5.
Die Kontrolle der Bevölkerung ist eine ökonomische Angelegenheit Wir haben sechsundzwanzig Imperiale Vollzugsbeamte, die Oznar überwachen, eine Stadt mit Millionen von Wesen. Neunzig Prozent der Berichte über antiimpe-riale Aktivitäten und Verbrechen erhalten wir von den guten Bürgern selbst, die ihre Nachbarn beobachten und denunzieren. Die größte Aufgabe, vor der wir stehen, ist die sorgfältige Überprüfung dieser Informationen. Der durchschnittliche galaktische Bürger muss alles andere als gezwungen werden, muss nicht unter dem sogenannten Joch der Imperialen Unterdrückung leiden - sondern ist nur allzu froh darüber, Gelegenheit zu haben, alte Rechnungen zu begleichen oder auch bloß damit zu protzen, loyal zu sein. Und ich garantiere Ihnen, in kommenden Jahren werden sie jedes Wissen darüber, dies getan zu haben, abstreiten.
-Armand Isard, Leiter des Imperialen Geheimdienstes
Ennen begleitete Niner nicht zum Imperialen Sicherheitsdienst, um den Datenchip abzugeben. Er blieb in der Fähre, wo er gebeugt im Pilotensitz saß.
„Ich warte hier, bis ich etwas wegen Bry höre", beantwortete er die nicht gestellte Frage. Er nahm das Comm-Mikro von der Konsole.
„Ich will, dass sie ordentlich mit ihm umgehen. Zentrale, ich will mit dem Offizier vom Dienst des Sonderkommandos sprechen. Jetzt."
Ordentlich mit Bry umzugehen, bedeutete Einäscherung, die traditionelle Bestattungsart für Corellianer im Exil. Ennen und Bry schienen so durch und durch Corellianer zu sein, wie Omega Squad und die Nulls Mandaloria-ner waren. Niner wurde daran erinnert, wie tief greifend die Cuy'val Dar-Ausbildungssergeants und die Kulturen, die sie mit sich führten, die Klone in ihrer Erziehung geformt hatten.
Niner drängte Darman aus der Fähre. „Sehen wir zu, dass wir das Ding loswerden."
„An wen händigen wir ihn überhaupt aus?" Darman blickte zurück über seine Schulter, als sie sich von der Fähre entfernten. „Geben wir ihn nicht Cuis?"
Niner zog wieder sein Datapad zurate. Es besagte eindeutig, das Material persönlich an die IT-Abteilung des Imperialen Sicherheitsbüros, Teil der Anti-Terror-Einheit, zu übergeben und nicht von dieser Anweisung abzuweichen. Das Letzte, was er sah, als er sich von der Landepiste entfernte, war ein Imperialer Offizier, ein langer, dünner Kerl, der im Laufschritt zum Schiff eilte. Niner hoffte, er wäre vom mitfühlenden Schlag. Ennen war nicht in der Stimmung, über irgendetwas zu verhandeln.
Niner nahm ein bereitstehendes Speeder Bike und sie machten sich auf zum Sitz des Imperialen Sicherheitsbüros. Irgendjemand würde Daten aus dem Chip kratzen können, dessen war er sich gewiss. Wenn er nur Jaing hätte kontaktieren können - oder Mereel. Diese beiden brachten so gut wie alles fertig, wenn es um Informationstechnologie ging, wobei das meiste illegal und gefährlich war. Aber er hatte den Kontakt zu ihnen verloren. Die Imperialen Comm-Codes und Firewalls hatten sich alle geändert, und soweit er wusste, saßen die Nulls sicher und gesund zusammen mit Fi, Corr und Atin auf Mandalore.
Er vermisste sie. Er gab sich alle Mühe, nicht darüber zu grübeln.
Es brachte ihn dazu, die Idee, zu desertieren, von vorn bis hinten zu durchdenken, eine Idee, die ihm zunächst vollkommen falsch erschienen war und dann immer richtiger, je weiter sich der Krieg seinen letzten Tagen näherte. Am Ende hatte er sich darauf vorbereitet, zu gehen, und dann - wurde ihm der Zeitpunkt dazu entrissen.
Er wollte immer noch gehen. Er hatte seine Meinung nicht geändert. Und weder Jaing noch Mereel wären sonderlich daran interessiert, dem Imperium bei der Jagd auf Abtrünnige zu helfen, selbst wenn sie da gewesen wären.
„Sie haben uns ohne einen Spitzel rausgelassen", stellte Darman fest. „Sie vertrauen uns mehr, als ich geglaubt hätte."
Niner wog jedes Wort mit Bedacht ab, da er sich immer noch nicht sicher war, ob die Comm-Ausrüstung seines Helms nicht verwanzt war. Es fing an, ihm zuzusetzen. Er fühlte sich belagert, unsicher, missbraucht. Vielleicht war er aber auch in medizinischem Sinne paranoid, nicht nur übervorsichtig. Und das war nun mal das Gefühl, das wirklich verrückte Leute empfanden. Er wusste es einfach nicht.
Als sie abstiegen, nahm er seinen Helm ab und schaltete alle Comms aus. „Ersatz für Bry", sagte er, um das Thema zu wechseln. „Ennen wird damit ziemliche Schwierigkeiten haben. Helfen wir ihm dabei, so gut wir können, Dar."
„Wir müssen auch mit 'nem neuen Typen arbeiten. Solange es niemand aus Reaus Schwadronen ist, hab ich nichts dagegen."
„Vielleicht wird's stattdessen eine Fleischbüchse aus dem Crosstraining, so wie Corr." Die Veränderung der Dynamik innerhalb einer Vier-Mann-Schwadron fiel niemals leicht. Omega war am Ende gut damit zurechtgekommen, aber einen Bruder zu verlieren und einen neuen aufzunehmen, brachte die Harmonie immer für eine Weile durcheinander. „Mach dir keine Sorgen deswegen."
Wir werden nicht lange genug hier sein, Dar. Wir hauen ab. Bald.
Darman hatte einen seiner Es-passiert-gar-nicht-Tage. Niner konnte sehen, wie er sich anstrengte, wieder der normale Dar zu sein. Die meiste Zeit über gelang es ihm, aber wenn seine Aufmerksamkeit abschweifte, war der Schmerz in seinen Augen sichtbar. Sein Gesichtsausdruck passte nicht zu seinem Tonfall.
„Erstaunlich, wie schnell sich die Dinge ändern können, wenn sie es wollen." Darman nickte im Vorbeigehen in Richtung eines Schildes, auf dem ISB stand. „Zu schade, dass sie das Tempo und die Effizienz nicht in der Republik hinbekommen haben."
Imperiales Sicherheitsbüro war auch wieder nur ein neues Etikett auf einer alten Schachtel. Das Zentrum für Informationstechnologie war ein altes Abteilungshauptquartier der Coruscant-Sicherheitskräfte. Die neue Organisation hatte große Brocken der alten CSK verschlungen, größtenteils die Mannschaften der Kripo und der Terrorbekämpfung, aber Niner war sich nicht sicher, weshalb Palpatine sowohl die Zivilisten des ISB als auch den militärischen Imperialen Geheimdienst brauchte, um eine ähnliche Arbeit zu erledigen. Vielleicht wollte er, dass sie sich gegenseitig ausspionierten, um auf Draht zu bleiben. Oder er war ein so unverbesserlicher Politiker, dass seine instinktive Art, mit allem umzugehen, darin bestand, neue Abteilungen mit verwirrenden Titeln zu schaffen. Niner glaubte nicht, dass es genügend zwielichtige Gestalten, Revolutionäre und Terroristen gab, um zwei große Abteilungen zu beschäftigen. Sie würden sich nur über Verdächtige streiten.
Ah. Jetzt verstehe ich. Deshalb macht er es.
Durch eine weitere CodetastenTür erreichten sie die Empfangshalle mit den Turboliften. Ein Schild bat AUS SICHERHEITSGRÜNDEN BITTE HELME ABNEHMEN, ein Überbleibsel aus Zeiten, als Umgangsformen noch etwas bedeuteten.
„Hab ich schon", meinte Darman. „Ich wette, die bekommen hier nicht allzu viele Mando-Besucher."
