DAVOR
Mit dem Aufzug ging es unters Dach. Oben war es still. Ein schmaler Flur, zu beiden Seiten die Zimmer der Redaktionsleiter. Der Teppich dämpfte die Schritte, die Wände waren kahl, an der Decke hingen verschalte Neonröhren. Vor dem Büro des Chefs blieb Felix stehen und klopfte.
»Hallo.« Frau Fischer, die Sekretärin, begrüßte ihn ganz locker. Er solle Platz nehmen und einen Augenblick Geduld haben, der Chef erwarte ihn, habe aber noch zu tun, es könne sich nur um Minuten handeln.
Felix nickte und setzte sich in den Ledersessel neben dem Eingang. Sie bot ihm einen Kaffee an, er lehnte ab. Frau Fischer macht Smalltalk. Heiß heute, sagte sie, man werde noch verrückt, wenn das so weitergehe, sie habe ja nichts gegen Sonne, aber was zu viel sei ... Er erwähnte seinen Sonnenbrand. Frau Fischer empfahl ihm eine Salbe, die sei verträglich und helfe auch bei Akne.
Hatte er etwa Pickel? Unauffällig fuhr Felix sich über die Stirn: negativ. Die Krawatte, er musste die Krawatte umbinden. Er zog sie aus der Hosentasche. Frau Fischer lächelte. Ja, ja, der Chef, sagte sie. Ihr Mann könne die Dinger auch nicht ab. Zum Glück arbeite er in der Druckerei unten im Keller, da ginge es nicht so streng zu.
An den Wänden hingen glasgerahmten Fotos, die Felix auswendig kannte. Sein Lieblingsbild zeigte bärtige, braungebrannte Typen mit Turban vor einem ausgebrannten Panzer, die Kalaschnikow im Anschlag.
Das Bild daneben: Ein bärtiger, braungebrannter Typ mit Turban vor einem ausgebrannten Helikopter, die Zigarette im Mundwinkel. Daneben stand ein räudiger Esel, bepackt mit irgendwelchen Raketen. Auf der anderen Wand hingen kleine Kinder vor einer Hütte, in der Türe eine alte verschrumpelte Frau mit langen grauen Haaren. Ein Foto zeigte zerklüftete Berge, eine einsame Pass-Straße, auf der man Militärlaster erkannte. Darüber ein wilder, wolkenzerissener Himmel.
Alle Aufnahmen waren schwarzweiß. Kriegsreporter in Afghanistan, dachte er, obwohl er den Chef auf keinem Bild entdeckte.
Ob er nicht wenigstens ein Glas Wasser wolle, bei der Hitze?, fragte Frau Fischer. Ja, gerne. Er hatte einen trockenen Mund.
Felix hörte den Chef telefonieren und bedankte sich. Das Wasser war lauwarm, er trank es trotzdem. Klappernde Fingernägel auf der Computertastatur, dass Ticken der Uhr, das Murmeln hinter der Tür, der weiche Sessel: Das alles machte ihn schläfrig. Er gähnte und legte den Kopf leicht nach hinten, an die Wand. Was der Chef wohl von ihm wollte? Er dachte nicht wirklich darüber nach.
Irgendwann schloss er die Augen. Es wurde Nacht, das Lagerfeuer knisterte. Fremde Stimmen drangen an sein Ohr. Sie saßen im Kreis, wärmten ihre Hände über den Flammen. Jemand reichte Brot und Datteln herum, er aß hungrig und trank Wein. Hart und unwirklich, die Gesichter.
Ein Mann ihm gegenüber putzte ein Gewehr mit sorgfältigen Bewegungen. Er sah ihm zu. Stechender Blick aus dunklen Höhlen, ein langer, dichter Bart. Wie das Messer im Gürtel funkelte.
Du musst ein Foto machen.
Er griff ins Leere.