08

ACHT

Teris Tag nahm eine Wende, nachdem sie mit Lucky gesprochen hatte. Zwar behob sich nicht alles von selbst, aber ihr Pech wurde weniger. Und ein Teil dieses Pechs wandelte sich zum Guten. Der Techniker, den man geschickt hatte, um sich ihren Computer anzusehen, sagte, er sei hinüber und werde ersetzt. Dieser veraltete Computer war immer launisch gewesen. Sie hatte weit unten auf der Austauschliste gestanden, aber jetzt sah die Geschäftsleitung keine andere Möglichkeit mehr, als sie nach oben zu setzen.

Einer ihrer Bosse (sie hatte mehrere) bemerkte ihre ungepflegte Erscheinung, als sie gemeinsam im Aufzug fuhren. Als Teri das ganze Unglück erzählte, das in letzter Zeit über sie gekommen war, kicherten sie gemeinsam darüber. Es war nicht viel, aber immerhin ein erster Schritt, die Chance, einen Eindruck zu hinterlassen.

Ständig fand sie Kleingeld auf dem Boden, unter Schreibtischen, in Schubladen. Pennys und Nickel, Quarter und Dimes, sogar mehrere Silberdollar. Am Ende des Tages klimperten Münzen im Wert von zwanzig Dollar in ihren Taschen.

Eine goldene Frau näherte sich gegen Feierabend Teris Schreibtisch.

»Ms Teri Robinson?«

Ein genauerer Blick enthüllte, dass die Frau nicht nur goldfarben war. Sie schien tatsächlich aus dem wertvollen Metall zu bestehen. Ihre Haut, ihre Haare, die Augen und sogar die Kleider – alles schimmerte.

»Ja, das bin ich«, sagte Teri.

»Hallo, ich bin Veronika, Ihre persönliche Kundenbetreuerin bei Hephaestus Motors. Veronika mit k

Ein Handschlag bestätigte es: Veronikas Hand war glatt und kühl wie poliertes Metall.

»Ihr Wagen ist fertig, Ms Robinson. Sollen wir ihn uns ansehen?«

»Jetzt schon?«

Veronikas schönes Gesicht blieb distanziert, beinahe unergründlich, doch sie hob eine filigran geformte Augenbraue. »Ja.«

»Was ist mit dem Achsbruch? Im Laden sagten sie, die Reparatur werde mindestens eine Woche dauern.«

»Vielleicht für sterbliche Mechaniker«, sagte Veronika. »Sollen wir Ihr Auto inspizieren, um zu sehen, ob es Ihre Zustimmung findet?«

Teri folgte Veronika. Teris nackter Arm strich an einem goldenen Ärmel entlang. Der metallene »Stoff« war zwar kalt, dabei aber weich und geschmeidig. Teri hätte gern Veronikas Haare angefasst, das erschien ihr jedoch ein bisschen vermessen.

Das Coupé war vor dem Gebäude geparkt. Es war Teris Wagen, allerdings poliert und gewachst. Es sah nicht brandneu aus, kam dem aber ziemlich nahe.

Veronika sagte: »Neben der Achse haben wir uns die Freiheit genommen, ein paar grundlegende Wartungsarbeiten vorzunehmen. Tunen, Ölwechsel, Zündkerzen, und weil wir schon dabei waren, haben wir noch einige Verbesserungen vorgenommen. Das übliche Basispaket. Ich bin mir sicher, Sie werden mit den Ergebnissen sehr zufrieden sein. Normalerweise arbeiten wir nicht an Automobilen mit so viel … Charakter.« Veronika runzelte die Stirn. »Jemand muss einen großen Gefallen abgerufen haben.«

»Lucky?«

»In der Tat, Sie haben Glück. Für einen Service wie diesen haben Sterbliche früher ganze Viehherden geopfert.«

»Nein, ich meinte Lucky. Mein Gott Lucky.«

Veronika warf einen Blick auf ihr Auftragsformular. »Steht hier nicht.« Sie ging zum Wagen und ließ Teri ihn sich ansehen. »Wir haben getan, was wir konnten, um den Kraftstoffverbrauch auf tausend Meilen pro Gallone zu senken.«

