Kapitel achtundsiebzig

ZENTRALIRAN

5. Dezember, 09:30 Uhr GMT+3:30

 

 

Der Truck schlingerte im Sand, und die Plane am Heck öffnete sich. Durch die Lücke konnte Peter Howell ein ähnliches Fahrzeug hinter ihnen sehen, das Mühe hatte, ihnen zu folgen. Es wäre ein Wunder, wenn auch nur eines der beiden Fahrzeuge durchkommen würde.

Er zog die Plane wieder zu und betrachtete die Gesichter der Männer, die zwischen den Sandsäcken hockten, die man geladen hatte, um den Wagen schwerer zu machen. Die Ruhe und hundertprozentige Konzentration, die beim SAS geherrscht hatte und so beruhigend war, fehlte hier völlig. Jedes Gesicht erzählte eine andere Geschichte: Hass – auf ihn, auf die Briten im Allgemeinen, auf die iranische Regierung. Angst. Selbstzweifel.

Ein paar aufmunternde Worte wären jetzt wahrscheinlich angebracht gewesen, doch es hätte nicht allzu viel genutzt, weil nur wenige der Männer Englisch sprachen. Und so spähte Howell durch das kleine Loch, das er in die Plane geschnitten hatte, auf die Wachtürme, die immer näher kamen. Die Türme zu beiden Seiten des Eingangstors waren mit Maschinengewehren ausgerüstet und mit Männern besetzt, die wahrscheinlich viel erfahrener waren als seine Jungs – von denen viele wohl diesen Ort nicht lebend verlassen würden.

Ihr Fahrer, ein gestandener ehemaliger Angehöriger der Sondereinsatzkräfte namens Hakim, begann zu bremsen. Sie hatten das Ganze nicht weniger als fünfzig Mal geübt, und Howell sah mit Zufriedenheit, wie die jungen Männer um ihn herum ihre Waffen zu überprüfen begannen, wie er es ihnen beigebracht hatte.

Als der Truck auf die Betonbrücke holperte, wandte er sich wieder dem Guckloch zu. Einer der beiden Soldaten im Wachhaus ging vorsichtig zur Fahrertür, während der andere nach hinten kam. Howell hatte keine Ahnung, was Hakim sagte, aber der gelangweilte und leicht verärgerte Ton seiner Stimme klang genau richtig. Howell zog eine schallgedämpfte Pistole vom Kaliber .22 und sah stirnrunzelnd auf die Waffe hinunter, während er den näher kommenden Schritten des Soldaten lauschte. Ein Messer wäre für diese Situation das Passendere gewesen, aber Smith, der zusammen mit Farrokh im anderen Wagen saß, wollte nicht riskieren, dass dabei mehr Blut floss und ihren unerfahrenen Leuten Angst machte.

Die Plane raschelte, als der Wachsoldat sie aufknüpfte, und Howell hob langsam die Pistole. Kein Grund zur Eile – der Mann würde einen Moment brauchen, bis sich seine Augen an die Dunkelheit hier drin gewöhnt hatten, und wenn Hakim so überzeugend war, wie er klang, dann hatten sie keinen Ärger zu erwarten.

Howell wartete, bis die Plane zurückgeschlagen war, dann griff er mit einer Hand hinaus, während er mit der anderen dem Mann eine Kugel zwischen die Augen jagte.

Die kleinkalibrige Kugel und der Schalldämpfer sorgten dafür, dass der Schuss fast völlig lautlos war. Howell zog den schlaffen Körper über die Heckklappe. Es dauerte ihm viel zu lange – ganze eineinhalb Sekunden –, bis zwei seiner Männer den Toten hereinzogen.

Der Fahrer des zweiten Wagens nickte kaum merklich durch die Windschutzscheibe, um zu signalisieren, dass noch niemand bemerkt hatte, was hier vor sich ging. Die Maschinengewehrschützen auf den beiden Wachtürmen waren zwar in einer idealen Position, um die Brücke ins Kreuzfeuer zu nehmen, doch die Planen der Laster versperrten ihnen die Sicht auf das, was gerade passiert war.

Howell wischte etwas Blut von der Heckklappe und half einem seiner Männer aus dem Wagen. Sie hatten die Soldaten im Wachhaus fotografiert und für beide ein recht überzeugendes Double zurechtgemacht, bis hin zu den Uniformen, die die Frauen in Farrokhs Trainingslager genäht hatten.

Der junge Mann schlenderte lässig zur Beifahrertür des zweiten Trucks, während Howell hinaussprang und einigen der Männer heraushalf. Smith würde inzwischen das Gleiche tun und sein Team bei den Hinterrädern in Position bringen.

