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Fort McPherson, Georgia, Sol III

18. März 2006

»Ladies and Gentlemen, ich bin Admiral Daniel Cleeburn. Und für diejenigen unter Ihnen, die mich nicht kennen: Ich bin Einsatzleiter der Marine.« Das abhörsichere Auditorium war etwa zur Hälfte mit einer Mischung aus uniformierten Soldaten und Zivilpersonal vorwiegend männlichen Geschlechts gefüllt. So wie die meisten Zivilisten aussahen vermutete Mike, dass sie früher einmal Blau oder Grün getragen hatten. Offenbar war General Horner nicht der einzige hohe Offizier, der sich ehemalige Untergebene herangeholt hatte.

»Ich bin dazu ausgewählt worden, diesen Vortrag zu halten, um allen klar zu machen, von welcher Tragweite diese Information ist, und weil ich leichter untertauchen konnte als die anderen Stabschefs. Soweit es die Öffentlichkeit angeht, befinde ich mich augenblicklich auf einem Segeltörn bei den Bahamas.

Wie in Ihren Einverständniserklärungen vorgesehen, sollten inzwischen alle hier Anwesenden mit den nächsten Angehörigen Verbindung aufgenommen und diese darüber informiert haben, dass Sie sich bereit erklärt haben, auf einen Zeitraum von zwei bis vier Monaten dieses Gelände nicht zu verlassen. Sie arbeiten mit einem ehemaligen Kollegen an einem Geheimprojekt und werden bald wieder zu Hause sein. Bitte bemühen Sie sich, bei künftigen Kontakten mit Ihren Angehörigen den dramatischen Charakter dieser Situation so weit nur irgendwie möglich herunterzuspielen. Die Presse wird ohne jeden Zweifel Wind davon bekommen, dass es ein Projekt gibt, welches eine Anzahl Zivilisten schanghait hat, aber je länger es uns gelingt, den eigentlichen Kern der Information geheim zu halten, desto besser ist das für unser Land und die ganze Welt. Wir ziehen es vor, diese Information zeitlich abgestimmt mit anderen Ländern freizugeben und dies in einer Art und Weise, um … unkontrollierte Reaktionen möglichst gering zu halten.

Meine Frau wird immer wütend, wenn ich ihr mit ›Das-ist-die-gute-und-das-ist-die-schlechte-Nachricht‹ komme, aber trotzdem: Die gute Nachricht ist, jedenfalls für die Science-Fiction-Fans unter Ihnen, dass ein erster Kontakt mit einer freundlich gesinnten Spezies von Aliens hergestellt worden ist.«

Er wartete, bis die Reaktion auf diese Mitteilung verstummt war. Die meisten Anwesenden hatten sich natürlich ihre eigenen Gedanken gemacht und zumindest diesen Teil der Lösung des Rätsels geahnt; einige wenige hatten auch den Rest erraten. Jetzt war der Augenblick für den zweiten Teil der Botschaft.

»Die schlechte Nachricht: Die Aliens stecken mitten in einem mehrere Planeten umfassenden Krieg.«

Diesmal wollte sich das erregte Stimmengewirr nicht legen, bis er schließlich beide Hände hob.

»Bitte, es gibt eine ganze Menge zu besprechen, und wir haben nicht viel Zeit, deshalb mache ich es kurz und schmerzhaft. Ich möchte, dass jeder von Ihnen eine klare Vorstellung von unseren Zielen bekommt und auch von den Umständen, die unsere Handlungsfähigkeit beeinträchtigen. Sie werden alle Informationsmaterial bekommen«, dabei deutete er auf eine Anzahl von Offizieren, die gerade in den Gängen unterwegs waren und Aktendeckel verteilten, »und wir werden Aliens als Berater haben«, wieder kam Unruhe auf, »und auch deren fortschrittliche Technik«, die Unruhe steigerte sich, »um daraus Nutzen zu ziehen. Ruhe, bitte! Wir haben dafür keine Zeit, Leute.«

Er griff nach einem vor ihm liegenden Blatt. »Zuerst ein paar Hintergrundinformationen. Seit rund hunderttausend Jahren gibt es eine politische Institution, die wir in der Übersetzung vereinfachend als eine Föderation bezeichnen wollen, die die Planeten im weiteren Umfeld unserer Erde kontrolliert. So wie es aussieht sind das ausschließlich friedliche Rassen, weil sämtliche kriegerischen Rassen sich bereits selbst vernichtet hatten, ehe sie die interstellare Raumfahrt entwickeln konnten. Für die Science-Fiction-Fans unter Ihnen«, er grinste, »die sich den Kopf über die ›Drake-Gleichung‹ zerbrochen haben, was immer das auch sein mag, diese Aliens sind der Grund, weshalb wir keine Post bekommen haben. Bis jetzt jedenfalls.

