33
Unser Bier tranken wir in einer Taverne namens Doc of the Bay anderthalb Blocks westlich vom Café Moghul. Ich war noch nie da gewesen, doch der Barmann begrüßte Milo wie einen alten Freund. Ich dachte immer, ich würde alle seine Lieblingskneipen kennen. Aber man lernt nie aus.
Der Weg dorthin war interessant. Milo überquerte den Santa Monica Boulevard und ging erst einmal an der Kneipe vorbei, um dann umzukehren.
»Wozu die Schleife?«, erkundigte ich mich.
Er deutete auf das indische Restaurant. »Ich möchte ihre Gefühle nicht verletzen.«
»Ihr zwei habt also was Festes?«
»Hey. Berühmt zu sein bringt gewisse Verpflichtungen mit sich.«
»Weißt du, wie sie heißt?«
»Muss der Bär im Zoo irgendwas über seinen Pfleger wissen, solange der ihm regelmäßig was zu fressen hinwirft?«
»Wenn er schlau ist, brüllt er ihn nicht an.«
»So ist es.«
Die Bar war klein und muffig. Die Wände hingen voll mit Sporttrikots in Plastikschachteln; im Zentrum der Ausstellung prangte ein weißer Arztkittel.
»Was für ein Doc?«
»Was denkst du denn? Doc med natürlich. Der Inhaber ist ein Knochenspieler namens Schwartz und hat früher als Teamarzt für die Rams gearbeitet.«
»Die Los Angeles Rams – die sind ja längst Geschichte.«
»Genauso wie Schwartz.«
Eine rundliche junge Kellnerin näherte sich. »Das Übliche, Lieutenant?«
»Danke, Samantha.«
»Und für Sie, Sir?«
»Was ist denn das Übliche?«
»Carlsberg Elephant, runtergespült mit Miller Lite.«
»Haben Sie Sam Adams?«
»Manchmal«, erwiderte sie. »Wenn wir es nicht dahaben, bringe ich Ihnen was anderes.«
Das Bier kam, zusammen mit Wasabi-Erbsen und Käsekrackern, die aussahen wie platte Mini-Basketbälle. Einen großen Schluck und einen Mundvoll Kohlehydrate später sagte Milo: »Was hältst du davon, wenn ich mich noch mal mit Corey unterhalte?«
»Finde ich gut, aber ich würde nicht mit der Tür ins Haus fallen.«
»Wie, so tun, als wäre nichts?«
»Bleib cool, sachlich, bring seine Töchter ins Gespräch.«
»Wie?«
»Du seist ein wenig irritiert, weil sie offenbar verreist seien, ob er dir helfen könne, sie ausfindig zu machen. Er wird lügen, aber vielleicht verrät er sich dabei.«
»Wie viel soll ich über Ursula sagen?«
»Du würdest es inzwischen für möglich halten, dass jemand aus dem Gebäude beteiligt war. Ob er sich das vorstellen könne. Danach kannst du ja sehen, ob er versucht, Williams zu erreichen. Wobei es keinen Sinn hat, seine Telefone zu beschlagnahmen, weil sie beide Prepaid-Handys benutzen werden. Aber vielleicht hast du Glück, und sie treffen sich. Auf jeden Fall solltest du ihn im Auge behalten.«
Er leerte das Elephant und stieß eine große Wolke Bieratem aus.
»Wie viel Alkohol ist da drin?«, fragte ich.
»Sieben Komma zwei, weniger als in Wein.« Er hob die Flasche. »Das ist so etwas wie der Chardonnay der Arbeiterklasse.«
Er öffnete seinen Gürtel. »Zeit für die Nachspeise«, verkündete er und wandte sich dem Leichtbier zu.
»Wann willst du Corey den nächsten Besuch abstatten?«, fragte ich.
»Heute Abend, sobald sich der Feierabendverkehr beruhigt hat, zwischen halb acht und acht.«
»Bis dahin sollten wir versuchen, Cousine Flora zu interviewen. Vielleicht bekommst du aus ihr etwas heraus, das dir hilft, Williams zu finden.«
»Du meinst, sein psychologisches Profil?«
»Das auch«, sagte ich. »Aber ich dachte eher an die letzte bekannte Adresse.«
Zurück nach Century City. Es würde sich allmählich lohnen, dort einen Dauerparkplatz zu mieten.
Um 17.32 Uhr standen wir vor Flora Sullivans Kanzlei. Die Tafel mit den Namen der Partner nahm einen Meter der schwarzen Granitwand in Anspruch. Durch alle drei Glastüren strömten Anwälte und Mitarbeiter in den Feierabend.
