42

Wendy sprang ins Auto, kroch über ihre tote Freundin und landete mit den Händen auf dem Fahrersitz. Als sie die Beine nachzog, spürte sie, wie Sallys Leichnam aus dem Wagen rutschte. Sie hasste es, sie den Zombies zu überlassen, und ihr graute vor dem, was sie mit ihrer Freundin tun würden – bereits taten, noch während sie sie fortschleiften. Sie zwängte sich in den engen Sportsitz, startete den Motor und fuhr schnell los.

Während sie davonbrauste, schaute sie noch einmal zurück: kauernde Zombies, die den Leichnam ihrer Freundin zerrupften. Zum Glück konnte sie nicht viel sehen, nur das Gewimmel um Sally herum. Wendy schaute wieder nach vorn und fuhr weiter zu Costco.

Sie hatte vor, das große Rolltor mit dem Auto zu durchbrechen, sodass die Toten ins Gebäude fluten konnten. Falls sie dabei starb, sollte es so sein. Es gab keinen anderen Ort, den sie hätte aufsuchen können. Bis sie den Markt jedoch erreichte, war es dunkel geworden. Sie fuhr langsamer. Im Kegel der Scheinwerfer konnte sie sehen, wie sich Zombies um das Gebäude scharten, besonders dicht vor dem Eingang.

Wendy lenkte ein. Das Licht und der Lärm ihres Motors ließen die Horde aufmerksam werden. Sie kamen ihr entgegen, während sie langsam weiterfuhr. Mehrere Leichen beugten sich noch über etwas, das vor der Tür lag und – das wusste Wendy sicher – ein Mensch gewesen war. Ein blutbesudelter Zombie saß da und nagte an einem Knochen. Wendy ließ die Toten näherkommen, damit der Eingang frei wurde. Dann setzte sie langsam zurück, um sie von Costco wegzulocken. Was sie dann tun sollte, war ihr nicht ganz klar. Woher sollte sie wissen, ob sich jemand im Markt aufhielt? Würde sie es schaffen, unbemerkt einzudringen?

Sobald die Zombies den Parkplatz überquert hatten, fuhr Wendy durch mehrere Häuserblocks, ehe sie kehrtmachte. Sie wollte hinters Gebäude gelangen, ohne dass die Horde ihr folgte. Auf den Straßen war es dunkel und ruhig. Sie beschleunigte ein wenig und ließ die Toten hinter sich zurück.

Unterwegs gelangte sie zu dem Schluss, das Tor nicht zu rammen. Weder wollte sie die anderen Mädchen verletzen, noch sich selbst den Hals brechen. Am besten ließ sie alles Weitere auf sich zukommen und handelte dann so, wie es sich ergab. Zunächst musste sie versuchen, in Erfahrung zu bringen, wer sich in Costco aufhielt. Der schwierige Teil – wie mit den Überlebenden verfahren? – folgte danach.

***

Banjo und die anderen Biker näherten sich dem Parkhaus leise. Sie betraten die untere Ebene. Dort war es still, kein Licht brannte. Sie stellten schnell fest, dass die Auffahrten und Treppen abgerissen worden waren.

»Verfluchter Mist.« Banjo stapfte zurück zur Vorderseite des Gebäudes. »Kommt mit.«

»Mann, wir finden bestimmt einen Weg nach oben.« Acid folgte ihm. Die Übrigen kamen hinterher, nachdem sie das Parterre abgesucht hatten.

»Vergiss es, ich klettere nicht da rauf wie ein Affe. Muscle, hast du deinen fetten Ballermann dabei?«

»Sicher doch.« Er zog die verchromte Pistole aus ihrem Halfter und hielt sie hoch.

Als sie unter dem Gebäude hervorgekommen waren, gingen sie noch ein Stück weiter weg. Dann blieben sie stehen und drehten sich um, woraufhin Banjo nach oben zeigte. »Jetzt mach sie auf uns aufmerksam.«

Muscle hob seine Waffe und gab drei Schüsse auf die oberen Ebenen des Bauwerks ab. Das Mündungsfeuer erhellte den Bereich rings um die Männer und blendete sie, während der Knall ihre Ohren klingeln ließ.

Banjo bellte: »Hört ihr mich?«

Es blieb ruhig. Henry spürte, wie ihm jemand auf den Rücken klopfte. Er drehte sich um. Es war Weed.

»Mir nach, Bruder. Wir sollten uns erst mal zurückziehen.« Der alte Biker ging davon.

Henry folgte Weed in die Finsternis, fort vom Parkhaus. Er war an einem Punkt angelangt – eigentlich sogar darüber hinweg –, der ihn dazu nötigte, etwas zu unternehmen, um den Menschen in dem Gebäude zu helfen.

***

Alle hörten die Schüsse und sprangen auf. Während Ron mit Donna auf dem Sofa gesessen hatte, schlug eine Kugel über ihren Köpfen in die Decke, sodass Betonsplitter und Staub auf sie rieselten. Ron versuchte, Ruhe zu bewahren. Er hörte laute Rufe. Bestimmt war das der Biker, der ihn hängen wollte.

»Folgt mir, alle.« Er eilte hinüber zur Rampe, die aufs Dach führte. »Schnell, schnell«, drängte er und winkte.

Lisa wollte erfahren, was los war. Ana wich nicht von ihrer Seite, doch Donna entgegnete nur, dass Gefahr drohte und die beiden dem Rest der Gruppe nachlaufen sollten. So viel habe ich nach den Schüssen und dem Geschrei auch schon erkannt, dachte Lisa.

Mittig auf dem Dach des Parkhauses stand ein ungefähr acht Fuß hoher Kasten aus Zementstein. Er war deutlich größer als die beiden Schächte darunter und enthielt unter anderem die Seilwinden und Mechanismen der beiden Aufzüge. Die Gruppe hatte bereits früher darüber gesprochen, sich eventuell dort verstecken zu müssen. Die Tür der steinernen Konstruktion ließ sich von innen absperren und war außen mit hartem Metall verkleidet. Die Fahrstuhltüren auf allen Ebenen waren ähnlich stabil, und wenn sie zufielen, rastete ein Riegel ein, der es nahezu unmöglich machte, sie ohne entsprechendes Werkzeug aufzubrechen.

Binnen weniger Minuten standen Mary, Donna, Ana und Lisa dicht an dicht in dem engen Raum.

Der Mann brüllte noch ein paar Mal, doch niemand verstand seine Worte. Ron und Sal gingen zur Brüstung des Parkhauses, um hinunter ins Dunkel zu schauen. Sie glaubten, mehrere Gestalten vor dem Gebäude auszumachen. Ein weiterer Schuss fiel. Sal brach neben Ron auf dem Boden zusammen.

***

Etwas leuchtete auf, und Weeds Gesicht zuckte im Dunkeln. Er sah aus wie ein alter Zauberer, während er im Schein des Feuers an einem dicken Joint zog. Nachdem er diesen zum Glühen gebracht hatte, bot er ihn Fats an. Sie waren ein gutes Stück von den anderen entfernt.

»Zug gefällig?« Rasch schob er nach: »Banano.«

Fats winkte ab.

»Ach ja, richtig, du bist so was wie ein Schwachkopf. Tja, selig sind die geistig Armen.« Seinem Namen getreu zog Weed kräftig an der Tüte, ließ sie im Finsteren glimmen wie ein Dämonenauge und hielt die Luft an. Henry fragte sich, was er tun sollte. Die anderen Biker würden diese Menschen letzten Endes töten.

»Hör mal, Fats«, merkte Weed auf, nachdem er ausgeatmet hatte. »Verstehst du mich, wenn ich spreche?«

Henry bejahte mit einem Nicken, während er in Weeds Augen schaute, die im Dunkeln schwach erkennbar waren.

»Gut. Du begreifst also, wenn ich sage, dass wir sogar noch weiter weg müssen? Wir brauchen einen Vorsprung, falls diese Sache ungemütlich wird. Ich glaube nicht, dass wir uns schnell genug aus dem Staub machen können, falls es ernst wird. Weder du, noch ich.«

Henry nickte. Er überlegte, ob er etwas erwidern sollte, entschied sich aber dagegen.

»Komm, gehen wir. Die anderen werden machen, was sie machen müssen, und uns einholen.« Als sich Weed auf den Weg begab, zog er immer noch an seinem Joint. Um ihn wieder mit seinem Stabfeuerzeug anzuzünden, blieb er noch einmal stehen. Der Tabak flammte auf. Da sah Henry ein großes Loch, das sich wenige Fuß vor ihm auftat. Mit einer Geste bedeutete er Weed, ihm das Feuerzeug zu geben.

»Du willst meinen Dübel?« Henry schüttelte den Kopf und teilte ihm mit beiden Händen mit, was er meinte. Dann reichte ihm der Biker das Feuerzeug.

»Pass damit auf, Junge.«

Henry knipste es an und trat zum Rand des Lochs. Über das Licht der Flamme hinaus sah er nichts als Schwarz und konnte nicht abschätzen, wie tief es war. Weed stellte sich neben ihn.

»Teufel auch. Saubere Leistung, dass du dieses Loch entdeckt hast, Mann.«

Henry riss ein Stück Stoff von seinem zerschlissenen T-Shirt ab und zündete es an. Als es aufflammte, ließ er es fallen. Es trudelte recht lange hinunter, bis er es nicht mehr sah. Das Loch war verdammt tief. Henry trat zurück, da ihm so nahe an der brüchigen Kante unwohl zumute wurde.

»Verflucht, ist ganz schön tief. Vielleicht können wir die Toten hineinwerfen, wenn die Jungs fertig sind. Ich muss dran denken, das vorzuschlagen. Ist ja unsinnig, welche von diesen Zombies anzulocken.« Weed blieb am Rand stehen und schaute hinab in die Finsternis. Bei Nacht nahm man das Loch kaum wahr, und hätte Fats nicht darauf hingewiesen, wäre der Biker eventuell einfach hineingestürzt. Sogar die Aluminiumleiter, die hinüberführte und trotz der Dunkelheit deutlich sichtbar war, diente dazu, den Abgrund zu verbergen, weil sie einem Blickfang gleichkam. Das Loch und der schwarze Bodenbelag ringsum schienen die gleiche Farbe zu haben, zu der die metallene Leiter einen Kontrast bildete.

Henry war hin- und hergerissen: Er konnte den Biker ohne weiteres in die Tiefe stoßen, sodass er sich um einen bösartigen Killer weniger kümmern musste, doch Henry gefiel die Vorstellung nicht, jemanden umzubringen. Er glaubte an Gott und ein Leben nach dem Tod.

»Ich sag’s dir, Fats, am liebsten wäre ich jetzt dort oben. Alt werden ist scheiße – glaub mir.« Er kicherte. Ein rauer, heiserer Laut. »Aber keine Bange, ich kenne meine Brüder. Obwohl wir den Club aufgelöst haben, wollen sie mich weiter als Gründungsmitglied in Ehren halten. Sie werden mir das Vorrecht geben, jeden Gefangenen zu töten, doch ich weiß, dass dein Bruder Banjo diesen Schwarzen aufknöpfen will, und das nehme ich ihm nicht weg – im Gegenteil, dann klatsche ich Beifall.«

Henry hatte genug gehört.

Ein kräftiger Stoß, und es war getan.

