17

Georgia ging um das Haus herum nach hinten.

»Georgia.« Ein Flüstern aus dem Kamelienbusch bei der hinteren Veranda.

»Bill?«

»Sschh …«

»Ach, komm schon raus. Sie sind weg«, sagte sie. »Hast du dich die ganze Zeit hier versteckt? Während deine dummen Jungs meine Mutter und – diesen Jungen verhaftet haben?«

Als sie hörte, wie die Zweige raschelten, als er versuchte, den Weg aus dem Busch heraus zu finden, begriff Georgia, dass sie von Idioten umgeben war. Ihr säuberlich zusammengenähtes Leben zeigte deutliche Risse.

Sie warf einen Blick in die Durchfahrt. Der braune Chevrolet des Sheriffs war verschwunden.

Die Zweige teilten sich, und schon wieder zerriss eine ganze Naht in ihrem Leben. Denn wer da aus dem Kamelienbusch trat, war nicht Sheriff Bill, sondern Reverend Brent Colgate.

Strahlend schön und sonnenbraun in einer frisch gebügelten Khakihose und einem burgunderroten Polohemd sah er aus, als wäre er soeben einer Anzeige in der Sonntagsbeilage entstiegen.

Gott, ist er hinreißend, war Georgias erster Gedanke. Vielleicht sagte sie es auch laut. Wenn sie später daran zurückdachte, wusste sie es nicht mehr so genau.

»Ja, hallo, Miss Georgia!«, begrüßte er sie, als hätten sie sich soeben auf der Straße getroffen.

»Junge Junge«, sagte Georgia. »Sie haben’s wirklich raus, irgendwo unverhofft aufzukreuzen.«

Er lächelte. »Ja, nicht wahr?«

»In den ungünstigsten Augenblicken«, sagte sie. »Was machen Sie in meinen Büschen? Spionieren Sie mir nach?«

»Ich spioniere nicht«, antwortete er, »ich habe gewartet.«

»Worauf?«

»Darauf, dass Sie mit der Polizei fertig sind. Damit wir miteinander reden können.«

Wie konnten seine Zähne hier im Dunkeln neben dem Haus so weiß sein? Das Licht der Straßenbeleuchtung fiel genau im richtigen Winkel zwischen den Zweigen hindurch, um sein Lächeln zum Blitzen zu bringen.

»Aber es ist, als ob Sie mir folgten«, sagte Georgia.

»Wirklich?«, fragte Brent. »Und wenn das so wäre?«

»Dann würde ich wissen wollen, warum.«

»Nun, Sie faszinieren mich«, sagte Brent. »Sie sind die interessanteste Person in dieser Stadt.«

»Es ist eine Kleinstadt.«

Manchmal ist das Leben wie ein Kind, das sich von hinten heranschleicht und plötzlich so laut schreit, dass einem das Herz stehen bleibt.

Aber hier war es anders: Etwas Neues kündigte sich an wie mit Glockengeläut, genau hier in Georgias Garten neben dem Haus.

Als Brent aus dem Busch hervorgekommen war, schwebte sie im nächsten Moment in die Höhe, höher und immer höher, bis sie ihre Zukunft vor sich sehen konnte: zuerst den leidenschaftlichen Kuss, das Zueinanderfinden, dann den wochen-, monate-, jahrelangen heimlichen Sex, gefolgt von der schwierigen Periode, in der er sich aus seiner Ehe löst, und der Woge des Glücks, als er endlich frei ist, und dann … eine stille kleine Hochzeit in Biloxi oder in Vegas, oder – hey, warum nicht in New Orleans?

Und dann – Achtung, Welt! – ist Georgia Bottoms das, was man zuallerletzt erwartet hätte: die Frau eines Pastors und ganz und gar glücklich!

Gott sei Dank, dass sie all die Jahre hindurch immer zur Kirche gegangen war.

Sie könnte ihm sogar Kinder gebären; zu alt war sie noch nicht, auch wenn die Uhr schon ziemlich laut tickte. Wunderschöne blonde Kinder könnte sie ihm schenken. Und das würde sie auch tun. Sie würde sie großziehen, ihm den Haushalt führen, sein Abendbrot zubereiten, wenn der Tag zu Ende ginge. Georgia hatte ihr Leben lang auf Frauen hinabgeschaut, die keinen größeren Ehrgeiz hatten – und jetzt wusste sie zum ersten Mal, dass sie so etwas auch tun konnte. Nein, wollte.

Sie könnte das Leben aufgeben, das sie sich aufgebaut hatte. Die Klienten. Die Unabhängigkeit. Das leicht verdiente Geld.

Mit Freuden. Den ganzen Quark. Für ihn.

Wenn Brent Colgate sie nur lieben wollte, wenn er sich zutiefst in sie verlieben und schwören wollte: bis dass der Tod uns scheidet.

Als sie so hoch über sich schwebte und die Landkarte ihres Glücks sah, die sich in die Zukunft erstreckte, begriff Georgia zugleich, dass sie das große Haus an diesem Abend zum ersten Mal seit Jahren für sich allein hatte.

Mama saß hinter Gittern. Nathan ebenfalls. Es war nicht damit zu rechnen, dass sie lange dableiben würden, aber jetzt waren sie dort. Sie dachte an den alten Elvis-Song: It’s Now or Never …

So standen Georgia und Brent im Garten neben dem Haus wie zwei Magnete, dicht aneinandergerückt: Keiner von ihnen rührte sich wirklich, aber plötzlich gerieten sie unversehens beide in Bewegung, und sie konnten der Anziehungskraft zweier Körper im Raum nicht mehr widerstehen.

Brent packte sie.

Georgia fiel ihm in die Arme.

Er küsste sie.

Oh, das war gut.