Kapitel sechsundzwanzig

IN EINEM RANDBEZIRK VON KAMPALA, UGANDA

21. November, 16:26 Uhr GMT+3

 

 

Peter Howell lächelte nur über die verdutzt dreinblickenden Männer am Straßenrand, die so schwer bewaffnet waren, dass es fast komisch wirkte. Vor ihnen führte ein kunstvoller Torbogen durch eine Steinmauer, an der sie zuvor minutenlang entlanggefahren waren. Als sie vor der Mauer stehen blieben, waren mindestens drei fest montierte Maschinengewehre und etwa dreißig Gewehre und Pistolen auf das klapprige Taxi gerichtet. Ein Mann im Arbeitsanzug kam langsam auf sie zu und blickte über das Visier eines israelischen Tavor-Sturmgewehrs hinweg, während er unverständliche Anweisungen brüllte.

Sie wurden zum Aussteigen gezwungen, und Smith nahm Sarie am Arm, um zu verhindern, dass einer der Männer sie wegzerrte.

»Steckt da irgendein Plan dahinter?«, rief Smith über die Motorhaube hinweg und wusste nicht, ob er zorniger auf Howell war oder auf sich selbst. »Oder findest du nur, heute wär ein guter Tag, um Selbstmord zu begehen?«

»Ich wollte ein bisschen shoppen«, kam die rätselhafte Antwort des Briten.

Ein junger Mann in einem zerfetzten Schlümpfe-T-Shirt versetzte Smith einen groben Stoß, und er stieß zurück und schickte den Mann zu Boden. »Hau ab, verdammt!«

Der Afrikaner sprang auf und packte das Maschinengewehr, das er umgehängt hatte. Smith machte einen Schritt auf ihn zu, und jemand zu seiner Linken wollte ihn mit einem Ellbogenstoß aufhalten, doch er wich aus, ohne die Heckler & Koch aus den Augen zu lassen, die auf ihn gerichtet war.

Dann änderte sich die Szene von einem Moment auf den anderen. Ein kurzer Zuruf vom Torbogen her ließ den jungen Mann zurückweichen und die Waffe senken.

Die Menge begann sich zu zerstreuen, und die Bewaffneten verloren das Interesse an ihnen und widmeten sich wieder ihrer Aufgabe, die Leute zu überwachen, die auf der staubigen Straße unterwegs waren.

»Peter! Mein alter Freund!«, dröhnte eine Stimme mit ausgeprägtem Akzent. Die letzten Überreste der Menge lösten sich rasch auf, als ein groß gewachsener Afrikaner auf Howell zuschritt.

»Es wärmt mir das Herz, dich wiederzusehen«, sagte er und schüttelte dem Briten enthusiastisch die Hand. »Ich hätte es nicht mehr zu hoffen gewagt.«

»Es freut mich auch, dich zu sehen, Janani. Ich möchte dir meine Freunde Sarie und Jon vorstellen.«

Der Afrikaner winkte sie zu sich. »Kommt. Diese Sonne ist ja nicht auszuhalten.«

Smith sah Sarie an und zuckte die Achseln, dann nahm er ihren Arm und folgte den beiden plaudernden Männern durch den Torbogen.

»Du bist fett geworden«, sagte Howell.

»Und du bist alt geworden, mein Bruder. Ich habe ein gutes Leben. Ich habe viele Frauen und Kinder. Wie viele Söhne hast du?«

»Keinen.«

Janani schüttelte mitleidvoll den Kopf, als sie in eine schmale Gasse einbogen, die von Geschäften gesäumt war, in denen fast ausschließlich Dinge verkauft wurden, die dazu da waren, Menschen zu töten. Man fand hier alle Arten von Gewehren, Pistolen und Sprengstoffen, und ein Geschäft mit einer kanariengelben Markise warb damit, die besten schultergestützten Boden-Luft-Raketen in ganz Afrika anzubieten.

Janani geleitete sie durch eine Tür ohne Aufschrift, die in eine überraschend große und gut ausgerüstete Werkstatt führte.

»Janani macht maßgeschneiderte Waffen«, erklärte Howell und breitete die Hände aus, ohne zurückzublicken. »Die besten der Welt.«

»Du schmeichelst mir, Peter. Hast du noch die Pistole, die ich dir vor so vielen Jahren gemacht habe?«

»Ich habe sie leider verloren.«

»Aber zuvor hat sie bestimmt viele Männer getötet.«

Howell nickte, und seine Stimme klang wie von fern. »Viele Männer.«

Sie traten durch eine offene Tür am hinteren Ende der Werkstatt und kamen auf eine überdachte Terrasse, wo ein unglaubliches Sortiment von Waffen auf Regalen aufgereiht war. Dahinter erhob sich ein Hügel, auf dem in gleichmäßigen Abständen Zielscheiben aufgestellt waren.