***

Der alte Mann war fort, und Alanis mit den anderen Mädchen allein. Er war nett zu ihnen gewesen, doch was sie dringend brauchten, war ein Schuss, keine Suppe oder Kekse. Sie ging die Treppe hinunter und öffnete die Tür. Es war still und dunkel. Nahezu blind tappte sie weiter.

Sie tastete sich an Regalen und Kisten vorbei, fast bis zum anderen Ende der Halle. Dort erwog sie, wieder umzukehren. Ginge sie noch weiter, würde sie möglicherweise die Orientierung verlieren und sich verirren. Sie wusste jedoch, dass Banjo eine beträchtliche Menge Stoff in seinen Satteltaschen hortete, also drängte sie von brennendem Verlangen getrieben weiter.

Ihr war klar, wie niedrig ihre Chancen standen, im Dunkeln über Banjos Taschen zu stolpern. Der Gedanke: Was, wenn er sie mitgenommen hat?, drängte sich ihr auf – neben vielen anderen, die sie sich hätte machen sollen, bevor sie die düstere Verkaufsfläche betreten hatte.

Falls die Gang jetzt zurückkam, saß sie höchstwahrscheinlich in der Falle und wurde gefunden. Wo zur Hölle ist der alte Mann? Ist schon fast eine Stunde her, dass er sich aufgemacht hat.

Plötzlich ertönte ein lauter Knall, der sie erschrak. Sie zuckte zusammen, doch dann herrschte wieder Stille. Weit vor ihr tat sich ein helles Licht auf.

Alanis erstarrte. Sie war sich nicht sicher, was sie tun sollte, schlich aber weiter, um herauszufinden, was los war. Vor einem Menschen konnte sie sich immer noch verstecken, und war es einer der Toten, würde sie an einem Regal hinaufklettern. Sie bewegte sich leise und fast unsichtbar durchs Dunkel. In den Strahlen des einfallenden Lichtes tänzelte Staub. Alanis hörte einen Motor ausgehen, doch die Scheinwerfer blieben eingeschaltet.

Schließlich wich sie zurück von der offenen Tür – offen vor der Nacht und dem, was auch immer sonst noch draußen lauern mochte. Rasch lief sie wieder durch den Markt, um sich vor dem Unbekannten zu verbergen, der sich gerade gewaltsam Zugang verschafft hatte, aber dann machte sie die Sitzgruppe aus, auf der die Biker abgehangen hatten. Alanis lief hinüber und fand tatsächlich Banjos Satteltaschen.

Wieder im Büro angelangt, verabreichte sie sich und ihren Schwestern die heißersehnte Droge. Bald schwebten sie alle auf einer Wolke der Verzückung dahin, fort von Hunger, fort von Furcht und der entsetzlichen Welt.

***

Jeff gelangte gerade am Parkhaus an, als die ersten Schüsse fielen. Er sah die Schattenrisse der Männer vor dem Bauwerk und stürzte sofort los. Er eilte von ihnen weg.

Im Gebäude festsitzen, während sie angegriffen wurden? Ausgeschlossen. Nachdem er Ronnys Schilderungen über die Biker gehört und die dunklen Gestalten vor dem Parkhaus gesehen hatte, wusste er, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis sie es auf eine der höheren Ebenen schaffen und die Gruppe umbringen würden.

Er hatte den Büropark fast erreicht, als er weitere Schüsse hörte.

***

Alles blieb still, während sie das Gelände überquerten. Dale wurde nervös. Scheiße, hoffentlich sind das freundliche Menschen und kein Haufen Arschlöcher.

Plötzlich brachen ringsum Schüsse los und hallten wider, was sowohl ihn als auch Cooper zusammenzucken ließ. Lichtblitze erhellten die Vorderseite des Parkhauses, und Dale kauerte instinktiv nieder, nicht ohne Cooper mit auf den Boden zu ziehen. Beide legten sich flach hin. Nach mehreren Minuten flüsterte Dale seinem Gefährten zu: »Ich muss näher ran, um zu erkennen, was da los ist.«

»Was sollen wir tun?«

»Uns vorsichtig anpirschen.«

Dale stand auf, und Cooper folgte ihm.

***

Wendy stellte den Wagen schräg vor den Hintereingang von Costco. Der Abstand zwischen ihm und der Ecke ihrer Stoßstange betrug nur wenige Zoll, weshalb die Tür, als sie noch einmal kurz aufs Gaspedal trat und wieder bremste, aus ihren Angeln gerissen wurde, ohne dass das Auto den Rahmen berührte. Ein ehemaliger Gespiele hatte ihr gezeigt, wie man eine Tür mit einem Fahrzeug öffnete, ohne es oder das Gebäude zu beschädigen. Sie schaltete den Motor ab, nicht aber die Scheinwerfer, denn sie wollte in den Markt sehen können. Zudem ließ sie den Wagen in der Tür stehen, damit keine wandelnden Leichen eindringen und sie im Dunkeln überraschen konnten.

Eine Minute lang verharrte sie noch auf dem Fahrersitz und lauschte. Da die Gang nicht da zu sein schien, kroch Wendy über die Haube des Wagens und rutschte ins Gebäude. Dann tastete sie sich durch die Gänge, bis sie die beiden toten Tänzerinnen im Käfig entdeckte. Von den anderen Mädchen war nichts zu entdecken, also kehrte sie zu ihrem Wagen zurück. Als sie zur Tür gelangte – die Scheinwerfer blendeten sie –, hörte sie ein Ächzen und Pochen.

Die Toten umringten das Auto und drängten gegen das Gebäude. Sie sammelten sich zu beiden Seiten des Fahrzeugs und lehnten sich hervor, um Wendy zu fassen zu bekommen. Ihr kam es vor, als stände sie wieder auf einer Bühne, wo sie lüstern von widerlichen Männern angegafft wurde. Sie lächelte und schüttelte ihre Brüste vor den Zombies, wobei sie diese weniger anstößig und vielleicht sogar harmloser fand als die lebendigen Typen, für die sie getanzt hatte.

Da sie nicht in ihren Wagen einsteigen konnte, saß sie im Markt fest, es sei denn, sie fand eine andere Tür, um sich zu Fuß durch die Nacht zu schlagen.

***

Ron kniete neben Sal. »Ich hatte noch nie mit einer Schusswunde zu tun.« Er war sich nicht sicher, was er tun sollte. »Wir müssen die Blutung stillen.«

»Und den Schmerz«, zischte Sal mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich glaube, ich werde ohnmächtig.«

»Das ist wohl der Schock. Versuch bitte, wach zu bleiben.«

Blut quoll aus dem Einschussloch.

Donna erschien neben ihm. »Lass mich mal sehen.«

Nachdem sie Ron sanft beiseite geschoben hatte, kniete sie sich zu Sal. Der stöhnte vor Schmerz.

»Tut mir leid«, versicherte sie ihm und drehte ihren Kopf zur Ron. »Wir müssen das möglichst schnell säubern und verbinden.«

Er stand auf, während er darüber staunte, wie ruhig seine Frau blieb. Dann drehte er sich um und lief los, um Wasser und Verbandsmaterial zu holen. Er fürchtete sich, wollte Sal nicht verlieren. Mit dem Kerl konnte man Pferde stehlen, und solche Menschen gab es in diesen Tagen kaum mehr. Davon abgesehen war Ron wütend auf diese Psychopathen. Der Weltuntergang reichte ihnen nicht. Sie machten unmissverständlich klar, dass kein Weg daran vorbeiführte, sie zu töten.

Nachdem er Wasser, Kleidungsstücke als Bandagen, Seife und eine Laterne gefunden hatte, brachte er alles zu Donna. Gleich darauf rannte er mehrere Ebenen hinunter, stellte sich hinter einen Pfeiler und rief: »Was wollt ihr?«

»Den Afro!«, brüllte Banjo zurück.

»Der bin ich! Was erwartest du?«

»Wir beide haben noch was zu klären. Stell dich, und wir lassen deine Freunde in Ruhe.«

Ron schwieg. Kurz spielte er mit dem Gedanken, sich auszuliefern, doch ihm war klar, dass dieser Abschaum sein Wort niemals halten würde.

»Komm schon, Sambo, du schaffst es nicht, dich lebendig aus der Affäre zu ziehen. Falls wir zu dir hochsteigen müssen, blüht deinen Freunden nichts Gutes.«

Was sollte Ron tun? Er war unbewaffnet, Sal ernsthaft verletzt, und dort unten warteten mindestens fünf üble Biker. Über kurz oder lang würden sie einen Weg nach oben finden. Ron kam es vor, als wären seine Gedanken gelesen worden, als Banjo fortfuhr: »Dir ist klar, irgendwann schaffen wir es hinauf zu dir – und ich trage diesen Strick schon viel zu lange mit mir herum.«

***

Jeff gelang es, aufs Dach zu klettern und sich über die dicken Stromkabel durch ein Fenster in die Lagerhalle zu schieben. Als er sich auf den Sims hinter der Scheibe fallen ließ, hörte er im Dunklen röchelnden Atem und das Schlurfen und Scharren Hunderter Leiber, begleitet von diesem Gestank … Er schlich in vollkommener Finsternis an der Mauer entlang, bis er die Kette fand. Er begann, daran zu ziehen.

Als das Tor weit genug geöffnet war, drängten die Zombies aus dem Lager. Jeff zog sich zurück. Ohne Mühen stieg er wieder aus dem Fenster und kroch über die Kabel zum angrenzenden Gebäude. Dort setzte er sich aufs Dach und beobachtete, wie die Armee der Toten, die er herausgelassen hatte, aufs Parkhaus zuströmte.

***

Cooper hielt inne, Dale tat es ihm gleich. Cooper war still und bewegte sich nicht. Plötzlich ging er nach rechts – fort vom Parkhaus. Kurz blickte er zurück, um sich zu vergewissern, dass Dale ihm folgte. Sie hörten Rufe vom Gebäude her. Noch mehr Schüsse fielen.

Wieder blieb Cooper stehen und wartete. Nach einem Moment flüsterte er Dale zu: »Siehst du den Schwarm?«

Sein Begleiter schaute ihn erschrocken an. »Schwarm? Welchen Schwarm?« Er spähte ins Dunkel.

Cooper streckte einen Arm aus. »Etwa 100 Fuß vor uns. Der Lärm zieht sie an. Wir sind hier sicher, solange wir still bleiben.«

»Du kannst sie sehen, trotz dieser Dunkelheit?« Dale kniff die Augen zusammen und versuchte, dort etwas auszumachen, wo Cooper hinzeigte.

»Na ja, ich sehe dort drüben vage Bewegungen … man kann sie doch aber riechen.« Cooper ließ den Blick in der Umgebung schweifen. »Dort entlang.«

»Wohin willst du?«, fragte Dale.

»Wir gehen mit dem Wind und halten uns von dem Schwarm fern. Auch will ich, dass wir dichter an das Gebäude gelangen. Falls etwas schiefläuft, rennen wir zu den Rollbahnen.«

»Sollten wir getrennt werden«, erwiderte Dale, »treffen wir uns am besten da hinten vor dem letzten Bürohaus, an dem wir vorbeigegangen sind.« Er stockte. Jetzt endlich sah er die Toten: Hunderte von ihnen schlurften nur wenige Yards entfernt im Finsteren vorüber. Er musste sich zwanghaft bemühen, nicht davonzulaufen. Cooper stand weiter gelassen neben ihm.