»Tausend?«

»Ja, schrecklich, ich weiß, aber mehr konnten wir mit unseren Mitteln nun einmal nicht tun. Außerdem haben wir das Chassis mit einer qualitativ hochwertigen, diamantharten Lasur versehen, um sie gegen zukünftige Kratzer, Dellen und Schmutz zu schützen. Die Reifen sind eine ganz neu entwickelte Form organischen Gummis. Fast stichsicher und selbstreparierend, solange Sie daran denken, sie regelmäßig zu wässern und ihnen ein paar Stunden Sonnenlicht pro Woche zu gönnen.«

»Ich parke in der Garage«, sagte Teri.

»Wenn ich Ihnen dann den Kauf einer Höhensonne vorschlagen dürfte.«

Die Wagentür schwang von allein auf, und Veronika trat zur Seite, damit Teri einsteigen konnte. Der Sitz war warm und weich.

»Echtes Greifenlederimitat«, sagte Veronika. »Zum Schluss und ohne Aufpreis haben wir noch einen Navigationszauber dazugegeben.« Sie deutete auf die durchsichtige Phiole mit grüner Flüssigkeit, die am Rückspiegel hing. Ein großer gelber Augapfel schwamm darin, und als Teri das Auge ansah, blickte es zurück.

Veronika knallte ein Klemmbrett vor Teri hin. »Wenn Sie bitte einfach hier unterschreiben würden, Ms Robinson, dann gehört der Wagen ganz Ihnen.«

»Und das war’s?«, fragte Teri noch einmal, nur um sicherzugehen. »Das ist alles absolut kostenlos?«

Veronika ließ ein gönnerhaftes Lächeln aufblitzen. »Ja, Ms Robinson.«

Teri unterschrieb. Veronika wuchs ein Paar Flügel aus purem Platin. Obwohl sie nicht flatterten, erhob sich die goldene Frau in die Luft.

Die Tür ging zu und verriegelte sich, während der Motor von selbst startete.

Das große Auge wippte und starrte sie an.

Veronika stieg zur Erde herab. Sie tippte mit einem schlanken Finger an die Scheibe, und das Fenster fuhr herunter.

»Das hätte ich fast vergessen: Wenn Sie Fragen oder Beschwerden haben, zögern Sie nicht, mich anzurufen, Tag und Nacht.« Veronika reichte Teri eine Visitenkarte. Sie war ebenfalls goldfarben, wenn auch aus Papier. »Wir haben noch ein zusätzliches Jahr Pannenhilfe mit hineingenommen, Sie werden also das hier brauchen.« Sie gab Teri einen kleinen Samtbeutel, der nach Minze roch. »Verbrennen Sie, wenn nötig, einfach ein oder zwei Blätter.«

»Danke.« Teri probierte die Tür aus, doch sie ließ sich nicht öffnen. »Nicht, dass ich mich beschweren will, aber wie komme ich hier wieder raus?«

Veronika griff ins Auto und schnippte das Auge an. »Benimm dich!«

Die Türen entsperrten sich.

»Ich fürchte, der Navigationszauber kann manchmal eine Spur übereifrig werden. Seien Sie einfach streng mit ihm.«

Veronika verschwand in den Wolken.

Teri legte die Hände ans Lenkrad. Der Wagen reagierte, indem er den Sitz nach hinten rückte, sodass sie kaum noch an die Pedale kam. Sie versuchte, es zu korrigieren, aber der Sitz rührte sich nicht.

Das Auge starrte sie an.

»Komm schon! Ich hatte einen langen Tag und will einfach nur nach Hause.« Sie tippte gegen die Phiole, aber nicht zu fest. »Bitte?«

Das Auto fuhr los. Sie rang mit dem Lenkrad und verrenkte sich, um auf die Bremse zu treten. Das Auto ignorierte sie. Es fuhr ein paar Blocks, bevor es an einer roten Ampel anhalten musste.

