DANACH

Marti rüttelte an der verglasten Eingangstüre des Gasthofes und klopfte laut gegen die Scheibe. Keine Reaktion.

»Hallo! Kundschaft!«

Im Inneren des Gebäudes rührte sich nichts. Es blieb still und dunkel. Er wartete und studierte dabei die in einem Kästchen ausgestellte Speisekarte. »Menü des Tages«, las er laut. Als Vorspeise Ruccola-Salat mit süßen Cocktailtomaten und Parmesansplittern, als Hauptgericht frische Pfifferling-Rahm-Pasta mit Hähnchenbruststreifen und zum Nachtisch Frozen Joghurt an feinem Erdbeermus.

Das machte seinen Hunger nur noch schlimmer. Marti entzifferte mühsam das Datum, das jemand handschriftlich über die ausgedruckte Liste gekritzelt hatte. Es war eine Woche alt. Er rechnete im Kopf nach, wann er das letzte Mal zum Einkaufen gefahren war.

Das passte ungefähr. Was war nur in diesen sieben, acht Tagen passiert, dass man sich dazu entschlossen hatte, den Laden komplett dicht zu machen? Marti lief um das Haus herum, legte seine Hand an die Fenster und versuchte im Inneren etwas zu erkennen. Der Biergarten hinter der Hecke war verwaist, nur eine Plastikschaukel schwang leicht hin und her. Vertrocknete Blätter und kleine, von den Bäumen herabgewehte Zweige lagen auf dem Kies.

Marti hämmerte noch einmal gegen die Eingangstür zum Wintergarten, dann gab er auf und lief zurück zum Wagen. Auf der anderen Straßenseite entdeckte er eine Telefonsäule. Er ging hinüber und hob den Hörer ab. Die Leitung war tot. Anscheinend gab es nirgendwo mehr Strom. Dabei hatte er noch gestern Abend eine Fertigpizza in den Ofen geschoben und sich im Schein der alten Stehlampe besoffen. Allerdings lag das Haus seiner Großeltern fünfzehn Kilometer entfernt und gehörte nicht zum Stadtgebiet.

»Denk nach«, sagte er laut zu sich selbst.

Er lief zu den Wohnhäusern. Überall fand er die gleiche Situation vor. Offensichtlich waren die Häuser von ihren Bewohnern ordentlich verschlossen und verlassen worden. Nirgendwo lief ein elektrisches Gerät, kein Rasensprenger, keine Gartenteichpumpe, kein Fernseher. Es war, als wäre das ganze Viertel an einem Tag geschlossen abgereist und hätte vorher noch alles besenrein übergeben und das Licht ausgemacht.

Marti musste sich kurz auf den Bordstein setzen. Ihm war schwindelig und seine Gedanken fuhren Karussell. Ein Piepen der Armbanduhr warnte ihn, dass er sich bereits über eine Stunde an dieser Kreuzung aufhielt.

Egal was auch geschehen war, er musste jetzt kühl und logisch vorgehen. Hier bekam er keine weiteren Informationen, außer er verschaffte sich irgendwo verbotenerweise Eintritt. Aber dazu hatte er keine Lust. Und er hatte ordentlich Hunger und Durst. Sein Handy lag und dort hatte es bis heute Morgen auch noch Strom gegeben. Im Moment schien es ihm das Beste, einfach zurückzufahren. Mit etwas Glück funktionierte auch das Mobilfunknetz noch. Er konnte Heiner und ein paar Leute aus dem Dorf zusammentrommeln. Und seine Eltern benachrichtigen, die hoffentlich nicht am Bahnhof auf ihn gewartet hatten. Er stand auf und wischte sich mit dem Oberarm den Schweiß aus dem Gesicht.

Hilfe holen.