»Jon«, sagte Janani und wandte sich ihm zu. »Was für eine Waffe tragen Sie normalerweise?«

»Eine Sig Sauer. Manchmal eine Beretta.«

Der Afrikaner runzelte unbeeindruckt die Stirn, nahm eine Pistole vom Regal und reichte sie ihm – doch kaum hielt Smith sie in der Hand, entriss Janani sie ihm sofort wieder mit missbilligender Miene.

»Ganz falsch«, murmelte er und wählte eine Waffe mit einem etwas dickeren Griff. »Sagen Sie, wie fühlt sich die hier an?«

Er musste zugeben, dass die Pistole gut in der Hand lag – beruhigend solide, so wie die Sig Sauer, aber ohne deren Gewicht.

»Darf ich?«, fragte Smith und zielte auf eine der Scheiben.

»Bitte.«

»Er feuerte eine Kugel auf das fünfzig Meter entfernte Ziel ab und traf mitten in die Sperrholzfigur.

»Sie scheint zu Ihnen zu passen«, meinte Janani mit dem Stolz des Handwerksmeisters.

»Fühlt sich gut an und funktioniert auch gut. Aber wie sieht es mit der Durchschlagskraft aus? Man spürt kaum einen Rückstoß.«

»Sie verfeuert eine Zehn-Millimeter-Kugel mit einer Mündungsgeschwindigkeit von vierhundert Metern pro Sekunde.«

»Wirklich?«

Der Afrikaner nickte respektvoll.

»Also, wie lautet das Urteil, Kumpel?«, warf Howell ein.

»Wenn sie auch noch zuverlässig ist, dann ist das die beste Waffe, die ich je benutzt habe.«

»Natürlich ist sie zuverlässig!«, jammerte Janani. »Ganz sicher zuverlässiger als alles, bei dem die Italiener ihre Finger im Spiel haben.«

»Also gut«, sagte Howell. »Wir nehmen sie, und noch eine davon für mich. Dann brauche ich noch zwei Sturmgewehre. Etwas Wendiges in der Art des SCAR-L, aber die endgültige Entscheidung überlasse ich dir. Ich will jedenfalls nicht mit zu leichtem Gepäck reisen, also würde ich sagen, ungefähr tausend Schuss für die Gewehre und je hundert für die Pistolen. Je drei Ersatzmagazine.«

»Natürlich. Bis morgen früh ist alles bereit. Brauchst du sonst noch etwas? Vielleicht einen tragbaren Raketenwerfer? Ich habe da einen Prototyp, der dir, glaube ich, gefallen würde.«

»Sehr verlockend, aber wir wollen möglichst unauffällig bleiben. Du kennst nicht zufällig jemanden im Autogeschäft, der …«

»Verzeihung!«

Sie wandten sich alle Sarie zu, die verärgert mit der Hand winkte. »Kann es sein, dass wir jemanden vergessen?«

Der Afrikaner war sichtlich verwirrt. »Entschuldigung. Machen Sie Witze?«

»Ich glaube, sie meint es ernst«, sagte Smith.

Janani schüttelte mit gequälter Miene den Kopf. »Die Frauen sind so … wie soll ich sagen … so schnippisch geworden. Das ist dieser neue Feminismus.«

Er ging zu einer Schublade und zog eine winzige Pistole vom Kaliber .32 hervor. »Die passt gut zu einer schönen Handtasche.«

Selbst Howell lachte nun, weniger über Jananis Scherz als über Saries todernstes Gesicht.

»Ich hatte mehr an so etwas gedacht«, sagte sie und trat zu einer Reihe von halb automatischen Gewehren mit Zielfernrohr. Sie schnappte sich eines, zog den Ladehebel zurück, um die Waffe durchzuladen, und ging dann zu einem Tisch, auf dem Sandsäcke lagen.

»Das ist kein Spielzeug«, mahnte Janani, als sie das Gewehr auf den Tisch legte und sich dahinter kniete.

Sie reagierte nicht auf seine Warnung, und er wandte sich wieder Howell und Smith zu. »Meine erste Frau benimmt sich auch so. Daran ist diese Oprah schuld. Wir haben …«

Alle drei duckten sich, als das Strohdach über ihnen von einer Explosion erschüttert wurde. Man hörte Schreie aus dem Gebäude, und mehrere bewaffnete Männer kamen herausgelaufen und sahen Sarie begeistert in die Hände klatschen. »Sie haben das Ganze mit ein bisschen Dynamit aufgepeppt? Das gefällt mir!«

Der Afrikaner zog die Stirn in Falten und blickte auf die Überreste der Sperrholzzielscheibe, die durch eine ferne Wolke aus Erde und zertrümmertem Fels gewirbelt wurden. »Nur die in achthundert Metern Entfernung.«

»Stört es Sie, wenn ich auf eine andere Scheibe schieße?«

Janani trat zu ihr und riss ihr das Gewehr aus der Hand. »Kommt nicht infrage, Madame. Diese Waffe ist viel zu schwer für Sie, und der Schaft passt überhaupt nicht. Kommen Sie morgen mit Ihren Freunden wieder, dann habe ich etwas für Sie.«

Die Ares Entscheidung
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