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Betelnuss und Bilums
»Der weiße Mann hat zu viel Ballast.«
Anonymus
 
 
Am 27. Januar 1977 verabschiedeten sich Mutter und eine ganze Autoladung Schwestern von Margaret, Karina, Samantha und mir zum Flug von Tullamarine nach Papua-Neuguinea. In Port Moresby sollten wir auf Mutter warten, die dort in ein paar Wochen zu uns stoßen wollte, damit wir gemeinsam nach Kerema gingen. Unsere Visumbestimmungen sahen vor, dass wir bis zum 1. Februar in das Land eingereist sein mussten, was der Grund für unser vorzeitiges Eintreffen war.
Da wir über Sydney flogen, suchte ich die Berge nach einem Blick auf mein Zuhause ab und fragte mich, wann ich wohl meine Familie wiedersehen würde. Als wir am Jackson’s Airport in Port Moresby aus dem Flugzeug stiegen, schlug uns die Hitze wie aus einem Backofen entgegen. Unsere Gruppe kam als letzte durch den Zoll, und die müden Beamten winkten uns mit unseren Kisten und den mit Stricken zusammengebundenen Bettrollen durch. Aufgeregt wurden wir begrüßt, darunter auch von Schwester Felicity, mit der ich mich damals in Bourke zum ersten Mal über mein Interesse, den Missionarinnen der Nächstenliebe beizutreten, ausgetauscht hatte, Schwester Laboni, meine Gruppenschwester, und Schwester Rosa, die mit uns das Noviziat gemacht hatte. Die kürzlich Professe gewordene Schwester Anthea war ein paar Wochen vor uns eingetroffen.
Wir zwängten uns auf die Ladefläche ihres Lastwagens, wo wir auf Holzbänken unter einem Planendach sitzend die Fahrt vom Flughafen nach Hanuabada zurücklegten, einem am Meer gelegenen Vorort von Moresby. Ich klammerte mich fest, als wir in halsbrecherischem Tempo um die Kurven rasten. Kokosnusspalmen, Chilisträucher und mit Menschen vollgepackte Kleintransporter flitzten auf der gewundenen Straße an uns vorbei. Gärten mit Bananen, Papayas und Maniok waren über die steilen Hügel an der Peripherie der Stadt verstreut.
In den dicht befahrenen Straßen um den Markt, wo Verkäufer ihr Gemüse auf dem Boden aufgehäuft anpriesen, fuhren wir etwas langsamer. Die Frauen trugen ihre unverwechselbaren meri - leuchtend bunte, hemdartige und lose sitzende lange Blusen mit rundem Ausschnitt und kurzen Puffärmeln, dazu lap laps - Stoffbahnen, die wie ein Sarong um die Taille gewickelt werden. Beides war farbenfroh bedruckt, mit Paradiesvögeln, wilden Kriegern, Trommeln und Hibiskusblüten. Babys oder schwere Lasten schleppten sie in bilums oder Netztaschen mit sich herum, die aus Naturfasern handgeknüpft wurden und über den Kopf geschlungen getragen wurden. Anfangs missdeutete ich die roten Betelnussflecken um ihre Münder als Anzeichen einer Krankheit, und es faszinierte mich zu sehen, dass im krausen Haar der Papuas alle möglichen Dinge verwahrt wurden - Stifte, Kämme und sogar Mechanikerwerkzeug.
Die Schwestern in Hanuabada nahmen jeden Sonntag Chloroquin zur Malariaprophylaxe, obwohl die Gefahr in Port Moresby bei Weitem nicht so groß war wie im Rest des Landes, da die Stadt ein Malaria-Ausrottungsprogramm durchführte. Sie lebten in einem zweigeschossigen Haus am Rande einer Bucht mit einer Steinterrasse als Vorgarten. Das Geräusch der sanft plätschernden Wellen und eine gelegentliche Meeresbrise drangen durch die Lamellenscheiben der Kapellenfenster. Über die ganze Bucht und beidseits einer grob gearbeiteten Mole verteilt standen strohgedeckte Pfahlhäuser aus rohem Holz. Gruppen von Kindern sprangen und tauchten ins Meer, während andere in Einbäumen angelten.
Papua-Neuguinea wird durch einen zentralen Gebirgszug zweigeteilt. Die Neuguineaner im Norden sprechen vornehmlich Tok Pisin oder Pidgin-Englisch, während die Papuaner im Süden eine vereinfachte Form von Motu, der Sprache von Hanuabada sprechen. Weil wir nicht wussten, welche Sprache in Kerema gesprochen wurde, begannen wir Pidgin- und Motu-Wörter zu lernen, während wir auf Mutter warteten. Diese verbindenden Sprachen sind in dem gebirgigen Land mit seinen kulturellen Unterschieden und seinen über siebenhundert Landessprachen von großer Wichtigkeit. Die Schwestern, die bereits in PNG stationiert waren, als wir dort ankamen, erwarteten alle Veränderungen, was ihren nächsten Einsatzort betraf, und glaubten, dass sie anstelle von uns nach Kerema kamen, weswegen sich bei mir Unsicherheit breitmachte. Die Machtlosigkeit, die ich in Melbourne verspürt hatte, kehrte zurück, und mir wurde erneut bewusst, dass mein Schicksal immer in den Händen anderer lag.
Nach einigen Wochen begrüßten wir Mutter unter großem Jubel, und wir brachen wie ursprünglich geplant nach Kerema auf. Zu fünft warteten wir umgeben von unserem Bettzeug und Kisten stundenlang auf einer von Gras bewachsenen Landebahn und suchten den Himmel nach einem Flugzeug im Anflug ab. Mutter meinte, wenn wir vertrauensvoll beteten, würde das Flugzeug sicherlich kommen, und irgendwann landete es auch. Bevor wir einstiegen, wog der Pilot sämtliche Passagiere und ihr Gepäck, und ich kam auf zweiundfünfzig Kilo. Wir flogen sehr tief über gewundene Flüsse, küstennahe Inseln und Hütten, die auf Gipfellichtungen auf nacktem Lehm hockten, der sich kontrastreich vom umgebenden Dschungel abhob.
Endlich, sagte ich mir, komme ich dorthin, wohin ich immer wollte.
Als wir in Kerema ankamen, erwartete uns dort schon Erzbischof Copas, ein aufrechter Mann mit widerspenstigen weißen Locken, mit einer Gruppe junger Papuaner, um uns in Empfang zu nehmen, nachdem sie das kleine Flugzeug am Himmel hatten kreisen hören. Als wir durch die Luke krochen, halfen uns die Schüler, unsere Kisten und unser Bettzeug auszuladen. Der Bischof hieß Mutter warmherzig willkommen, und die Schüler sangen ein Lied und bekränzten uns mit Hibiskusgirlanden. Dann quetschten wir uns in das Allradfahrzeug des Bischofs für unsere kurze Fahrt zur Saint Peter’s Extension School, wo wir leben und arbeiten würden.