Niner gab sich bewusst Mühe, seine Verbindungen zu Mandalore hinunterzuspielen. Er schämte sich nicht dafür, Mandalorianer zu sein, und er hatte auch keinen Grund, anzunehmen, dass Mandalore mit Argwohn beobachtet wurde, aber irgendetwas sagte ihm, er sollte dazu besser seinen Mund halten und grau werden - ein Ausdruck, den die Geheimdienste dafür verwendeten, dass man keine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Seine Vorsicht galt mehr als nur dem Geheimnis, das er hütete. Er hatte das Gefühl, dass man Mandalorianer letzten Endes mit Ärger gleichsetzte, weil es ihnen missfiel, irgendwo dazuzugehören -Republiken, Imperien oder sonst irgendwelche Systeme mit Regeln, bei deren Erstellung sie nicht mitzureden hatten. Früher oder später würde Mandalore dadurch zu einer Belastung werden. Er konnte es kommen sehen.
Darman schaute zurück zur Tür, als sie hinter ihnen zufiel. „Hoffentlich ist das nicht der Punkt, an dem wir herausfinden, dass wir Feinde des Imperiums sind und lebenslang eingebuchtet werden."
„Sei nicht albern", sagte Niner. Ein paar Droiden sirrten an ihm vorbei, ignorierten die Commandos aber völlig. „Dazu hätten sie uns zum Imperialen Geheimdienst geschickt."
„Du hast's echt raus, mich zu beruhigen."
Niner trat in den geöffneten Turbolift und zog den Etagenplan an der Kontrolltafel zurate. „Vierzigstes Stockwerk."
„Hübsche Aussicht."
Der Turbolift sorgte dafür, dass Niners Magen im Erdge-schoss hängen blieb. Er wollte mit Darman über Sa Cuis sprechen und darüber, wie ihm der Agent Schauer über den Rücken jagte, aber er wagte es nicht. All die kleinen Sicherheitsventile, die ein Klon besaß - Murren, verfängliche Witze, unverblümter Widerspruch -blieben ihm nun verweigert.
Falls er schließlich irgendwann ausrastete, dann deswegen.
Als sich die Türen des Lifts wieder öffneten, trat Niner hinaus in eine noch verlassenere Halle. Nicht einmal Droi-den schwirrten hier herum. Es herrschte nur eine gedämpfte, mit Teppich ausgeschlagene Ruhe, unterlegt von einem schwach zitternden Gefühl von Millionen Maschinen, das gerade so unter dem Grenzbereich seines Gehörs lag.
Die Aussicht aus den Rundumfenstern war gar nicht so aufregend, es sei denn, man mochte den Anblick des Hauptquartiers der Gesellschaft für Entsorgung und Haldenabbau. Niner wandte sich nach links, folgte den Wegweisern an der Wand und drückte auf den Eingangsknopf einer weiteren, codegesicherten Sicherheitstür. Sie glitt zur Seite und er trat ein, Darman direkt hinter sich.
„Mann, wenn ihr beide mal nicht schick ausseht", ertönte eine vertraute Stimme von irgendwo hinter einem Serverregal.
Darman wirbelte herum, um nach dem Ursprung zu sehen. Niner spähte um das Regal.
„Captain?"
„Den Bösen keine Ruhe, Niner." Jaller Obrim streckte ihm mit einem traurigen Lächeln seine Hand hin. „Schön, dich zu sehen, Sohn. Und dich auch, Dar."
Sie hatten keinen Grund, sich darüber zu wundern, Obrim hier anzutreffen, aber er war ein Gesicht aus der jüngsten und noch gefährlichen Vergangenheit. Niners erster Gedanke bestand aus einem Gebet, dass er seinen Mund halten könnte.
Es war ein verrückter Gedanke. Obrim hatte genauso viel zu verlieren wie sie - vielleicht sogar mehr. Der Mann hatte für Skirata jede einzelne Regel aus dem Handbuch zurechtgebogen und wahrscheinlich noch ein paar dazu, die überhaupt nicht im Buch standen. Er hatte mehr Augen zugedrückt als ein alderaanischer Argus, hatte Geheiminformationen durchsickern lassen, unter selektiver Taubheit gelitten, lästige Leichen entsorgt und Skirata generell unterstützt, ganz gleich, in welche Gaunerei dieser wieder verstrickt war. Er hatte CSK-Mittel zweckentfremdet, um Fi aus dem Medicenter herauszuholen, und ihn bei sich untergebracht, während Skirata seinen Abtransport von Coruscant arrangiert hatte. Und das war wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs aus verrückten Nummern, die er abgezogen hatte, um Skiratas Hintern zu retten.
Die beiden Veteranen waren beste Kumpels und die CSK - die alte CSK zumindest - hatte Skirata und seiner Bande von Nulls so nahegestanden, dass es schwerfiel, zu sagen, wo der eine Verein endete und der andere begann.
Ja, Obrim hatte jede Menge zu verlieren. Niner war überrascht, dass er während der Säuberung nicht verschwunden war. Er besaß definitiv nicht das richtige Zeug dazu, einer von Palpatines Schergen zu sein, so viel war sicher, aber andererseits sah Palpatine in ihm vielleicht immer noch den guten alten, verlässlichen Captain Obrim von der Senatswache. Ihm war nicht klar, wie viel Freude Obrim daran hatte, ein Cop zu sein.
Niner nahm Obrims ausgestreckte Hand entgegen und schüttelte sie. Seine Knöchel wurden weiß vom Druck. „Dann sind Sie also nicht scharf auf die neue rote Rüstung?"
„Da drin würde ich wie ein kompletter Idiot aussehen." Obrim klopfte sich auf den Bauch, über dem sich die schlichte hellbraune Tunika zu spannen begann. „Nein, die Imperialen Wachen kommen gut ohne mich aus. Ich würde sowieso nicht mehr in die Montur passen. Außerdem wünscht sich der Imperator fitte und engagierte junge Sturmtruppen, die die Arbeit erledigen, und ich bin im Herzen nur ein alter Straßencop. Wie steht's mit euch?"
Dieser Augenblick barg so viel Ungesagtes, in der Luft lag so viel Spannung, alles geboren aus den gemeinsamen Schuldgefühlen und einer Menge Erinnerungen, die von den besten aller je erlebten Zeiten bis hin zum erbärmlichsten Kummer reichten. Niner blickte zu Darman, um zu sehen, ob das Wiedersehen mit Obrim an dem immer wunden Nerv gerieben hatte.
Obrim war dort, als Etain starb. Wird er es erwähnen?
„Wir heißen jetzt Schwadron Vierzig", erklärte Darman. „Öde, was?"
Obrim sah aus, als ob er sich eine Verschnaufpause gegönnt hätte, jedoch nur eine kurze. „Großartig, um Lotteriezahlen auszuwählen." Er bedeutete ihnen, ihm zu folgen. „Kommt, ich zeig euch, was die Tech-Jungs mit dem Datenchip machen können, den ihr geborgen habt."
Keine Erwähnung von Skirata, keine Fragen über Fi, nicht einmal eine Erwähnung von Niners lähmender Rückgratverletzung, nichts von dem freundlichen Alltagsgeplauder, das man hätte erwarten können, hätte Obrim nicht gewusst, was wirklich in den letzten Tagen des Krieges vorgegangen war. Und er hatte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Liste mit den Hinrichtungsbefehlen gelesen, aber auch die erwähnte er mit keinem Ton.
Die Techs - bei denen es sich nach allem, was Darman wusste, wahrscheinlich um Droiden handelte - waren nicht anwesend, als Obrim die innere Labortür öffnete, und es war bestimmt nicht die Zeit für eine Caf-Pause. Er tippte einen weiteren Sicherheitscode ein und führte Niner und Darman in einen Raum voller Prüftische mit Chiplesern, Messgeräten, Bildschirmen und Sonden an jedem Arbeitsplatz. Er nahm an einem von ihnen Platz und tippte auf der Armatur. Auf dem Schirm erschien die Aufforderung, einen neuen Chip einzulegen.
„So", meinte Obrim. „Ich bin nicht besonders gut in so etwas, aber die Techies haben mir erzählt, eine ordentliche Löschung könne Stunden dauern, sogar einen ganzen Tag, wenn es sich um einen Chip mit hoher Kapazität handelt. Man kann nicht einfach die Löschtaste drücken, wie's in den Holovids gemacht wird."
„Ich hab keine sichtbaren Dateien drauf finden können", sagte Niner. „Aber andererseits schleppen wir normalerweise auch keine kriminaltechnischen Geräte mit rum."
„Nun, vielleicht hat euer Jedi es geschafft, alles zu löschen, vielleicht aber auch nicht, und selbst wenn er es geschafft hat - gibt es mechanische Wege, auf denen sich Daten rekonstruieren lassen. Sachen, die eine Software niemals hinbekommt."