»Stopp!«, schrie sie.

Der Wagen würgte den Motor ab. Das Auge sank auf den Boden seiner Phiole und erinnerte Teri damit an einen geknickten Welpen. Oder zumindest an ein riesiges geknicktes Welpenauge.

»Ich würde wirklich gern selbst fahren. Wenn das okay für dich ist.«

Das Auge wippte, was Ähnlichkeit mit einem Nicken hatte, während der Sitz nach vorn in eine bequeme Haltung rutschte und der Motor startete, als die Ampel grün wurde. Sie probierte Gas und Bremse aus. Die Pedale funktionierten.

Sie dankte dem Auge und fuhr los.

Das Radio ging an und schaltete sich auf einen Country- und Westernsender.

»Ich stehe nicht so auf Countrymusic.«

Der Zauber wählte einen anderen Sender, der die größten Hits der Siebziger spielte. Danach war Teri auch nicht gerade verrückt, aber da sich der Zauber solche Mühe gab, beschloss sie, es dabei zu belassen. Obwohl sie, bis sie zu Hause ankam, genug Disco gehört hatte, dass es für ein ganzes Leben reichte.

Sie parkte in der Einfahrt und beschloss, das Auto erst nach Sonnenuntergang in die Garage zu fahren. Phils Wagen war ebenfalls gut in Schuss, genauso glänzend poliert und mit einem Navigationszauber am Rückspiegel.

Phil war in der Küche. Sie glitt von hinten an ihn heran und umarmte ihn.

»Hey, Baby«, sagte er. »Wie war dein Tag?«

»Jetzt besser.« Sie warf einen Blick auf die Arbeitsplatte, wo er gerade damit beschäftigt war, Gurken und Fleischwurst mit Zahnstochern auf Crackern zu befestigen. »Was ist das?«

»Horsd’œuvres. Lucky will ein paar Gäste einladen.«

»Eine Party? Jetzt schon?«

»Es ist keine Party«, sagte Phil. »Nur ein paar Freunde.«

Teri sah sich um. »Wo ist Lucky?«

»Er ist ein bisschen Deko besorgen gegangen.«

»Deko? Für die Nicht-Party? Die Nicht-Party mit Horsd’œuvres?«

Phil zögerte. »Ja.«

»Ich dachte, er wollte seinen ersten Abend hier verbringen und uns besser kennenlernen.«

»Planänderung, nehme ich an.« Er drehte ihr noch immer den Rücken zu und arbeitete an seinen Horsd’œuvres weiter. »Das ist doch kein Problem, oder?«

»Was soll das jetzt heißen?«, fragte sie.

»Teri, er ist ein Gott. Sie ändern ihre Meinung ständig, und unser Job ist es, ihn bei Laune zu halten. Wenn er also eine Nicht-Party mit Horsd’œuvres und Deko will, dann sollten wir sie ihm wohl geben.«

»Weißt du was? Du hast recht.« Sie öffnete den Kühlschrank und fand einen Kasten Bier darin. Sie nahm sich eine Flasche heraus und drehte den Deckel.

»Das Bier ist für die Nicht-Party«, sagte Phil.

»Wir haben es bezahlt, oder?«

Er nickte.

»Dann bekomme ich das erste.« Sie nahm einen Schluck und streckte die Zunge heraus. Sie war keine Biertrinkerin.

Er bot ihr ein Gurkensandwich an. Sie knabberte daran. »Wie alt ist die Fleischwurst?«

»Sie ist noch gut.« Er warf einen Blick auf die Packung. »Läuft erst in zwei Tagen ab.«

Sie schob das Sandwich in die Backe und spülte es mit Bier hinunter. »Übrigens, Janet kommt heute Abend vorbei.«

Er warf ihr einen Blick zu.

»Sie hat sich selbst eingeladen«, verteidigte sich Teri. »Sie ist eine Theophile. Konnte es nicht abwarten, unseren neuen Gott kennenzulernen.«

»Eine mehr schadet auch nicht«, sagte Phil.