Dann gingen sie los und auf das Parkhaus zu.

***

»Das gibt’s doch nicht!«, brüllte Acid. »Hey, wir müssen von hier verschwinden, Jungs!«

Banjo fragte sich, was für ein Problem der Savage verdammt nochmal hatte. Muscle feuerte noch dreimal mit seiner Kanone. Da packte Jeeter Banjo am Arm. »Wo ist Fats?« Der Kerl war in Panik. Er hatte seine Sonnenbrille abgenommen, sodass man seine weit aufgerissenen Augen sah.

»Was? Woher zum Geier soll ich das wissen?« Banjo schaute zurück, während er mit Jeeter sprach, und erkannte, dass sich die Toten aus zwei Richtungen näherten. Die anderen Jungs verloren den Kopf, während er cool blieb. Er wusste, wie er mit dieser Situation umzugehen hatte. Immer noch hielt er Old Crow fest in seiner rechten Hand.

»Wo ist Fats, Mann?«, drängte Jeeter. »Fats!« Er stürzte in die Dunkelheit davon.

Drehte Jeeter jetzt auch noch durch? Banjo blickte hinüber zu Jack, der genauso zu empfinden schien wie er selbst. Der Savage nickte ihm kurz zu.

»Ich denke, wir sollten abhauen und uns das Lynchen für später aufsparen.«

***

Jeeters hysterisches Geschrei entging auch Henry nicht und riss ihn aus seinen Gedanken. Jeeter hastete vom Parkhaus her auf ihn zu.

»Fats, komm mit, Mann, lass uns von hier abhauen.« Er brüllte laut, und erste Zombies begannen, ihm zu folgen.

Jeeter zerrte an Henry und fuhr ihn an, er solle sich bewegen.

»Fats! Komm schon, Fats!« Er drehte völlig durch, kreischte und zog an ihm.

Henry aber gab nicht mehr vor, Fats zu sein. Sein Gesichtsausdruck erschreckte Jeeter und ließ ihn stocken. Während Henry ihn anstarrte, schlang er seine Arme um ihn und hob ihn hoch.

Dann drehte sich Henry um und ging auf die nahenden Toten zu. Jeeter kreischte und zeterte, trat aus und wand sich in der Umklammerung. Die Toten umzingelten sie. Henry ließ Jeeter fallen. Er stand nie wieder auf.

Auch Henry wurde nach hinten gerissen. Tränen schossen ihm in die Augen. Wie gut, dass nun alles vorbei war.

***

»Hast du das gesehen?« Cooper blieb erneut stehen. Die Toten drängten scharenweise auf das Gebäude zu. Dale verharrte neben ihm.

»Klar.« Er ging davon aus, dass der Jüngere den dicken Biker meinte, der Selbstmord begangen hatte, indem er mit dem anderen im Arm in die Meute der Zombies getreten war.

»Würde gerne wissen, was das sollte.« Cooper lief bereits weiter. Ein paar Leichen kamen aus der Finsternis auf ihn zu. Cooper nahm seinen Schlagstock und kümmerte sich um sie. Als er sich wieder zum Gebäude umdrehte, war er entsetzt: Dale wurde von zwei der Banditen angegriffen. Einer von ihnen war ein Riese, groß und fettbäuchig. Der andere Kerl zückte ein Jagdmesser und rammte es in Dales Bein.

Der zog seine Pistole, doch der Dicke schlug ihm mit der Faust ins Gesicht, woraufhin er sie fallenließ. Dale schien einer Ohnmacht nahe zu sein. Der fette Biker zog nun seine eigene Pistole, ein Großkaliber aus Chromstahl, und hielt diese an Dales Kopf.

Er blutete aus Nase und Mund. Die Biker waren wie aus dem Nichts gekommen und hatten ihn überrascht. Das hätte nicht passieren dürfen.

Dale schaute den dicken Biker rundheraus an, der ihm die Waffe an den Kopf hielt. Er wartete auf seinen Tod. Der fette Dreckskerl grinste und wollte gerade etwas sagen, schielte jedoch auf einmal und sackte zusammen. Dale blickte auf. Der andere Verbrecher lag ebenfalls am Boden. Cooper stand vor ihm – seine Pistolen baumelten an ihren Bändern.

Dale legte ihm einen Arm um die Schulter und wollte aufstehen, brach aber wieder zusammen.

»Komm schon, wir müssen weiter.«

»Es ist zu spät.«

Sie waren von Toten umgeben. Dale konnte nicht laufen und verlor Blut. Nachdem er seinen Gürtel ausgezogen hatte, zurrte er ihn um sein Bein.

Der Kreis der Zombies ringsum, eine Mauer aus verrottendem Fleisch, wurde enger. Cooper erstarrte.

***

Ron beobachtete, wie die Toten den Bereich unter dem Parkhaus ausfüllten. Die Biker waren unerwartet angefallen worden, und wie es aussah, überlebten es einige nicht. Im Schein des gerade aufgehenden Mondes erkannte er, dass die Anzahl der Zombies in die Hunderte gehen musste. Um ein Wunder hatte er gebeten, und nun war es in Gestalt zahlloser verfaulender Leichen geschehen. Er rannte zu Sal und Donna zurück.

Donna schaute mit ängstlicher Miene zu ihm auf. »Er braucht Hilfe. Ich habe die Blutung stoppen können, doch die Kugel ist noch drin, glaube ich. Es war kein Durchschuss.«

»Unten ist eine Horde aufgetaucht. Wenn mich nicht alles täuscht, sind die Männer verschwunden.« Ron wirkte konfus. Er konnte nicht fassen, wie schnell sich das Blatt gewendet hatte.

»Ron, er braucht Hilfe«, wiederholte Donna nachdrücklich.

Ihr Mann blickte wieder auf sie hinab. »Ich muss die anderen holen.«

Sal war schweißgebadet. Während er abwechselnd wegdämmerte und wieder aufwachte, stöhnte er ununterbrochen. Die Gruppe fühlte sich schrecklich hilflos.

»Der Krankenwagen!« Ana stürmte die Auffahrt hinunter.

Donna lief ihr nach.

»Hey, warte!« Sie gingen gemeinsam weiter. »Dir ist doch klar, dass du jetzt nicht da runtergehen kannst.«

»Im Krankenwagen liegen Sachen, die wir gebrauchen können – und ich bin nicht dumm. Bestimmt werde ich nicht versuchen, in einem Meer von Zombies zu surfen.«

Donna schmunzelte. »Schon klar.«

Ana schaute Donna wieder an. »Du bist Läuferin?«

»Richtig, Marathon.« Dann kicherte sie. »So wie ich es sehe, sind wir beide die schnellsten hier.«

Sie gingen an den Rand des Lochs, durch welches einmal die Auffahrt geführt hatte. Darunter war es dunkel, doch sie hörten die Toten am Boden, ihr Geschiebe, Gestöhne und Gekeuche.

***

Unter Dales Bein bildete sich eine Blutlache. Der festgezogene Gürtel peinigte ihn beinahe so sehr wie der Stich selbst, doch der Schmerz wog nicht so schwer wie seine Furcht. Hunderte humpelnder Toter umringten Cooper und ihn – und kamen näher. Er schlug kräftig gegen ein Bein seines Mitstreiters, um auf sich aufmerksam zu machen. Der Kerl steht einfach nur rum, dachte er in Panik. Cooper hatte noch eine Chance, zu überleben, wenn er jetzt handelte, doch Dale glaubte zu wissen, dass er geliefert war.

»Hey! Hey! Cooper! Lauf jetzt! Lauf, verdammt nochmal!«

Cooper schaute ausdruckslos auf Dale hinab.

»Hey, Mann, wir müssen nicht beide draufgehen, jetzt hau endlich ab!«

Cooper hob beide Pistolen hoch. »Bein fest abgebunden?«, fragte er über seine Schulter hinweg.

Fünf Zombies waren den beiden bis auf wenige Fuß nähergekommen, und Cooper streckte sie alle mit je einem Kopfschuss nieder.

Er ließ die Pistole in seiner Linken fallen, lief zu Dale und packte ihn am Kragen. Gleichzeitig zielte er mit der anderen Waffe und fällte drei weitere Zombies.

Er lief los, wobei er Dale, der ihm den Rücken zukehrte, über den Asphalt schleifte. Er feuerte – klick, klick, klick – und das nächste Trio stürzte weniger als zwei Yards entfernt zu Boden.

Dale schaute auf seine Füße, während Cooper ihn rückwärts zog. Ein Zombie fiel über seine Beine, doch Cooper marschierte unbeirrt weiter, weshalb sich der Untote nicht festhalten konnte. In der Umgebung wimmelte es vor ihnen. Dann stolperte wieder einer über Dales Beine. Die Wunde tat höllisch weh. Er schlug dem Monster seine Pistole auf den Hinterkopf. Schwarze Flüssigkeit quoll aus dem Loch im Schädel und der Tote ließ los.

Dale schaute zu, wie ein paar Zombies zu Boden gingen, nachdem .22er Patronen in ihre Köpfe geschlagen waren. Er konnte hören, wie die mit einem Schalldämpfer ausgestattete Waffe des Jungspunds in einem fort klickte, war sich aber trotzdem sicher, dass weder Cooper noch er es schaffen würden. Sie befanden sich mitten auf dem Parkplatz und waren von Toten umgeben. Dale entsicherte seine Pistole. Wenn sie überwältigt wurden, würde er den jungen Kerl zuerst erschießen und dann sich selbst. Niemand sollte gezwungen sein, bei lebendigem Leibe gefressen zu werden.

Plötzlich hörte er ein lautes, metallenes Rappeln. Die Zombies standen nur wenige Zoll entfernt. Wahrscheinlich war der Jungspund erschöpft, oder sie hatten ihn erwischt. Als sich Dale mit der Waffe im Anschlag umdrehte, um das Notwendige zu tun, wurde er gepackt.

Dale wurde über ein Brett gezogen, wie es sich anfühlte.

Der Finsternis zum Trotz erkannte er, dass keine Zombies mehr in der Nähe waren, aber wie das sein konnte, war ihm ein Rätsel.

Cooper sprach in sein Ohr. »Nicht rühren. Bleib ganz ruhig sitzen.«

Dale schaute hinunter. Er hockte auf einem Brett auf einer Aluminiumleiter. Diese lag über einem Krater – dem unglaublich tiefen Loch, von dem Cooper ihm erzählt hatte. Er spürte, wie das Gestänge wippte, es knarrte unter dem Gewicht der beiden.

Cooper legte ihm die Arme um die Brust und zog ihn weiter auf die Leiter. Dale konnte sehen, was am Rande des Lochs vor sich ging. Er beobachtete, wie die Toten ins Leere traten. Die wenigen, denen es gelang, einen Fuß auf die Leiter zu setzen, schafften nur einen Schritt, bevor sie ebenfalls in die Dunkelheit stürzten. Heilige Scheiße, dachte Dale. Der Junge hat es geschafft und uns beide gerettet.

Nach wenigen Minuten fiel nur noch ab und zu eine Leiche in das Loch. Der Mond stand nun hoch am Himmel und leuchtete hell. Cooper trat behutsam von der Leiter hinunter und feuerte noch einige Male, um wenige Nachzügler zu beseitigen. Er half Dale, bis sie wieder sicher am Rand des Lochs waren.

