03

DREI

Am nächsten Morgen rutschte Teri unter der Dusche aus. Es war kein schwerer Sturz, obwohl sie sich das Steißbein prellte und die Wade am Wasserhahn abschürfte. Phils Auto hatte einen Platten, und als er versuchte, den Reifen zu wechseln, endete es damit, dass er die Radmuttern überdrehte. Teri nahm ihn zur Arbeit mit. Sie verschüttete Kaffee auf ihrem Schoß. Zwar verbrannte sie sich nicht, aber ihr Lieblingsrock war ruiniert.

»Ich hol dich gegen sechs ab«, sagte sie, als sie ihm einen Kuss gab. »Liebe dich, Schatz.«

»Liebe dich auch.« Er stieg aus, und sie riss ihm im Wegfahren ein Stück vom Ärmel ab, das in ihrer Wagentür eingeklemmt blieb.

Brummelnd trottete Phil ins Gebäude. Hank, der Sicherheitsmann, machte eine Bemerkung zu Phils Erscheinung. Irgendein Witz, den Phil nicht richtig mitbekam, aber er nickte und lächelte trotzdem. Als er sich eintrug, zerbrach der Kugelschreiber. Genauer gesagt, er explodierte und bespritzte ihm die Finger und das Hemd mit blauer Tinte.

»Verdammte …!«

Hank reichte Phil ein paar Papiertücher. »Sieht aus, als wär heute nicht Ihr Tag, was?«

Phil tupfte mit den Handtüchern auf der Schweinerei herum und erreichte damit gar nichts. »Wie bitte?«

»Hey, die haben wir alle mal. Diese Tage, an denen alles schiefgeht.«

Phil ließ das Tuch sinken.

»Stimmt was nicht?«, fragte Hank.

»Nein, alles in Ordnung. Entschuldigen Sie mich. Ich muss telefonieren.«

Der Akku seines Handys war tot.

Phil blieb an der Reihe von Aufzügen stehen. Leute drängten sich an ihm vorbei, aber er zögerte. Bisher war das Pech zwar nicht allzu groß gewesen, aber er sah keinen Grund, den Zorn seines neuen Gottes noch herauszufordern, indem er in einen Aufzug stieg.

Er nahm die Treppe. Einen Schritt nach dem anderen, ganz langsam, mit festem Griff am Geländer. Er schaffte es an seinen Arbeitsplatz, ohne sich noch mehr Kleider zu zerreißen oder Knochen zu brechen.

Elliot spähte über die Trennwand seiner Arbeitskabine. »Du meine Güte, Junge, du siehst beschissen aus!«

»Lange Geschichte.« Phil durchsuchte seine Brieftasche, konnte Luckys Karte aber nicht finden.

»Wie lief die Gottsuche?«, fragte Elliot. »Habt ihr einen gefunden, du und Teri, auf den ihr euch einigen konntet?«

Phil nickte.

»Also habt ihr es getan?« Elliot kam herum und setzte sich an Phils Schreibtisch. »Ihr habt es wirklich getan.«

»Ja.«

»Ich hätte nicht gedacht, dass du es wirklich durchziehen würdest, Mann. Ich meine, ich dachte, du würdest vielleicht schon, aber ich war mir sicher, du könntest Teri nicht überreden.«

»Sie hat eine Wunderkatze gesehen«, sagte Phil.

Elliot kicherte und biss von seinem Donut ab. Marmelade schoss heraus und traf Phil im Auge.

»Junge, das tut mir jetzt aber leid!«

»Macht doch nichts.«

»Wie läuft’s?«, fragte Elliot.

