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Camp McCall, North Carolina, Sol III
0917, 25. Juli 2007
»Tag, Gunny, nehm'se Platz.« Wie so viele der Gebäude, die im Rahmen der immer umfangreicher werdenden Kriegsvorbereitungen entstanden waren, war die Kombination aus Unterkunft und Büro, die dem Kompanieführer zur Verfügung stand, ein zwanzig Meter langer Trailer. Das Büro befand sich am einen Ende, das Wohnquartier am anderen. Unter anderem ließ sich auf die Weise eine Wohnung einsparen, und Wohnungen wurden infolge des schnellen Wachstums des Offizierskorps immer knapper. Der Kompaniechef war ein recycelter Second Lieutenant und der einzige Offizier in der Ausbildungskompanie.
In Anbetracht der neu-alten Disziplinartechniken und der Knappheit von Offizieren auf dem Ausbildungsstützpunkt fingen die Abgründe zwischen Offizieren und Mannschaftsdienstgraden, die im Laufe der letzten zehn Jahre zusammengeschrumpft waren, wieder an, größer und tiefer zu werden. Obwohl ihr Kompaniechef ein im Grunde ganz netter, dummer Lieutenant war, saß er aus der Sicht seiner Rekruten zur rechten Hand Gottes; und der Bataillonskommandant war natürlich Gottvater höchstpersönlich.
Gunnery Sergeant Pappas und die anderen Angehörigen des Unteroffizierskorps leisteten dieser Einstellung durchaus Vorschub; es wurde immer schwieriger, unter den Auszubildenden Zucht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Nicht nur wegen der Notwendigkeit, grundlegend neue Techniken zu lernen, sondern auch, weil die der Erde immer näher rückende Drohung auf jeder Ebene Wellenbewegungen und Störungen auslöste. Der Eingreiftruppe anzugehören brachte zwar hohes Prestige mit sich, aber nicht zu wissen, wo man schließlich eingesetzt werden würde und im Gegensatz zu den Gardetruppen auch nicht zu wissen, dass man für die unmittelbare Verteidigung von Heim und Familie eingesetzt werden würde, hatte in den Ausbildungskompanien der Strike-Truppe schon zu einer ganzen Anzahl von Desertionen geführt.
Das war etwas, womit das Militär der Vereinigten Staaten seit Jahren nicht mehr zu tun gehabt hatte. Pappas waren Gerüchte zu Ohren gekommen, dass es bei den regulären Einheiten, also denjenigen, die man bereits für den Einsatz vorgesehen hatte, noch wesentlich schlimmer war. Immer wieder kam es vor, dass Soldaten desertierten, Waffen und Gerät mitnahmen und nach Hause zurückkehrten, um ihre Familien zu verteidigen. Die Familien pflegten sie dann mitsamt ihren gestohlenen Waffen vor den Behörden zu verstecken. Eine nachhaltige Lösung für dieses Problem kannte niemand.
Und deshalb war es eine schlichte Notwendigkeit, aus diesem liebenswürdigen Kretin eine würdevolle Marionette zu machen. Manchmal konnte ein Wunder jener seltsamen Kunst, die sich Führungstalent nannte, ein einfaches Schulterklopfen etwa oder ein strenger Blick des nur selten sichtbaren Kompaniekommandanten, einen Rekruten davon abhalten, einfach abzuhauen. Und sobald sie ihre Grundausbildung beendet hatten, konnte ja jemand anderer sich mit diesem Problem herumschlagen.
»Gunny«, fuhr der Lieutenant fort, als der hünenhafte Pappas sich vorsichtig auf dem zerbrechlich wirkenden Drehstuhl niederließ, »es hat schon wieder neue Anweisungen gegeben. Jetzt wollen die sämtliche Einheiten gleich nach Abschluss ihrer Grundausbildung als komplette Einheiten an ihre endgültigen Standorte schicken. Sie werden dort die individuelle Ausbildung und auch die in der Einheit abschließen. Und dorthin werden die Anzüge geliefert.«
»Okay, Sir, ich werde es den Leuten sagen.« Pappas wartete geduldig. Manchmal musste der Kompaniechef ein paar Augenblicke nachdenken, um sich daran zu erinnern, was als Nächstes zu erledigen war. Diesmal schien er sich allerdings Notizen gemacht zu haben.
»Ja, nun, und außerdem«, fuhr er fort, schniefte und warf einen Blick auf seine Notizen, »sollen bei uns allen Kader ausgehoben werden. Sie ganz persönlich sollen als First Sergeant zu einer ehemaligen Luft-Lande-Einheit versetzt werden, die in eine Gepanzerte-Kampfanzug-Einheit umgewandelt werden soll.
Sie gehen mit Ihrem Platoon nach Indiantown Gap und beenden dort die Ausbildung. Das wird dann Ihr endgültiger Standort sein. Ich nehme an, dass weitere Truppen dazustoßen werden.«
Scheiße. Dieses Platoon?, dachte Pappas und ließ die Typen, deren Vorgesetzter er in diesem Augenblick geworden war, kurz an seinem inneren Auge vorbeiziehen. »Ja, Sir. Bleiben Sie weiterhin unser Kompaniechef?« Nein, nein, nein, nein, nein, nein!
»Nein, man hat festgelegt, dass ich hier weiter benötigt werde, verdammt. Weiß der Himmel, wann ich zu einem Kampfeinsatz komme«, sagte der stattlich gebaute Offizier und zupfte dabei nervös an seiner Uniform.
Nie, solange der Bataillonskommandant etwas zu sagen hat. »Ist das dann alles?«
»Nicht ganz. Das Ausbildungskommando der Bodenstreitkräfte hat entschieden, dass der Ausbildungszyklus abgekürzt werden soll, er wird also bereits in zwei Wochen statt in vier zu Ende sein, und die Abschlusstests sind gestrichen worden. Die Einheit wird nächste Woche damit beginnen, den Stützpunkt zu verlassen, und Sie werden mit ihnen gehen. Transportmittel werden bereitgestellt, aber man weiß noch nicht, wann Sie den Rest Ihres Unteroffizierskaders bekommen. Ihre Offiziere sollten Sie natürlich bereits an Ihrem neuen Standort erwarten.«
»Ja, Sir, ich verstehe«, sagte Pappas und knüpfte finstere Vermutungen an die Formulierungen ›sollten‹ und ›natürlich‹. »Bekommen wir bald unseren Marschbefehl?«
»Also, im Augenblick gebe ich mündliche Befehle aus, um Ihr Platoon und die Kompanie als Ganzes zum Abmarsch vorzubereiten. Besprechen Sie die Einzelheiten mit dem First Sergeant.«
»Ja, Sir.«
»Wegtreten.«