»Und noch einmal hast du mir den Arsch gerettet.« Cooper ignorierte seinen Kommentar, als er sich neben ihn setzte.

»Ich habe gerade zwei Menschen umgebracht.« Er kehrte sich Dale zu. »Hast du schon mal jemanden umgebracht?«

Diese Frage bekamen Soldaten und Bullen ständig zu hören.

»Zweimal – in Ausübung meiner Pflicht. Es war gerechtfertigt, aber trotzdem nicht leicht zu verdauen. Weißt du, wenn ein Cop jemanden im Dienst erschießt, muss er in psychiatrische Behandlung, und ich kann dir sagen, das hilft. Dabei arbeitest du die Sache nämlich auf deine eigene Weise auf. Es ist nicht gut, sie zu verdrängen.«

»Wie soll ich darüber denken?«

»Darauf gibt es keine allgemeine Antwort. Ich meine, ob du es genossen hast oder zulässt, dass es dich zerbricht: Beides ist falsch. Jeder fühlt anders. Vielleicht wirst du nie Schwierigkeiten deswegen bekommen, vielleicht bist du dir so sicher, das einzig Richtige getan zu haben, dass du dir niemals einen Kopf darüber machst.«

»Darum bete ich. Ich weiß, hätte ich sie nicht getötet, wären wir dran gewesen.« Cooper schaute auf seine Füße. »Nun ja, ich werde damit schon klar kommen.« Er stand auf und versuchte, Dale hochzuhelfen, als sie Schritte im Dunkeln hörten.

Ana kam mit einer Gruppe fremder Personen. Sie stieß einen kurzen Schrei aus, rannte zu Cooper und schlang ihre Arme um ihn. Auch Cooper drückte sie an sich. Ana wieder festzuhalten, fühlte sich großartig an.

»Ich gehe mal davon aus, dass ihr zwei euch kennt«, sagte Dale lächelnd. »Oder reagieren alle Frauen so, sobald sie dich sehen?«

Ron, der sich nach Anas Aufschrei misstrauisch umschaute, trat vor. »Gehen wir. Bekanntmachen können wir uns später.« Damit packte er Dales Arm und half ihm beim Aufstehen. Nachdem sich Cooper auf der anderen Seite eingehakt hatte, gingen sie zum Parkhaus.

Ana lief neben Cooper. »Bist du verletzt?«

Dale musste ungeachtet seiner Schmerzen schmunzeln. Schmachtende Teenager sind zu süß. Vermutlich braucht der alte Kerl mit dem blutüberströmten Bein keine solche Fürsorge wie der hübsche Jüngling.

Die Gruppe zwängte sich in den Fahrstuhl und ließ sich hinauf in ihr Allerheiligstes befördern, wie Ron es nannte.

Sal ging es nicht gut. Die Stimmung im Parkhaus in dieser Nacht war düster, doch es gab auch vieles, wofür sie dankbar sein durften.

Später kehrte Jeff zurück, und man stellte einander vor.

»Ich ahnte, du hattest etwas damit zu tun, dass dieser Schwarm Zombies gekommen ist«, bemerkte Ron.

»Weißt du noch, wie Bill jede Leiche im Umkreis von zehn Meilen angelockt hat?«, erwiderte Jeff mit dem Mund voller Doritos.

»Richtig, und du hast sie alle vertrieben.« Ron schaute Cooper und Dale an, zeigte aber auf Jeff. »Über den Kerl kann ich euch ein paar unglaubliche Geschichten erzählen.«

Ron fühlte sich für kurze Zeit unbeschwert und gab ein paar Anekdoten zum Besten. Donna kam und setzte sich auf seinen Schoß. »Hallo, mein Held«, flüsterte sie in sein Ohr. »Vielleicht liegt es am Wein, den ich getrunken habe, aber ich möchte dich heiraten.«

Ron schaute ihr in die Augen und sprach genauso leise. »Ich weiß nicht, ob wir hier sicher sind. Möglicherweise sind immer noch welche von diesen Typen da draußen.«

»Du kannst einem wunderbar die Laune verderben.« Sie lächelte, ehe sie ernsthaft fortfuhr: »Was sollen wir tun?«

Cooper, der neben ihnen saß, bemerkte: »Ich habe gesehen, dass mindestens zwei davongekommen sind. Sie liefen in Richtung der Rollbahnen.«

»Und ich habe dort unten vier gezählt, die es nicht geschafft haben.« Ron schloss die Augen und legte seinen Kopf zurück. »Ursprünglich waren es aber nur drei Biker.«

Dale schnappte den letzten Satz auf. »Ursprünglich? Was meinst du damit?«

»Sal und ich waren an jene drei Biker geraten. Wir hatten eine Auseinandersetzung mit ihnen und konnten fliehen.« Ron schaute zu Boden.

Donna legte eine Hand auf seine Schulter. »Schon gut, erkläre es ihnen ruhig.«

Ron blickte auf – erschrocken darüber, dass ihn alle erwartungsvoll anschauten.

»Sie versuchten, mich zu hängen, und Sal hat mich gerettet.« Er schaute wieder nach unten. »Es geht noch weiter. Es fällt mir schwer, das zuzugeben, aber ich fürchte, das alles war mein Fehler. Ich hatte ihre Motorräder sabotiert, damit wir entkommen konnten. Nun, ich hätte es so drehen können, dass wir einfach nur abhauen. Vielleicht hätten sich die Kerle geärgert, aber ich … ich habe eine dumme Nummer mit ihren Rädern abgezogen.«

Donna machte große Augen. »Ron, was genau hast du getan?«

Er beschrieb, was sich zugetragen hatte. Es fiel ihm schwer; ihm kam es wie eine törichte Handlung vor, derentwegen die Gruppe gefährdet und Sal angeschossen worden war.

»Ich halt’s nicht aus!« Alle zuckten zusammen. Es war Jeff. »Oh mein Gott!« Er lachte laut. Seine Ausfälle überraschten die anderen immer, weil er normalerweise sehr still war. »Ein echter Brüller!« Jeff wischte sich mit beiden Ärmeln Tränen aus den Augen. Er hatte eine merkwürdig aussehende Pinzette und ein Schaltbrett dabei. »Und du hast dich über mich lustig gemacht, weil ich mein Leben für Doritos aufs Spiel setzte. Das werde ich dich nie vergessen lassen!«

Nun musste auch Ron lachen. Es tat unheimlich gut.

»Also gut, Leute«, lenkte Dale ein. »Ron gewinnt den Preis für die lustigste Art und Weise, sich zur Zielscheibe von Psychopathen zu machen, doch wir müssen sehr bald etwas unternehmen.«

»Ich habe auf jeden Fall sieben gezählt.« Jeff war wieder gefasst und ruhig. »Also sind vermutlich noch drei auf freiem Fuß.«

»Wir müssen weg von hier, und zwar schnell.« Cooper stand auf. »Wir können uns irgendwo in der Nähe verstecken und aus sicherem Abstand beobachten, ob sie zurückkehren.«

»Wir haben uns bisher nur kurz vorgestellt, aber ich war ein verdeckter Ermittler bei der Polizei«, sagte Dale in die Runde. »Ich hatte mich in eine Verbrecherbande aus Nevada eingeschleust. Diese Typen werden ganz schnell zurückkehren, um uns Männer umzubringen und die Frauen als Sexsklavinnen mitzunehmen.«

Das genügte, um alle in helle Aufruhr zu versetzen. Rons erster Gedanke war: Wie sollen wir Sal fortschaffen?

***

Banjo und Jack standen ungefähr in der Mitte des Parkplatzes im Dunkeln. Da der Mond hell schien, konnten sie weit sehen. Sie beobachteten, wie ein Krankenwagen vom Parkhaus wegfuhr, und gingen wieder zu ihrem Pickup zurück.

»Die hauen ab«, bemerkte Jack, als er sich hinters Steuer setzte.

»Ich bin immer noch jemandem etwas schuldig.« Banjo schaute hinaus in die Nacht. Das Los seiner Brüder beschäftigte ihn. Er fragte sich, wer diese Menschen vom Parkhaus waren.

»Ich würde ja vorschlagen, wir lassen es einfach auf sich beruhen, aber der Schwarze hat unsere Bikes geschrottet.« Er streckte seinen Kopf aus dem Türfenster, während sie langsam über den Platz rollten. Sie würden dem Krankenwagen folgen, doch Banjo beschäftigte noch eine andere Frage: Durchsuchen wir zuerst das Parkhaus? Plötzlich stießen sie auf eine Leiche, dann eine weitere, und schließlich noch mehr. Das waren die Zombies, denen sie im Kampf den Garaus gemacht hatten, doch gleich darauf entdeckten sie zwei nebeneinanderliegende Tote, die eindeutig Lederwesten und schwere Stiefel trugen. Nachdem sie angehalten hatten, stiegen sie mit einer kleinen Taschenlampe aus, um sich die Körper anzuschauen. Es waren Muscle und Acid. Jack ging auf die Knie und besah sie genauer.

»Scheiße, sieh dir das an. Das waren nicht die Zombies.« Er zeigte auf ein kleines, rundes Loch im Hinterkopf des einen Mannes. »Die haben von ihnen gefressen, aber getötet wurden sie von jemand anderem.«

Die beiden richteten sich wieder auf. Jack blickte in Banjos Augen. »Irgendein Arschloch hat meine Brüder erschossen.«

»Und meine Brüder«, betonte Banjo. »Das ist noch schlimmer als demolierte Bikes. Ich gebe keine Ruhe, bis wir ihren Tod gerächt haben.«

Als sie weiterfuhren, fanden sie Jeeter und Fats. Ersterer war in Stücke gerissen worden, die ringsum verteilt lagen. Banjo trat zu den Leichen hinüber und schaute auf sie herab.

»Zieh dir das rein! Fats war so fett, dass die Zombies nicht mit ihm fertig wurden.« Er lachte bitter auf. »Der gute alte Fats.«

Von Weed fehlte jede Spur. Sie befürchteten das Schlimmste, doch Banjo meinte: »Vielleicht ist er abgehoben, und wir finden ihn, sobald er wieder auf der Erde landet.«

Das fand Jack anscheinend nicht witzig, also schob Banjo rasch nach: »War nicht so gemeint, Mann, bloß wären wir zu früheren Zeiten auf diese Weise damit umgegangen.«

»Nein, nein, ist schon okay – und auch irgendwie lustig. Ich habe nur überlegt … Weißt du, Weed war alt, und ich meine, er konnte zwar selbst auf sich aufpassen, war aber eben nicht mehr der Jüngste und auch ein bisschen weich in der Birne. Solange wir seine Leiche nicht gefunden haben, verziehe ich mich ungern von hier. Ich denke nämlich, dass er sich irgendwo versteckt oder versucht, es auf eigene Faust zurück zu Costco zu schaffen.«

»Sicher.« Banjo schüttelte den Kopf. »Schon klar, aber andererseits dürfen wir den Bimbo nicht davonkommen lassen.«

»Hast Recht. Warum folgst du ihnen nicht und kommst zurück, wenn du weißt, wo sie sich verstecken? Ich muss Weed suchen. Ich war sein Schützling. Ohne ihn wäre ich kein Clubmitglied geworden.«

»Machen wir so.« Banjo stieg in den Truck und fuhr in die Richtung, die der Krankenwagen genommen hatte. Es dauerte eine ganze Weile, aber letzten Endes entdeckte er ihn. Er verfolgte die Gruppe über eine Meile weit, bis sie auf ein Gelände abbog und stoppte. Banjo beobachtete, wie die Fahrertür aufging und jemand ausstieg. Er konnte nicht erkennen, wer es war, doch das spielte auch keine Rolle. Heute Nacht würde er jeden plattmachen, der ihm über den Weg lief.