Darmans Augen zuckten zwischen dem Schirm und Ob-rims Gesicht hin und her. Niner beobachtete, wie beide versuchten, das Ungesagte in ihrem Kopf zu ignorieren. Er sah auch, wie Obrim nebenbei in eine Schublade griff und einen Stapel frischer Datenchips in einer Flimsipackung herausnahm. Der Captain öffnete sie wie einen Beutel Süßigkeiten und warf die zusammengeknüllte Packung in den Korb unter dem Arbeitstisch.
„Tja, Camas hat ihn ganz schön leer gefegt", sagte Obrim. Niner beugte sich über seine Schulter; der Schirm sah ähnlich aus wie der seines Chiplesers: leer. „Warum schnappt ihr euch nicht eine Tasse Caf, Jungs? Ich werd ein Weilchen brauchen. Kenne ich diesen Camas eigentlich? Bin ihm, glaub ich, nie begegnet..."
Obrim deutete auf eine Sitzecke am anderen Ende des Labors. Dort stand ein Caf-Spender und das zweitverführerischste Lockmittel für jeden Klon in der Galaxis: ein Teller mit Keksen, Kuchen und Nussriegeln. Darman schien die Verheißung zuckerschwerer Kalorien abzulenken und er bewegte sich in ihre Richtung. Obrim winkte Niner mit dem Finger zu sich.
„Alles in Ordnung mit ihm?" Obrims Flüstern war kaum mehr als ein Hauch. Niner musste selbst aus der Nähe angestrengt lauschen. „Er sieht nicht so aus."
„Nein, er ist nicht er selbst."
„Okay. Dann rede ich mit dir. Verstanden?"
Niner musste ein paar Sekunden darüber nachdenken. Dann verstand er. Das hier war schließlich Kal'buirs Vertrauter und gelegentlicher Quartiermeister. Alles wurde unter der Hand abgewickelt.
Niner ging, um sich seinen Gratisimbiss zu holen, behielt Obrim aber im Auge. Wenn er sich im richtigen Winkel anlehnte, konnte er von der Sitzecke aus gerade so den Schirm sehen. Er erhaschte einen Blick auf etwas, das plötzlich über den Schirm lief und das nach einer Datenliste aussah. Es hätte natürlich eine Fehlersuche sein können. Niner war nicht Jaing. Für ihn war das Ganze ein Zaubertrick.
„Ich wusste gar nicht, dass Obrim so ein TechnikHändchen hat", sagte Darman und füllte seine Tasse nach.
„Ich auch nicht."
„Er würde gern fragen, nicht wahr?" „Was?"
„Er will mich fragen, wie's mir geht. Sagen, wie leid es ihm tut. Aber es ist ihm zu peinlich."
Darman hatte also einen klaren Moment, in dem er seinen Kummer an sich heranließ. „Ich glaube, er will dich nicht verärgern, ner vod. Oder über Dinge reden, die mitgehört werden könnten."
„Du und deine Verschwörungstheorien von wegen Überwachung", sagte Darman. Dennoch klang seine Stimme, als hielte er diese Bedenken für berechtigt.
Niner wandte seinen Blick nicht von Obrim ab. Er konnte nur die obere Hälfte des Schirms sehen, nicht die Oberfläche des Arbeitstisches, und er fragte sich, was dort unbemerkt von seinen Augen geschah. Schließlich stand Obrim auf und nickte ihm zu.
„Dar, sack die Gratishappen ein." Niner deutete auf den Haufen Köstlichkeiten, nicht die Art Gaumenfreude, die das Imperium den Klonen auftischte. Sie waren es wert, lange Finger zu machen. „Ich bin sicher, das ISB hat nichts dagegen, die Hungernden der Fünfhundertersten zu nähren."
„Schon dabei", antwortete Darman und fing an, Essen in seine Gürteltaschen zu stopfen.
Damit wäre er fürs Erste abgelenkt. Seit ihrer ersten Mission auf Qiilura hatte Niner jeden Gedanken und jede Angst mit Darman geteilt, aber im Augenblick hatte er, wie Obrim anscheinend auch, das Gefühl, es wäre sicherer für Dar, etwas nicht zu wissen.
Was genau?
Skirata hätte Obrim sein Leben anvertraut - das Leben aller. Daher würde Niner es auch tun. Er beugte sich zu Obrim und hörte zu. Auf dem Arbeitstisch lagen Datenchips neben ein paar Bögen Fiimsi ausgebreitet. Obrim spielte mit ihnen herum und sah stirnrunzelnd auf den Schirm.
„Er hat es geschafft, so ziemlich alles bis auf das Betriebssystem zu entfernen, und dann hat er versucht, auch das noch zu löschen." Obrim zeigte Niner eine Liste mit verworrenen Dateinamen, die alles Mögliche hätten sein können. „Er hat das Ding ganz schön zerfleischt."
„Brauchbar?"
Obrim hatte diesen Blick, jenes Funkeln in den Augen, das Niner schon bei ihm gesehen hatte, wenn er etwas ausheckte. „Ich hatte gehofft, es wären Informationen über ein Flüchtlingsnetzwerk von Rebellen darauf, vielleicht die Untergrundbewegung Whiplash. Das hätte uns zu allen möglichen Leuten führen können, die versuchen, sich dem Imperium zu entziehen. Jedi ... Zivilpiloten ... Söldner... ihre Waffengeschäfte, ihre Geldwege ..." Obrim seufzte und ließ die Datenchips in der hohlen Hand rasseln, als säße er in einem Kasino. „Aber Camas hat ihn komplett gelöscht. Es heißt, mit einem Vorandi-Rastermikroskop könne man gelöschte Daten in der vorliegenden Chip-Struktur ausfindig machen und wiederherstellen, aber ich persönlich halte das für völlige osik."
Obrim hatte den skurrilen mandalorianischen Vulgärausdruck von Skirata übernommen. Niner brauchte wieder eine Sekunde, um mitzukommen, und begriff, dass er aufhören musste, alles wörtlich zu nehmen. Vor ihm saß Jaller Obrim, fierfek noch eins! Er hatte sich über Palpatine hinweggesetzt, um Skirata von Coruscant fortzubekommen, und er war immer noch am Leben, um davon berichten zu können. Und er hielt Skirata immer noch den Rücken frei, selbst jetzt.
Jedi, Zivilpiloten, Deserteure, Söldner. Okay, ich hab's, Captain.
Niner hatte keine Ahnung, was versehentlich auf dem Chip verborgen war - oder vielleicht auch nicht versehentlich -, aber er wusste, dass er, ganz gleich, was als Nächstes passieren würde, um jeden Preis Jaing kontaktieren musste.
„Hört sich für mich nach einem Mythos an", meinte Ni-ner. „Vorandi, sagen Sie?"
„Genau. Und man brauchte einen phänomenal begabten Techie, um damit etwas anzufangen, falls es überhaupt möglich ist. Ich glaube nicht, dass wir so jemanden haben, nicht einmal in Imperial City."
„Zu schade", sagte Niner mit aufgewühltem Magen. „Dann gibt es also nichts, was Sie sonst mit dem Chip anfangen können?"
Er hatte verstanden, dass ihm hier eine Nachricht zugespielt wurde. Das Problem war, dass er nicht wusste, wie sie lautete oder wie er sie weitergeben sollte. Obrim zuckte mit den Schultern und zog den Chip aus der Anschlussbuchse.
„Nicht viel", sagte er. Er ließ den Chip so behände in seiner Hand verschwinden, dass er für einen Augenblick zwischen den anderen identischen Chips, mit denen er auf dem Tisch herumspielte, verschwand. „Aber ich werde ihn trotzdem als Beweisstück registrieren. Verwaltungskette und so."
Obrim schüttelte Niner wieder die Hand - mit beiden Händen -und nickte ein paarmal. Niner spürte, wie sich etwas Festes gegen die Handfläche seines Handschuhs drückte. Instinktiv schloss er seine Finger darum, als er seine Hand zurückzog, und verschränkte dann die Arme.
„Allein das Ding zu bergen, war schon gute Arbeit von euch." Obrim steckte den Datenchip - nein, einen Datenchip - zurück in die Buchse und tippte auf den Schirm. „Siehst du? Nur Teile des Betriebssystems übrig. Tut mir echt leid wegen eures Kumpels. Aber bitte, Niner. Glaube nicht, dass sein Opfer umsonst war. Irgendetwas Positives kann hierbei herauskommen."
