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Bobby Mahoney hält seine Besprechungen an allen möglichen Orten ab. Das muss so sein. In den Hinterzimmern der Pubs, die ihm gehören, in dem Wellnesscenter, von dem er Anteile besitzt, oder unten im Cauldron, seinem allerersten Club noch aus der Zeit, bevor er ein ganzes Imperium kontrollierte. Auf diese Weise ist es sicherer, und die Bullen oder die SOCA, die Abteilung für organisiertes Verbrechen, haben es schwerer, irgendwas auf Band aufzuzeichnen. Natürlich filzen wir sämtliche Läden zweimal die Woche, wir sind ja keine Vollidioten – und Bobby Mahoney ist auch nicht John Gotti, der überall in Tyneside alles Mögliche herumposaunt, bis schließlich genug zusammengekommen ist, um ihn lebenslang wegzusperren. Bobby macht keinen Blödsinn, und zu meinem Job gehört es unter anderem, aufzupassen, dass er es niemals darauf ankommen lässt.

Ich wunderte mich nicht, als mir Finney erklärte, wir würden uns im Cauldron treffen. Für Bobby ist das so eine Art zweites Zuhause, und ich nehme an, er hat sentimentale Gefühle, wenn er an den Club denkt, wie der Boss einer riesigen Einzelhandelskette, der immer mal wieder in seinen ersten Eckladen zurückkehrt, um sich an die guten alten Zeiten zu erinnern, als er noch nichts besaß außer nacktem Ehrgeiz. Diesen und, in Bobbys Fall, die Beute aus einem Überfall auf einen Panzerwagen, den seine damals noch junge Crew 1973 durchgezogen hatte. Sie waren mit Strumpfmasken über den Gesichtern drauflosgestürmt und hatten unbewaffneten Sicherheitskräften mit abgesägten Flinten vor den Nasen herumgefuchtelt. Die Jungs bekamen einen Hungerlohn, für den sie wohl kaum die Helden spielen würden.

So fing man damals an. Man überfiel den Wagen mit den Lohngeldern, um sich das Startkapital zu sichern. Das war die erste Sprosse auf der Leiter. Wenn wir heutzutage etwas flüssig brauchen, unterhalten wir uns mit Risikokapitalgebern. Ist schon eine fremde und seltsame Welt.

Niemand außer einem kompletten Vollidioten würde heute noch einen Panzerwagen überfallen. Erstens transportieren die nicht mal mehr annähernd so viel Bares, alle beziehen ihre Gehälter über BACS-Überweisungen, und die gute alte Lohntüte mit Zehnpfundscheinen ist nur noch eine vage Erinnerung. Die Polizei ist heute viel schlauer, Gangs werden frühzeitig ausgemacht, deren Mitglieder rund um die Uhr überwacht, und wenn sie sich doch mal rühren, werden sie von Scharfschützen mit nervösem Abzugsfinger ausgeschaltet, die sich alle für Al Pacino in Heat halten.

Vor ein paar Wochen hatten wir im Fernsehen auf Sky News einen stümperhaft durchgeführten Raubüberfall gesehen, zumindest das Nachspiel. Die Bullen gaben sich nicht damit zufrieden, die dummen Wichser festzunehmen, die nicht gemerkt hatten, dass sich seit der Zeit von Reagan und Carter und der schroffen Ankündigung »Jetzt bist du dran, Kleiner« einiges geändert hat. Kaum hatten sie die Schusswaffen auf die Sicherheitskräfte angelegt, wurden sie in aller Ruhe, wenn man so will, von Scharfschützen ausgeschaltet, die sie nicht mal gesehen hatten, wobei Passanten durchaus noch Gelegenheit bekamen, das Ganze mit ihren Handys mitzufilmen und das körnige Videomaterial an die 24-Stunden-Nachrichtensender zu verscherbeln. Anscheinend sind wir heutzutage alle Journalisten. Jedermann weiß, dass man mit einem Film von der blutverspritzten Wand einer Landesbausparkasse Kohle machen kann.