Nachdem er den Pickup verlassen und Old Crow zur Hand genommen hatte, folgte er der Gestalt in der Ferne. Das Stemmeisen sang buchstäblich in seiner Hand, schien aus Vorfreude zu vibrieren. Schädel von Lebenden einzuschlagen, so hatte Banjo festgestellt, gefiel Old Crow besser, als es bei Zombies zu tun. Er konnte es kaum erwarten, ihn einem Krauskopf vorzustellen. Ach halt: Tut mir leid, Crow, aber den müssen wir aufknöpfen. Das ist das einzig Richtige, aber ich verspreche dir, sobald wir irgendwelche anderen Baumwollpflücker sehen, darfst du sie haben.

***

Da Sal nicht laufen konnte, mussten alle beim Tragen helfen, um ihn in das Bürogebäude zu schaffen.

Schnell luden sie alles aus dem Krankenwagen, denn sie mussten ihn schnellstmöglich von ihrem Versteck wegbringen. Es war durchaus möglich, dass die Biker ihn gesehen hatten, zumal das Fahrzeug zu deutlich auffiel, als dass man es irgendwo in der Nähe ihres Versteckes abstellen konnte.

Man einigte sich darauf, dass Cooper und Jeff den Wagen zusammen fortschaffen sollten. Als sie aufbrachen, überreichte Dale Jeff seine Pistolen, mit dem Hinweis, dass man ja nie wisse, was unterwegs lauerte.

Nach einer Weile meinte Jeff: »Ich glaube, wir werden verfolgt.«

Cooper schaute in den Rückspiegel. »Sicher? Was sollen wir tun?« Er begann, zu beschleunigen.

»Mach langsam, die dürfen noch nicht wissen, dass wir sie gesehen haben. Ich erkenne es schlecht im Dunkeln, aber hinter uns fährt ein Auto.«

»Und ich soll nicht versuchen, es abzuhängen?«

»Nein. Wir sind doch zwei kluge Kerlchen und haben mehr auf dem Kasten, oder?« Jeff lächelte.

»Okay, wir wissen nicht, wer das ist. Es könnte sich um andere Überlebende oder die Biker handeln. Das müssen wir zuerst rausfinden.« Cooper hielt nun die Geschwindigkeit.

»Einverstanden«, stimmte Jeff zu, der bereits tief in Gedanken war.

»Wir sind jetzt zweimal abgebogen, und die auch«, gab Cooper nach einer Weile an.

»Na gut«, entgegnete Jeff. »Hinter der nächsten Abzweigung bremst du und lässt mich raus. Dann fährst du genauso langsam weiter wie bisher. Wenn du den nächsten Block erreichst, bleibst du am Straßenrand stehen. Ich werde mich verstecken und warten, bis sie vorbeigekommen sind, und versuche, den Fahrer zu erkennen.«

»Und wie weiter?«, fragte Cooper.

»Du gehst los, aber nicht zu dem Bürohaus, sondern einfach in eine andere Richtung. Dann werden wir sehen, was passiert.«

»Was bringt uns das?«

Die nächste Abbiegung kam. Ihre Verfolger lagen mindestens einen Block weit zurück – genügend Zeit also für Jeff, um unbemerkt auszusteigen und sich zu verstecken, während Cooper weiterfuhr.

»Ich werde hinter dir sein, und außerdem sind wir bewaffnet. Wir können voraussehen, was geschieht.«

»Das gefällt mir nicht. Was ist, wenn da, sagen wir, fünf Leute drinsitzen?«

»Falls wir mehr als eine Person in dem Auto sehen, läufst du zum Krankenwagen zurück und verschwindest. Hol mich dann später ab, wo du mich rausgelassen hast. Ist es nur einer, wird er dir vermutlich zu Fuß folgen. In der Zwischenzeit nehme ich unseren Wagen, und bis er wieder bei seinem ist, sind wir längst weg.«

Nachdem sie die Kurve genommen hatten, bremste Cooper, bis er fast zum Stehen kam, woraufhin Jeff die Tür öffnete, hinaussprang und in die Dunkelheit lief. Cooper fuhr sofort weiter.

Er behielt den Rückspiegel im Blick, und kurz darauf erschien ein Fahrzeug. Es wurde nicht langsamer, also schien Jeffs Ausstieg unbemerkt geblieben zu sein. Coopers Verfolger fuhr einen Pickup-Truck. Nachdem er den nächsten Block passiert hatte, bog er auf den Parkplatz eines Best-Buy-Supermarktes ein. Dort stellte er den Wagen dicht an den Eingang und schaute zur Straße hinüber.

Er machte einen Schattenfleck aus, der sich bewegte. Es war ein Mensch, der den Platz betrat und hinter einem Schild stehenblieb. Cooper schwante Übles. Er verließ den Krankenwagen. Dann folgte er der Straße neben dem Markt bis in eine Wohnsiedlung. Als er verstohlen zurückschaute, trat die Gestalt aus dem Dunkel und folgte ihm eilig. Er lief weiter in das Wohngebiet hinein, blickte noch einmal zurück. Sein Verfolger ging schneller, verringerte den Abstand.

Nun überlegte sich Cooper, ob er sich verraten und losrennen oder weitergehen sollte. Nachts an Orten wie diesem zu laufen, war in keinem Fall eine gute Idee. Er roch Fäulnis und spürte, dass die Toten nahe waren. Ihm wurde beklommen zumute, doch dann hörte er das tiefe, raue Brummen des Krankenwagenmotors. Als sich Cooper nun umdrehte, rannte die Gestalt, um ihn einzuholen, doch wer auch immer es sein mochte: Er war zu weit von ihm entfernt. Nachdem der Wagen an ihm vorbeigerast war, machte der Fremde kehrt und rannte in die entgegengesetzte Richtung, wahrscheinlich zurück zu seinem Auto.

Jeff fuhr vor, und Cooper stieg wieder ein. »Vollgas, Mann.«

Der Krankenwagen brauste los. »Kein Grund zur Panik. Ich habe mich um seinen Truck gekümmert. Solange er keine vier Ersatzräder hat, fährt er nirgendwohin.« Er schlug den Rückweg zu ihrem Bürogebäude ein, nahm nach einem Moment aber den Fuß vom Pedal.

»Ich habe eine Idee.«

»Lass hören.«

Jeff starrte aus dem Fenster. »Das wird haarig, glaube ich, aber Katz und Maus spielen klappt nicht ewig. Hätten wir ihn nicht gesehen …«

***

Zu dem Zeitpunkt, als Banjo ein anderes Fahrzeug gefunden hatte, waren der Krankenwagen und seine Insassen längst verschwunden. Er war wütend und kehrte auf den Parkplatz zurück, um herauszufinden, was Jack trieb. Eine Minute, nachdem er angehalten hatte, trat sein Komplize vor die Beifahrertür.

»Neue Karre?«

»Immer noch keine Spur von Weed?«, fragte Banjo im Gegenzug. Jack merkte, dass er wütend war und sparte sich weiteres Nachbohren. Er stieg ein.

»Na ja, ich habe das hier gefunden.« Er hielt Weeds Stabfeuerzeug hoch. »Es lag vor diesem unsäglichen Riesenloch. Gut möglich, dass er reingefallen ist. Sieht so aus, als gebe es jetzt nur noch uns beide, Bruder.«

»Fahren wir zurück zu Costco, um uns einen neuen Plan auszudenken.« Banjo verkniff es sich, den Teil seiner Verfolgungsjagd wiederzugeben, in dessen Zuge er übertölpelt und mit vier platten Reifen stehengelassen worden war. »Ich bin den ganzen Scheiß leid. Wird Zeit, dass wir sie finden und der Sache ein Ende bereiten.«

»Ganz meiner Meinung, Bruder, je früher, desto besser.«

***

Wendy kletterte auf eines der vielen hohen Regale. Sie schaffte es bis auf den höchsten Boden des Gestells, auf dem Kartons mit Windeln gestapelt standen. Dass sie gut 20 Fuß hoch lag, beunruhigte sie, aber sie wusste auch, hier oben würde sie unauffindbar bleiben. Bis zum Dach waren es immer noch gut zehn Fuß oder mehr. Sie blieb eine Weile auf den Kartons liegen und schaute sich um. Rings um die Halle verlief ein Laufsteg unter der Decke, der für Wartungsarbeiten gedacht war. Plötzlich richtete sie sich ruckartig auf. Ihr fiel ein großer Raum auf, der ringsum verglast war. Dieser befand sich an einem Ende des Gebäudes über den Regalen. Wusste man nicht, dass dieser Raum vorhanden war, konnte man ihn leicht übersehen. Sie vermutete, es handle sich um eine Art Büro. Wendy kletterte wieder herunter. Vielleicht konnte sie sich Zugang verschaffen.

Sie fand eine abgelegene Tür, die aller Wahrscheinlichkeit nach hinauf zu dem Raum führte. Die Tür war unverschlossen. Nachdem sie eine Treppe hochgestiegen war, entdeckte Wendy die anderen Tänzerinnen. Alle hatten sich einen Schuss gesetzt. Alanis’ Arm war immer noch mit einem Gummischlauch abgebunden und dunkelblau angelaufen. Wendy versuchte, ihre Schwestern zu wecken, doch sie waren tot.

»Dumme Schlampen«, flüsterte sie, während sie die Mädchen betrachtete, die an Überdosen gestorben waren. Dass sie sich mehr um deren Leben gesorgt hatte als die Mädchen selbst, machte Wendy wütend. Sie kam sich töricht vor.

Jetzt konnte sie nicht mehr hier oben bleiben, nicht mit den drei Leichen, die in ihrem eigenen Urin und Kot dalagen und langsam verwesten. Wendy wollte auch nicht warten, bis die Biker zurückkehrten, denn dann wäre sie alleine mit ihnen im Markt gefangen. Deshalb ließ sie sich auf das Risiko ein, das Gebäude zu verlassen. Sie zog mehrere Türen auf und schlug sie gleich wieder zu, nachdem sie davor Tote herumwandern sah. Da bekam sie einen Geistesblitz und ging nach vorne zurück, wo ihr Auto stand. Die Scheinwerfer waren ausgegangen, was nur bedeuten konnte, dass die Batterie den Geist aufgegeben hatte.

Der Wagen blockierte die Tür aber immer noch und die Toten versuchten nach wie vor, ins Gebäude einzudringen.

Wendy dachte, wenn sie die Zombies auf einer Seite in den Markt hereinließ, leerte sich der Parkplatz eventuell so weit, dass sie auf einer anderen entwischen konnte. Davon abgesehen wäre das eine nette Überraschung für Banjo und seine Schergen, wenn sie wiederkamen.

