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Der Mann war früh, noch vor der Dämmerung, aufgestanden, er war ganz ruhig und trotzdem passte es ihm nicht, dass auf einmal so viel Aufregung im Dorf war. Das gestern ging daneben, trotzdem war es ein Erfolg, er hatte den reißenden Wächter besiegt. Es war ein harter, aber fairer Kampf gewesen. Er schaute auf seine zerkratzten Hände. Die Revanche gegen den Wächter war geglückt. Auge um Auge, Zahn um Zahn.
Der andere Kampf würde kein Kampf sein, nur Kampf im übergeordneten Sinne. Er dachte an das schwere gusseiserne Kreuz, das im Holzschopf auf ihn wartete. Er konnte es förmlich in seiner rechten Hand spüren, das kalte Metall. So wie er es schon einmal erfolgreich gespürt hatte.
Wie leicht es ins Auge eingedrungen ist, das komische Geräusch, das es dabei machte. Erst ganz am Schluss brauchte er den Hammer. Der krachende Laut, als die Spitze des Kreuzes den hinteren Teil des Schädels durchbrach. Aber dann steckte es auch gut. Nur der Transport, der war beschwerlich …
Schnell ging er zum kleinen Holzkreuz an der Wand, verbeugte sich, nahm den kleinen Thujazweig aus dem Weihwasserkessel, spritzte dreimal gegen den Heiland aus Holz und betete:
»Oh Herr, ich habe gesündigt,
habe große, übergroße Schuld auf mich geladen,
ich habe gesündigt in Worten und in Taten,
mea culpa, mea maxima culpa,
und du, oh Herr, du Drecksack hast mich bestraft.
Für was, Heilandzack, … war ich nicht immer dein from-
mer Diener?«
Er nahm das muschelförmige Weihwasserschälchen aus seiner runden Messinghalterung, blickte in das hölzerne Gesicht des Gekreuzigten und schüttete das Wasser ins unbewegte Gesicht des Holzheilands. Er wischte sich schreckhaft über den Mund und spritzte sich den Rest des Wassers mit hektischen Bewegungen ins Gesicht und bekreuzigte sich.
Ich muss es bald zu Ende bringen, dann ist die kleine Seele frei. Wenn nur nicht die Polizei überall herumschnüffeln würde – nur wegen des Drecksköters. Der Höllenhund, der Gräber. Ich muss warten, aber nicht zu lange.
Routiniert bekreuzigte er sich ein weiteres Mal, machte eine knappe Verbeugung vor dem Toten aus Holz und ging in den Holzschopf. Er nahm das schwere gusseiserne Kreuz aus einer Bundeswehr-Wolldecke, spannte es in den massigen Schraubstock und steckte den Winkelschleifer in die Steckdose. Dann arbeitete er, bis das untere Kreuzende eine glänzende Spitze hatte. Er goss einen Schluck Mineralwasser über die heiße Spitze. Mit dem linken Zeigefinger tippte er kräftig dagegen. Ein dunkler Tropfen bildete sich auf der Spitze des schmutzigen Fingers.
Er lächelte.