»Ich gehe mich umziehen und helfe dann bei den Nicht-Party-Vorbereitungen.«

»Danke. Du bist klasse, das weißt du.«

»O ja. Ich weiß.«

Sie umarmte ihn und gab ihm ein Küsschen.

»Hey, hey, hey«, sagte Lucky. »Ich stör euch doch nicht bei irgendwas, oder, Kinder?«

Teri und Phil fuhren auseinander.

»Wie lange seid ihr verrückten Sterblichen schon verheiratet?«

»Zwei Jahre«, antwortete sie.

»Davor waren wir zwei Jahre zusammen«, fügte Phil hinzu.

»Und die Leidenschaft ist immer noch da. Das ist schön. Ehrlich. Kann einer von euch Turteltäubchen mir einen Gefallen tun? Ich habe ein paar Tüten auf der Veranda gelassen.«

Teri erbot sich. Außer den Tüten mit Dekoartikeln stand eine große, graue Gestalt in ausgefransten, staubigen Gewändern auf der Veranda. Der Schatten ihrer Kapuze verbarg das Gesicht. Sie hielt eine kleine Topfpflanze in den Händen. Die Pflanze war tot.

»Hallo«, sagte die Gestalt. »Ist das die richtige Adresse? Ich komme zur Einweihungsparty.«

Sie nickte.

»Dann ist das hier für Sie.« Der hagere Mann streckte ihr die tote Pflanze hin. Sie nahm sie. Ein kalter Schauder überlief sie, als sie seine welken Hände streifte.

»Charon, alter Kumpel!«, rief Lucky. »Du kommst früh. Hätte nicht gedacht, dass du es schaffst. Überrascht mich, dass Hades so nett war, den Stock aus seinem Arsch zu nehmen und dir den Abend freizugeben.«

Ein breitschultriger Gott in einem schwarzroten Anzug kam hinter Charon in Sicht.

»Er hat mich hergefahren«, sagte Charon.

»Hades, Alter!« Lucky kicherte. »Du weißt, ich verarsch dich nur, weil ich dich mag.«

Der Herr der Unterwelt lächelte. »Vergiss es. Ich bin nur wegen des Biers da.«

»Der Kühlschrank ist da lang.« Lucky deutete mit dem Daumen über seine Schulter, und Hades ging in Richtung Küche.

»Übrigens stehe ich vor einem Hydranten«, bemerkte Hades. »Könntest du meinem Fahrer den Weg zum ausgewiesenen Parkplatz zeigen?«

»Mann, der Kerl ist ein Geizhals«, flüsterte Lucky. »Ihm gehört die halbe Unterwelt, aber vom Freibier ist er trotzdem nicht fernzuhalten.«

Er und Charon kicherten. Staub und Asche stiegen von Charons Gewand auf. Teri atmete es ein und bekam einen Hustenanfall.

»Tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Ich komme direkt von der Arbeit. Hatte keine Zeit, mich umzuziehen.«

»Du kannst dir was aus Phils Kleiderschrank leihen. Ich bin sicher, das macht ihm nichts aus, oder, Teri?«

Sie nickte, immer noch hustend.

»Charon und ich holen ihm ein Hemd, während du dich um Hades’ Schlitten kümmerst und mit der Deko anfängst.«

Sie versuchte zu protestieren, aber Lucky und Charon waren schon im Schlafzimmer verschwunden.

Hades’ Schlitten war ein schwarzer Streitwagen, geschmückt mit silbernen Totenköpfen und gebogenen Metallspitzen. Die Räder standen in Flammen, und er wurde von zwei muskulösen Bestien gezogen, die vage pferdeartig aussahen, bis auf das Feuerschnauben und die geifernden Kiefer.

Der Fahrer war ein Gespenst in Chauffeursuniform. Es öffnete seinen Schädel und heulte Teri an.

