im Staat New York und davon, dass es zwei Sorten Schwule auf dieser Welt gibt – solche, die schon schwul auf die Welt kommen, und solche, die von jemand anders schwul gemacht werden, als wären sie ein Vampir oder ein Jedi-Ritter in Star Wars. Dieser »jemand«, der ihn auf die schwule Seite gezogen hat, war zufälligerweise sein Arschloch-Vater. Ein Arschloch-Vergewaltiger, der jede einzelne Nacht seiner Kindheit zerstört hat, bis er einen Weg gefunden hat, sich zu befreien, als er gerade mal ein Teenager war, und für immer in die offenen Arme der Big City zu entkommen. Genau wie du, sagt er und zwinkert mir zu.
Mittlerweile habe ich eimerweise Wein intus, sodass ich ihm sage, dass ich selbst nicht schwul bin, aber dass ich drüben in Dublin einen Schwulen kenne. Sofort korrigiere ich mich selbst und sage, Eigentlich ist er eher ein Vergewaltiger als ein Schwuler. Ein bisschen wie dein Dad, nehme ich an. Für einen Augenblick sieht Roger total verletzt aus, als wäre es für ihn okay, fiese Dinge über seinen Dad zu sagen, aber nicht für jemanden wie mich. Er fährt langsam mit seiner Hand über seinen glatten Glatzkopf und schnappt sich dann sofort sein Glas und klimpert mit einer Gabel dagegen und bittet mich vor allen, dem Tisch meine Geschichte zu erzählen.
Dadurch wird die Atmosphäre irgendwie komisch, und Billy sagt Roger sofort, er solle mich in Ruhe lassen. Soz keift Billy an, er soll nicht so eine Glucke sein, und schlägt sich auf Rogers Seite und sagt, er will meine Geschichte auch hören. Das Ganze hat sofortige Auswirkungen auf mich, als hätte mich plötzlich jemand umgedreht und den ganzen Rotwein aus mir herausgeschüttelt, und ich bin wieder nüchtern. Als ich merke, dass ich aus dieser Nummer nicht mehr rauskomme, brauche ich zwar eine Ewigkeit, aber schließlich würge ich die Worte aus mir heraus. Also, ich komme aus Dublin. Der Satz sorgt für eine Riesenrunde Applaus und Anfeuern, und Roger tut so, als würde er vor lauter Aufregung über diese spektakuläre Info rückwärts vom Stuhl fliegen. Und, sage ich nach einer weiteren Ewigkeit, in der ich mich an ein Detail erinnere, das mir nie so ganz aus dem Kopf geht, ich habe eine Freundin, und der geht es nicht gut. Hierbei rufen alle Buuuh! und werfen mit zusammengeknüllten Servietten auf mich. Und Soz sagt: Blödsinn! Erzähl uns deine richtige Geschichte!
Ich werfe einen Blick über Billys Schulter und denke darüber nach zu türmen, aber die Reste des Rotweins oder etwas von der Güte in Billys Augen machen mich wieder zu mir selbst. In mir drin sage ich, scheiß drauf, und denke an die Beichte zu Hause und dass Mam sagt, die Beichte ist am besten, wenn man den Pfarrer nicht so genau kennt, und dass Maisie O’Mally durch halb Dublin fährt, um irgendeine abgelegene Kirche irgendwo am Arsch der Welt und einen Pfarrer aufzutreiben, dem sie nur ein einziges Mal im Leben einen Besuch abstatten würde, für den Fall, dass sie mal was wirklich Übles zu beichten hat. Also werfe ich einen Blick in die Runde, und ich weiß, dass die Jungs von genau diesen Dingen Ahnung haben, und obwohl ich schon beim Gedanken daran verrückt vor Angst werde, schließe ich die Augen, weil ich nicht weiß, wie das hier enden wird, hole tief Luft und lege los.