Das war nicht Obrim, ganz und gar nicht. Er war ein Mann, der einen ganzen Raum zum Schweigen bringen konnte, indem er ihn betrat. Er ging nicht sentimental mit Leuten um. Er war ein abgebrühter Cop, selbst unter CSK-Maßstäben, ein Mann mit Nerven aus Durastahl. Niner zog seine Handschuhe zurecht, wobei er mit seinem linken Daumen den Chip in den rechten Handschuh drückte.
„Danke, Captain", sagte er. „Würde uns freuen, mal wieder mit Ihnen arbeiten zu dürfen."
Obrim klopfte ihm auf die Schultern. „Mich auch, Junge. Ihr wisst, dass ihr auf uns zählen könnt. Unsere Jungs sollen alles haben."
„Dar hat all Ihr ganzes Gebäck eingesackt, Captain."
„Wie ich sagte, alles."
Darman warf Niner einen eigentümlichen Blick zu, als der Turbolift in Richtung Erdgeschoss jagte. Niner platzte fast, so gerne hätte er Darman davon erzählt, was gerade passiert war, wie er an entscheidende Daten gekommen war, die er unbedingt an Jaing weitergeben musste, wenn er nur wüsste, wie er ihn finden konnte, aber sein Bauchgefühl sagte ihm, es wäre am sichersten für alle Beteiligten, damit bis zum letzten Moment zu warten.
„Ich werd Ennen etwas vom Gebunkerten abgeben." Darman öffnete eine seiner Taschen und betrachtete seine Ausbeute. „Allerdings nicht die Warranussschnitten. Die sind für mich reserviert. Meinst du, die haben Überwachungskameras da oben?"
„Wir werden's wissen, wenn sie heute Nacht eine Razzia in der Kaserne machen und deine Warranüsse konfiszieren."
Obrim musste ebenfalls angenommen haben, dass eine permanente Überwachung stattfände oder zumindest, dass ein erhöhtes Risiko bestand, wenn er seine Scharade so sorgfältig spielte. Niner fühlte sich dadurch viel besser.
Er war nicht paranoid, nicht im Sinne von verrückt. Das Imperium hatte es auf ihn abgesehen.
Besany hielt den ausgerollten haarshun-Teig mit beiden Händen gegen das Licht. „Ist der dünn genug, Ny?"
Ny blickte zu ihr hoch. Besany war so groß wie Ordo, einen Kopf größer als Ny und Scout. „Kannst du durch ihn durchsehen? Rav sagt du musst deinen Verlobungsring durch ihn durchsehen können." „So ungefähr."
„Tja, für mich sieht er gut aus."
„Wenn er hart durchgebacken wird, wie soll man ihn dann als Trockenration verwenden?" Besany hielt den dünnen Teigfladen wie ein Wäschestück zwischen ihren Fingerspitzen. „Den bekommt man doch nie in einen Rucksack."
„Man rollt ihn zusammen, bevor man ihn backt", erklärte Ruu. „Und dann weicht man ihn in Wasser auf, um ihn wieder weich zu bekommen."
„Wow. Faszinierend."
Sie bereiteten ungewohnte Mahlzeiten zu, um den Beginn der Eisschmelze zu unterstreichen. Es war nicht das, was Ny unter einem Fest verstand. Nur ein improvisiertes Mahl unter freiem Himmel, weil das Wetter nicht mehr so kalt war, dass einem die Haut an Metall kleben blieb. Ihr kam es trotzdem eiskalt vor. Dennoch konnte sie eindeutig spüren, was Skirata und die anderen in der Luft rochen: Frühling.
Besany ackerte weiter mit Teig herum, um noch mehr haarshun-Brot zu machen. Sie war nicht gerade eine geborene Köchin, aber sie hängte sich rein, dass es wehtat. Sie tat Ny leid. Sie war ein schlaues, umwerfend schönes Mädchen aus der Stadt, die nicht richtig in dieses Leben am Rande der Zivilisation passte. Dennoch schien sie dazu entschlossen, für Ordo die perfekte Mando-Frau zu sein.
Sie warf sich in diese Kultur und lernte, zu kochen, die Rüstung zu tragen und sogar zu kämpfen.
Entweder zog die Kultur jene an, die Identität brauchten, oder sie wirkte so überwältigend, dass sie jene mit Haut und Haaren schluckte, die mit ihr in Kontakt kamen. Ny fragte sich, wie lange es dauern würde, bis auch sie selbst von ihrer Anziehungskraft in den Bann gezogen werden würde. Das war natürlich zum Teil auf Skirata zurückzuführen. Er besaß das Talent, Leute um sich zu scharen - selbst die merkwürdigsten Wesen - und ihnen das Gefühl von Familie zu vermitteln.
Während Besany mit dem Teig rang und Ruu und Scout die Keule eines Shatuals, das Mird und Vau erlegt hatten, in Scheiben schnitten, bereitete Ny Igatli zu. Sie begann bei Null und folgte einem Rezept, das sie von einem Data-pad ablas, welches sie neben sich auf den Tisch gestellt hatte. Die münzgroßen, knifflig zuzubereitenden Kekse waren kein mandalorianisches Rezept, sondern eines der Kuati, und sie waren krümelig und gehaltlos, nicht so zweckmäßig und sättigend wie die hiesige Küche. Skirata stammte von Kuat. Das wusste sie. Er hatte es nur ein Mal erwähnt und es hatte sie fasziniert, weil sie damals noch nicht begriffen hatte, was für ein bunt gemischter Haufen die Mandalorianer waren. Bevor sie nicht ihre Helme abnahmen, sahen sie für sie alle gleich aus.
Jetzt wusste sie es besser. Wesen - Menschen, Togoria-ner, Weequays, Twi'leks, alle möglichen Spezies, jedoch hauptsächlich Menschen - traten am einen Ende ein und kamen am anderen als Mandalorianer wieder raus. Ny stieg immer noch nicht dahinter. Es gab keinen Zwang, keine geltenden Regeln, die mehr umfassten als sehr grundsätzliche Dinge wie Sprache, Rüstung und Kinder -jedermanns Kinder - zum Mittelpunkt des Lebens zu machen, aber irgendwie wurden sie letztendlich im Wesentlichen Mandalorianer, mit einer faszinierenden Bandbreite an Akzenten und Nahrungsmitteln. Alles andere warfen sie über Bord. Eines Tages würde sie es verstehen. In der Zwischenzeit arbeitete sie nach dem Leitsatz, dass Skirata genügend Erinnerungen an seine frühe Kindheit in Kuat City hatte, um sich an einer hausgemachten Delikatesse zu erfreuen, die er wahrscheinlich seit mehr als fünfzig Jahren nicht mehr gekostet hatte.
Scout schaute immer wieder aus dem Fenster. „Was tun die da?"
„Meshgeroya", antwortete Besany. „Das schöne Spiel. So nennen sie es hier. Bolo-Ball. Limmie. Der Boden ist weit genug aufgetaut, um es spielen zu können."
„Sie haben nicht genügend Spieler für zwei Mannschaften."
„Oh, das hält sie nicht davon ab."
„Du meine Güte, soll Laseema etwa mitspielen?" Scout schien entsetzt. „Und Jilka?"
„Ich glaube, sie fungieren als Linienrichter. Parja macht den Schiri."
„Welche Linie? Da draußen gibt's nur Gras und Matsch."
Besany und Ruu lachten. Meshgeroya war eine manda-lorianische Besessenheit, mit der ihre Körper auf jeden Fall jede Menge ungestüme Energie abzulassen schienen. Als Ny aus dem Fenster blickte, überraschte es sie, Kina Ha und Dr. Uthan, eingehüllt in Schals, im Schutz der Hofmauer bei einer Unterhaltung zu sehen. Skirata hatte Ny erzählt, dass Kaminoaner kein Sonnenlicht mochten und stattdessen ständigen Regen und den wolkenverhangenen Himmel bevorzugten. Jedoch schien Kina Ha die schwache, spätwinterliche Sonne nicht zu stören. Allerdings trug sie eine Schirmmütze, um ihre Augen zu schützen.
Sie schlägt sich wacker. Kal hat ihr noch nicht die Klinge an den Hals gesetzt Sogar Mereel begegnet ihr mit eiskalter Höflichkeit „Zu schade", murmelte Besany.
„Was denn?"