Bobby sah sich das alles mit Interesse an und behauptete: »Ja, seit meiner Zeit hat sich definitiv einiges verändert.« Daraufhin nippte er an seinem Whisky und fügte hinzu: »Aber natürlich waren wir keine verfluchten Amateure.«

Als Bobby jünger war, konnte man sich mit ein oder zwei Überfällen auf Geldtransporter Anteile an einem Club und genug Bargeld sichern, um außerdem in Glücksspielautomaten, geklauten Alkohol oder Zigaretten und ehrliche, altmodische Hurenhäuser zu investieren. Bobby erklärte mir: »Vom Anbeginn der Zeit haben Männer Frauen gebraucht, aber zum Glück ist das Gewerbe immer noch illegal – und mag dies lange so bleiben, sonst bekommt man noch eine Nutte angeboten, wenn man im Supermarkt Lebensmittel einkaufen will.« Und er äffte den Singsang einer leicht beschränkten Kassiererin nach: »Das macht neunzig Pfund, Sir. Ach, und haben Sie Ihre Kundenkarte dabei? Ich sehe gerade, Sie haben genug Treuepunkte für einmal Ficken, zwei Blowjobs und einmal Französisch gesammelt. Möchten Sie sie gleich einlösen, solange Ihre Frau tanken fährt?« Er lachte. »Glaub bloß nicht, die würden das nicht machen, wenn sie könnten? Die verkaufen von Fernsehern bis Versicherungen alles, heutzutage gibt’s an jeder Ecke Vibratoren. Wo kämen wir hin, wenn der Einzelhandel Geschäfte mit Sex machen dürfte, hm? Ich hab mit Massagen mehr Kohle gemacht als mit bewaffneten Überfällen. Dauert nur länger, ist eben Handarbeit.«


Finney und ich kamen viel zu schnell in die Stadt. Es war der Beginn eines Oktoberwochenendes, und die Menschen waren unterwegs, wollten für ein paar Stunden in den Pubs und Clubs von Bigg Market und Quayside ihre Sorgen vergessen; aufgedonnerte Mädchen und pöbelnde Jungs auf der Suche nach einer One-Night-Juliet trieben sich zu Dutzenden auf den Straßen herum. Die Brücken auf der Quayside waren alle hell erleuchtet, damit die Nachtschwärmer wussten, in welche Richtung sie torkelten.

Ich hatte nicht grundlos an Bobbys gewalttätige Anfänge gedacht. Er war immer noch ein knallhartes Arschloch. Wenn er sich zu kurz gekommen fühlte, schreckte er nicht davor zurück, seine sagenumwobene Unbarmherzigkeit auch gegenüber seinen zuverlässigsten Lieutenants walten zu lassen. Tatsächlich machte mir das große Sorgen, denn im vorliegenden Fall war ich der zuverlässige Lieutenant. Ich bin Gewalt nicht gewohnt wie die anderen Jungs aus unserer Crew. Im Gegensatz zu mir sind sie alle schon sehr viel länger im Geschäft und hatten sich die Aufnahme in unsere Gang hart erkämpfen müssen. Irgendwann mal haben sie sich alle die Finger schmutzig gemacht. Aber ich? Ich bin viel jünger und ausschließlich Kopfarbeiter, ein Mann der Ideen. Durch mich hat Bobby Mahoney im Lauf der Jahre eine Menge Kohle gescheffelt, und er hat immer drauf geachtet, dass ich meinen Anteil bekomme, aber all das zählt jetzt nicht mehr. Die Übergabe hat nicht stattgefunden, und, ich geb’s zu, ich mach mir deshalb in die Hose.