Wendy ging ihren Fluchtplan durch. Zunächst würde sie an eine Tür klopfen, dann öffnen – nicht ganz, sondern nur einen Spaltbreit, sodass Tote, die am dichtesten davorstanden, es nach einem Augenblick bemerken mussten. Die anderen würden ihnen nach drinnen folgen.

Nachdem Wendy ein paar nützliche Dinge zusammengepackt hatte, war sie bereit zum Aufbruch. Sie schlug mehrmals an die gewählte Tür, öffnete sie ein wenig und lief ungefähr 20 Fuß zurück. Dann beobachtete sie, wie eine Hand durch den Spalt gestreckt wurde, ehe er langsam weiter aufging. Wendy drehte sich um und eilte durch den Markt. Sie ging zu ihrem vorgesehenen Ausgang und öffnete die Tür behutsam. Der Aufruhr weiter vorne am Gebäude zog die Toten dorthin. Die Reihen auf dem Platz lichteten sich. Wendy trat hinaus und rannte los.

***

Cooper saß am Steuer. Jeff schaute durch das Zielfernrohr. Sie stellten dem Kerl nach, der sie verfolgt hatte, und wollten dabei möglichst weit zurückbleiben.

Nachdem sie gewendet hatten, beobachteten sie von fern, wie der Mann nach einem neuen Auto suchte. Als er eines fand, raste er sofort davon, und sie hinterdrein. Da seine Scheinwerfer eingeschaltet waren, fiel es ihnen leicht, ihm mit gebührendem Abstand zu folgen. Sie beschatteten ihn von der Seite eine Lagerhalle aus, als er einen anderen Mann einsteigen ließ. Durchs Fernrohr erkannte Jeff das Duo. Es waren die Motorradfahrer.

Sie sahen nur diese beiden, und sowohl Cooper als auch Jeff vermuteten, dass alle anderen nicht überlebt hatten. Die Biker brachen auf – mit hellem Scheinwerferlicht und quietschenden Reifen. Dementsprechend einfach ließen sie sich bis zu dem Kaufhaus verfolgen.

»Die hausen im Costco. Was nun?«, fragte Jeff.

Cooper und Jeff waren leichtsinnig geworden. Sie hatten nicht mehr viele von den Toten zu sehen bekommen, und saßen bei heruntergelassenen Scheiben im Krankenwagen. Auf einmal wurde Jeff am Arm gepackt. Er zuckte zurück und langte nach Dales Pistole. Als er aufschaute, beruhigte er sich jedoch wieder, denn vor ihm stand eine hübsche Brünette, die ihn anschaute.

»Bitte, darf ich einsteigen? Die Toten kommen.« Die Tür war nicht verriegelt, und sie zog sie auf. Jeff hatte keine Gelegenheit, zur Seite zu rücken, denn sie kroch einfach über ihn und setzte sich zwischen die beiden.

»Danke, dass ihr mich reingelassen habt.« Sie war eine hübsche Frau, sehr hübsch, und der Jogginganzug, den sie trug, verbarg ihre Kurven nicht.

»Hallo, ich bin Cooper, das ist Jeff.«

»Ich heiße Wendy.« Sie schenkte ihnen ein Lächeln.

»Woher bist du gekommen?«, fragte Cooper und bemerkte, dass Jeff ihn mit großen Augen anstarrte.

»Ist eine lange Geschichte. Zuletzt bin ich dort im Markt gewesen und musste raus.«

»Wegen der Biker?«, hakte Jeff nach.

Wendy drehte den Kopf und schaute ihn mit einem leisen Ausdruck von Furcht an. »Warum seid ihr beiden hier?«

»Warum musstest du Costco verlassen?«, entgegnete Cooper, woraufhin sie wieder mit dem Kopf zu ihm herumfuhr.

»Also, ich habe zuerst gefragt, und außerdem muss einer von euch den Platz mit mir wechseln, oder ich verrenke mir den Hals.« Damit begann sie, erneut über Jeff zu klettern, der leicht verstört aussah, während ihre Hüften und Schenkel gegen sein Gesicht stießen. Sie ließ sich auf die Sitzbank fallen, während Jeff zur Mitte hin auswich.

»Das ist besser.« Sie beugte sich nach vorne. »Wo war ich? Ach ja, was tut ihr hier?«

»Bedaure«, erwiderte Cooper. »Das ist unser Krankenwagen, also stellen wir hier die Fragen, es sei denn, du willst wieder aussteigen.«

Tote kamen näher. Sie waren ihr über den Parkplatz gefolgt. Wendy schaute Cooper an und lächelte wieder. »Du weißt, dass du mich nicht dazu bringen kannst, dieses Fahrzeug zu verlassen, aber nun gut … Ich bin dort gewesen, weil ich versucht habe, meine Freundinnen zu retten. Ihnen war aber nicht mehr zu helfen, also musste ich raus, bevor Banjo – er ist ein totales Arschloch – mit seinen Typen zurückkehrt … und ja, das sind alles Biker. Jetzt zu euch Jungs.«

Cooper betätigte die Zündung und fuhr langsam vom Markt fort, sodass die Zombies hinterherkamen. Wendy gab an, Tänzerin zu sein, erzählte von Banjos Mord an Dar und Slick, wie er die anderen Stripperinnen entführt und Sally angeschossen hatte. Zudem schilderte sie, wie sie sich um die übrigen Tänzerinnen bemüht hatte, die jedoch allesamt an Überdosen gestorben waren. Cooper erklärte, dass er aus Monterey kam, um nach seiner Schwester zu schauen. Jeff wirkte erstaunt.

»Du bist zu Fuß von Monterey gekommen – durch diesen ganzen Mist? Wow, meinen Respekt hast du. Ich bin ungefähr drei Häuserblocks weit gekommen, bevor mich Ron mitten auf der Straße auflas, als ich vor einer Million Zombies fliehen musste. Hab ’ne Weile gebraucht, um auf den Trichter zu kommen, was für ’ne Scheiße hier läuft.«

Jeffs Geschichte war schnell erzählt: Er hatte seine Wohnung verlassen, um etwas zu essen zu suchen, war im Supermarkt von Zombies umstellt worden und nur knapp nach draußen entkommen, wo Ron ihn aufgelesen hatte. Auf dessen Angebot hin, ihn nach Hause zu fahren, hatte Jeff beschlossen, bei seinem Retter zu bleiben.

Nachdem sie sich eine Weile unterhalten hatten, kamen sie auf die Missetaten der Biker im Kaufhaus zurück.

»Ihr meint also, dass nur noch zwei von ihnen leben?«, fragte Wendy.

»Ich denke schon.« Cooper fuhr langsam weiter. Die Zombierotte hinter ihnen wuchs. »Ich habe gesehen, wie vier von ihnen starben. Zwei sind abgehauen.«

»Es gibt eine Möglichkeit, um genau herauszufinden, mit wem wir es zu tun haben«, sagte Jeff. »Schauen wir im Costco nach.«

»Kommt nicht infrage, dass ich mich noch einmal in die Nähe dieser kranken Schweine wage. Dann lasst mich lieber hier aussteigen.« Wendy meinte es offensichtlich ernst.

»Das klingt gefährlich. Zudem machen sich die anderen bestimmt Sorgen um uns.« Cooper dachte an Ana und Lisa.

»Schon vergessen? Wir sind zwei kluge Kerlchen und haben mehr auf dem Kasten als die.« Jeff wartete auf eine Antwort von Cooper. »Komm schon, Mann, wenn wir jetzt von hier verschwinden, finden wir sie nie.«

Cooper beschleunigte. »Wendy, beschreibe uns bitte, wie es in Costco aussieht.«

***

Jack und Banjo erreichten den Markt. Auf dem Parkplatz wimmelte es von Zombies, die sich vor einer offenen Tür drängten.

»Was soll das denn?« Banjo sah mürrisch aus. »Mann, was geht hier ab?«

Sie fuhren um das Gebäude, wobei sie auf Wendys Wagen stießen. Dreckige Schlampe, fluchte er innerlich. Die Tür stand offen, die Toten drängten sich um das Auto. Sie fuhren weiter, bis sie wieder zum offenen Vordereingang gelangten. Banjo fuhr sachte an der Mauer entlang, nicht ohne dass die Seitenwände seines neuen Untersatzes daran kratzten, und drückte die Zombies von der offenen Tür weg. Dann kletterte er durchs Fenster ins Gebäude. Die Tür stand zwar offen, doch Banjo musste drinnen nur eine Handvoll Zombies ausschalten. Jack half ihm, nachdem auch er durch das Autofenster geklettert war.

Als sie die Türen wieder verrammelt hatten, durchsuchten sie den Markt nach weiteren Zombies. Dabei fanden sie die toten Stripperinnen im Käfig, doch drei fehlten, und auch sonst war niemand mehr da. Die Männer schäumten vor Wut.

»Verfluchte Scheiße!«, brüllte Banjo. »Meine verdammten Satteltaschen sind weg.« Er trat gegen einen Stuhl, sodass dieser durch die Luft segelte. Diese Bastarde würde er sich schnappen, und zwar umgehend.

»Bruder, ich weiß, wir sind eigentlich zurückgekommen, um uns auszuruhen, aber falls die verschwinden wollen, stellen wir sie nie. Wir müssen zurück!«

»Bin dabei, Mann.«

Banjo wünschte sich, noch etwas Stoff zu haben.

***

»Um das klarzustellen: Ich bewege mich nicht einmal in die Nähe dieses Ortes«, bekräftigte Wendy ausdrücklich. Sie befürchtete, die beiden jungen Kerle würden sich selbst und sie gleich mit umbringen. Deshalb versuchte sie, es ihnen auszureden, doch sie hörten ihr nicht zu. Sie wollten zurück in den Markt, also nahm sie sich vor, ihnen wenigstens zu helfen, soweit sie konnte. Sie gab ihnen einen Lageplan von Costco mitsamt dem anscheinend unbekannten Büro, den Laufstegen und einem kaputten Dachfenster.

Wendy saß nun hinterm Steuer des Krankenwagens, kroch damit die Straße hinauf und blieb einen Block weit vom Kaufhaus entfernt stehen. Sie stellte den Motor ab. Soweit sie sehen konnte, waren keine Toten in der Nähe.

»Okay, verriegle die Türen und bleib ruhig«, riet Cooper ihr, während er mit Jeff ausstieg. »Falls wir nicht innerhalb einer Stunde zurück sind, verschwinde. Fahr nicht an Costco vorbei, sondern nimm einfach den Weg zurück, den wir gekommen sind.«

Wendy nickte, und die Männer brachen auf. Sie schwiegen, während sie gingen. In der Gegend ließen sich weder Menschen noch Zombies blicken. Die beiden verabredeten erst einmal, sich umzusehen.

***

Banjo wappnete sich für seinen neuerlichen Auszug. Jack ließ sich von ihm mitreißen. Sie kramten in Weeds Tasche herum, bis sie ein wenig Kokain fanden. Damit war das Marihuana gestreckt worden, das er ständig geraucht hatte.

Banjo grinste. »Sieht so aus, als sei er mit leichtem Gepäck gereist.«

Jack grinste ebenfalls.