»Äh, ja«, sagte sie. »Parken Sie einfach da drüben, würde ich sagen.«

Der Fahrer schnalzte mit den Zügeln, und ein Donnerschlag erschütterte den Himmel. Die Bestien brüllten auf, stampften mit den Hufen, dass der Asphalt Risse bekam, und zogen den Streitwagen fort. Seine flammenden Räder hinterließen eine Spur aus brodelndem Teer.

Der Nachbar von gegenüber warf Teri einen finsteren Blick zu. Sie kannte seinen Vornamen nicht. Oder den seiner Frau. Oder die seiner zwei oder drei Kinder. Sie hatte bisher eigentlich nie mit einem von ihnen gesprochen, nur immer höflich genickt.

Innerhalb von einer Stunde war das Haus überlaufen von Göttern, Halbgöttern und Sagengestalten. Die Götter und ihre Entourage erwiesen sich als Schnorrer erster Güte. Nachdem sie das ganze Bier ausgetrunken hatten, verschlangen sie alles Essbare im Kühlschrank. Sie aßen sogar die Steaks im Gefrierschrank. Machten sich nicht mal die Mühe, sie zuzubereiten. Trotzdem reichte es nicht. Eine Harpyie und ihr Echsenwesen-Freund beäugten Teri und Phil hungrig.

Ein blauer Flaschengeist in einem ebenfalls blauen Jogginganzug entschärfte schließlich die Lage. Teri wünschte sich mehr Essen, dazu schnippte er mit den Fingern und erschuf ein magisches Tischtuch, das so viel Bier, Obst und Käsecracker hervorbrachte, wie die Götter essen konnten. Die Harpyie und ihr Freund stürzten sich darauf. Teri dachte daran, sich einen Cracker zu nehmen, fürchtete aber um ihren Arm.

»Normalerweise tu ich das nicht, ohne einen kleinen Fluch mit einzubauen«, sagte der Flaschengeist, »aber was soll’s? Ihr schmeißt hier eine höllisch gute Party!« Er schwebte davon, um mit einer Frau zu flirten, der Hörner aus der Stirn wuchsen.

Teri ließ den Blick über die Partygäste schweifen. Bisher war es eine lockere Angelegenheit. Die Götter und Halbgötter benahmen sich alle. Erst hatte sie sich Sorgen wegen des Typs mit dem rauchenden Kopf gemacht, aber nachdem sie die Batterien aus den Rauchmeldern genommen hatten, war er kein Problem mehr. Der Schlangengott war nicht annähernd so schleimig, wie sie zunächst gedacht hatte, und er hatte ihr einen Gutschein für einmal kostenlos Teppich-Shampoonieren geschenkt. Phil amüsierte sich. Er hatte ein spontanes Videospiel-Turnier ins Leben gerufen und war gerade dabei, Hades bei einer Runde Death Ninja 3 zu schlagen. Der Herr der Unterwelt knurrte, als Phils digitaler Samurai zum Todesstoß ausholte.

Janet rief Teri vom anderen Ende des Zimmers. Teri machte ihr ein Zeichen, ihr in den Garten zu folgen, damit sie reden konnten.

»Wow«, sagte Janet. »Ich wusste ja gar nicht, dass ihr eine Party schmeißt! Warum hast du mir das nicht erzählt?«

»Es war ein spontaner Entschluss.«

»Ich bin so froh, dass ich meine Kamera mitgebracht habe! Wie seh ich aus?«

Teri hatte gewusst, dass Janet attraktiv war, aber ihr war nie bewusst gewesen, wie attraktiv. Mit offenen Haaren und einem figurbetonten roten Kleid war sie geradezu schön. Allerdings keine künstliche Schönheit, sondern eher die Art von gutem Aussehen, die von den richtigen Kleidern, der richtigen Frisur und dem richtigen Make-up kommt. Es war einfach eine natürliche Wirkung. Der tiefe Ausschnitt, der ihre Brüste betonte, schadete auch nichts.

»Du siehst phantastisch aus«, sagte Teri und fühlte sich wegen ihrer eigenen Erscheinung ein bisschen unsicher.