»Kein verfluchtes Wort gegenüber Bobby, hast du mich verstanden?«, warnte mich Finney. »Egal, was er sagt.«

»Hab’s schon versprochen, oder nicht?«

Wir parkten draußen vor der schmutzigen, fensterlosen Fassade des roten Backsteingebäudes, das den Cauldron beherbergte, einen Steinwurf von Chinatown und einen Elfmeter vom St. James’s Park entfernt. Es war Freitagabend, kurz nach der traditionellen Sperrstunde, und draußen vor dem Club hatten sich bereits Scharen von Besuchern versammelt. Der Cauldron ist nicht unbedingt der coolste Laden der Stadt, aber er ist billig und hat viele loyale Anhänger. Sie standen jeweils in Zweier- oder Dreiergrüppchen Schlange; Teenagermädchen in Röcken, die so kurz waren, dass man glauben konnte, sie seien aus den Taschentüchern ihrer Großväter geschneidert. Die engen Blusen hatten sie nur bis zur Mitte zugeknöpft oder gebunden, so dass man einen guten Hektar nacktes, weißes Dekolleté sehen konnte, das unter dem Stoff hervorquoll. Gott, dachte ich, die müssen sich den Arsch abfrieren. Dann wurde mir klar, wie alt ich dabei klang. Wer jung ist, dem macht Kälte nichts aus. Ich erinnerte mich an meine arme, verstorbene Mutter, die immer, wenn ich das Haus ohne Mantel verließ, zu mir sagte: »Eines Tages holst du dir bestimmt noch den Tod.«


Finney warf einem der Türsteher die Schlüssel zu, damit er den Wagen aus dem Halteverbot fuhr. Der andere nahm hastig die dicke rote Kordel ab, die dem Laden den Anschein von Klasse verleihen sollte, und trat einen Schritt zurück, um uns einzulassen. Wir gingen an dem Mädchen vorbei, das die Kohle kassierte, ich glaube, Julie hieß sie, und sie lächelte mich an. Ich fragte mich, ob sie bereit sein würde, eine Aussage zu machen, sollte ich das Gebäude nicht mehr lebend verlassen. Einen Scheiß würde sie.

Der Gedanke geisterte mir durch den Kopf; die Übergabe hatte nicht stattgefunden, deshalb war ich im Moment in Newcastle ungefähr so beliebt wie Dennis Wise. Ich wünschte, ich säße im Flugzeug zurück nach Thailand.

Wir stiegen eine steile Treppe mit einem klebrigen, biergetränkten, braunen Teppich hinauf, und ich konnte kurz einen Blick auf die Tanzfläche mit der Nebelmaschine aus den Achtzigern werfen, die Qualm verströmte, als würde es brennen. Der Club füllte sich allmählich mit besoffenen, notgeilen jungen Kerlen und gelangweilt dreinschauenden, aber ebenso betrunkenen Mädchen. Sie verrenkten sich gerade zu Disturbia von Rihanna. Irgendwie klang es falsch und unheilvoll, der Bass wummerte wahrscheinlich in demselben Rhythmus wie mein Herz, aber ich wusste, dass mir mein überreiztes Gehirn einen verfluchten Streich spielte.

Vor allem ein Mädchen fiel mir ins Auge. Ich weiß nicht, warum ich sie unter all den anderen bemerkte, aber sie wirkte irgendwie traurig. Sie saß allein da und hatte wahrscheinlich gerade kapiert, dass sich ihre Freundin vermutlich lieber draußen am Taxistand die Titten befummeln ließ, als noch mal zu ihr hereinzukommen. Schon bald würde sie mit einem heißen jungen Azubi zu dessen Wohnung aufbrechen, nur weil er ihr weisgemacht hatte, er würde für Newcastle auf der Ersatzbank sitzen. Ich blickte in ihr trübseliges Gesicht und hätte am liebsten gesagt: »Meine Liebe, du glaubst, du hast Probleme?«