Unser Kloster lag im kleineren Obergeschoss eines luftigen Holzgebäudes. Im ersten Stockwerk befanden sich die Klassenzimmer und unser Badezimmer sowie die Küchenräume. Auch das Quartier des Bischofs befand sich im ersten Stock, abgetrennt durch eine Wand. Er führte ein einfaches Leben und war sehr gastfreundlich zu Besuchern aus den ländlichen Gegenden, die oft bei ihm übernachteten. Die Schule und die Unterkünfte der Internatsschüler belegten das Erdgeschoss. An den Sportplatz hinter der Schule grenzte die Kirche, ein Holzbau mit rohen Bänken und offenen Fenstern entlang der Seitenwände. Den Altarhintergrund bildete ein papuanisch-christliches Wandgemälde in traditionellen Mustern und Farben.
Die Kirchengebäude standen auf einer flachen Hochebene, begrenzt von Kokosnusspalmen, über der Bucht von Kerema. Der Dorfmarkt war ganz in der Nähe, und es gab in der Stadt auch einen von chinesischen Händlern betriebenen Laden. Unter uns reihten sich entlang der Uferlinie auf Pfählen errichtete Strohhütten, in die man über grobe Holzleitern gelangte. Einbäume schaukelten auf den sanften Wellen, und Kokosnüsse hüpften wie Bojen auf und ab. Unter den Hütten suchten Hühner und Schweine nach Futter. Kleine Jungen kletterten an fast senkrechten Kokosnussbäumen hoch und setzten sich in die Palmwedel, um den Baum zu schütteln, bis die Kokosnüsse herunterfielen.
Unser Bischof war ein mitfühlender, konservativer und besonnener Mann. Er war Erzbischof von Port Moresby gewesen, jedoch 1975, gleich nachdem Papua-Neuguinea von Australien unabhängig geworden war, zugunsten eines einheimischen Bischofs zurückgetreten. Der Vatikan ernannte ihn daraufhin zum Bischof von Kerema, aber er behielt seinen Titel Erzbischof. Er war Anfang sechzig, besuchte seine Diözese jedoch noch immer zu Fuß und traf Dorfbewohner, die noch nie zuvor einen Europäer gesehen hatten.
Der Bischof hatte die Arbeit in Saint Peter’s mit nur einem einheimischen Lehrer begonnen, um die vielen Teenager aus den Stammesgebieten zu unterrichten, die nach nur ein oder zwei Jahren die Schule vorzeitig verlassen hatten und dann zu alt waren, um eine reguläre Grundschule zu besuchen. Die ganze Umgebung bestand aus dichtem Dschungel, durch den nur ein paar schlecht instand gehaltene Straßen führten. Von ihren Dörfern in die Schule war es ein weiter Weg, und in der Stadt gab es für sie keine Wohnmöglichkeit. Die schlecht ausgebildeten Jugendlichen von Kerema zog es dann nach Port Moresby und in die Hände von Halbstarken-Banden, die mit dem Gesetz in Konflikt gerieten. Weil ihm der Gedanke, seine Jungs könnten wegen Diebstahls, Überfälle oder Mordes im Gefängnis landen, keine Ruhe ließ, überlegte er, wie er den jungen Leuten Lesen und Schreiben, Mathematik und Englisch beibringen konnte, damit sie über das nötige Rüstzeug verfügten, um sich vor Ort selbstständig machen zu können, und nicht mehr das Gefühl hatten, Kerema verlassen zu müssen. In ihrer eigenen Provinz und eingebunden in ihr Familiennetzwerk halfen ihnen ihre traditionellen Tabus und ihre Kultur, aber in der Anarchie von Moresbys riesiger Stadtlandschaft, brach das gewohnte Rechtssystem zusammen, und die neue unabhängige Regierung, hatte Mühe, damit zurechtzukommen.
Die Schüler konnten ein paar Brocken Englisch und sprachen eine Vielfalt von Stammessprachen. Es besuchten sowohl Jungen als auch Mädchen die Schule, aber die Jungen waren in der Überzahl, und es wurden auch nur Jungen ins Internat aufgenommen.
Der Bischof, Mutter, unsere Oberin Schwester Margaret und der einheimische Lehrer diskutierten darüber, wie die Schwestern in der Schule arbeiten sollten. Ich würde zwei bis drei Stunden am Tag Englisch und Mathematik geben. Ich sollte auch ein Agrarfach unterrichten, dessen Lehrplan Folgendes beinhaltete: die Herstellung von Copra, ein Verfahren, bei dem das weiße Fleisch der Kokosnuss auf Matten in der Sonne getrocknet wird, damit es nicht verdirbt, um es dann zu lagern und zu verpacken und für die Ölherstellung zu verkaufen, sowie die Krokodilwirtschaft, ein Wirtschaftszweig, der Krokodile wegen ihrer Häute züchtet, aus denen dann Schuhe und Handtaschen hergestellt werden. Auf diesen beiden Gebieten verfügte ich über keinerlei Kenntnisse. Ich hatte noch nie ein Krokodil gesehen und erst vor Kurzem entdeckt, dass Kokosnüsse eine Schale hatten, und war dem einheimischen Lehrer sehr dankbar, dass er mir gedrucktes Unterrichtsmaterial und Schülernotizen zur Verfügung stellen konnte. Die Schüler waren zäh, athletisch und gut in Ballspielen. Beinahe senkrechte Abhänge nahmen sie mit Leichtigkeit und kletterten auf Bäume, um ein opussumartiges Geschöpf, den Tüpfelkuskus zu jagen, der dann Teil ihrer Abendmahlzeit wurde. Ansonsten kümmerte sich der Bischof um die Lebensmittel für die Internatsschüler, die sich dann selbst etwas kochten.
Ich unterrichtete elf Schulstunden die Woche und kümmerte mich um die selbstgenügsamen Internatsschüler, ermunterte sie, Englisch zu lernen und zu praktizieren, und half ihnen dabei, Konflikte in ihrer Gruppe beizulegen. Als wir herkamen, schafften sie das alles allein, aber ich vergewisserte mich, dass keiner von ihnen krank und ihre Schlafräume sauber waren und sie alles Nötige wie etwa Seife und so weiter hatten.
Mutter blieb kurze Zeit bei uns, und als wir die Teekisten mit den Spielsachen öffneten, die Schwester Dolores schon vorausgeschickt hatte, reagierte sie verärgert. Ich half beim Auspacken, und sie war sauer auf mich, schubste die Kisten wütend durch den Raum.
»Hast du diese Kisten gepackt, Schwester?«
»Ja, Mutter. Ich half sie packen.«
»Jetzt sieh dir diese Spielsachen an - weiße Puppen in Spitzenkleidern. Was habt ihr euch dabei gedacht? Glaubt ihr, die Kinder hier seien Australier? So eine schreckliche Verschwendung, Spielsachen hierherzuschicken, die nichts taugen für die Leute hier. Sie werden nicht ausgegeben.«
»Ja, Mutter.«
Es war kein guter Zeitpunkt, um Mutter an ihre Lehre zu erinnern: »Eine Vorgesetzte kann einen Fehler im Befehlen machen, aber im Gehorchen kannst du keinen Fehler machen.« Sie dürfte gewusst haben, dass es nicht meine Entscheidung gewesen war. Und gleich darauf trat ich ins nächste Fettnäpfchen, als ich rasch Tee für die Gemeinschaft zubereitete und die Küche unordentlich zurückließ. Mutter liebte Ordnung.
»Mach die kleinen Dinge gut, Schwester«, schalt sie mich.
Da Schwester Felicity uns nur ein paar Chloroquin-Tabletten aus ihrem Vorrat mitgegeben hatte, wandte ich mich an Mutter.