Vor etwa hundertfünfzig bis hundertfünfundsiebzig Jahren kam es an der Peripherie der Föderation zur Invasion einer neuen Rasse, die sich die Posleen nennt. Diese Spezies ist so ziemlich das Widerwärtigste und Gemeinste, was Ihr SF-Leute euch je ausgedacht habt. Das Informationsmaterial enthält einige grundlegende Informationen über sie, weitere Details werden im Netz des Planungsteams veröffentlicht werden. Es handelt sich um vierbeinige Eier legende Allesfresser, die ungefähr wie Zentauren aussehen. Ihr technischer Stand entspricht ungefähr dem der Föderation, aber allem Anschein nach setzen sie ihre Technologie nicht sehr effizient ein.

Da nun aber die Rassen der Föderation einen Zustand völliger Gewaltlosigkeit erreicht haben, besitzen sie nicht einmal historische Erinnerungen an irgendwelche Konflikte. Darüber hinaus fällt es ihnen sogar schwer, Gewalt anzuwenden oder auch nur darüber zu sprechen, und das, obwohl sie sich seit beinahe zwei Jahrhunderten im Krieg befinden. Sie verfügen lediglich über zwei Rassen, die fähig sind sozusagen ›einen Abzug zu betätigen‹, und auch diese Rassen haben damit gewisse Probleme. Und wegen dieser Probleme war es ihnen nicht möglich, das Vorrücken des Feindes aufzuhalten. Sie haben versucht, künstlich intelligente Geräte zu schaffen – Kampfroboter mit eigenem Willen –, um sich des Problems anzunehmen, aber als dann die Roboter selbst versucht haben, die Macht zu ergreifen, hat man das Experiment eingestellt und weitere Bemühungen in diese Richtung verboten und unter Strafe gestellt.«

Abgesehen vom Rascheln etlicher Papiere herrschte jetzt völlige Stille in dem großen Saal, dessen Insassen mit ernster Miene in den ihnen übergebenen Unterlagen blätterten. Mike musste lächeln, als er die Gliederung sah. Das Dokument war in einzelne Abschnitte aufgeteilt: Einleitung, Bedrohung, Freundliche Kräfte, Einsatzziel und Anhang. Er hatte noch nie ein so knapp gehaltenes und so gut organisiertes Dokument wie dieses in Händen gehalten.

»Die wichtigste freundliche Rasse, die an dem Konflikt beteiligt ist, die Himmit, sind Feiglinge. Das ist keine Beleidigung, das ist einfach ihre Wesensart. Wenn sie glauben, dass man sie entdeckt hat, oder das auch nur vermuten, brechen sie den Kontakt ab. Die andere Rasse, die, mit der wir bisher den meisten Kontakt hatten, die Darhel, können als Individuum immer nur einmal schießen. Dann werden sie allein infolge der Tatsache, dass sie ein Leben ausgelöscht haben, zu einer Art Automat. Die beiden anderen Rassen, die Indowy und die Tchpth, sind so völlig gewaltlos strukturiert, dass sie überhaupt nicht die Fähigkeit besitzen, Gewalt anzuwenden.« Mike überblätterte den Abschnitt, der sich mit der Bedrohung befasste, und überflog die Information über die ersten Aliens, die der Menschheit je begegnet waren. Was auch immer in den nächsten paar Monaten geschah, diese Konferenz würde interessant werden.

»Die Galakter haben also im Grunde die KIs ans Steuer gelassen, drücken einen Knopf, verlieren damit automatisch den, der den Knopf gedrückt hat, und hoffen, dass alles gut geht.

Nur dass bis jetzt noch nichts – aber auch gar nichts – gut gegangen ist. Sie haben über siebzig Welten verloren, und die Verlustrate nimmt zu. Zwar hatten sie ein paar wirklich äußerst bescheidene Erfolge im Weltraum, aber im Bodenkampf sind sie völlig verloren.