Noch zwei Treppen bis ins innerste Heiligtum. Als ich dort eintraf, saß Bobby hinter seinem großen massiven Eichenholzschreibtisch und erwartete mich. Zwei altgediente Mitarbeiter waren bei ihm; Jerry Lemon, wie gewöhnlich im T-Shirt, nackte Arme und Knasttattoos, randvoll mit aufgestauter Aggression, so dass ich ständig damit rechnete, dass er einen Herzinfarkt erlitt. Neben ihm stand Mickey Hunter und guckte in seinem vermeintlich schicken Jackett betreten aus der Wäsche, die Krawatte trug er so locker um den Hals, dass man den obersten Hemdknopf sah. Am liebsten wäre ich auf den großen Kerl zumarschiert und hätte sie festgezogen, damit er nicht so abgerissen aussah. Offensichtlich fühlte er sich verpflichtet, elegant gekleidet in Bobbys Nachtclub zu erscheinen, aber es stand ihm einfach nicht. Irgendwie sah er dann doch immer aus wie ein Arbeiter, den seine bessere Hälfte gezwungen hatte, zur Hochzeit seiner Nichte den guten Anzug zu tragen.

Sogar unser bestechlicher Buchhalter Alex Northam war da, in einem Tweedanzug, der ihn viel zu alt machte. Er gehörte zu jenen nicht mehr ganz jungen Männern, die’s kaum abwarten können, alt zu werden, damit sie allen anderen erzählen können, was sie schon erlebt haben.

Ich kannte die Jungs allesamt bereits sehr lange, aber jetzt wichen sie meinen Blicken aus. Ich fragte mich, ob einer von ihnen ein gutes Wort für mich eingelegt hatte oder ob sie lieber heute als morgen auf meinem Grab tanzen wollten. Keinerlei Ganovenehre.

Obwohl er nicht ganz so brutal durchgeknallt war wie Finney, durfte man Bobby Mahoney nicht unterschätzen, auch jetzt nicht mit Ende fünfzig. Er mochte graue Haare und das faltige Gesicht eines Mannes kurz vor der Rente haben, aber man konnte ihn immer noch zusammen mit mehreren Zwanzigjährigen in einen Raum sperren und sicher sein, dass er als Einziger zum Schluss noch aufrecht stehen würde.

Er schien sich über meinen Anblick nicht gerade zu freuen.

»Alles klar, Bobby?«, fragte ich und wusste, dass dem nicht so war.

»Wo, zum Teufel, bist du gewesen?«

Seine donnernde Stimme ließ alle Anwesenden sofort verstummen. Sie klang so durchdringend, dass Northam vor Schreck zusammenzuckte.

»Thailand«, sagte ich so selbstbewusst, wie ich konnte. Da ich nichts falsch gemacht hatte, setzte ich darauf, dass meine beste Verteidigung in einem Anflug von Trotz, gepaart mit einer gesunden Portion Zerstreutheit, bestehen würde. »Wieso?«

Bobby erhob sich und kam hinter seinem Schreibtisch hervor. Jerry Lemon und Mickey Hunter strebten auseinander wie das Rote Meer, damit er freien Zugang zu mir hatte. Mein Mund war trocken, und mir gefiel nicht, wie er seine Riesenfäuste ballte. Ich machte mich auf eine gemeine Tracht Prügel gefasst.

»Was ist mit der Übergabe passiert?«, fragte er mich direkt.

Und genau da wurde es schwierig für mich, weil ich eigentlich gar nicht hätte wissen dürfen, dass sie nicht stattgefunden hatte, aber Finney wusste, dass ich es wusste, und er stand direkt neben mir, trotzdem musste ich überzeugend wirken. Wenn ich herumdruckste und leugnete, überhaupt was darüber zu wissen, würde sich Bobby fragen, warum, und gefährlich falsche Schlüsse ziehen.

»Ich weiß es nicht, ich war weg. Im Urlaub, schon vergessen?« Dann tat ich, als würde erst allmählich der Groschen bei mir fallen: »Wie meinst du das, was damit passiert ist?«

»Du warst dafür verantwortlich!« Die Lautstärke steigerte sich bedrohlich. Er kam auf mich zu, und die anderen schauten weg; auf ihre eigenen Schuhe, auf die gerahmten Drucke von halbnackten Pirelli-Kalendermädchen an den Wänden, überall hin, bloß nicht zu mir. »Verkauf mich nicht für dumm, Davey«, zischte er, als er direkt vor mir stand.