»Mutter, könnten wir etwas mehr Tabletten aus dem Krankenhaus bekommen, um der Malaria vorzubeugen?«
»Ich nehme keine«, sagte sie. »Ich lege es in Gottes Hände. Aber du kannst welche nehmen, wenn du sie brauchst.«
Ich sagte mir, Gott hat uns Chloroquin gegeben, und ging mit Schwester Karina ins Krankenhaus, um die Tabletten zu holen. Der Arzt sagte uns, in der Golfregion gebe es häufig Malariafälle, und zwar die vom Erreger Plasmodium falciparum ausgelöste Malaria tropica mit Gefährdung des Nervensystems und oft tödlichem Ausgang.
Mutter kehrte nach Port Moresby zurück, und wir machten uns daran, unsere neue Umgebung zu erkunden. Die Kultur von PNG war faszinierend - Betelnüsse, Bilums, Männerhäuser, ausgehöhlte Flaschenkürbisse als Penisschutz und wilde maskierte Tänzer. Zu besonderen Gelegenheiten wurden Singsings auf dem ovalen Dorfplatz abgehalten, auf denen Krieger in Grasröcken mit Federkopfschmuck zum Rhythmus ihrer in der Hand gehaltenen kundu sangen und tanzten, einer Trommel in Form eines Stundenglases, die aus einem ausgehöhlten Baumstamm mit einem seitlichen geschnitzten Griff und der straff gespannten Haut einer Eidechse oder eines Warans gefertigt wird. Gesang gehörte zum Leben. Die gewaltsamen Stammeskriege, die die Nation geprägt hatten, waren so gut wie vorbei, und junge Männer aus rivalisierenden Klans lernten nun gemeinsam auf einer Schule. Manchmal saßen die Jungs nachts ums Feuer und sangen zum Schlag ihrer Trommeln.
Während der Regenzeit brachen immer wieder heftige Tropengewitter los. Blitze zuckten, und bei dem unmittelbar darauf folgenden Donnerschlag blieb einem fast das Herz stehen. Doch trotz der ergiebigen Regenfälle waren unsere Regenwassertanks oft leer. Die Bedürfnisse der Schule und der Internatsschüler sowie der Dorfbewohner, die sich bei uns Wasser holten, überstiegen unsere Speichermöglichkeiten. Die Lage spitzte sich zu, als eine Ratte in unserem großen Tank ertrank und wir alles Wasser wegschütten mussten. Kurze Zeit mussten wir zum Baden und zum Putzen Meerwasser nehmen, das wir eimerweise aus der Bucht holten, und das Regenwasser blieb fürs Trinken und Kochen reserviert.
Anfangs fand ich es unpassend, den Bischof mit seiner kultivierten Stimme den Gottesdienst in unserer Dorfkirche auf Pidgin-Englisch abhalten zu hören. Er benutzte bagarap, vom australischen Slangwort »buggered up« - kaputt -, das auf Pidgin angeschlagen oder müde oder unwohl bedeutete, um die Leiden Jesu zu beschreiben; der Terminus »Rebenfrucht« wurde als pikinini bilong grape oder »Kind der Traube« übersetzt. Wenn man Pidgin lernt, ist die Versuchung für englisch Sprechende groß, einfach nur ein im ans Ende des englischen Worts anzuhängen, aber dies konnte zu echten Missverständnissen führen. Eines Tages blieb unser Auto im Schlamm der unbefestigten Straße stecken, und ich rief einem der Jungs, die herbeigesprungen waren, um uns schieben zu helfen, zu: »Pushim!« Sie fingen zu lachen an, und erst da wurde mir klar, dass das richtige Wort siubum von »to shove« - schieben - gewesen wäre, das Wort, das ich jedoch gesagt hatte, klang wie pusim, »Sex haben«.
Das Erlernen dieser Sprache stürzte mich oft in Verwirrung. Ein kleiner Junge, den ich kannte, hatte Malaria, und man sagte mir: »Sister, em i dai« und ich dachte bekümmert, er sei gestorben. Aber der Ausdruck für »to die« - sterben - lautete dai pinis. Das Kind war nur ohnmächtig geworden.
Zusammen mit Pidgin und Hiri Motu versuchten wir auch Torapi zu lernen, die Sprache von Kerema Bay, was uns anfangs große Schwierigkeiten machte, da wir nicht merkten, dass die Schüler aus verschiedenen Gebieten kamen und neun verschiedene lokale Dialekte und Sprachen sprachen. Einige kamen aus den Bergregionen und andere von der Küste, aber wir kannten den Unterschied nicht, und so wechselte das Wort für ganz einfache Gegenstände je nachdem, wen wir danach fragten. Eine junge Frau, Uva, die auch die Schule besuchte, wurde meine Hauptlehrerin für Torapi.
Manchmal besuchten wir Waripi auf der anderen Seite der Bucht, wo wir mit einem motorisierten Dingi hingelangten, das einer der Jungs aus der Schule steuerte. Wenn wir das Dingi auf den Strand gezogen hatten, begann unser Fußmarsch entlang einer Straße durch den Busch, die von Kokospalmen, wilden Ananaspalmen und Sagopalmen gesäumt war. Die See war oft rau, und es war nicht leicht, mit einem durchweichten Sari zu laufen, der wie ein Krake an meinen Beinen klebte. Am Rand der Buschstraßen gruben Frauen Sagopulpe aus den gefällten Palmen, woraus sie eine Stärke machten, die zum Kochen verwendet wurde, in den Dörfern saßen sie vor ihren Hütten und rollten auf ihren Schenkeln die angefeuchtete Baumfaser aus, um Stricke daraus zu machen. Aus diesen knüpften sie dann geschickt ihre bilums oder Netztaschen. Oftmals lebten nur Kinder, Frauen und alte Männer in diesen Dörfern, weil die jungen Männer sich alle von den hellen Lichtern Moresbys hatten anlocken lassen. Nach einer dieser Fahrten beschloss Schwester Margaret, dass Schwester Samantha damit beginnen sollte, Nähunterricht in Waripi zu geben, damit die Frauen die Kleider für ihre Familien nähen und Geld sparen konnten, da die Waren im Laden der Stadt sehr teuer waren.
An Sonntagen besuchten wir das Kerema Hospital, wo ich den ersten Leprakranken sah. Das Krankenhaus war überfüllt, und es herrschten chaotische Zustände, die Matratzen waren schmutzig und ohne Laken oder Kissen. Familienmitglieder schliefen neben den Patienten auf dem Fußboden, um sie zu versorgen und ihnen Essen zu bringen.
Die Frauen in Kerema suchten für Krankheiten wie Lungenentzündung, Unterernährung, Malaria und Kindbetterkrankungen die Ursachen in Schwarzer Magie oder puri puri und hatten Angst vor Zauberern, die, wie sie glaubten, Macht über ihr Leben hatten. Man ging im Allgemeinen davon aus, dass alte Zaubersprüche den Schamanen die Kraft verliehen, auf der Stelle von einem Ort zum anderen zu gelangen und ihr wachsames Auge überall zu haben und somit Ereignisse mitzubekommen, ohne zugegen zu sein. Oftmals hielt dieser Glaube die Frauen davon ab, medizinische Hilfe für sich und ihre Kinder in Anspruch zu nehmen, sodass Todesfälle heilbarer Krankheiten wie der Malaria ganz normal waren. Wenn wir die Dörfer mit unseren Schülern als Dolmetschern besuchten, versuchten wir, die Eltern dazu zu überreden, ihre kranken, unterernährten Kinder ins Krankenhaus zu bringen. Außerdem konnten wir den Kindern, die wegen Tuberkulose behandelt wurden, zusätzliche Milch und Lebensmittel geben. Obwohl sie in Meeresnähe lebten, hatte nicht jedermann Zugang zu Fisch; Maniok und Süßkartoffeln als Ergänzung zum jahreszeitlichen Gemüse waren nicht nahrhaft genug für kleine Kinder.