„Wäre es nicht perfekt, wenn Etain hier wäre?"
Ny konnte nur nicken. In den letzten paar Wochen hatte Etains Abwesenheit über jeder Mahlzeit und Unterhaftung gehangen. Mandalorianer neigten dazu, offen über tote Angehörige zu sprechen, als wären sie immer noch Teil des Clans. Doch offensichtlich hatte Etains Tod noch niemand so weit verarbeitet, um jeden Gedanken an sie auch in Worte fassen zu können. Ny war ziemlich überzeugt davon, dass der Verlust von Etain jeden glücklichen Augenblick überschattete. Sie sah es immer dann in ihren Gesichtern, wenn sie Kad anblickten.
Ich habe sie nie gekannt. Ich kann mich nicht beteiligen.
„In Ordnung. Hauen wir das Zeug in den Ofen, dann sollte es zur Halbzeit fertig sein. Oder zur Vollzeit." Ny sah auf ihren Chrono. „Wann immer das sein mag."
Kad kickte unter Kom'rks wachsamen Augen den Ball herum. Eigentlich rannte er dem Ball nur hinterher, stieß mit ihm zusammen und jagte ihn dann wieder. Dabei kicherte er glücklich. Ny erleichterte es, zu sehen, dass er sich wie ein normales Kleinkind aufführte. Manchmal wirkte er so ernst und betrübt, dass sie sich fragte, ob eine sorglose Kindheit an ihm vorbeizog und alle Machtnutzer vielleicht dazu verdammt waren, von Geburt an direkt in die schreckliche Realität des Seins gestoßen zu werden, ob sie es wollten oder nicht. Dann und wann konnte sie es in Scout oder Jusik sehen. Manchmal sahen ihre Augen älter aus als die Zeit selbst. Sie vermochte es nicht genau zu beschreiben. Zweifellos verriet auch Kina Has Blick ihren Status als Machtnutzerin. Ny hatte jedoch keine Ahnung, wie die Augen eines normalen Kaminoaners aussahen, und abgesehen davon: Kina Ha war uralt.
„Bolo-Ball war noch nicht erfunden, als ich jung war", sagte Kina Ha. „Nicht, dass es auf Kamino irgendjemand gespielt hätte, nachdem es erfunden war, versteht sich."
Ny wusste nicht, ob sie absichtlich witzig sein wollte oder nicht. Mereels Gesichtsausdruck ließ ahnen, dass er noch niemals einem Kaminoaner mit Sinn für Humor begegnet war, den er verstanden hätte, und dass die Jury immer noch beriet.
„Komm schon, Ad'ika." Ny hob Kad auf ihre Hüfte. „Jetzt lass die großen Jungs mal mit dem Ball spielen."
Fi warf den Ball in die Luft und köpfte ihn, als wolle er testen, ob er es immer noch konnte. „Liebt uns, liebt unser Spiel."
„Ich werd mich dran gewöhnen ..."
Sogar Vau machte mit. Ny sah zu und wartete auf das Krachen alter Knochen, immer wenn Skirata und Gilamar von einem der Klone attackiert wurden. Die Jungs waren groß, schnell und außergewöhnlich fit, viel zu fit für zwei altgediente Sergeants. Ny sah, wie eine kleine Alterswehmut ihr ergrauendes Haupt hob. Eventuell liebten es diese beiden verrückten, alten Barves einfach nur, Meshgeroya zu spielen, und das Risiko, von den Jungen eine schmerzhafte Abreibung zu kassieren, hielt sie nicht davon ab.
Die Rufe und verärgerten Forderungen nach Strafstößen versetzten Mird in ekstatische Raserei. Das Strill schlug mit seinem peitschenähnlichen Schwanz auf den Boden, quiekte vor sich hin und rannte gelegentlich an der Kante dessen hin und her, was in seiner Vorstellung das Spielfeld war. Kad sah dem Spiel aufmerksam zu, eine Faust in den Mund gesteckt. Vau versuchte sich an einem hohen Ball und köpfte ihn zwischen zwei Büsche, die das einzige Tor zu sein schienen. Er brüllte triumphierend.
„Abseits!", protestierte Corr. Ny hatte keine Ahnung, woher er wusste, wo das Tor war, ganz zu schweigen davon, gegen welche Regel Vau verstoßen haben sollte. Sie verstand das Spiel von vorne bis hinten nicht. „Schiri, das war abseits!"
Parja ließ das Tor zu, wobei sie gebieterisch auf einen nichtexistenten Punkt im Mittelfeld deutete. „War's nicht. Weiterspielen."
„Verschlagene alte Säcke: Eins - junge, fitte Gernegroße: Null", zählte Vau selbstgefällig und völlig außer Atem.
Kina Ha schien mehr in das Strill vertieft zu sein als in das Spiel. Dafür schenkte Jilka Corr mehr Aufmerksamkeit, als auf das Spiel zu achten, und Uthan sah Gilamar zu. Es war interessant, zu beobachten, wie schnell sich Beziehungen aller Art zu bilden begannen.
Dies ist eine geschlossene Welt. Keine Fremden. Wir halten uns an die Leute, die wir kennen.
Sie erkannte, dass das auch sie mit einschloss. Brauchte Skirata überhaupt jemanden? Er war völlig von seinen Kindern besessen. Es fiel schwer, eine Lücke zu finden, in die sie hineinpasste. Sie würde sich immer wie ein Eindringling fühlen.
„Ich werde mal nach den Keksen sehen", sagte sie zu Besany. „Das ist mir alles zu kompliziert."
Als sie sich umdrehte und zurück zur Küchentür ging, bemerkte sie ein Gesicht hinter einem der Schlitzfenster. Arla schaute zu. Sie sah nicht ganz so ausdruckslos und verloren aus wie bei ihrer Ankunft. Wenn überhaupt, wirkte sie zunehmend verwirrt und aufgewühlt. Ny fragte sich, wer es wohl über sich bringen würde, sie wegen ihres Bruders aufzuklären und ihr zu sagen, von wem die Klone wirklich abstammten. Würde sie sie als Neffen betrachten? Nach allem, was Ny über Mandalorianer wusste, bestand kein Grund dafür. Andererseits war Arla keine Man-do. Sie war Concordianerin. Das war absolut nicht dasselbe.
Ny lächelte und winkte, doch Arla wirkte nur erschreckt und verrenkte ihre Finger, als wollte sie eine fremde Sprache nachahmen. Es musste sehr lange her sein, dass ihr gegenüber jemand persönliche Anteilnahme gezeigt hatte.
Die Igatli-Kekse waren gleichmäßig gebräunt und Ny musste zugeben, dass sie ziemlich gut aussahen. Sie schob sie vom Blech auf einen Teller und kostete einen. Sollten sie so schmecken? Sie hatte keine Ahnung, aber die entscheidende Note machte ein bestimmtes Gewürz aus. Die Samen und getrockneten Staubblätter einer Kuati-Pflanze. Die Zutaten dafür hatte sie auf ihrem letzten Frachtflug zu den Kuat-Werften gekauft. Das war am Abend vor der Je-di-Säuberung gewesen. Lange bevor sie sich der Tatsache überhaupt bewusst war, dass sie eine Schwäche für Skirata hatte.
Verrückt Völlig verrückt Aber am Ende sterben wir alle, oder? Das Leben muss gelebt werden. Besonders wenn wir zu lange nichts anderes als Kummer gekannt haben.
Ny legte die Kekse zusammen mit ein paar anderen Leckerbissen - Ujkuchen und Würfel des hiesigen Kräuterkäses - auf einem Tablett zurecht, bevor sie wieder in den Hof ging. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so töricht gefühlt.
Versuch jetzt mal, ihnen zu erzählen, du wärst nur auf der Durchreise. Leute auf der Durchreise tun so etwas nicht.
„Hey, Halbzeit!", rief Jaing.
Ny sah auf ihren Chrono. „Du hast noch zehn Minuten", sagte sie.
„Essen", sagte Fi. „Ori'skrnan!"
Die Klone besaßen einen beeindruckenden Appetit und für das Essen wurde alles stehen und liegen gelassen -selbst das schöne Spiel. Ny stellte das Tablett auf eine alte Munitionskiste im Hof und schlug Fis Finger von den Keksen fort.
„Die sind für deinen Vater reserviert." Sie wuschelte Fi durchs Haar und stopfte ihm zur Besänftigung ein Stück Ujkuchen in den Mund. „Das ist eine besondere Überraschung. Komm schon, Kal. Sag mir, was du von denen hältst."