»Banj – macht dir doch nichts aus, wenn ich dich Banj nenne, oder? Was hältst du davon, wenn wir diese feinen, schwarzen Kapuzenpullis anziehen und es wie Ninjas angehen?«

Banjo schaute auf. Jeeter – er mochte in Frieden ruhen – war ja tot, also zog er den schweren Helm vom Kopf. Dann fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar. »Oh Mann, das ist viel besser.« Nachdem er auch seine Kutte abgestreift hatte, löste er die Kette, mit der seine Brieftasche an seinem Gürtel befestigt war, und zog sich den Pullover über. »Das ist wirklich viel besser.«

Jack zog auch einen Pullover über, und gemeinsam verließen sie das Gebäude.

***

Cooper und Jeff standen hinter Costco. Das Auto befand sich genau an der Stelle, die Wendy angegeben hatte, schräg an der Mauer. Vorsichtig stiegen sie über die Motorhaube ins dunkle Gebäude.

Als sie drinnen waren, spitzten sie die Ohren, hörten jedoch nichts. Anscheinend war niemand da, und nachdem sie den Markt gründlich durchsucht hatten, bestätigte sich diese Vermutung.

Sie verließen das Gebäude und wunderten sich darüber, dass der Krankenwagen nicht mehr da war.

»Glaubst du, dass sie uns gelinkt hat?«, fragte Jeff.

»Weiß nicht, kann sein. Aber warum sollte sie?«

Da drängte sich Cooper ein Gedanke auf, und Jeff schien es zur gleichen Zeit zu dämmern. Sie schauten einander an. Die Biker waren verschwunden, Wendy war verschwunden, und sie wusste, wo sich die Gruppe versteckte. Ohne weitere Worte suchten sie nach einem fahrbaren Untersatz. Das dauerte aber länger als erhofft. Zu lange, wie sich herausstellen sollte.

***

»Wendy! In was für einer kleinen Welt wir doch leben.« Banjo war hellauf begeistert, sie hingegen entsetzt. Jack ergötzte sich daran, sie auf seinem Schoß sitzen zu haben und brannte darauf, sie ordentlich zu verprügeln.

»Sag mir, wo sie sind.« Banjo saß am Lenkrad, und durch das eingeschlagene Fenster strömte Nachtluft. Wendy hatte keine Chance gehabt, als er und Jack im Dunkeln neben dem Krankenwagen aufgetaucht waren. Banjo hatte das Glas eingeschlagen, sie beim Schopf gepackt und herausgezerrt.

»Es gibt sonst niemanden«, beharrte Wendy. Jack ohrfeigte sie. Ihre Lippe platzte auf.

»Wo sind sie? Jack, halt ihren Kopf still, damit ich ihr richtig eine verpassen kann.« Jack packte zu und achtete darauf, dass sie sich nicht bewegen konnte. Banjo schlug ihr mit voller Wucht ins Gesicht, sodass ihre Nase brach und ein Zahn ausfiel. Sie versuchte zu schreien, obwohl Jack ihren Mund zuhielt. Banjo holte erneut aus und versetzte ihr noch einen Fausthieb. Als er ein drittes Mal ausholte, gab sie durch ein Nicken zu verstehen, dass sie reden wollte.

»Gut jetzt, Jack.«

Wendys Oberkörper sackte nach vorne, sie schluchzte und hielt sich die Hände vors Gesicht, konnte es aber vor lauter Schmerz nicht anfassen. Blut sprudelte über ihre Lippen, als sie redete.

»Jack, wie es aussieht, musst du wohl …«

Wendy richtete sich auf. Das Sprechen fiel ihr schwer und bereitete ihr heftige Schmerzen. »Da ist niemand sonst. Ich habe diesen Wagen geklaut, um zu euch zu kommen. Ich hatte aber Angst und wartete hier, um Mut zu sammeln und an die Tür von Costco zu klopfen.«

»Auf mich gewartet?« Banjo war perplex.

»Ich will nicht allein auf dieser Welt sein. Ich will, dass du dich um mich kümmerst.«

Banjo schaute argwöhnisch drein. »Warum bist du nicht bei dieser Gruppe geblieben? Warum hast du die Tür aufgebrochen – und wo zum Geier sind meine Taschen?«

»Sally. Erinnerst du dich noch an Sally? Sie machte sich mit meinem Auto davon und ließ mich allein zurück. Zuvor hatte sie behauptet, in den Markt fahren zu wollen und euch alle umzubringen. Ich wollte bei euch bleiben, also haute sie ab.« Wendy verschluckte sich leicht. »Die Gruppe entdeckte mich, und ich wurde aufgenommen. Aber die sind schwach. Den nächsten Kampf, in den sie geraten, überstehen sie nicht. Ich weiß, wo sie sich verschanzt haben.«

»Dann sag es uns. Ich hoffe, du kannst uns zu ihnen führen. Ich hoffe es für dich. Wäre doch zu schade, wenn ich dieses hübsche Gesicht noch weiter verunstalten müsste.«

Banjo fuhr los, und Wendy wies ihm den Weg.

***

»Die Unruhe muss sie angelockt haben.« Jeff beobachtete eine gewaltige Meute, die auf der Straße entlang zog. Cooper war unterdessen damit beschäftigt, die Scheibe eines Toyota Prius einzuschlagen. Auf dem Fahrersitz lag ein Toter der reglosen Sorte, also zerbrach er das Fenster auf dieser Seite und zog die Leiche hinterm Steuer hervor.

»Shit, ich glaube nicht, dass wir den nehmen können.« Cooper wich vor dem bestialischen Fäulnisgestank zurück.

»Wir sind aber mehr oder weniger dazu gezwungen.«

»Ich meine nicht nur wegen des Geruchs. Dieses Auto hält keinem Massenandrang stand. Wir brauchen was Größeres.«

»Na gut, weiter.«

Die beiden liefen weiter, sahen sich allerdings bald einer neuen Gruppe gegenüber, die aus der Gegenrichtung kam. Sie steckten zwischen zwei großen Horden fest, die wussten, dass sie da waren.

»Was jetzt?« Cooper rannte bereits zu einem hohen Zaun, der sich am Rande des Highways erstreckte, und begann, daran hochzuklettern.

Jeff folgte ihm. Er war zwar atemlos, als er die Absperrung erreichte, bewältigte sie aber schnell. Wahnsinn, was man alles schafft, wenn man Todesängste aussteht, dachte er.

Sie ließen sich auf der anderen Seite hinunterfallen. Nach wenigen Augenblicken hörten sie den Zaun rasseln, als die Toten gegen ihn stießen. Je mehr hinzukamen, desto weiter knickte er um und wölbte sich. Cooper zog die Pistolen unter seinem Kapuzenpullover hervor, da sich auch auf dieser Seite einige Zombies tummelten.

»Schlagen wir uns durch.« Er gab ein paar gedämpfte Schüsse ab, während er im Dunkeln an aufgequollenen, weißen Leibern vorbeilief, die im Mondlicht zu leuchten schienen. Ihm kam es vor, als feure er auf Gespenster. Fast hatte er die freie Fahrspur erreicht, auf der sie ein Auto zu finden hofften, als er seinen Gefährten fallen hörte. Jeff grunzte und fluchte, doch bevor er um Hilfe rufen konnte, stürzte sich ein Zombie auf ihn.

Cooper rannte zurück, sprang auf den Zombie zu und wälzte sich mit ihm am Boden. Nachdem er das tote Ding von sich gestoßen hatte, stand er auf, doch der Tote hielt seinen Fuß fest. Zugleich zog er sich mit seinem Maul voller abgebrochener, brauner Zähne nach vorn, um zuzubeißen. Man hörte jenes schreckliche Klappern, als die Kiefer zuschnappten. Zwei weitere Tote befanden sich bereits in Reichweite. Der eine beugte sich gerade zu ihm, als Cooper sah, dass Jeff aufstand. Blut lief an seinem Hals herab, doch das schien er nicht zu bemerken, während er erst einen, dann den anderen Zombie niederschlug. Cooper nutzte den Schlagstock, um seinen Toten loszuwerden. Danach rannten sie weiter.

Cooper sorgte sich um Jeff und beobachtete ihn. Jeff schien den Biss gut zu verwinden, doch das änderte nichts daran, dass es eben ein Biss war. Das Mindeste, was der Biss eines Toten auf jeden Fall nach sich zog, war eine Infektion, falls die Wunde nicht unverzüglich und gründlich gesäubert wurde, doch Cooper wusste nicht sicher, ob ein Biss auch genügte, um jemanden in einen Zombie zu verwandeln. Bislang gab es keinen Beleg dafür, doch er würde Jeff im Auge behalten müssen.

Sie bewegten sich auf dem Highway, der mit Fahrzeugen verstopft war, und die Toten kamen von allen Seiten. Die beiden waren umzingelt. Cooper sah, wie sich Jeff am Hals rieb und sein Gesicht verzog.

***

Wendy fühlte sich hundeelend. Sie wollte Banjo nicht zu der Gruppe führen. Da sie die Leute nicht kannte, wusste sie auch nicht, ob sie mit Typen wie diesen beiden fertig werden würden. Kurve um Kurve lotste sie Banjo zu dem Bürogebäude, wo sie, wie ihr die Jungs gesagt hatten, die anderen treffen würde, falls sie selbst nicht zurückkehrten. Als sie dort vorfuhren, ging die Eingangstür auf und ein schwarzer Mann kam heraus. Wendy fühlte sich hundeelend. Sie wusste, was den Menschen in diesem Gebäude zustoßen würde. Sie wusste, es würde auch für sie kein gutes Ende nehmen. Wendy atmete tief ein und schrie, so laut sie konnte, eine Warnung an den Mann, der auf das Fahrzeug zu und seinem qualvollen Tod entgegen ging.

***

»Wo seid ihr gewesen?« Ron wollte unbedingt erfahren, weshalb Jeff und Cooper so lange gebraucht hatten. Auf einmal drang ein langgezogener Frauenschrei aus dem Krankenwagen, woraufhin er kaum einen Augenblick stutzte, ehe er sich umdrehte und zurück zum Haus eilte.

***

»Lauf!«, brüllte Wendy. Dann duckte sie sich in Erwartung eines Hiebs oder Stichs, hörte aber nur, wie Banjo »Du blöde Schlampe« grollte. Dann sprangen die Türen auf. Schwerfälligen Schrittes nahmen die beiden die Verfolgung des Mannes auf.

Wendy ergriff diese Gelegenheit zur Flucht. Während Jack und Banjo hinter dem Schwarzen herjagten, hastete sie über die breite Straße ins Dunkel. Sie konnte ihr Glück nicht fassen. Trotz ihrer Schmerzen lächelte sie. Sie warf einen letzten Blick zurück. Die Dreckskerle waren noch nicht zurückgekommen. Als sie zwischen die beiden Bürobunker auf der anderen Straßenseite stürzte, rammte sie dort im Schatten mehrere Leiber, die allesamt mit ihr umfielen. Ehe sich Wendy aufraffen konnte, wurde sie gepackt und festgehalten. Es tat unvorstellbar weh, und sie kreischte auf. Vor den Bikern fürchtete sie sich nun nicht mehr.

***

Über das Dach des Vans gab Jeff von der anderen Seite her ein weiteres Filmzitat zum Besten: »Vielleicht sollten wir uns ab sofort die Febreze-Brüder nennen, weil sich jetzt alles so frisch anfühlt.« Während er grinste, fragte sich Cooper, ob dies ein erstes Anzeichen für eine Infektion oder aber Galgenhumor in Anbetracht eines eventuell tödlichen Bisses war.

