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Jeder Herzschlag glich einem Hieb mit einem Hammer auf seinen Schädel. Sein Magen kam ihm vor wie ein zuckender Sack, weil ihm so übel war, dass er sich jeden Augenblick übergeben musste. Sal lag flach auf dem Rücken. Er wünschte sich, gestorben zu sein, und dachte: Vielleicht bin ich ja tot, und das ist die Hölle.

Sein Magen drehte sich unwillkürlich um und stieß das Gift gewaltsam in einem heißen Schwall, der in seinem Hals brannte, aus dem Verdauungstrakt. Er erbrach sich über Pfützen von bereits Ausgeworfenem, das nicht von ihm stammen konnte, soweit er sich erinnerte. Nachdem er geschnaubt und ausgespien hatte, legte er sich wieder zurück. Vorübergehend fühlte er sich besser, doch prompt setzte sich das Hämmern fort, und mit ihm einher ging noch einmal der Wunsch, zu sterben.

Er bedauerte es, getrunken zu haben, dachte an seine Frau und musste wieder weinen. Indem er sich nach der Tischplatte ausstreckte, versuchte er, sich möglichst sparsam zu bewegen, und griff zur zweiten Flasche Rum. Diese leerte er zu einem Drittel – der Rest gluckerte in sein Gesicht und breitete sich auf dem Hartholzboden unter seinem Kopf aus. Zuletzt stellte er die Flasche ab und schloss die Augen. Sein Magen rebellierte, schlug Purzelbäume und wehrte sich erneut strikt gegen den Alkohol, was sich im nächsten qualvollen Spritzguss aus Sals Mund äußerte.

Er mochte sich nach dem Tod sehnen, wollte dabei aber nicht leiden. Da er den Schmerz, egal in welcher Form, lindern wollte, kam er nicht umhin, sich ins Bad zu schleppen. Das Aufstehen war mit großer Anstrengung verbunden, also versuchte er erst gar nicht, langsam zu machen oder den Schmerz auf ein Minimum zu reduzieren; er stand einfach nur auf. Kaum dass er auf den Beinen war, zeigte sich der Hammerschläger in seinem Kopf verärgert und klopfte dreimal so fest. Kalter Schweiß brach sich Bahn, während er langsam vorwärtsging, als balancierte er einen Stapel Bücher auf dem Kopf.

Im Bad brach er auf den Fliesen zusammen und griff zu den Schmerztabletten, die unter dem Waschbecken standen. Während er damit haderte, die Flasche zu öffnen, fielen ihm ein paar verschreibungspflichtige Pillen auf. Vor Jahren hatte sich Sal einen Finger gebrochen und dieses Mittel vom Arzt verschrieben bekommen. Er warf eine Handvoll Tabletten ein, trank aus dem Wasserhahn, sackte wieder zu Boden und wartete darauf, dass das Hämmern verschwand. Er hoffte dabei, es nicht zu überleben, damit sein Leiden ein Ende fand. Es dauerte nicht lange, bis die Schmerzmittel in Verbindung mit dem Alkohol wirkten, sodass er sich in einen Zustand der Empfindungslosigkeit und des Nichts mitreißen lassen konnte.

***

Als Sal aufwachte, stieg ihm der strenge Geruch von Urin in die Nase, abgestanden und faulig. Seine Haut war schmierig vor Schweiß, die Kleidung feucht, und trockene Kotze klebte ihm am ganzen Leib, als ob er sich darin gewälzt hätte. Er konnte nicht abschätzen, wie spät es war und wie lange er geschlafen hatte.

Der Leichnam seiner Frau hockte immer noch in der Küche, und er legte während seines langen Aufenthalts auf den Badezimmerfliesen fest, was er für sie tun würde. Außerdem überlegte er gründlich, was er für sich selbst tun sollte. Ihm fiel kein einziger Grund zum Weiterleben ein, doch dafür kamen ihm ungefähr hundert zum Sterben in den Sinn, aber Selbstmord begehen konnte er nicht, also beschloss er, seiner Frau die letzte Ehre zu erweisen und die Stadt zu verlassen.

***

Sal schleppte sich vom Bad in die Küche, um Maria auf den breiten Holztisch zu legen, den sie so sehr geliebt hatte. Er erinnerte sich an jenen Tag vor ein paar Jahren, als sie auf einem Flohmarkt darauf gestoßen waren, und welche Schwierigkeiten es ihnen bereitet hatte, ihn ins Auto und nach Hause zu schaffen, wie mühselig es gewesen war, ihn abzuschrubben, zu schmirgeln sowie neu zu lackieren, und wie froh sie gewesen waren, als sie sich zum ersten Mal daran niedergelassen und scherzhaft behauptet hatte: »Ich mag ihn nicht.«

Nun war es an der Zeit, sich um ihre Gebeine zu kümmern. Ihr Kopf war weg – ihre Identität, ihre Schönheit –, und er brachte es nicht fertig, sie hochzuheben. Gerne hätte er sie ein letztes Mal umarmt, doch sie auch nur anzuschauen, schaffte er nicht. Die verfärbte Haut und das verschrumpelte Gewebe sahen entsetzlich aus. Es stank erbärmlich; er wusste, wenn jemand starb, entleerte er meist Darm und Blase, und das hier war eine einzige Schweinerei. Er hatte zu lange gewartet, weshalb sie nun nicht mehr seine tote Frau, sondern eine verwesende Leiche war.