Skirata starrte für ein paar Augenblicke auf die Kekse. Vielleicht hatte sie sie in der falschen Form gebacken. Aber Jusik, Scout und Kina Ha warfen alle im selben Moment einen Blick auf ihn, obwohl er keinen Muskel gerührt hatte. Sie spürten irgendetwas.
Oh Mann ... ich hab irgendetwas vollkommen falsch gemacht...
Kuat war eine seltsame Welt. Auf der einen Seite stand sie für Schwerindustrie und den Gipfel moderner Technologie. Auf der anderen besaß sie ein feudales und kastenorientiertes Gesellschaftssystem, in dem sich Adelsfrauen hochrangiger Handelshäuser gekaufter Gatten bedienten, um ihre Nachkommen zu zeugen. Diese Gesellschaft stieß sie ab. Skirata musste noch ein kleines Kind gewesen sein, als er Kuat verließ. Zu jung, um sich mit derlei Dingen aus-zukennen. Dennoch hätte es sie nicht überrascht, wenn seine Abscheu vor Aristokratie, Privilegien und Ausbeutung dort ihre Wurzeln gehabt hätte. Es war das genaue Gegenteil von Mandalore.
Skirata beugte sich ein kleines Stück weit über das Tablett und atmete ein. Dann nahm er einen Keks, biss hinein und schloss die Augen. Kad streckte beide Arme nach ihm aus und wand sich in Jusiks Arm, um seinen Großvater zu berühren. Genau in diesem Augenblick bemerkte Ny die Tränen an Skiratas Wimpern.
Er schluckte mit einiger Mühe. „Shab, das versetzt mich weit zurück."
„Es tut mir leid", sagte sie.
„Das muss es nicht. Sie sind perfekt."
Geruch brachte Erinnerungen schneller zurück als alles andere. Ny wusste, dass Skirata von einem Söldner adoptiert worden war, der ihn fand, als er wie ein wildes, kleines Tier in den Trümmern eines Kriegsgebietes hauste. Es war ein großer Fehler, anzunehmen, jeder könne auf eine Kindheit zurückblicken, die nur aus eitel Sonnenschein bestand. Die meisten des Clans hier hatten ihre frühen Jahre voller Furcht und unter Todesgefahr verbracht. Daher förderte man weit mehr als nur Unannehmlichkeiten zutage, indem man jemanden an seine Vergangenheit erinnerte.
Skirata drehte sich um und ging mit gesenktem Kopf um den Hof herum, während alle anderen aßen. Für gewöhnlich waren ihm seine Tränen nicht peinlich. Er weinte ungeniert und oft. Hier war etwas anderes im Spiel.
Schließlich kam er zurück zu dem Tablett und nahm sich noch einen Keks.
„Ich kann mich an meine Mama erinnern", sagte er. „Ich habe schon lange nicht mehr an sie gedacht, weißt du?"
Skirata hatte seine Mutter niemals erwähnt und auch nicht die Frau seines Adoptivvaters. Alles in seinem Leben kreiste um Väter. Ny wusste nicht, ob sie eine alte Wunde aufgerissen oder eine längst überfällige Läuterung ermöglicht hatte. Doch was es auch sein mochte, es hatte ihr ferngelegen, ihn zum Weinen zu bringen. Sie fühlte sich schrecklich.
Skirata kehrte nicht mit den anderen zum Spiel zurück. Er drängte Scout freundlich dazu, seinen Platz einzunehmen, und Ny war überzeugt, die Kleine würde in Sekundenschnelle zu Kleinholz verarbeitet werden. Aber sie zeigte ein bemerkenswertes Geschick im Ausweichen und Hakenschlagen, als könne sie vorhersehen, was als Nächstes passierte. Offenbar war hier ein weiteres Jedi-Talent im Einsatz. Ny bemerkte, wie Jusik ihr wissend zuzwinkerte.
Skirata sah betreten von der Seitenlinie aus zu. Mird gesellte sich zu ihm, die rot geränderten goldenen Augen auf den Keks in seiner Hand fixiert.
„Manchmal wünschte ich, ich könnte meine Erinnerungen auslöschen", sagte er. „Nur die Schlimmen." „Jusik kann das für dich tun, oder?"
„Ich weiß nicht, ob es einen besseren Menschen aus mir machen würde."
„Tut mir leid. Ich habe das nicht bis zu Ende gedacht, Kal. Mir war nicht klar, wie sehr es schmerzen würde."
„Ich denke, bittersüß ist der richtige Ausdruck. Aayhan. Ist 'ne Mando-Sache. Die schmerzhafte Erinnerung an nahestehende Personen und andere perfekte Augenblicke. Man kann eben das eine nicht ohne das andere haben." Skirata zerbiss einen weiteren Keks und gab dann Mird auch einen. „Und dann ist da noch shereshoy, aayhan führt unweigerlich zu shereshoy und damit dreht sich das Rad wieder zur Freude."
„Was ist shereshoy?"
„Die Lust am Leben. Sie zu packen und für einen Tag auszuleben, weil man nicht weiß, ob es noch einen Morgen gibt." „Shereshoy. Das Wort gefällt mir."
„Falls du jemals einem Mandalorianer in orangefarbener Rüstung begegnest, ist es das, wofür die Farbe steht." Skirata hielt sich den letzten Bissen des Kekses unter die Nase und atmete wieder ein. Der Duft beschwor offensichtlich einiges herauf. „Du bist eine gute Frau, Ny."
„Du bist auch nicht so übel, Kurzer."
Shereshoy war in vollem Gange. Der Schnee war geschmolzen, die Sonne kämpfte darum, sich bemerkbar zu machen, und die leise Verheißung des Winterendes hatte eine improvisierte Runde meshgeroya und ein bescheidenes Festmahl inspiriert. Ny gefiel das. Sie hatte ihr Leben damit verbracht, auf Erfüllung zu warten, darauf, dass dieser sagenhafte eine Tag kam, an dem sie und ihr Ehemann gute Zeiten miteinander verbrachten, aber jetzt war dieser Tag schon tausendmal an ihr vorbeigezogen und würde niemals wiederkommen.
Ordo, schweißgebadet und sichtlich zufrieden mit sich, hielt das Spiel an, um Becher mit ne'tra gal auszuteilen. Ny beschloss, dies sei ein günstiger Zeitpunkt, die Freuden des mandalorianischen schwarzen Biers kennenzulernen, ihre verrückte Obsession mit Bolo-Ball und ihre exzentrische Gastlichkeit, die im selben Herzschlag sowohl Freunde als auch althergebrachte Feinde mit einschließen konnte. Es würde auch eine Zeit kommen, in der sie sich mit ihrer skrupellosen, eher brutalen Seite auseinandersetzen musste. Aber das konnte noch warten.
Im Augenblick war die beste Zeit, um das meiste zu tun. Es war besser, dies erst spät im Leben zu erkennen als überhaupt nicht.
„K'oyacyi", sagte sie. Einen besseren Trinkspruch als diesen gab es nicht. Es war ein Befehl - „bleib am Leben, komm wohlbehalten zurück" -, konnte aber auch alles Mögliche bedeuten, von „halte durch" bis hin zu „genieße das Leben in vollen Zügen". Wenn etwas die Mandaloria-ner für sie zusammenfasste, dann dieses eine Wort mit zwei ergreifenden Bedeutungen. „K'oyacyi."
Am Leben zu bleiben, war genau die eine Sache, auf die niemand von ihnen zählen konnte.
Labor, Kyrimorut, später am selben Tag
„Kein Wunder, dass Arla auflebt", bemerkte Gilamar. Er saß mit einem Krug Ale in der Hand am Arbeitstisch und schien sich Testergebnisse durchzulesen. „Die Quacksalber im Valorum Center haben ihr Sebenodon gegeben. Auch noch über einen langen Zeitraum."
Uthan war keine Ärztin, aber sie hatte sich über die Allgemeinmedizin auf dem Laufenden gehalten, indem sie jede wissenschaftliche Zeitschrift las, die ihr das Center gestattet hatte. Viel mehr außer lesen und theoretisieren hatte es in drei Jahren abgesonderter Verwahrung nicht zu tun gegeben. Wenigstens die Zucht von Soka-Fliegen zur genetischen Abwandlung hatte ihr eine gewisse Entlastung verschafft. Sie fragte sich, ob Gilamar sie für verrückt gehalten hätte, weil sie den Fliegen Namen gab.