Also, zu Hause gab es diesen Pfarrer. Alle jubeln. Soz sagt, Na also! Und Roger lehnt sich ganz weit nach vorne. Ich sage, dass dieser Pfarrer mir mal ein schmutziges Buch gegeben hat, dann höre ich auf. Mein Bein zuckt wieder, total schnell. Ich spüre, wie die Energie in mir hochkocht. Ich muss meine Lippen ganz fest aufeinanderpressen, weil sonst fang ich an, in Zungen zu sprechen, ohne Scheiß. Und das Buch, sage ich. Und mein Dad, sage ich. Und der Campingtrip. Und Saidhbh. Und Saidhbh.
Mir bricht plötzlich der Schweiß aus, und das sind die einzigen Worte, die ich herausbekomme. Kurzes, scharfes Bellen. Ich muss meine gesamte Kraft aufbringen, um meinen Kiefer stocksteif zu halten, weil ich nicht will, dass die anderen denken, ich bin geisteskrank. Ich habe keine Ahnung, was für unverständliches Zeug aus mir herausquellen würde, wenn ich loslasse. Und für einen Moment erstarre ich, mein Mund friert zu einem irren Grinsen ein, und meine panischen Augen starren in vier zunehmend verwirrte Gesichter.
Deano sagt, Energiekontrolle ist alles. Er sagt, wenn er eine Sache von der Schule der Astralwissenschaften gelernt hat, dann dass wir alle energetische Wesen sind, die andauernd Energie vom Erdkern aufnehmen, und wenn wir innerlich blockiert sind oder sie nicht rauslassen, dann baut sich in uns energetischer Druck auf wie bei einem menschlichen Schnellkochtopf, der bei richtiger Anwendung monumentale Kräfte entwickeln kann. Und wenn wir nicht alles aus uns rausexplodieren lassen, richten wir die Kräfte am Ende gegen unser eigenes Körperinneres und machen uns dadurch selbst Krebs oder andere tödliche Krankheiten. Ich frage mich, ob genau das bei Dad passiert ist. Hat er sich durch sein Leben, in dem er nur Büromöbel verkauft und für sechs Kinder bezahlt hat, selbst blockiert, weil er eigentlich nur mit Mam rumhängen und Witze übers Stillen erzählen wollte? Oder hat er einfach Krebs bekommen?
Ist ja auch egal, Roger und die Jungs sind jedenfalls von meiner blöden Story und dem plötzlichen Stottern wenig beeindruckt. Soz schiebt langsam den Stuhl nach hinten und springt auf. Er ist zurück im Grantiger-Kerl-Modus und sagt, dass er genug von dem Mist hat, und reißt sich sein Shirt runter. O ja, sagt er und strahlt die anderen an, die Zeit ist reif! Jamie springt auch auf und ruft aufgeregt Juhuuu, als Roger seinen Gürtel aufmacht und seine Hose auf den Boden fallen lässt, sodass eine blaue Baseballhose zum Vorschein kommt. Zeit für Urlaub!, sagt er und starrt rüber zu Billy, der mich ansieht und entschuldigend mit den Schultern zuckt. Soz duckt sich unter den Tisch und fummelt an der Stereoanlage herum. Das Knacken der Lautsprecher sagt mir, dass er die Lautstärke voll aufgedreht hat, zu unserem Vergnügen und dem von ganz Earl’s Court.