Allem Anschein nach gibt es bei ihnen eine Gruppierung, die praktisch schon während der ganzen Dauer des Krieges den Wunsch hatte, sich der Hilfe von Menschen zu bedienen. Diese Gruppierung hatte vor, Menschen nicht nur als Kämpfer, sondern auch für die Entwicklung von Waffen und Taktiken einzuschalten. Weil die Föderation selbst keinerlei Erfahrung im Krieg hat, hat sie sich in diesem Bereichen bemüht, den Feind zu kopieren, aber der ist weder im einen noch im anderen Bereich besonders leistungsfähig. Sie, also die Posleen, haben einen denkenden Anführer, der etwa vierhundert ›Soldaten‹ kontrolliert, die nicht viel intelligenter als Schimpansen sind. Ihre Waffen besitzen keine Zielvorrichtungen, sie sind also darauf angewiesen, in Salven zu feuern, so ähnlich wie die Breitseiten zur Zeit Napoleons. Und aus einer echten Kriegsperspektive sind ihre Schiffe geradezu lächerlich.

Da der Föderation nichts anderes zur Verfügung stand, setzten sie ihrerseits einen Tank ein, der im Bodenkampf eine Art breit streuende Energiemine verfeuert. Ihre ›Kriegsschiffe‹ sind umgebaute Frachter.« Er schnaubte angewidert und ließ seinen Blick zu der Gruppe schwarzer Uniformen im Auditorium schweifen. »Ich glaube, wir werden uns da etwas Besseres einfallen lassen, und die Staatschefs der führenden Industrienationen der Welt glauben das auch. Und Sie, Ladies and Gentlemen, müssen das sogar, um es noch genauer zu sagen, sonst sind Sie nämlich Ihr Offizierspatent los.« An ein paar Stellen wurde gelacht, die meisten Zuhörer hörten allerdings nur halb hin und blätterten in ihren Unterlagen.

»Sinn und Zweck dieser Konferenz ist es deshalb, dass jedes Team festlegt, welche Art von Waffen und Taktik Ihr Land am besten in diesem Krieg einsetzen kann.

Und jetzt weitere schlechte Nachrichten. Das Oberkommando, also ich und einige meiner Kollegen, müssen noch ein paar Dinge ins Reine bringen. Davon abgesehen gibt es da auch gewisse politische Probleme und Budgetzwänge, die das Militär der Föderation belasten. Aus diesem Grund wird der größte Teil der Navy, der Air Force, der Marines und die Eliteeinheiten der Army in den Streitkräften der Föderation aufgehen.« Nach diesen Worten wurde es im Saal wieder lauter, und Cleeburn brauchte eine Weile, um sich Ruhe zu verschaffen.

»In einigen Fällen werden wir mit den Militärstreitkräften anderer Länder zusammenarbeiten, die vor ähnlichen Problemen stehen, besonders die Streitkräfte unserer Alliierten. Über die endgültigen Pläne für Raumschiffe, Shuttles und Raumjäger sowie sonstige Belange, die in Bezug zur Föderationsflotte stehen, wird in einem gemeinsamen Ausschuss entschieden werden müssen. Da Amerika andererseits in diesen Bereichen eine so dominante Stellung einnimmt, werden wir die Führungsposition im Ausschuss besetzen. Damit keine Unklarheiten entstehen: Die Leute, die die Konzepte für Kriegsschiffe und Infanteriestreitkräfte entwickeln werden, sollten das besser gleich beim ersten Mal richtig machen. Für Korrekturen haben wir nämlich nicht sehr viel Zeit. Wir werden also mit dem Gerät und den Taktiken, die Sie sich ausdenken, um unser Leben kämpfen müssen. Denn jetzt kommt die letzte schlechte Nachricht:

Der Grund, weshalb die Föderation bis jetzt auf einen Kontakt zu uns verzichtet hat, liegt auf der Hand: Sie haben Sorge, den Teufel gegen Beelzebub zu vertauschen. Aber es ist auch klar, dass diese Gruppierung die Genehmigung erhalten hat, uns in Dienst zu stellen.

Grund dafür ist, dass sie eine Schlappe nach der anderen einstecken und schließlich keine andere Wahl mehr hatten. Wir sind der nächste Planet auf der Marschroute der Posleen. Nach Aussage der Galakter sind vier oder fünf große Wellen von Invasionstruppen Richtung Erde in Marsch gesetzt. Die erste wird in nicht einmal fünf Jahren hier eintreffen.«