„Das ist ein weiteres Antipsychotikum, richtig?"
Er nahm einen Schluck von seinem Ale. „Genau. Ein bisschen übertrieben, würde ich sagen. Es ist erstaunlich, dass sie überhaupt bei Bewusstsein war, als Bard'ika sie gefunden hat."
„Sie hätten ihr ebenso gut einen Vorschlaghammer über den Kopf ziehen können."
„Nun, der Stoffwechsel braucht eine Weile, bis er alles restlos verarbeitet und ausgeschieden hat, deshalb ist sie nach wie vor sediert, aber es erklärt, weshalb sie immer ansprechbarer wird."
„Ist das nicht gefährlich, ein Medikament so abzusetzen?"
„Könnte sein. Man sollte es möglichst schrittweise tun. Aber so persistierend wie Sebendon wirkt, dürfte die Dosis in ihrem Kreislauf immer noch relativ hoch sein."
Ein Arzt, der mit einem Ale in der Hand arbeitet, zeugte nicht gerade von der Art Berufsdisziplin, die Uthan gewohnt war, doch Gilamar schien die Aufgabe zu bewältigen. Dieses Labor war plötzlich zu ihrem Zufluchtsort geworden, als leises Echo aus dem Leben, das sie geführt hatte, bevor der Krieg ausbrach, und es gefiel ihr, hierherzukommen, um sowohl die Vertrautheit der Einrichtung als auch das Novum relativer Freiheit zu genießen. Vielleicht mochte Gilamar die Erinnerung an eine Zeit, in der er seinen Lebensunterhalt nicht mit Kämpfen verdiente.
Es tat gut, wieder zu fachsimpeln.
„Wie sind Sie eigentlich an diese ganze Einrichtung gekommen?", wollte sie wissen. „Nicht nur dieses Labor. Die ganzen medizinischen Gerätschaften. Die tragbare Diagnoseausrüstung. Die Monitore. Der OP-Tisch. Ich kam nicht umhin, die Sicherheitsaufkleber der Zentrale für medizinisches Bedarfsmaterial der Republik zu bemerken."
„Ah", lächelte Gilamar. „Die kleben dort, weil ich den ganzen Krempel gestohlen habe, wobei wir dieses Labor ehrlich und aufrichtig gekauft haben - allerdings glaube ich, die Credits, die wir dazu verwendet haben, waren auch gestohlen. Ach, Sie wissen ja, wie Mandos sind. Unehrliche Langfinger bis auf den Allerletzten von uns."
Uthan musste unwillkürlich lachen. Für einen Augenblick dachte sie, er würde scherzen, aber als ihr dann klar wurde, dass dem nicht so war, fand sie es dennoch witzig. Die meisten Kriminellen stahlen schlecht gesicherte Objekte von hohem Wert oder Kinkerlitzchen, die ihnen gefielen. Dieser Mann jedoch stahl ein ganzes Krankenhaus. Das erforderte einen gewissen Pfiff.
„Ich komme bei den Bewohnern von Kyrimorut derzeit auf dreißig, sofern man das Strill mitzählt."
„Und das tue ich, Qail, das tue ich. Mir ist egal, wie viele Beine meine Patienten haben."
„Also ... ich weiß, wir befinden uns weit entfernt von anständigen medizinischen Einrichtungen, tatsächlich sogar einen ganzen Sektor entfernt, aber ist Ihre medizinische Einrichtung nicht ein wenig übertrieben?"
„Nicht wenn man jede Verletzung behandeln können muss, mit der ein Klonsoldat eintreffen könnte."
„Dann meint Skirata es also wirklich ernst mit der Umsiedlung von Deserteuren?"
„Manche dieser Jungs werden ziemlich kaputt sein. Sie wissen, was mit Fi geschehen ist. Tja, sehen Sie ihn sich heute an."
„Temporäres Koma?"
„Hirntot. Ich meine wirklich hirntot. Sie haben ihm den Stecker rausgezogen und er hat weitergeatmet. Dabei zeigte sein Hirn-Scan eine Nulllinie."
„Sind Sie sich da sicher?"
„Oh ja. Fi ist ein kleines Wunder."
„Erzählen Sie mir nicht, Sie seien auch noch Neurochi-rurg. Entweder das oder Sie haben auch einen Neuromed-Droiden gestohlen."
„Nein, Doktor Jedi kam zu Hilfe. Bard'ika hat Fi wieder zusammengeflickt. Erstaunlich."
„Dann sind sie also doch zu mehr nütze, als nur Strohmänner der Republik zu sein."
„Manche ja. Jedenfalls ist er jetzt kein Jedi mehr. Verwenden Sie ihm gegenüber bloß nicht das J-Wort."
„Dann können sie also ihr Jedi-sein ausschalten ... "
„Machen Sie sich über mich lustig, Dr. Uthan?"
„Aber Dr. Gilamar, allein der Gedanke ..."
Uthan genoss die Hitze des Gefechts, die bei Gesprächen mit einem schlauen Mann aufkam. Gilamar sprach ihren Jargon, verstand ihren Beruf, und trotz der Sportkämpfernase oder womöglich auch gerade wegen ihr -empfand sie ihn als attraktiven Gesellschafter. Das Letzte, was sie erwartet hätte, war, nicht jeden einzelnen Man-dalorianer töten zu wollen, der ihr über den Weg lief. Die abgesonderte Verwahrung hatte sie auf einem Niveau verändert, das sie immer noch nicht ganz begriff.
Ich bin also froh darüber, mich mit dem Abschaum der Galaxis abzugeben. Ist das so? Heutzutage ist niemand das, was ich von ihm halte.
Gilamar zuckte mit den Schultern. „Wie es bei anderen Jedi aussah, weiß ich nicht - bis auf Kads Mutter, möge sie im manda ruhen -, aber Jusik hat den Jedi-Orden verlassen, bevor der Krieg zu Ende war. Er besitzt bemerkenswerte Heilkräfte, sehr logische noch dazu. Er hat beispielsweise Fis Progesteronwerte beeinflusst, um das Gehirngewebe wiederherzustellen. Wirklich außergewöhnlich. Und völlig ungeschult."
Uthan hatte mit dem Feststellbaren und Nachweislichen zu tun und sie nahm an, Gilamar auch. Aber wenn einen die Wissenschaft hängen ließ, klammerte sich jeder an Strohhalme. Vielleicht saß in manchen Strohhalmen mehr Wahrheit, als sie sich vorstellte.
„Sind Sie eigentlich als Mandalorianer geboren worden oder sind sie erst später dem Club beigetreten?", fragte sie. „Sie hören sich alle so anders an."
„Erwachsener Rekrut. Meine verstorbene Frau war Mandalorianerin. Und ich sehe in der Rüstung einfach klasse aus." Gilamar ließ seine Fassade ein winziges Stückchen sinken. „Falls Sie wissen möchten, wieso ich bei den Cuy'val Dar gelandet bin ... ein paar meiner Patienten gehörten zu der Sorte, die gerne große Schwierigkeiten bekommt und außerdem dazu neigt, diese dann zu verbreiten. Die gute Nachricht ist, dass Mandos einen hohen Bedarf an Notfallmedizin und Erste Hilfe ohne lästige Fragen haben. Die schlechte Nachricht ist die, dass ich keinem reichen Patienten in irgendeiner schicken Ernährungsklinik von Coruscant zu viel berechnen kann."
„Imperial City."
„Bitte?"
„Palpatine hat Coruscant in Imperial City umbenannt. Es kam in den Holonews."
„Nichts drückt ein ,Ich bin ein unsicherer Wurm' besser aus, als Städte umzubenennen, um die eigene eingebildete Wichtigkeit hervorzuheben."
„So kam er mir nie vor - unsicher, meine ich. Ein Wurm, ja." Uthan stand auf und schaltete den Holo-Empfänger ein. Wenigstens hatte Skirata für genügend Unterhaltungsmöglichkeiten gesorgt. Er war kein völliger Rohling. „Wann haben Sie das letzte Mal die Holonews gesehen?"
„Ich lese die Schlagzeilen via Datapad. Alles Müll. Es war auch schon unter der Republik Müll. Es ändert sich nichts."