Lucky und eine hochgewachsene Schlange mit funkelnden, regenbogenfarbenen Schuppen und gefiederten Schwingen betraten den Garten. Die Schlange hielt ein Bier in den Krallen am Ende ihrer Flügel.

»Da bist du ja, Teri«, sagte Lucky. »Hab dich schon überall gesucht. Ich würde dir gern meinen guten Kumpel Quetzalcoatl vorstellen.«

»Nenn mich Quick.« Die Schlange hob ihren Partyhut an und ließ ihn am Gummiband zurückschnalzen. »Das tun alle.«

Janet versetzte Teri einen Stoß mit dem Ellbogen und räusperte sich.

Lucky lächelte. »Und wer mag wohl diese liebreizende Sterbliche sein?«

Bevor Teri sie vorstellen konnte, drängelte sich Janet vor, kniete sich hin und tat es selbst. Lucky nahm ihre Hand in die Pfote und deutete einen Handkuss an.

»Jede Freundin von Teri ist auch meine Freundin. Lust auf ein Bier?«

»Liebend gern.«

»Wenn ihr uns bitte entschuldigen wollt, Leute. Hüte dich vor diesem Kerl, Teri.« Lucky piekte Quick. »Wenn du nicht aufpasst, macht er dich womöglich betrunken und schnallt dich auf seinen Altar.«

Lucky und Janet gingen wieder hinein.

»Also …«, Quick fuhr mit der langen Zunge um einen seiner Reißzähne, »… coole Party.«

»Danke.«

Peinliche Stille entstand zwischen ihnen.

»Wie lange kennst du Lucky schon?«, fragte sie, um Konversation zu machen.

»Eine ganze Weile«, erwiderte Quick. »Er hat mir geholfen, als ich harte Zeiten durchgemacht habe.« Er flatterte mit den Flügeln. »Ich meine, ich hab nur einen Moment nicht aufgepasst. Wer hätte gedacht, dass ein paar Eroberer so viel Ärger machen können?«

»Ja, das war ein ziemlich schlimmes Ding«, stimmte sie zu.

»Das mit dem Altar war übrigens nur ein Witz«, sagte Quick. »Ich mochte Menschenopfer noch nie, nicht mal, als sie noch legal waren.«

»Oh, ich weiß. Eroberer-Propaganda.«

»Verdammt richtig.«

Sie stießen mit ihrem Bier an und tranken gemeinsam.

Eine Baumnymphe streckte den Kopf aus der Tür. »Entschuldigung, wo sind denn hier die Toiletten?«

Teri entschuldigte sich, um ihr den Weg zu zeigen. Sie wies die Dryade auf die Warteschlange vor dem Bad hin. Ein Oger trampelte auf Teri zu. Er sprach mit einer trockenen, sich überschlagenden Stimme. »Sind Sie Teri Robinson?«

Sie nickte.

»Da sucht eine Furie nach Ihnen.« Er schwang den Arm in Richtung Haustür. »Und sie sieht angepisst aus.«

Die von der Hausbesitzervereinigung angerufene Furie war eine unbarmherzige, blasse Frau in einem blutroten Hosenanzug. Sie war herabgerufen worden, um den Kodex durchzusetzen, und tat es mit derselben Hingabe, mit der ihre anderen Schwestern Mörder und Steuerflüchtlinge jagten. Sie deckte noch die kleinsten Übertritte auf, von unangemessener Rasenverzierung über lose Schindeln bis hin zu Vogelhäuschen mit falschen Motiven. Teri dachte daran, sie an Phil weiterzuverweisen, doch der war immer noch mitten in seinem Turnier und amüsierte sich. Also beschloss sie, sich selbst darum zu kümmern.

Die Furie starrte sie mit tiefroten Augen finster an. »Ms Robinson, Sie sind sich schon dessen bewusst, dass Sie mehrere wichtige Regelungen übertreten?«

»Darf ich Ihnen ein Bier anbieten?«, fragte Teri.