Wir Schwestern nahmen uns die Einheimischen als Vorbild und legten am Hang neben unserem Haus einen Garten für einheimische Feldfrüchte wie Papau, Bananen, Süßkartoffeln und Maniok an, aber auch für Bohnen, Tomaten und Kürbis, da ich Samenpäckchen, die Mama mir gegeben hatte, aus Australien mitgebracht hatte. Lange weiße Habits und Saris sind keine ideale Kleidung, um damit steile, schlammige Berghänge zu roden. Ohnehin für meinen einzigartigen Sauberkeitsstandard bekannt, hatte ich nun einen Sari, der mit Rost-, Bananen- und Kokosnussflecken verziert war.
Etwa einen Monat nach unserer Ankunft erfuhren wir, dass Schwester Lara, eine Krankenschwester, die im vergangenen Jahr ihre Profess bekommen hatte und nach Bourke geschickt worden war, zu uns kommen würde. Schwester Margaret hatte vor, mit ihr in den fernen Gemeinden auf der anderen Seite der Bucht eine Art mobilen Arzneimitteldienst einzurichten.
 
 
Eines Nachts wachte ich auf. Ich fror und zitterte heftig.
»Samantha! Wach auf!« Ich versuchte, die Schwester, die neben mir im Schlafsaal lag, wachzurütteln, aber sie schüttelte mich als einen klama oder Geist ab. Ich stand auf, um Decken zu suchen, und endlich regte sich Schwester Samantha.
»Was machst du, Tobit? Es ist so drückend. Nimm diese Decken weg.«
»Ich friere. So kalt war mir noch nie in meinem Leben. Mein Kopf fühlt sich an, als würde er platzen.«
»Du hast Fieber. Ich werde Schwester Margaret rufen.«
Meine Zähne klapperten, mein Körper zitterte, und in meinem Kopf breitete sich ein bohrender Schmerz aus. Die Schwestern gaben mir ein paar Paracetamol gegen das Fieber. Am nächsten Tag war ich allein in unserem Schlafsaal im Obergeschoss, erbrach und fieberte. Der Schmerz in meinem Kopf und meinem Rücken ließ nicht nach. Meine Zunge schob sich unfreiwillig nach vorn, und mein Nacken schmerzte krampfartig. Ich hatte Angst und glaubte zu sterben. Ich konnte die Schwestern unten auf dem Markt sehen, ich war bei Bewusstsein, konnte aber nicht rufen. Als sie endlich nach Hause kamen und sahen, wie es um mich stand, eilten sie wieder davon, um den Arzt aus dem Krankenhaus zu holen. Er diagnostizierte zerebrale Malaria und gab mir eine Injektion, um meine Krämpfe zu stoppen, und eine Chinininfusion gegen die Malaria. Anstatt mich mit ins Krankenhaus zu nehmen, brachte er den Infusionsapparat auf mein Zimmer, und Schwester Margaret, die in Indien medizinisch gearbeitet hatte, kümmerte sich darum. Später sagte sie mir, meine Krämpfe kämen von den vielen Parasiten, die den Blutfluss zum Gehirn beeinträchtigten. Der Arzt meinte auch, es bestünde die Gefahr eines Schlaganfalls oder einer Nierenschädigung.
Schwester Margaret rief den Bischof, damit er mir die Letzte Ölung gab, denn man war in Sorge, ich könnte sterben. Unsere Zimmerdecke war nicht verputzt, und als ich unter dem Moskitonetz im Bett lag, bildete ich mir ein, Ratten entlang der Balken huschen und sich hinter der Silberisolierung verstecken zu sehen. Ich glaubte, eine Ratte sei auf mein Moskitonetz gefallen, und ich spürte eine Ratte auf meinem Rücken, als ich die Toilettentür öffnete. Ich konnte sie sehen und spüren, aber die Schwestern sagten, ich deliriere. Es gab keine Ratten.
Mein Immunsystem war angegriffen, und ich bekam eine Lungenentzündung und Tropengeschwüre an den Beinen, dazu Anämie und ein geschwollenes Knie. Die besorgten Schüler meinten, jemand arbeite mit puri puri oder Magie gegen mich, und warnten mich, keine Kleidungsstücke oder persönlichen Dinge zu verlieren.
Während meiner Genesung ging ich in die öffentliche Ambulanzklinik, wo ich mich wie ein seltenes Exemplar aus dem Zoo fühlte, da alle sich um mich scharten, um zuzuschauen, wie der Arzt meine weiße Brust untersuchte. Die Schwestern aus Indien verfügten über eine gewisse Immunität gegen den Malariaerreger, aber ich schien keine Abwehrkräfte zu haben. Nach etwa zwei Wochen konnte ich wieder arbeiten, fühlte mich aber noch immer sehr geschwächt. Die Krankheit schien mich verändert zu haben - ich war viel empfindlicher und bekam Wutausbrüche, die ich nur mit Mühe kontrollieren konnte, so etwa, als man mich nach dem Nachtgebet versehentlich aus dem Kloster aussperrte, während ich noch mal nach einem kranken Internatsschüler sah. Ich war unglaublich aufgebracht und enttäuscht und begann zu weinen, was ganz untypisch für mich war. Vielleicht lag es einfach an meiner Erschöpfung, aber ich fühlte mich anders.
Zwar unterrichtete ich wieder und machte wie üblich meine Besuche, aber im Lauf der folgenden Monate wurde ich noch mehrmals krank mit Fieber und Schüttelfrost, wenn auch kein Anfall so heftig war wie der erste. Auch Schwester Karina erkrankte Anfang Mai, sodass wir in einer einmotorigen Missionsmaschine nach Port Moresby geflogen wurden. Der Pilot war ein Priester aus der Bergniederlassung in Kanabea. Wir gerieten in ein Unwetter und flogen durch Blitze und Turbulenzen, welche das Flugzeug wie ein Jojo auf und ab warfen. Bei jedem Donnerschlag hatte ich Herzklopfen. Schließlich landeten wir sicher, und ich und Karina kamen in die Station für ansteckende Krankheiten in die Klinik von Port Moresby.
Nach einer Chininbehandlung zeigten meine Blutwerte keinen Befund mehr, und die Ärzte meinten, ich könne wieder zurückkehren, müsse aber weiterhin Chloroquin einnehmen. Sollte ich binnen eines Monats nach meiner Rückkehr wieder an Malaria erkranken, müsse ich eine zehntägige Chininkur machen und danach wöchentlich eine doppelte Dosis Chloroquin nehmen. Auch Schwester Karina wurde als gesund entlassen.