Phil wischte sich die Marmelade vom Gesicht. »Nicht so toll. Ich glaube, wir wurden gestraft.«

»Jetzt schon? Das muss ein Rekord sein.« Elliot versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, verließ aber die Arbeitswabe und führte das Gespräch aus einiger Entfernung weiter. »Muss ich nach Blitzen Ausschau halten?«

»Ich glaube, so ernst ist es nicht«, sagte Phil. »So ein Typ ist mein Gott nicht.«

»Trotzdem, Junge, du solltest ihn wahrscheinlich besser besänftigen, bevor es zu spät ist. Solche Sachen können schnell außer Kontrolle geraten. Hat sich Teri auch schon göttlichen Zorn eingefangen?«

»Ich glaube, ja.«

»Ich wette, sie ist nicht glücklich darüber.«

»Ich sage dir Bescheid.«

Elliot ging an seinen Schreibtisch zurück, und Phil wählte Teris Handynummer. Sie ging nicht ran. Ihr Akku war wahrscheinlich auch leer. Er beschloss, nicht in Panik zu geraten. Dazu gab es noch keinen Grund. All die Strafen mochten nervig gewesen sein, aber nur eine Pechsträhne, ausgelöst von einem wütenden Gott des Glücks und Wohlstandes. Bis jetzt nichts Lebensbedrohliches.

Seine Vorstellungskraft arbeitete gegen ihn. Er konnte förmlich sehen, wie sich das Rad von ihrem Auto löste und sie vor einen Sattelzug mit überhöhter Geschwindigkeit schleuderte. Oder wie sie am oberen Ende einer Treppe stolperte und fiel. Oder von einem Stromschlag des Faxgeräts getötet wurde. Oder eine Million andere grausige Möglichkeiten. Letztlich war alles Glück. Wenn es die Wahrscheinlichkeit auf einen abgesehen hatte, konnte man nicht viel dagegen tun.

Er schob seine Sorgen beiseite und versuchte, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Dabei sah er ständig auf die Uhr. Eine Minute, nachdem sie bei der Arbeit angekommen sein musste, rief er an. Sie war noch nicht da.

Er wartete eine Viertelstunde, dann rief er noch einmal an. Teri war immer noch nicht im Büro.

Allmählich wurde Phil nervös.

»Gibt’s ein Problem, Mann?«, fragte Elliot, der den Kopf über die Zwischenwand gestreckt hatte.

»Es ist nichts.«

»Bist du sicher? Du tippst gar nicht. Normalerweise hört sich das Geklapper deiner Tastatur wie ein Maschinengewehr an.«

Phils Hände ruhten in seinem Schoß. »Schon in Ordnung.«

Aber es war nicht in Ordnung. Er hätte auf Teri hören sollen, als sie Nein dazu gesagt hatte, sich einen Gott zu besorgen. Und er hätte nicht auf sie hören sollen, als sie gesagt hatte, sie habe ihre Meinung geändert. Jetzt war sie das Opfer eines zornigen Waschbär-Gottes, und alles war seine Schuld. Wenn er gar nicht erst davon angefangen hätte, wäre alles gut geblieben.

Das Telefon klingelte. Er ging so schnell ran, dass er nicht einmal merkte, dass er es am Ohr hatte, bis er Teris Stimme hörte.

»Phil, ist was passiert? Geht es dir gut?«

Er sackte auf seinem Stuhl zusammen und atmete auf. »Mir geht’s gut.« Er dachte an die Marmelade- und Tintenflecken auf seinem Hemd, als er seinen nächsten Satz formulierte. Falls Teri bis jetzt noch nicht mitbekommen hatte, was vor sich ging, gab es keinen Grund, sie aufzuregen. Er konnte Lucky in Ruhe besänftigen, und sie würde es vielleicht nie erfahren.

»Ich hab nur angerufen, um dir zu sagen, dass ich dich liebe«, sagte er.

»M-hm. Ich liebe dich auch.«

Schweigen herrschte in der Leitung, als Teri ihre eigene Antwort formulierte.

»Wir wurden also gestraft, was?«

»Ich bin mir ziemlich sicher, ja«, stimmte er zu.