Die Situation war bereits ernst genug, so dass ich unverzüglich aufhörte, den Ahnungslosen zu geben. »Ja, ich weiß, Bobby, aber ich war im Urlaub, und Geordie Cartwright hat gesagt, er würde übernehmen«, sagte ich ruhig, in der Hoffnung, der große Mann würde sich beruhigen, »wie immer, wenn ich im Urlaub bin. Er meinte, er würde das mit dir klären und Maggot mitnehmen.«

Er machte einen weiteren Schritt auf mich zu und starrte mir direkt in die Augen, um festzustellen, ob ich log. Man sagt, Bobby Mahoney kann Lügen riechen. »Er hat einen Scheiß mit mir geklärt, und Maggot hat er auch nicht mitgenommen.« Er stand so dicht vor mir, dass ich den abgestandenen Tabak in seinem Atem riechen konnte.

»Hast du schon mit Maggot gesprochen?«, fragte ich.

»Allerdings«, sagte Finney mit ironischem Unterton, »wir hatten eine kleine Unterhaltung.«

An seinem Tonfall merkte ich, dass sie dem armen Schwein eine Scheißangst eingejagt haben mussten, nur um sicherzu- gehen, dass er die Wahrheit sagte. Finney war bekannt für seine Überredungskünste, sein bevorzugtes Instrument war dabei ein Bolzenschussgerät. Am liebsten jagte er Leuten Nägel in die Handflächen, so dass sie an ihren Küchentischen, Garagentoren und, in einem denkwürdigen Fall, am Schädel eines bereits verschiedenen Komplizen hängenblieben.

»Du hast mich nicht angerufen«, erwiderte ich, erstaunt darüber, dass ihm dies nicht als Erstes eingefallen war. Ich hatte zwar kein schickes Handy mit internationaler Reichweite, aber schwer aufzuspüren war ich auch nicht.

»Wir haben in dem Hotel angerufen, dessen Namen du uns genannt hast«, sagte Jerry Lemon, »die haben behauptet, du wärst nicht bei ihnen abgestiegen.«

»Das ist Blödsinn«, sagte ich. »Natürlich war ich da. Ich war zehn Tage in derselben scheiß Ferienanlage. Laura hat den halben Geschenkeshop leer gekauft. Natürlich war ich da.« Und dann ging mir plötzlich ein Licht auf.

Laura.

Laura hatte gebucht.

Verdammt.

»Also, was war los?«, fragte ich in dem Versuch, von dem unerklärlichen Nichtauftauchen meines Namens im Gästeregister des Hotels abzulenken. Eine Sekunde lang dachte ich, Bobby würde mich verprügeln, und wenn Bobby Mahoney erst mal anfängt, jemanden zu verprügeln, dann hört er nicht mehr auf. Glauben Sie mir, ich hab’s gesehen. Finney und alle seinen anderen Kumpels müssen Bobby wegzerren, und dann ist es meistens zu spät.

»Nichts ist passiert!«, knurrte er. »Die Übergabe hat nicht stattgefunden, und Cartwright ist verschwunden.«

»Scheiße!«

»Kann man wohl sagen. Ein ganzer Riesenhaufen Scheiße, und wir sitzen alle mittendrin, vor allen Dingen du. Ich erfahre erst etwas davon, als ich einen Anruf kriege und man mir mitteilt, dass die Übergabe auf sich warten lässt. Wir sind mit der Übergabe noch nie zu spät dran gewesen, deshalb weiß ich gleich, dass was nicht stimmt, und kümmere mich schleunigst darum. Wie sich herausstellt, ist Cartwright nirgendwo zu finden und das Geld genauso wenig. Fest steht nur, dass es nicht angekommen ist. Ich frage dich also noch mal, wo, zum Teufel, bist du gewesen?«