Müll hin oder her, Uthan brauchte die Nachrichten, denn sie ermöglichten ihr den einzigen flüchtigen Blick auf ihre Heimat, selbst wenn dieser durch die Meinungsmache eines Regimes getrübt wurde, das sie als gefährlichen Feind behandelte. Sie war schon seit Jahren nicht mehr zu Hause gewesen. Sie erblickte ihr eigenes Spiegelbild auf dem Holoschirm, das für einen Moment die Aufnahmen der Zerstörung auf entlegenen Planeten wie Nadhe, Cel Amiin und Lanjer überlagerte. Alles, was sie sah, war ihr Versagen, Palpatines Griff nach Macht zu verhindern, als sie die Möglichkeit dazu gehabt hatte. Als Omega Squad sie gefangen nahm, war sie so dicht dran gewesen, das FG36-Virus zu perfektionieren, dass es schmerzte.
Und sie sind hier, nicht? Fi und Atin zumindest Komisch, dass ich Namen für sie habe. Ich kann sie auseinanderhalten. Sie haben ihr Leben, Frauen, Geschichten, Zukunftspläne. Ist das hier alles ihre Schuld?
Sie wusste es nicht. Sie fühlte sich hin- und hergerissen, sie als eine Bedrohung anzusehen, die sie einst zu neutralisieren versucht hatte, und als junge Männer, die sie kannte und mit denen zusammen sie aß und sich unterhielt. Sie starrte auf den Schirm, spürte, wie Gilamars Blicke ein Loch in ihren Rücken bohrten, und wartete darauf, dass ihre Heimat auf der Liste der Planeten erschien, die einfach nicht zu verstehen schienen, dass das Imperium ihr Freund war und ihnen nur das Beste wünschte.
„In der Zwischenzeit haben es Versammlungsführer auf Gibad abgelehnt, eine diplomatische Vertretung des Imperiums in Koliverin landen zu lassen. Nach vierwöchigem Stillstand der Beziehungen sind gibadanische Truppen ..."
Es sah nicht nach einer diplomatischen Mission aus. Es glich eher einem Angriffsschiff. Und die Truppen an Bord dieses Schiffes waren exakt wie die jungen Männer, die sie da draußen sah, beim Bolo-Ball spielen und beim Grimassen schneiden für den kleinen Sohn einer ihrer Brüder.
Uthan lebte von Klarheit, definitiven Antworten und -selbst in der immer noch ungewissen Welt der Genetik -berechenbaren Ergebnissen. An Verwirrung und widerstreitende Gefühle war sie nicht gewöhnt.
„Sie wissen, wie der Endstand aussehen wird", unterbrach Gilamar ihre Gedanken. „Und es gibt nichts, was sie dagegen tun können. Vielleicht wäre es daher leichter für Sie, den Holoschirm für eine Woche nicht einzuschalten."
„Meinen Sie wirklich, es ist so unvermeidlich?"
„Palpi muss deutlich machen, dass sich unter seiner Wache keiner losreißt. Eine riesige Machtdemonstration; so anfangen, wie man weitermachen will, und die ganze osik."
„Ich verstehe nur nicht, wie die KUS der Republik nachgeben konnte, wo sie doch am längeren Hebel saß, wo sie doch bereits den Angriff auf Coruscant gestartet hatte -"
„Qail, es gab niemals zwei Seiten in diesem Krieg. Verstehen Sie nicht? Palpatine hat beide Feldzüge geleitet. Er ist ein Sith und er hat diesen ganzen Krieg nur arrangiert, um zu beseitigen, was ihm im Weg stand: den Jedi-Orden. Danach hat er seine zweite Armee anrücken lassen, um sein Imperium zu festigen."
„Bevor ich hierherkam, hatte ich nicht einmal gewusst, was ein Sith ist. Wenn die Mandalorianer für sie gekämpft haben, weshalb können sie dann diesen hier nicht besiegen?"
„Wir haben auch gegen sie gekämpft, aber das liegt in der Natur der Arbeit eines beroya. Glauben Sie, uns ginge es unter den Jedi besser? Ich meine Mandalore? Für uns macht es keinen Unterschied. Wenn es das tut - dann mischen wir uns ein. Was wir sicher nicht tun, ist einen ideologischen Krieg für aruetiise austragen, die in dem Augenblick auf uns hinunterspucken, in dem wir ihn für sie gewinnen, aber uns die Schuld zuschieben, wenn wir ihn verlieren."
„Dadurch hat Tyrannei Erfolg", entgegnete Uthan. „Durch Leute, die glauben, es würde sie nicht tangieren. Bis es das schließlich tut."
„Danke für die Tipps in Sachen ruhmreiche Rebellion und Freiheit. Ich bevorzuge klarere Definitionen von Ruhm und Freiheit, bevor ich wegen ihnen in den Kampf ziehe."
„Der Galaxis steht eine düstere Ära bevor."
„Tatsächlich wird der Großteil der Galaxis den Unterschied gar nicht bemerken. Manchen wird es sogar besser gehen. Der Durchschnittsbürger will doch bloß reichlich Essen auf dem Tisch, etwas, das er sich im HoloNetz ansehen kann, und die Freiheit, ein paar gesundheitsschädlichen Angewohnheiten zu frönen. Die Individuen, die sich wegen alldem beschnitten fühlen, sind die Aristokraten und Politiker, die ihre Macht verlieren und sie zurückhaben wollen, die Hobby-Revolutionäre und die relativ wenigen, unglückseligen shabuire, die etwas besitzen, was das Imperium haben und ihnen wegnehmen will."
„Ich glaube, zu dieser Gruppe gehören sie irgendwo dazu, die Mandalorianer."
Gilamar antwortete ihr nur mit dem Blick, der sagte, er habe das alles schon gehört. Für einen Augenblick fragte sie sich, ob sie etwas tun konnte, um zu verhindern, was mit Gibad geschehen würde. Dabei lautete die Frage nicht, ob das Imperium den Planeten mit Gewalt unterwerfen würde, sondern wie viel Schaden es dabei verursachen würde.
Das Einzige, was sie tun konnte, war, das FG36-Virus zu perfektionieren, es an ihre Regierung weiterzugeben und zu hoffen, dass die Zeit ausreichte, um Millionen Ampullen davon herzustellen. Des Weiteren musste sie auf einen Weg hoffen, auf dem das Virus nicht nur auf der Oberfläche von Gibad verteilt wurde, sondern in der gesamten Galaxis, um jeden Klonsoldaten zu töten, ohne dass auch nur ein einziger Schuss fiel.
Außerdem würde sie einen Weg von Mandalore nach Gibad finden müssen. Im Augenblick kannte sie nicht einmal einen Weg nach Enceri.
Sie kam zu spät. Sie kam mehr als drei Jahre zu spät und erst jetzt wurde es ihr klar.
„Wir werden uns heute Abend im karyai versammeln, falls Sie sich zu uns gesellen möchten." Gilamar stand auf. „Entspannen Sie sich ein wenig. Ich weiß, dieses Projekt drängt, aber tot nützen Sie uns nichts."
„Ah, Mando-Sorgen." Uthan wollte es nicht an Gilamar auslassen. Nichts davon war sein Verschulden. Sie steckten alle zusammen in diesem Schlamassel und sie suchte nach Gründen, ihn zu mögen. „Das karyai ist das große, zentrale Wohnzimmer, ja?"
„So ist es. Wir werden vielleicht ein bisschen emotional, wenn jemand über Etain spricht, aber hauptsächlich haben wir vor, zu lachen. Die Toten mögen es nicht, wenn wir Trübsal blasen."
Er beugte sich vor und schaltete den Holo-Empfänger aus, lächelte sie traurig an und schloss die Labortür hinter sich. Uthan blieb allein mit ihrem Spiegelbild auf dem toten Schirm zurück und fühlte sich plötzlich abgekämpft und nutzlos. Sie trug ihr schwarzes Haar immer noch so peinlich genau frisiert wie seit Jahren, fest hinter den Ohren zurückgebunden, hochgesteckt und mit leuchtend roten Strähnen verschönert. Sie wollte nicht länger diese Uthan sein. Es würde ihr sowieso nicht gelingen, diese aufwendige Farbe beizubehalten, nicht hier. Mandos schienen auf Frisuren nicht viel Wert zu legen.
Vielleicht entsprang es Frustration oder Wut, die kein sicheres Ventil fand. Womöglich war es auch einfach nur Pragmatismus. Was immer den Funken entzündet hatte, ihr Entschluss stand fest. Sie löste ihr Haar, griff nach der Laborschere und begann zu schneiden.
Ein Wandel nahte. Sie zog es vor, ihm entgegenzugehen und ihn zu begrüßen.