Schwester Felicity war verärgert, dass wir für unsere Behandlung hatten bezahlen müssen, wahrscheinlich weil wir keine Bürger des Landes waren, aber sie war davon ausgegangen, dass es kostenlos wäre. Beschämt stand ich da und hörte mir an, wie sie erhitzt über die Rechnung schimpfte. Ich weiß nicht, ob wir sie überhaupt bezahlt haben.
Ich hoffte, vollends genesen zu sein, da die wiederholten Anfälle mich geschwächt und mich stark anämisch gemacht hatten. Mir gefiel meine Arbeit, und ich wollte weitermachen. Meine größte Angst war die, von Kerema wieder zurück nach Australien geschickt zu werden. Schwester Felicity behielt sowohl mich als auch Karina eine Woche in Hanuabada, wo wir jeden Morgen bis sechs Uhr schlafen durften und zum Frühstück täglich ein Ei bekamen. Diese Sonderbehandlung war mir unangenehm, aber unglücklicherweise bekam ich, kurz nachdem ich an den Golf zurückgekehrt war, wieder Malaria. Anstatt mir zu erlauben, die ärztliche Empfehlung zu befolgen und erst Chinin und dann eine doppelte Dosis Chloroquin zu nehmen, wurde ich nach Moresby zurückgeschickt, für den Fall, dass es schlimmer würde. Nach meinen Krämpfen während meines letzten Anfalls wollte Schwester Margaret mich nicht dabehalten. Schwester Karina jedoch, die ebenfalls noch einmal an Malaria erkrankte, befolgte die Behandlung wie empfohlen und erholte sich. Ich war enttäuscht, dass man mir nicht dasselbe gestattete.
Bis in die Achtzigerjahre gab es keine Berichte über eine Resistenz des Malariaerregers gegen Chloroquin, doch in Papua-Neuguinea könnte sich diese bereits in den späten Siebzigerjahren manifestiert haben. Erst sehr viel später, 2005, wurde bei einem Scan eine Schädigung der weißen Materie meines Gehirns festgestellt. Im Land selbst konnte ich vollständig genesen, und ich hatte, abgesehen von ständigen Kopfschmerzen, die manchmal ziemlich heftig waren, auch nicht unter Langzeitfolgen zu leiden.
Anfang Juni flog ich in einer Postmaschine als einziger Passagier zurück und saß auf dem Sitz des Copiloten. Der Pilot musste, anstatt Moresby direkt anzufliegen, noch hoch nach Kanabea in den Bergen hinter Kerema. Aus der Luft konnte ich ein paar winzige braune Gestalten auf ihrem steilen Anstieg zu ihren Bergdörfern erkennen. Anfangs erkannte ich sie gar nicht als Frauen, denn sie trugen dunkle »Schleier«, die ihren Babys Schatten spendeten, die in Fötushaltung in einer bilum lagen, die ihre Mütter sich um den Kopf geschlungen hatten. Löcher in den Beuteln sorgen für eine natürliche Belüftung der Babys. Für eine Frau war es Brauch, gewaltige Lasten auf ihrem Kopf zu transportieren, während ihr Ehemann unbelastet neben ihr mit seinem Speer herlief.
Auf den Hängen hatte man Gärten mit kau kau - Süßkartoffeln -, Bananen und Maniok angelegt, und die Dörfler hatten die Landebahn aus dem Berg herausgehauen. Sie war kurz und fiel an beiden Enden steil ab.
»Diese Landebahnen im Hochland sind verdammt gefährlich«, sagte Jim, der Pilot, als er das Flugzeug parallel zu der unebenen Landebahn brachte.
»Wegen des Wetters?«
»Ja, das auch, aber in diesen Bergen gibt es verflixte Fallwinde. Wenn wir unsere Motoren zu früh ausschalten, setzen wir womöglich zu früh auf, aber wenn wir uns zu schnell nähern, besteht Gefahr, dass wir am anderen Ende übers Ziel hinausschießen.«
Aufgeregt beäugte ich den steilen, vom Dschungel überzogenen Abhang.
»Das ist mir einmal passiert«, führte er aus. »War’ne knappe Sache. Ich schoss am anderen Ende über den Rand und hatte verdammte Mühe, sie wieder hochzuziehen. Die Drehzahl war zu gering. Nach dieser kleinen Tour hatte ich Urlaub!«
Plumps! Wir waren unten. Wir holperten über die Landebahn und rasten an Hütten und einem lang gestreckten Gebäude im europäischen Stil vorbei.
Ein schlaksiger australischer Priester, Vater Flynn, kam mit einer Kinderschar, um das Flugzeug zu begrüßen. Die Hochlandbewohner, die sich um die Maschine versammelten, waren klein und muskulös mit kurz geschnittenem, krausem Haar. Einige trugen westliche T-Shirts und Shorts, andere hingegen Grasröcke und Schnüre mit kleinen, braunen Perlen. »Ich glaube, da zieht ein Unwetter auf«, sagte der Priester und deutete dabei auf die tief hängenden Wolken. Ich war Vater Flynn schon einmal begegnet, als er unseren Bischof vertreten hatte, und er führte mich durch die Klinik und die Schule.
Wie angekündigt, ballten sich die Nebel zusammen, und da ein Start unmöglich gewesen wäre, ließen wir uns zu einer Tasse schwarzen Tee und gebackenen Süßkartoffeln einladen. Nach etwa vier Stunden beruhigte sich das Wetter etwas, und wir nutzten die Gelegenheit, wieder aufzusteigen. Auf dem Weg nach Moresby bat Jim mich, das Flugzeug zu steuern, während er in den hinteren Teil der Maschine ging. Ich war sehr nervös und hoffte, dass ich nichts zu tun bekam. Nach der Landung lud er mich in Moresby zu seiner Familie zum Essen ein, und er konnte nicht verstehen, warum ich seine Einladung ausschlug.
Ich traf mit großer Verspätung ein, und Schwester Felicity war wütend, weil ich nicht um Erlaubnis gebeten hatte, Kanabea zu besuchen! Wie ich das hätte tun sollen, war mir unklar, schließlich hatte ich keine andere Wahl gehabt. Ich befand mich in einem Flugzeug, und dieses flog nach Kanabea. Die Schwestern waren am Flughafen gewesen, um mich abzuholen, aber als ich nicht auftauchte, dachten sie, ich würde gar nicht kommen, und kehrten nach Hause zurück. Es wäre mir nicht möglich gewesen, Kontakt zu den Schwestern aufzunehmen, und so hatte Jim mir angeboten, mich in Hanuabada abzusetzen, was ich angenommen hatte, also bekam ich nun auch deswegen Ärger, weil ich allein mit Jim im Auto gesessen hatte. Nicht anders als im Flugzeug, dachte ich, hielt aber den Mund. Das war kein guter Anfang für mein Leben in der neuen Gemeinschaft.