Sie lassen mich einfach links liegen, und alle vier Männer marschieren in die Mitte des Wohnzimmers, das auch gleichzeitig Esszimmer, Fernsehzimmer und Küche ist, weil das Zimmer gleichzeitig die ganze Wohnung ist, also gehen sie auf den Teil vom Teppich, der am weitesten von der Couch und dem Tisch weg ist. Die Deckenlampe geht aus, und Billy knipst eine Nebenleuchte mit roter Glühbirne an, sodass das Zimmer total cool und discomäßig aussieht. Plötzlich heult Madonna auf. Sie singt »Holiday«. Die Männer tanzen. Total professionell, wie bei Top of the Pops. Ich gucke eine Ewigkeit lang zu, während »Dress You Up« und »Into the Groove« laufen, ohne mich von der Stelle zu bewegen. Ich gucke nur zu und lächle und bin erleichtert darüber, dass wir nicht mehr unsere Geschichte erzählen. Als »Borderline« kommt, stehe ich auf und geselle mich mit zu ihnen auf die Tanzfläche. Ich mache ein paar ihrer Moves nach, aber hauptsächlich haue ich meine eigenen Spezialschritte raus, aus den guten alten Schlafzimmertagen mit Gary. Das kommt gut an, und ich bekomme viele Wuhuuus, und einmal bilden sie sogar einen Kreis um mich, während ich in der Teppichmitte zugange bin. Ich schauspielere sogar ein bisschen, und als Madonna singt, das hier wäre die Borderline und dass es sich so anfühlt, als würde sie den Verstand verlieren, lege ich mir die Hände an die Schläfen und tue so, als würde ich mir die Haare ausrupfen. Die langsameren Passagen des Songs peppe ich ein bisschen auf, indem ich ein paar High Kicks mache wie Madonna im Video.
Bei »Lucky Star« teilen wir uns in Gruppen auf. Ich und Billy tanzen einander gegenüber, während Soz, Roger und Jamie sich zu einem Tanzdreieck formieren. Ich und Billy halten auch Händchen, einfach aus Scherz, wie Tanten und Onkel auf Partys mit den Kindern, oder als wäre er der Disco-King-Instructor und würde mir zeigen, was ich mit meinen Armen machen soll, wann man ziehen muss und wann drücken, und wann man sie in riesigen, gegenläufigen Kreisen schwenkt. Und während all das vor sich geht, während Madonna singt, dass sie den allerersten Stern sieht, der alles gut macht, lehnt sich Billy ganz nah zu mir an mein Ohr, während er weiterhin tanzt und hüpft und meine Hände hin und her schlenkert, und ruft so laut er kann, wie man es in einer echten Disco macht: Also dieser Pfarrer, ne?! Der hat dich befummelt?!
Ich höre auch nicht auf zu hüpfen, aber ich nicke wie verrückt, sicherheitshalber weiter im Rhythmus zu »Lucky Star«. Das ist meine Art zu sagen, ja Mann, ja, bei Gott ja, aber mit der Kraft des Disco-Nickens statt mit Worten. Mehr fragt Billy nicht. Er schüttelt nur den Kopf, von links nach rechts, auch im Rhythmus, und kneift wütend die Augen zusammen und formt mit den Lippen das Wort: Wichser. Wir tanzen still, bis der Song vorbei ist, dann kommt »Burning Up«. Billy drückt ganz fest meine Hand, gefolgt von einem ganz weit ausholenden Armschwingen nach links und nach rechts, und dann dreht er mich zur Seite, geradewegs in Soz’, Rogers und Jamies Tanzdreieck, in dem ich für den Rest des Rumhüpfens bleibe.
Tante Grace macht dem Spaß um halb zwölf mit heftigem Trommeln gegen Billys Wohnungstür ein Ende und sieht ordentlich wütend aus, als sie schließlich reinkommt. Sie funkelt mich an, weil sie wegen mir so spät ins Bett kommt, aber Billy ist wieder ganz zauberhaft, und nach einem kleinen Gläschen Rotwein inklusive Pläuschchen über die Höhen und Tiefen der Arbeitsvermittlung ist alles vergeben und vergessen. Auf dem Rückweg im Auto sagt sie mir, dass Billy ein toller Typ ist und einer der coolsten Schwulen der Stadt. Sie sagt auch, dass sie weiß, dass ich jede Menge Alkohol getrunken habe, wenn sie richtig riecht. Sie sagt, dass sie kein Problem damit hat, aber dass ich besser noch ganz viel Wasser trinke und mich vor morgen früh ordentlich durchspüle. Wir wollen ja nicht, dass deine Schwingungen darunter leiden, sagt sie halb aus Spaß mehr zu sich selbst.
Das ist wieder ein Vorteil, wenn man bei Border Town arbeitet. Ich habe jede Menge Zeit, meine Heilkräfte zu schulen.