»Verdammt. Und mir hat der kleine Mistkerl noch leidgetan.«

Phil zuckte zusammen. »Schatz, ich glaube, es ist keine gute Idee, unseren neuen Gott jetzt zu lästern.«

»Tut mir leid. Ich wusste, es war keine gute Idee. Warum hast du es mir nicht ausgeredet?«

»Warum hast du mich dazu überredet?«, erwiderte er.

»Wir müssen das wieder in Ordnung bringen. Vielleicht könnten wir uns einfach von ihm lossagen.«

Phil sagte: »Ich weiß nicht. Das kostet eine Menge Geld. Am Göttlichen Gerichtshof sind Anwälte nicht billig. Außerdem kostet es Zeit. Manchmal Monate.«

Er stellte sich noch so einen Tag wie diesen vor, und dann noch einen und noch einen. Selbst wenn es ihn letztlich nicht umbrachte, freuen tat er sich nicht gerade darauf. Teri dachte dasselbe.

»Also besänftigen wir ihn, ja?«, fragte sie. »Das dürfte nicht allzu schwierig sein. Er sagte, wir könnten ihn einfach anrufen, wenn wir bereit seien, uns zu verpflichten.«

»Ich habe die Nummer zu Hause gelassen.«

»Warum?«

»Das war keine Absicht«, knirschte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Nur Pech.«

»Ich nehme an, du wirst auch dafür Lucky die Schuld geben wollen.«

»Das ist doch nicht schlimm«, sagte er. »Wir schaffen das. Es ist nur ein schlechter Tag. Heute Abend holst du mich ab …«

»Ach ja, richtig. Heute Abend wird dich jemand anders mitnehmen müssen. Ich bin über eine Radkappe gefahren, die Radachse ist gebrochen.«

»Verdammt, weißt du, was uns das kosten wird?«

»Mehr als ein Glas Pennys«, antwortete sie. »Ich will nicht darüber reden. Ich will einfach nur, dass es in Ordnung kommt. Sofort.«

Er hörte einen dumpfen Schlag durch die Leitung.

»Au, Scheiße noch mal! Mir ist gerade mein Briefbeschwerer auf den Fuß gefallen. Mann, das tut weh! Phil …«

»Ich kümmere mich darum. Mach dir keine Sorgen.«

»Mach schnell, okay?«, sagte sie. »Ich habe um zwei ein wichtiges Meeting, und ich weiß, wenn es damit endet, dass ich den Sitzungssaal in Brand setze, bekomme ich vermutlich eine Abmahnung.«

Er legte auf und versuchte, seine Arbeit zu sichern. Kränkliches Grün füllte seinen Monitor aus, während Rauch vom Computer aufstieg. Hastig zog Phil den Stecker.

Elliot tauchte auf. »Riecht hier was verbrannt?«

Phil wedelte den Rauch weg. »Ich muss mir dein Auto leihen.«

Misstrauisch verengte Elliot die Augen. »Warum hast du nicht deins?«

»Hab ’nen Platten.«

»Das hat doch nichts mit göttlichem Zorn zu tun, oder?«

Phil dachte kurz daran zu lügen, aber er war nicht besonders gut darin. »Vielleicht.«

»Vergiss es.«

»Weißt du noch, als ich dich und Ginger beim Frühlingsfest in der Besenkammer erwischt habe?«, sagte Phil. »Und deine Frau hätte dich auch gleich entdeckt, wenn ich sie nicht abgelenkt hätte, falls ich mich recht erinnere.«

»Das ist nicht fair. Ich war betrunken. Wir haben sowieso nur ein bisschen rumgemacht. Nichts Ernstes.«

»Ich bin mir sicher, Amy hätte es nichts ausgemacht, dich und Ginger zwischen den Mopps fummeln zu sehen.«

Elliot warf Phil seinen Autoschlüssel zu.

»Wir sind quitt. Aber sei bitte vorsichtig mit dem Wagen. Ich hab ihn gerade erst gekauft, und meine Versicherung deckt keine höhere Gewalt ab.«