 
 
Die Missionarinnen der Nächstenliebe werden von anderen religiösen Orden und Leuten aus dem Gesundheitswesen häufig dafür kritisiert, dass sie für die Arbeit, die sie übernehmen, nur ungenügend ausgebildet sind. Wenigstens diejenigen von uns, die in Papua-Neuguinea tätig waren, hätten einer viel besseren Vorbereitung bedurft. Hätte man uns, sobald unsere Berufung feststand, gesagt, wohin es ging und welche Arbeiten wir dort verrichten sollten, hätten wir Informationen über die Sprache und allgemeinen Bedingungen einholen können, die uns dort erwarteten. Aber uns wurden weder die Zeit noch die Mittel zugebilligt, wie etwa die Erlaubnis, ein Telefon zu benutzen. In Melbourne hatten mehrere andere Ordensgemeinschaften Zweigstellen, die bereits in der Golf-Provinz arbeiteten und uns für die Vorbereitung unserer Arbeit hätten beraten können. Selbst wenn wir nur ein Buch mit Pidgin-Englisch oder Hiri Motu gekauft hätten, die leicht zu bekommen sind, wäre das schon eine große Hilfe gewesen, aber wir lebten in einer Kultur der Entbehrung und der Isolation. Das Vertrauen in die göttliche Vorsehung schien zu bedeuten, dass wir uns keine Dinge wie etwa Bücher zu kaufen brauchten, die für unsere Arbeit hilfreich wären, obwohl uns das Geld zu genau diesem Zweck gespendet wurde.
Es schien außerdem zu bedeuten, dass unsere Gesundheit als Schwestern unnötigerweise aufs Spiel gesetzt werden konnte. Fast hätte ich jenen Anruf bei Mutter Teresa machen müssen, wenn ich tot gewesen wäre. Wäre ich gestorben oder eine Behinderung zurückgeblieben, hätte der Orden gesagt: »Es ist Gottes Wille«, wo doch einfache Maßnahmen wie die Einnahme von Chloroquin zwei Wochen vor unserer Abreise aus Australien, die Verwendung von Mückenschutzmitteln, ausreichende Information über Malaria und eine immer griffbereite Arznei gegen die Krankheit, falls die Prävention versagt hatte, die ganze Sache hätten verhindern können. Die Annahme, Gottes liebende Fürsorge werde uns schützen, benutzte der Orden, um einen gefährlichen Mangel an Vorsichtsmaßnahmen zu rechtfertigen. Wir Schwestern hätten allesamt zum Arzt gehen müssen, um uns Rat für die Reise einzuholen und impfen zu lassen und um alles Mögliche über die Krankheiten zu lernen, die es am Golf gab.
Mit ganz geringem Aufwand hätten wir alle notwendigen Mittel für die Schule bekommen können, wie etwa einfache Sportgeräte, Fußbälle oder Basketbälle und anderes Unterrichtsmaterial, was dringend benötigt wurde. Wandkarten, Globen, Bücher, Kreide, Tafelfarbe und Bleistifte hätten mit nur ein paar Anrufen bei unseren Laienmitarbeitern die nutzlosen Plastikpuppen ersetzen können. Doch es gab keine Planung für unsere Arbeit, und man hielt uns davon ab, unsere individuelle menschliche Fähigkeit, uns selbst auf diese Arbeit vorzubereiten, zu nutzen. Man hielt uns in Unwissenheit und verbot uns sogar, intelligente, wohlmeinende Fragen zu stellen. Mutter lehrte uns, Gott benutze die Schwachen, Verstoßenen und Unwissenden, um die Klugen dieser Welt zu verwirren, eine Haltung, die Professionalität und Initiative verdächtig machten, obwohl Mutter selbst Lehrerin war. Und unsere Vorgesetzten taten immer so, als hätten wir kein Geld, um uns einen Arztbesuch oder ein Wörterbuch zu leisten. Wir hatten jede Menge Geld, wollten es aber im Namen der Armut nicht verwenden.
 
 
Schwester Felicity rief im Mutterhaus an, um sich zu erkundigen, was sie mit mir in Port Moresby machen sollte. Mutter war nicht in Kalkutta, also sagten die Berater, die in ihrer Abwesenheit die Entscheidungen trafen, man solle mich nach Bourke schicken. Ich hatte mein Ticket für den Rückfug nach Australien am 1. Juli 1977 schon in der Tasche, aber Schwester Felicity wollte, dass ich in Port Moresby blieb. Schwester Annie von unserem anderen Haus in Port Moresby, Tokarara, würde nach Indien gehen, um sich auf die endgültigen Gelübde vorzubereiten, und es gab keinen Ersatz für sie. Also behielt Schwester Felicity mich in Hanuabada und erklärte Mutter in einem Brief, dass ich Schwester Annie ersetzen müsse und in Port Moresby die Malariagefahr eher gering und ich nicht länger krank sei und jede Woche eine Extradosis Chloroquin nähme.
Ich wollte noch immer mit einer doppelten Dosis Chloroquin nach Kerema zurückkehren, aber es wurde mir nicht gestattet, und diesmal schienen meine Vorgesetzten in dieser Hinsicht sicherlich mein Bestes im Sinn zu haben. Meine Enttäuschung war riesig, denn ich hatte das Gefühl, dass alles gut gegangen wäre, hätte ich gleich von Anfang an die richtige Prophylaxe genommen und wäre es mir erlaubt gewesen, die Anweisungen des Arztes zu befolgen. Das Leben und die Arbeit in Kerema hätte ich auf jeden Fall viel interessanter gefunden als die angespannte Atmosphäre der Hanuabada-Gemeinschaft, in die ich mich nun eingliedern musste. Meine »Unterwerfung« unter Gottes Willen war ganz eindeutig nicht »vollkommen«; Unterwerfung war für mich gleichbedeutend mit Niederlage.
Es dauerte länger als einen Monat, bis das Mutterhaus Schwester Felicity über meine weitere Berufung informierte, und so blieb ich als zusätzliche Kraft in Hanuabada, als siebtes Mitglied der Gemeinschaft. Ich bekam keine feste Arbeit zugeteilt, da man nicht wusste, ob ich bleiben oder gehen würde. Morgens kochte ich und half Schwester Rosa am Nachmittag mit den Vorschulkindern. Die Kinder verstanden das Motu nicht, das ich gelernt hatte, weil sie eine grammatikalisch komplexere, reinere Form des Motu sprachen, und der Unterschied zwischen Motu und Hiri Motu ist ähnlich dem zwischen Englisch und Pidgin-Englisch.
Manchmal begleitete ich Schwester Rosa am Nachmittag, denn sie gab Nähunterricht und klärte in »natürlicher« Familienplanung auf, der Zyklusmethode, da Verhütung von der Kirche nicht gestattet ist. Schwester Felicity brachte mir Sticken bei, was ich weder gern machte noch eine Begabung dafür hatte. Außerdem war ich immer auf Abruf, um Schwester Felicity im Auto zu begleiten, wenn wir loszogen, um in verschiedenen Läden Lebensmittel zu erbetteln und Routineaufgaben zu erledigen, Rechnungen zu bezahlen, Visum-Verlängerungen zu beantragen und Post abzuholen. Ich kam mir komisch vor und fühlte mich unwohl bei ihrer Art des Umgangs mit den Leuten, und ihr Fahrstil, mit dem sie Port Moresby unsicher machte, war nervenaufreibend, doch sie weigerte sich, mich fahren zu lassen, da sie gehört hatte, ich sei eine schlechte Fahrerin. Dies rührte von einem Vorfall in Victoria her, wo ich auf dem Rückweg von einem Picknick von der Straße abgekommen war. Meine Beifahrerin hatte eine offene Trinkflasche auf dem Armaturenbrett vor sich stehen lassen. Als ich eine Kurve nahm, rutschte diese über das Armaturenbrett und ergoss sich über meinen Schoß. Erschrocken verlor ich die Gewalt über das Steuer und kam von der Straße ab, ohne den Wagen zu beschädigen. Doch Schwester Dolores erlaubte mir noch Monate nach diesem Unfall nicht, mich ans Steuer zu setzen.