Ich bin schlau genug, um zu kapieren, dass er das nicht wörtlich meint. Wenn ich noch mal »Urlaub« oder »Thailand« sage, fange ich mir nicht ganz unverdient Prügel ein. »Tut mir leid, Bobby, wirklich. Ich hab’s vermasselt.« Offenbar weiß er nicht, wie er mit so viel Ehrlichkeit umgehen soll. Die ist er ganz eindeutig nicht gewohnt. »Ich hätte darauf achten müssen, dass das Übergabegeld in zuverlässigere Hände als die von Cartwright gelangt, damit du dir um nichts Sorgen machen musst.«

»Wegen Cartwright mache ich mir keine Sorgen. Den kenne ich seit Jahren, und geliefert ist er so oder so. Sieht ganz danach aus, als hätte ihn jemand umgebracht und mein Geld geklaut. Das ist meine Vermutung, und wenn es nicht so ist, dann muss Geordie blöd genug gewesen sein, es selbst zu klauen. In dem Fall werde ich ihn, verdammt noch mal, umbringen. Mach dir wegen Cartwright also keine Gedanken, mach dir lieber Gedanken um dich selbst, weil du dafür die Verantwortung trägst. Ich dachte, das hätte ich bereits deutlich genug gesagt. Jetzt mach, dass du rauskommst und entweder Cartwright oder seine Leiche findest. Ich will wissen, wer dahintersteckt, und ich will mein scheiß Geld wiederhaben – Finney wird die Schuldigen bei lebendigem Leib in Stücke schneiden. Du hast zwei Tage, um die Scheiße in Ordnung zu bringen. Am Montagmorgen will ich mein Geld hier auf meinem Schreibtisch sehen. Mich beklaut niemand, niemand, und das weißt du!«

O Gott, als ich das hörte, rutschte mir das Herz in die Hose. Ich wusste, dass meine Chancen, Cartwright, seinen verwesenden Kadaver oder Bobbys Kohle bis Montag zu finden, gen null gingen, aber das würde ich Bobby Mahoney nicht auf die Nase binden.

Hätte ich es getan, hätte er mich vermutlich getötet, deshalb wählte ich den Weg des geringsten Widerstands und gewann erst mal Zeit.

»Ja, Bobby, ich weiß. Überlass das mir. Ich kümmere mich darum.«

»Dann los«, sagte er, was ich mir nicht zweimal sagen ließ, »und nimm Finney mit.«

Finney trottete hinter mir her, worauf ich auch hätte verzichten können. Ich brauchte Zeit für mich allein, um nachzudenken, aber jetzt, da Finney bei mir war, würde ich Erkundigungen einziehen und wie ein Irrer am Freitagabend kreuz und quer durch die Stadt rasen müssen. Gott, wo sollte ich überhaupt anfangen?

»Wohin?«, fragte Finney, kaum dass wir den Raum verlassen hatten. Mich überkam das komische Gefühl, dass ihm die Sache insgeheim Spaß machte. Die »Blitzbirne«, wie er mich genannt hatte, als ich zum Team dazustieß, wurde entschieden in ihre Schranken verwiesen und machte sich ganz offensichtlich, angesichts der Aussicht auf eine gehörige Tracht Prügel oder Schlimmeres, ins Hemd. Ich hatte keine Ahnung, »wohin«.

»Ganz einfach«, sagte ich so gelassen wie unter den gegebenen Umständen möglich, »zu allen uns bekannten Beteiligten.« Er sah mich mit gerunzelter Stirn an, als könnte sein schlichtes Hirn das Vorhaben nicht richtig verarbeiten. »Cartwrights engste und liebste Vertraute. Wir quetschen sie alle aus. Los, zum Wagen.«

Unbedingt wollte ich vermeiden, dass er mich nach meinem Plan fragte. Ich hatte nämlich keinen.

Crime Machine: Thriller
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