Howell zeigte mit dem Daumen nach oben, um die Männer um ihn herum aufzumuntern, die sichtlich Angst hatten, dann trat er ganz ruhig ins Freie hinaus und begann auf die Maschinengewehrstellung auf der Westseite zu feuern. Der überlebende Wachsoldat griff nach seiner Pistole, doch Hakim streckte ihn mit einem Schuss nieder, bevor er das Gaspedal bis zum Anschlag durchdrückte, sodass Howell und seine Männer völlig schutzlos waren.

Wie erwartet ging die erste Salve von den Wachtürmen daneben, weil die Männer, die eben noch gelangweilt in die Landschaft geblickt hatten, von einem Moment auf den anderen kämpfen mussten. Es war jedoch offenbar nicht das erste Mal, dass sie unter Beschuss kamen, denn sie brauchten nicht lange, um zu erkennen, was Howell schon wusste – dass ihnen in ihren Wachtürmen keine Gefahr von den Handfeuerwaffen drohte, mit denen Farrokhs notdürftige Armee ausgerüstet war.

Aus dem Augenwinkel sah er, dass Smith und sein Team ihr Feuer auf den anderen Turm konzentrierten, während Hakim mit seinem Laster das Tor rammte. Der Truck kam durch, doch dann neigte er sich zur Seite, balancierte kurz auf zwei Rädern und kippte schließlich um. Der Iraner versuchte durch das Fenster herauszuklettern, doch als er zur Hälfte draußen war, schoss ihm ein Scharfschütze aus einem Turm von der Westseite des Geländes den Hals weg.

Der junge Mann rechts von Howell wurde von den Maschinengewehrsalven in die Seite getroffen, und Howell duckte sich nach links weg und rollte sich zu dem zweiten Laster hinüber, der immer noch auf der Brücke stand, während der Fahrer versuchte, ihn in Gang zu bringen.

Die Schützen in den Türmen waren sich ihrer Sache nun schon sehr sicher und trafen immer genauer. Ein weiterer Mann fiel, und Howell sah, wie die Kugeln Betonbrocken aus dem Boden hinter Smith herausschlugen, während er losspurtete.

Innerhalb des zertrümmerten Tores strömten die Männer aus dem Heck des umgekippten Lasters und gingen dahinter in Deckung; sie waren hier zwar vor dem Scharfschützen sicher, nicht aber vor den MGs, falls diese sie aufs Korn nahmen.

Das Brummen des Lasters hinter ihm mischte sich in das Knattern der Maschinengewehre, und er rollte sich aus dem Weg, während der Truck unter schwerem Feuer vorwärts brauste.

»Jagt endlich die Brücke in die Luft, ihr verdammten Idioten!«, murmelte Howell zu sich selbst, während er dem Laster folgte.

So als hätten sie ihn gehört, warf ihn eine heftige Explosion zu seiner Rechten auf den immer noch intakten Beton.

Benommen wandte er sich dem Ostturm zu, der einen Moment lang schwankte, ehe er in Richtung des Turms auf der anderen Seite der Brücke kippte.

»Hakim, du Teufelskerl«, entfuhr es Howell, als die beiden Türme umstürzten und die Maschinengewehre verstummten.

Während ihres Aufklärungseinsatzes hatten sie die Sprengladungen, die die Brücke zerstören sollten, an den Türmen angebracht. Hakim hatte einen großen Teil seiner militärischen Laufbahn bei einem Sprengtrupp verbracht und genau vorhergesagt, wie die Türme fallen würden. Howell hatte ihm natürlich nicht geglaubt. Wie oft ging schon etwas wie geplant, wenn das Gefecht einmal begonnen hatte?

Der zweite Laster hatte das Gelände nun ebenfalls erreicht und brauste auf die riesige Stahltür zu, die in den Felsvorsprung eingebaut war. Howell lief zur Ostseite der Brücke und postierte sich oberhalb von Smith, der sich am Rand des schützenden Grabens verschanzt hatte.

Der Laster beschleunigte weiter und raste mitten in die Tür. Der Aufprall zündete die Sprengsätze, die unter dem Fahrzeugboden angebracht waren. Man konnte nicht erkennen, ob die Tür aufgebrochen war, doch Howell zog innerlich den Hut vor dem Mut des nun toten Fahrers.

»Was siehst du?«, rief er zu Smith hinunter.

»Türme auf neun Uhr und drei Uhr sind aktiv«, rief Smith zurück. »Da rücken Männer von Norden an und versuchen, an unsere Jungs hinter dem umgekippten Laster heranzukommen.«

Howell spähte durch das Zielfernrohr und sah schließlich Bewegung an der Westseite des Zauns. Er drückte ab und streckte den ersten von sechs Männern nieder, die auf einen Felsblock etwa hundertfünfzig Meter entfernt zuliefen, um dahinter in Deckung zu gehen.

»Ja – und Peter«, hörte er Smith sagen, während er sein nächstes Ziel suchte. »Es freut mich zu sehen, dass du noch atmest.«

Die Ares Entscheidung
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