Endlich kam aus Kalkutta die Nachricht, ich solle in Papua-Neuguinea als Teil der Gemeinschaft von Tokarara bleiben, einem neuen Vorort von Port Moresby, wo gleichförmige Massenquartiere über das mit Gummibäumen durchsetzte Grasland verstreut hochgezogen worden waren. Wir wohnten in einem Pfahlbau, die Wohnbereiche waren oben, darunter der Abstellplatz für die Autos. Dort unterrichtete ich etwa sechzig Vorschulkinder von vier bis neun Jahren und bereitete sie auf die eigentliche Schulerziehung vor. Anfangs war mein Klassenzimmer der Autoabstellplatz des Gemeindepriesters, später zog ich dann in einen Betonbau unter unserem Haus um. Nachmittags fuhren wir in den nahe gelegenen Vorort Gerehu, wo ich ähnlich viele Kinder unterrichtete. Die Besitzer des Hauses waren tagsüber arbeiten, sodass wir ihren Carport benutzen konnten. Meine Arbeit erschwerte dies erheblich, denn die Kinder hockten dicht gedrängt auf dem Boden, und ich hatte wenig Hilfsmittel, sie zu unterrichten oder zu beschäftigen. Während dieser Zeit machten zwei andere Schwestern Hausbesuche und ermutigten die Eltern, die aus den Provinzen in die Stadt gekommen waren, ihre Kinder zu unserem Unterricht zu bringen, damit sie Englisch lernten.
Ich gab mir alle Mühe, rudimentäres Englisch zu vermitteln, Zahlen und das Alphabet, und wir unterhielten die Häuser in der Umgebung mit rührenden Rezitationen von Kookaburra Sits on the Old Gum Tree und der papuanischen Nationalhymne. Einige Eltern brachten ihren Kindern »Sprachlieder« in ihrem eigenen Dialekt bei. Noch Häuserblocks weit entfernt hörte man uns, und Nachbarn erzählten, ihre Zweijährigen griffen die Lieder »aus der Luft« auf. Ich sammelte Flaschendeckel und Stöcke, um eine Vorschulband zu initiieren, und war auf der Suche nach einer kundu. Die bunte Kreide durfte ich nicht aus den Augen lassen, weil die Kinder diese gern für Verzierungen von Gesicht und Körper verwendeten. Gelegentlich erlaubte ich ihnen, sie nach Herzenslust einzusetzen, dann hatten wir ein Vorschulsingen mit Trommeln, Tanz, bunter Kreide als Körperfarbe und Luftschlangen anstelle von Federkopfschmuck.
Am Ende des Jahres halfen wir den Eltern dabei, die Formulare für die Grundschule auszufüllen, und begleiteten sie und ihre Kinder zur Schule. Dies war der wichtigste Teil unserer Arbeit: den Eltern und den Kindern so viel Vertrauen zu vermitteln, dass sie offizielle Gebäude betraten, um ins Erziehungssystem eingebunden zu werden und nicht als ungelernte Analphabeten zu enden. Ich war froh, ihnen dabei helfen zu können, ihre Ängste und Barrieren zu überwinden. Obwohl diese papuanischen Dorfbewohner ihre Angst vor Flugzeugen überwunden hatten, waren sie mit alten Bräuchen und ohne moderne Fähigkeiten aus abgelegenen Gegenden nach Moresby gekommen. Sie hatten genug verdient, um sich den Flugpreis leisten zu können, indem sie eine gute Betelnussernte oder ein paar geschnitzte Kunstwerke verkauft hatten, aber wenn sie dann in Moresby angekommen waren, saßen sie in der Falle, denn sie hatten weder Land noch Arbeit und auch keine Rücklagen, um sich die Rückreise nach Hause leisten zu können. Am Ende wohnten sie zusammen mit wantoks, Menschen derselben Sprachgruppe, in überfüllten Häusern.
Junge Männer ohne Anstellung, die von ihren traditionellen Gegenden und Familien getrennt waren, fühlten sich minderwertig, weil sie in der Stadt keinen Status hatten. Sie wünschten sich westliche Waren, doch es fehlten ihnen die Fertigkeiten, diese zu bekommen, also schlossen sich einige den »Halbstarken« oder kriminellen Banden an, die sich nach Stammesgruppen aufteilten und unter denen es zu Spannungen kam. Einmal erstach ein Chimbu-Mann drei Kerema-Männer. Die Keremas fühlten sich verpflichtet, das Verbrechen zu sühnen, und erstachen wiederum drei Chimbus. Deren Verwandte unternahmen daraufhin Racheangriffe, und so drehte sich das Rad der Gewalt.
In Moresby kam es oft vor, dass ein Mann, der mit seiner Ehefrau ein paar Kinder hatte, beschloss, den »Brautpreis«, den er der Familie der Frau schuldete, um die Vereinigung zum Abschluss zu bringen, nicht zu bezahlen. In ihrem traditionellen Umfeld, umgeben von den Verwandten der Frau, hätte er die Mutter seiner Kinder nicht verlassen können, in der Stadt jedoch war es einfach, sich eine neue Partnerin zu suchen und die erste allein zurückzulassen. Es gab auch viel häusliche Gewalt in der Stadt, wie wir sie in den Dörfern nicht zu sehen bekamen, denn dort griffen die traditionellen Regeln noch. Eine der uns bekannten Frauen brachte ein Mädchen zur Welt, aber gleich nach der Geburt schlug ihr Ehemann sie brutal, weil er einen Sohn haben wollte. Ich stritt mich wütend mit ihm und erklärte, dass keiner etwas dafür könne, dass seine Frau ein Mädchen geboren hatte, wenn er allerdings einen Schuldigen suche, dann den Vater, der das »Mannsein« weitergebe. Mein Pidgin reichte nicht aus, um das Y-Chromosom zu erklären.
Zu Weihnachten führten die Vorschulkinder ein Krippenspiel auf. Ein kluger Trommlerjunge mit krausem Haar spielte die kundu und führte die Schauspieler des Weihnachtsspiels an. Die mit Handtüchern und Laken bekleideten Kinder spielten die Geburtsszene mit einem neugeborenen Papua-Jesus, der während der ganzen Aufführung friedlich schlief. Es folgten Gesang und traditionelle Tänze. Die Vorbereitungen für das Weihnachtsfest hatten jedoch schon tags zuvor begonnen, als alle Frauen, die an unseren Nähkursen teilnahmen, mit kai-kai - Essen - kamen und in unserem Hinterhof eine traditionelle mumu oder Kochgrube ausgruben. Sie platzierten große Steine darum, deckten sie mit Bananenblättern ab und legten dann Maniok, Süßkartoffeln, Hühnchen, geraspelte Kokosnuss, Kochbananen, Taro und anderes Gemüse darauf, das dann wieder mit Bananenblättern abgedeckt wurde. Erde und Steine versiegelten die Grube, und darüber entzündeten wir ein Feuer, das die ganze Nacht brannte. Am nächsten Tag fanden viele Wettrennen und Spiele statt, darunter auch Tauziehen zwischen den Frauen und den Schwestern. Weil ich die schwerste Schwester war, war ich die Nonne am Ende des Seils und endete flach auf dem Gesicht, als die Schwestern ganz unfeierlich von den stärkeren und größeren Papuafrauen besiegt wurden. Nach den Spielen brachen wir die Kochgrube auf und aßen ein Festmahl auf Bananenblättern anstatt von Tellern.