Er nahm die alte Steppdecke von ihrem Ehebett und deckte sie zu. Dann hob er sie so sachte wie möglich an, doch sie war steif, weshalb es ihm vorkam, als hebe er eine Gliederpuppe. Dieser Eindruck verstörte ihn so sehr, dass er sie wieder auf den Stuhl fallen ließ. Dabei streifte seine Haut die ihre, die kalt war. Er schüttelte sich bei dieser Berührung und bekam ein schlechtes Gewissen. Letzten Endes gelang es ihm, sie auf den Tisch zu wuchten.

Er legte sie auf die Seite und die Decke darüber, um sie behutsam einzuwickeln, wobei er darauf achtete, sie gründlich einzupacken. Er fragte sich, warum ihm das so viel bedeutete, wo er doch wusste, dass es für sie unerheblich war. So gern er sie umarmen wollte, besann er sich darauf, dass er es nicht so erleben würde, wie es ihm vorschwebte. Als er die Leiche aufgebahrt hatte, konnte er um seine Frau trauern. Er begann wieder zu weinen, während er die Wohnung kurz und klein schlug.

Er riss die Türen des Wohnzimmerschranks ab, nahm die Stühle auseinander und schleppte Möbelstücke in die Küche, wo er sie zu einem Haufen unter dem Tisch und darum schichtete. Dann goss er Benzin darüber und schlug ein Streichholz an. Als er es auf die Steppdecke warf, ging diese brausend in Flammen auf, die bis unter die Decke schlugen. Daraufhin verschwand er, da sich das Feuer rasch ausbreitete, wobei ihm bewusst war, dass das laute Rauschen und Knistern von einer Brunst ausging, die den Leib seiner Liebe verzehrte.

Als er die Straße erreichte, quoll bereits dichter Qualm aus den Fenstern und der offenen Haustür. Er machte sich ohne Plan auf den Weg in die Innenstadt.

Sal nahm den Schaden kaum wahr, während er durch die Straßen seiner Siedlung lief. Zuerst befürchtete er, jemanden zu entdecken, den er kannte, doch die Leichen waren dermaßen zerpflückt und im Tod entstellt – durch Schüsse und die Infektion –, dass sich niemand wiedererkennen ließ. Die Straßen und Bürgersteige waren von kleinen Kratern gezeichnet, Autos durchsiebt, und Scheiben aus Fensterrahmen gesprungen. Er brachte mehrere Gebäudeblocks hinter sich, bevor er an einen Kontrollpunkt gelangte. Dort standen drei Soldaten an einer Lücke in der hohen Wand gestapelter Leiber. Sal empfand nichts, während er durch die Öffnung in dieser grausigen Barrikade trat.

»Halt!«, rief einer der Wachleute. Sie alle richteten ihre Waffen auf Sal, der sich jedoch unbeirrt weiter näherte.

»Halt! Stopp!« Der junge Mann wusste nicht genau, wie er sich verhalten sollte. »Sir, sprechen Sie Englisch? Können Sie mich verstehen?«

Sal legte es darauf an, dass sie ihn erschossen, wenn er ihre Aufforderungen lange genug missachtete. Selbst konnte er sich nicht richten, es dafür aber mit Leichtigkeit durch die Hand anderer geschehen lassen. Die Soldaten zogen sich zurück und diskutierten, ohne ihre Waffen herunterzunehmen.

»Verdammt, was sollen wir machen? Der Kerl sieht nicht wie ein Infizierter aus. Er grinst nicht. Ich glaube, er steht unter Schock.«

»Wir haben unsere Befehle.« Einer von ihnen zielte genau und drückte ab, doch der Junge, der das Sagen hatte, reagierte schnell: Er schlug das Gewehr seines Kameraden mit seinem Lauf nach oben, sodass die Kugel weit an Sal vorbeiflog. Der Schütze wirkte verdrossen, senkte seine Waffe aber.

»Verflucht nochmal, schießen Sie nicht, ehe ich es Ihnen erlaube! Treten Sie zur Seite und lassen Sie den Mann durch. Die Stadt ist verloren, und wir warten auf neue Befehle.«

»Ja, es ist nur eine Frage der Zeit«, pflichtete der dritte Soldat bei. »Wir bewachen hier nichts.«

Als Sal an ihnen vorbeiging, spielte er mit dem Gedanken, nach einem Gewehr zu greifen, um sich einen Schuss einzufangen, konnte sich aber nicht dazu durchringen. Stattdessen trottete er widerwillig durch die einst beschauliche Kleinstadt, in der er aufgewachsen war – den Ort, an dem sich sein Leben über Jahrzehnte hinweg entfaltet hatte, nur um innerhalb weniger Tage der totalen Zerstörung anheimzufallen. Alle seine Freunde und Angehörigen waren dahin. Er wusste, ausnahmslos jeder hatte sich angesteckt. Sal konnte nicht länger in Monterey bleiben. Stundenlang lief er weiter.

Später, mitten in der Nacht, näherte er sich Santa Cruz. Als er zur Fernstraße 17 kam, entschied er sich dazu, ihr in die Berge zu folgen, und wandelte in beinahe vollkommener Finsternis weiter.

Der Schmerz, den ihm die Blasen an den Füßen bereitet hatten, war lange abgeklungen, genauso wie das starke Hungergefühl in seinem Bauch. Er fühlte sich so erschöpft, dass er kaum mehr die Füße heben konnte, zwang sich aber zum Weitergehen in der Hoffnung, er würde sterben, wenn er zusammenbrach.