»Nein.« Der Blick der Furie wurde noch finsterer. »Danke, aber ich bin im Dienst.« Sie klickte mit einem Kuli und begann, einen Strafzettel auszufüllen. »Sie sind sich dessen bewusst, dass Partys zwei Wochen vorher angemeldet werden müssen?«

»Es ist eigentlich keine Party.«

»Jede Versammlung von mehr als fünf Autos oder acht auswärtigen Gästen wird dem Kodex zufolge als Party definiert. Das wüssten Sie, wenn Sie die Verordnungen gelesen hätten.«

»Ja, das hatte ich immer vor, aber ich war in letzter Zeit sehr beschäftigt und …«

»Unkenntnis des Kodexes ist keine Entschuldigung.« Die schwarzen Adern in dem totenkopfähnlichen Gesicht der Furie pulsierten. Sie riss den Strafzettel vom Block und streckte ihn Teri anklagend entgegen. »Ich habe es diesmal gemäß den Vorgaben der Vereinigung der Hausbesitzer bei einer Verwarnung belassen.« Die Furie lächelte und entblößte dabei scharfe Zähne – perfekt, um Mördern, Verrätern und den verurteilten Seelen, die es wagten, rosa Plastikflamingos in ihren Rasen zu stecken, die Kehle zu zerfetzen. »Sorgen Sie dafür, dass es nicht wieder vorkommt.«

Lucky erschien neben Teri. Er hopste hoch und fing den Strafzettel ab.

»Edna, bist du das? Du siehst Furcht einflößender aus als je zuvor.«

»Lucky, alter Hurensohn!«

»Und, was ist das?« Er überflog den Strafzettel. »Du lässt doch keinen Zorn auf meine kleine Teri hier regnen, oder?«

»Ich mache nur meine Arbeit«, sagte Edna und klang dabei ein bisschen schuldbewusst. »Sie ist doch keine von deinen, oder?«

»Doch. Aber noch wichtiger ist – sie ist ein gutes Mädchen.«

»Regeln sind Regeln.«

»Wir feiern ein bisschen, und es ist ein wenig aus dem Ruder gelaufen. Meine Schuld, nicht ihre. Können wir nicht dieses eine Mal ein Auge zudrücken?«

»Na ja …« Die Wut der Furie verflog. Der Strafzettel verschwand in einem weißen Flammenblitz. »Ich kann dir einfach nichts abschlagen, Lucky.«

»Komm doch rein. Nimm dir ein Bier.«

»Eines kann nicht schaden, denke ich.« Sie zog die Stilette heraus, die ihren Haarknoten gehalten hatten. Ihre schwarzen Locken fielen ihr locker über die Schultern, als sie sich zum Partyvolk gesellte.

»Danke«, sagte Teri.

»Nicht der Rede wert, Kleine.« Er zwinkerte ihr zu. »Gehört alles zum Service, oder? Tu dir einen Gefallen, Teri. Entspann dich ein bisschen. Amüsier dich. Das sterbliche Leben ist zu kurz, um sich die ganze Zeit Sorgen zu machen.«

Janet tauchte auf und reichte Lucky ein frisches Bier. »Hast du nicht versprochen, mich dieser Halbgöttin mit den Fuchsohren vorzustellen?«

Er führte sie weg.

Teri fand Phil in der Küche.

»Und, wie lief das Turnier?«, fragte sie.

»Du siehst vor dir den Roten Ronan, den amtierenden Death-Ninja-3-Champion im Himmel und auf Erden.«

Sie legte die Arme um ihn und gab ihm einen Kuss. »Ich glaube, wir haben die richtige Entscheidung getroffen.«

»Bist du sicher? Keine Zweifel mehr?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht ein bisschen. Aber nicht viele.«

»Mehr kann ich im Moment nicht verlangen, denke ich«, sagte Phil.

Sie küsste ihn noch einmal.

Charon streckte den Kopf in die Küche. »Hades brennt auf eine Revanche, Ronan. Wagst du die Rückrunde?«

»Die Wette gilt.«