»Ich steh total auf den Streifen!« Cooper versuchte, Jeff zuliebe vergnügt zu tun. Er fuhr im Stehen, um das Lenkrad festhalten und sich zugleich halb aus dem Fenster lehnen zu können.

Sie hatten keine Sekunde verlieren dürfen, um ein Auto zu finden, und der geräumige Van war das erste benutzbare Fahrzeug auf ihrem Weg gewesen. Auf jedem Sitz lag eine Leiche – echte –, und Cooper wuchtete den Fahrer, Jeff den Beifahrer hinaus. Der Gestank war unbeschreiblich, nicht zu ertragen. Schlimmer als in dem Prius. Auf den Rückbänken saßen noch acht tote Nonnen, alle mit zum Beten gefalteten Händen. Sie schwankten jedes Mal hin und her, wenn der Van einen Schlenker machte.

Jeff saß im Fensterrahmen seiner Tür. »Wir hätten den Prius nehmen sollen! Das ist verdammt nochmal abartig.«

»Prius? Wir wollten gerade einen kleinen Gangbang in dem roten Prius da machen, falls ihr dabei sein wollt …« Dieses Zitat aus dem gleichen Film kam nun von Cooper. Jeff führte es zu Ende: »Hey, seid Ihr Dirty Mike und seine Boys?« Jeff lachte. Für einen Todgeweihten schien er guter Dinge zu sein. Schließlich hielt Cooper am Fahrbahnrand an.

»Was ist los?« Jeff sah beunruhigt aus. »Warum bleibst du stehen? Stimmt was nicht?«

»Ich glaube, wir sollten uns unterhalten.«

»Unterhalten? Echt jetzt? Du verarschst mich, oder?«

»Du wurdest gebissen, und ich will mir die Wunde ansehen.«

»Was?« Das kam für Jeff offensichtlich ganz unerwartet. »Ich wurde nicht gebissen.«

»Dann lass mich einen Blick darauf werfen.«

Sie sprangen aus dem Wagen.

»Nur zu, wo willst du nachsehen?« Jeff breitete die Arme aus.

Cooper nahm eine seiner LED-Lampen zur Hand und untersuchte Jeffs Hals. Daran klebten viel Blut und ein paar Fetzen Fleisch. Gut möglich, dass er den Biss nicht spürte.

»Warte.« Cooper schaute sich kurz um, lief dann um den Van und öffnete die Motorhaube. »Dauert nur einen Moment.« Nachdem er die Schläuche aus dem Behälter für die Scheibenwaschflüssigkeit entfernt hatte, zog er den eine Gallone fassenden Plastiktank aus seiner Halterung und ging damit zurück zu Jeff. Dann riss er ein Stück Stoff von seinem Shirt.

»Halt still.« Er kippte ungefähr den halben Inhalt des Tanks auf den Fetzen, um Jeffs Hals damit abzuwaschen.

»Oh, scheiße!« Cooper machte große Augen und trat zurück.

Jeff sah zu Tode erschrocken aus. »Was? Wie schlimm ist es?«

»Jetzt verarsche ich dich wirklich.« Cooper lächelte – in erster Linie deshalb, weil Jeff unverletzt war.

»Du Arschloch!« Jeff lachte ebenfalls.

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Binnen weniger Minuten erreichten sie das Büroviertel. Einige wenige Tote traten ihnen in den Weg, doch für sie bremste Cooper nicht. Jeff rief wieder übers Dach: »Halt in der Straße an, die parallel zum Gebäude verläuft.«

»Klar.« Als Cooper den Wagen abstellte, sahen die beiden zu, dass sie von dem Gestank fortkamen. Da ihnen keine Zeit für weitere Vorkehrungen blieb, liefen sie zwischen den Häusern hindurch zum Versteck der Gruppe. Dabei stießen sie mit einer schmächtigen Person zusammen. Es war Wendy. Cooper bemerkte sofort, dass etwas nicht in Ordnung war. Im Mondlicht sah er Blut – an seinen Händen, in ihrem Gesicht und auf ihrem Shirt verteilt. Wendy stöhnte und ballte ihre Hände zu Fäusten. Sie litt offensichtlich unter brutalen Schmerzen.

Cooper wollte sie gerade fragen, was geschehen war, als sie Glas zerspringen und Gebrüll hörten. Sie drehten sich um und rannten weiter über die Straße, doch Wendy blieb am Krankenwagen stehen. Sie hatte nicht vor, Banjo und Jack wieder zu begegnen.

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Ron knallte die Tür zu und rief, alle sollten in Deckung gehen. Er war sich selbst nicht einmal sicher, was er damit meinte, aber es gereichte zur Warnung. Auch wusste er nicht, wer dort draußen war, tippte jedoch auf die Biker. Deshalb machte er sich Sorgen um Cooper und Jeff. Er hatte keine Ahnung, wer die Frau war, die ihn mit ihrem Schrei gewarnt hatte, doch er war ihr unendlich dankbar. Kaum hatte er die Tür verriegelt, als ihm Glas um die Ohren flog. Zwei Männer in Schwarz rempelten ihn zu Boden.

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Cooper war zuerst im Gebäude. Er sah eine große Gestalt vor Ron stehen und mit einem Strick hantieren, den sie über seinen Kopf ziehen wollte. Ron saß da und bewegte angestrengt den Kopf, um den Mann daran zu hindern, ihm den Strang überzustreifen. Cooper zückte seine beiden schallgedämpften Pistolen und schoss. Er traf den großen Mann viele Male, doch seine Kugeln schienen keinen Schaden anzurichten. Der Rücken des Kerls war breit, und selbst im Dunkeln sah Cooper, dass der Stoff aufgeworfen wurde.

Banjo ließ von Ron ab und fasste sich reflexartig an den Rücken, als er mehrere schmerzhafte Stiche spürte. Es war, als würde er von einem großen Schwarm aggressiver Wespen angegriffen. Als er das Klicken von Feuerwaffen mit Schalldämpfer erkannte, fuhr er herum und erblickte einen Typen, der mit durchgestreckten Armen auf ihn zielte, abwechselnd mit links oder rechts schoss und dabei auf ihn zulief. Banjo grinste höhnisch angesichts der Kleinkaliber, bis ihm einfiel, dass es vielleicht die gleichen waren, die seine Brüder niedergestreckt hatten.

Unter seiner Haut steckten zehn glühend heiße Klümpchen Blei. Keine der Kugeln war tödlich. Sie machten Banjo bloß stinkwütend. Während er auf seinen Angreifer zuging, streckte er beide Hände aus.

Cooper ging die Munition aus – ausgerechnet jetzt. Er wusste, dass er den fetten Kerl mehrmals getroffen hatte, doch die Kugeln waren wirkungslos geblieben. Der Typ machte nicht einmal den Eindruck, überhaupt irgendwie beeindruckt zu sein. Cooper ließ die Pistolen fallen, zückte den Schlagstock und versuchte, einen kräftigen Hieb auf dem Schädel des Bikers zu platzieren.

Banjo hatte im Lauf seines Lebens viele Kämpfe ausgetragen – sehr, sehr viele. Er sah den Stock kommen und blockte ihn ab, während er Cooper gleichzeitig ein Knie in den Bauch rammte.

Der junge Mann brach zusammen, der Schmerz setzte ihn außer Gefecht. Dann ging ein Stiefel auf seinem Hinterkopf nieder, sodass sein Gesicht auf den Teppichboden knallte. Er fummelte Tugs Pistole heraus, doch der große Mann war fort. Cooper stand auf und streckte die Waffe vor sich. Aus der Dunkelheit drangen Schreie, dann Gepolter und Geklirr.

»Nein!«, kreischte eine Frau. Cooper glaubte, es könnte Lisa gewesen sein.

Er ging tiefer ins Gebäude, Jeff folgte ihm. Ron hinter ihnen stand gerade auf.

In einem dürftig erhellten Zimmer erkannte Cooper einen Mann, der Ana einen langen Metallstab an die Kehle hielt. Sie sah entsetzt aus.

»Waffen runter, oder sie stirbt.«

Ein anderer Mann hielt Mary auf die gleiche Weise fest. »Ihr habt ihn gehört. Knarren fallenlassen.«

Alle übrigen befanden sich vor den beiden auf dem Boden. Lisa regte sich nicht. Blut floss aus ihrer Nase und eine Gesichtshälfte war dick angeschwollen. Dale sah verärgert aus. Im Augenblick konnte er nichts unternehmen, um irgendjemandem beizuspringen. Sal war bewusstlos, und Donna kauerte zu Banjos Füßen.

Jeff wollte seine Waffe herunternehmen, doch Cooper streckte eine Hand aus, um ihn aufzuhalten.

»Zuerst lasst ihr sie laufen.« Cooper konnte nicht absehen, wie das enden würde, wusste aber, dass es kein bisschen besser ausging, wenn sie ihre Pistolen aushändigten. »Lasst die Frauen frei, und wir geben euch unsere Waffen.«

»Du kannst mich mal.« Banjo ließ mit seiner Stange von Anas Hals ab und stieß sie grob zu Boden. Dann hob er seine Waffe mit beiden Händen über Donnas Kopf. So, Old Crow, hier hast du deine Baumwollpflückerin, wie versprochen, sagte er in Gedanken.

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Er grinste süffisant, als er sich ausmalte, was gleich geschehen sollte. Old Crow bebte wie vor sexueller Erregung in seinen Händen. Ron schrie. Er stürmte an Cooper und Jeff vorbei. Doch er konnte es unmöglich bis zu Donna schaffen, bevor die Brechstange herabsauste und ihren Schädel zertrümmerte.

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Auch Cooper sah voraus, was zweifelsohne passieren würde. Er hob die Pistole und feuerte. Banjo wurde in den Hals getroffen und fiel um. Jack reagierte, indem er weit mit seinem Eisen ausholte, um Sal zu erschlagen, der vor ihm auf einem Sofa lag. Immer noch drückte er Mary an sich, doch sie war viel kleiner als er und bot wenig Deckung.

Zwei rasch aufeinanderfolgende Schüsse donnerten neben Cooper los. Er wirbelte herum und sah Jeff, der Dales Pistole mit ausgestrecktem Arm hielt. Mit zwei Löchern in der Stirn brach Jack zusammen. Jeff nahm die Waffe herunter.

Jemand stöhnte. Es war Banjo. Er lag in seinem eigenen Blut, das eine Lache unter ihm bildete, und hielt sich den Hals, während es zwischen seinen Fingern hervorquoll. Er sah ängstlich aus.

»Helft mir«, bat er mit schwacher Stimme.

Ron ging neben ihm auf die Knie.

»Bitte helft mir«, flehte er ihn an.

Ron schaute ihm in die Augen. Das war der Kerl, der versucht hatte, ihn zu erhängen, und der sie alle hier getötet hätte, doch er brachte es nicht fertig, etwas Gemeines zu ihm zu sagen.

»Ich würde dir gerne helfen, wenn ich könnte. Tut mir leid.«

Der Mann tat ihm wirklich leid – trotz allem, was passiert war.

Banjo schloss die Augen und starb.