Meine Freundin Rell, die ihre Universitätsausbildung abgeschlossen und ein Jahr lang unterrichtet hatte, machte einen Abenteuertrip durch Papua-Neuguinea, wobei sie sich mit den örtlichen Bussen fortbewegte. In Begleitung von Michelle, einer anderen Freundin, die noch auf die Uni ging, schneite sie in knappen Shorts während des Weihnachtsfestmahls bei uns herein. Sie machte sich Sorgen, ich könnte vor Hitze und Feuchtigkeit unter all meinen Nonnenkleidern ersticken. Ich versicherte ihr, dass es mir gut ging. Sie hätte sich keinen besseren Zeitpunkt aussuchen können, denn die Regeln waren gelockert, und es gab jede Menge kai-kai. Rell fand meinen »neuen« Akzent lächerlich und wunderte sich noch immer über meine Entscheidung, den MNs beizutreten. Als ich ihr jedoch erzählte, dass ich auf der Betonplatte unter unserem Haus Vorschulkinder unterrichtete, die inzwischen auf neunzig Schüler angewachsen waren, blieb ihr erst die Spucke weg, und dann ging sie mich an, als ich etwas Frommes hinzufügte wie: »Mutter möchte, dass ich das tue, um Gottes Willen zu dienen.«
»Du verlierst deinen Humor, Clot - in der Schule warst du doch wahrlich kein Tugendlamm!«
Ich habe gute Freunde. Sie hatten die Schale meiner Existenz als MN durchstoßen und mich erinnert, dass es auch andere Möglichkeiten gab. Dann setzten sie ihren Weg in den Norden nach Lae und Mount Hagen fort, wo es am Neujahrsabend zu einem Aufstand kam. Ich war ein wenig traurig, als sie abreisten, und glaube, dass sie sicherlich darauf angestoßen haben, keine Nonnen zu sein.
Nach Weihnachten kehrte in unser Kloster wieder der Alltag ein, wir traten wieder als Vermittler auf und versuchten, Lösungen für allgemeine Probleme zu finden. So war beispielsweise eins der Kinder, das ich unterrichtete, geschwächt und hustete viel, also organisierten wir einen Arzttermin. Bei dem Jungen und seiner jüngeren Schwester wurde Tuberkulose festgestellt. Der Arzt hätte gern die ganze Familie ins Krankenhaus geschickt, aber die Eltern glaubten, die Krankheit sei ein Ergebnis von puri puri, der traditionellen Schwarzen Magie, gegen die westliche Medizin machtlos sei und in einem Fall wie diesem nicht helfen könne. Schließlich überzeugten wir die Familie davon, in eine Tuberkulosebehandlung einzuwilligen, da die Krankheit sehr ansteckend ist und verheerende Folgen hat, wenn man sie nicht rechtzeitig behandelt. Wir besuchten die Familie dann auch an jedem Sonntag im Krankenhaus, um sie zum Durchhalten zu bewegen, damit sie nicht wegliefen, sondern blieben, bis sie nicht mehr ansteckend waren und auch zu Hause weiterbehandelt werden konnten. Eines Tages sagte ich in meinem dürftigen Hiri Motuzu einem kleinen Mädchen, anstatt es aufzufordern, das Mitgebrachte zu essen, weil es gut für es war: »Du bist gutes Essen.« Das belustigte die ganze Station.
Meine Mama besuchte mich für ein paar Wochen, und meine junge Vorgesetzte, Schwester Claudia, erlaubte Mama manchmal, mit uns zu essen. Doch ich musste Mama, die immer gern redete, dazu bringen, bis nach dem Essen zu schweigen. Die Kinder waren fasziniert von ihren Strümpfen, denn so etwas hatten sie noch nie gesehen, und sie zupften ständig an ihrer »zweiten Haut.« Dank der Erfahrung, die sie im Kindergarten gesammelt hatte, konnte sie mir Spiele beibringen, die es mir erlaubten, den Kindern neue englische Wörter beizubringen. Außerdem kannte sie viele Lieder mit einer Handlung, die die Kinder liebten, wie »Incy Wincy Spider«.
Als Schwester Margaret in geschäftlichen Angelegenheiten nach Moresby herunterkam, erfuhr ich viele Neuigkeiten aus Kerema. Schwester Karina hatte dank ihrer zusätzlichen wöchentlichen Chloroquin-Dosis keine Probleme mit Malaria. Schwester Lara, ebenfalls eine Australierin, hatte dank der richtigen Medikation keine Malaria bekommen und fuhr nun in einem Traktor mit Vierradantrieb an den Stränden entlang und arbeitete als mobile Krankenschwester. Ich war ein wenig neidisch auf sie! Die Schwestern aus Kerema schrieben auch, dass die Salesianer, ein männlicher Lehrorden, Saint Peter’s übernehmen würden und die Süßkartoffeln, die ich gepflanzt hatte, einen guten Ernteertrag gebracht hatten.
Aus Australien trafen neue Schwestern ein, darunter Annette, die kroatischstämmige Australierin, sowie Hua und Mei-ling aus Singapur. Beim Osterpicknick im botanischen Garten von Moresby feierten wir unsere Wiedervereinigung und erfuhren dabei, dass Mutter in Manila ein Noviziat eröffnet hatte und alle Schwestern, die sich in Australien in Ausbildung befanden, dorthin umgezogen waren.
 
 
Zu diesem Zeitpunkt tauchten bei mir wieder Zweifel an meiner Berufung auf, und ich dachte oft daran wegzugehen. Ich strebte nach einem Leben im Gebet und im Mitgefühl, aber in erster Linie hatte ich mich zu Mutter Teresa aufgrund ihrer Arbeit und ihrer Identifikation mit den ganz Armen hingezogen gefühlt. In keinem anderen Orden wäre ich einfach nur Nonne geworden. Es war die Arbeit, die mich ins religiöse Leben gelockt hatte, und nur die Aussicht, mich eines Tages doch noch den ganz Armen widmen zu können, hielt mich dort. Mein Vorschulunterricht und die Besuche bei den Familien fielen mir nicht leicht, und oftmals hatte ich das Gefühl, dass wir nur eine Aufgabe suchten. In meinen Überlegungen überraschte mich jedoch die Reaktion von Schwester Sara, die zur Gemeinschaft in Tokarara gehörte, auf die Nachricht, dass ihre Blutsschwester das Kloster verlassen hatte - Schwester Sara war so aufgelöst, als wäre ihre Schwester gestorben. Sie fand, dass ihre Schwester ihre Gelübde gebrochen und Gott den Rücken gekehrt hatte. Nichtsdestotrotz ließ mich der Gedanke nicht los, mein Leben nach nur fünf Jahren im Orden wieder selbst in die Hand zu nehmen.
Aber dann erhielt ich eine kurze Nachricht von Mutter Teresa mit der Information, sie schicke mich nach Manila. Dort, das wusste ich, könnte ich die Arbeit tun, die mir Kraft gab.