Die Tafel wies jedem Namen ein N, E oder W zu. Sullivans Name war mit einem W versehen. Die Frau am Empfang von »W« war dick, weißhaarig und herrisch und verbarrikadierte sich hinter ihrer Theke. Der erste Hinweis darauf, dass sie sich selbst viel zu wichtig nahm, war ein klobiges Namensschild aus Nussholz mit goldfarbenen Lettern: ROSE MARIE GRUHNER.
Der zweite, dass sie uns vollkommen ignorierte.
Milo wartete, bis der Verkehr etwas nachließ, stellte sich dann vor mit »Los Angeles Police Department«, ohne genauer zu werden, und fragte nach Flora Sullivan.
Rose Marie Gruhner ließ Schlüssel in ihre Tasche fallen. »Sie ist beschäftigt.«
»Wie lange noch, Ma’am?«
»So lange sie will.«
»Ich bin von der …«
»Das habe ich beim ersten Mal schon verstanden«, erklärte Gruhner. »Ändert aber nichts.«
Er trat näher an die Theke heran und blieb schweigend dort stehen, bis sie irgendwann doch aufsah. »Sir. Wir haben ständig Polizei hier, die Regeln sind immer gleich. Ohne Termin geht gar nichts.«
»Ständig Polizei?«
»Ziemlich oft«, sagte Gruhner. »Das ist hier eine Kanzlei für Immobilienrecht, da gehen ständig Klagen und Gegenklagen ein.«
»Und die Zusteller der Klagen versuchen, sich hereinzumogeln«, sagte ich.
»Einschließlich Marshalls in Uniform, Sir. Ich sage denen das Gleiche, was ich Ihnen gerade gesagt habe: Ohne Termin kommt hier niemand rein. Wir hätten das reinste Chaos.«
»Ich bin Detective, Ma’am, ich stelle keine Klage zu.«
»Ich mache die Regeln nicht, Sir, ich wende sie nur an.«
»Sagen Sie Ms Sullivan, dass Leon Bonelli uns geschickt hat«, sagte ich.
»Ich werde ihr nichts dergleichen sagen, weil sie mir ausdrücklich …«
»Glauben Sie mir«, sagte ich. »Das wird sie interessieren. Leon Bonelli.« Ich buchstabierte.
»Das klingt verdächtig nach einer Finte.«
»Es ist durchaus keine Finte.«
»Ach, was soll’s.« Sie wählte eine Kurzwahlnummer und gab die Information durch. Dann färbte sich ihr Gesicht rot. »Sie ist alles andere als angetan. Sie können reingehen.«
Als wir an ihr vorbeigingen, rief sie uns nach: »Wollen Sie denn nicht wissen, wo es lang geht?«
Wir brauchten keine Wegbeschreibung, denn Flora Sullivan erwartete uns mitten im Flur mit verschränkten Armen. Genau die gleiche Haltung wie Grant Fellinger. Vielleicht bekam man das im Jurastudium beigebracht.
Sie trug einen schwarzen Bleistiftrock und eine weiße Seidenbluse mit Bubikragen. Ihre Absätze brachten sie mit den NBA-Basketballern auf Augenhöhe. Ihre dunklen Locken hatte sie streng aus dem Gesicht gekämmt. An einer Kette um ihren langen Hals baumelte eine Brille mit Silberrand.
Die Ähnlichkeit mit Jens Williams war nicht zu übersehen.
Mit ausdrucksloser Miene sah sie uns entgegen. Der Flur war länger als der von Fellinger und gesäumt von abstrakten Drucken in Pastell. Aus verborgenen Lautsprechern klang eine weichgespülte Instrumentalversion von »Eleanor Rigby«. Eigentlich ein gruseliger Song.
Als wir uns bis auf ein paar Meter genähert hatten, legte Flora Sullivan los wie ein Rodeopferd, das aus dem Pferch gelassen wird, und stakste auf ihren dürren Beinen auf uns zu, lachsrosa Flecken im Gesicht. Ein Flamingo, der zu viel rosa Plankton zu sich genommen hatte.
Sie baute sich vor uns auf. »Was glauben Sie, wer Sie sind, dass Sie persönliche Informationen vor meinen Mitarbeitern ausposaunen?«
»Ms Sullivan, ich bin Lieutenant Milo Sturgis vom Los Angeles Police Department …«
»Das ist keine Antwort.«
»Tut mir leid, Ma’am, aber der Graben war tief, und wir mussten die Zugbrücke senken.«
Flora Sullivan zwinkerte. Ihre Augen waren groß und dunkelblau. Ihr Mund, der auf dem Foto so mickrig ausgesehen hatte, war blutrot geglosst. Sie war alles andere als schön, doch Präsenz konnte man ihr nicht absprechen.
»Ich interessiere mich nicht für mittelalterliche Baukunst, Officer XY. Sie werden mir jetzt eine Frage beantworten: Was gibt Ihnen das Recht, sich mit dem Namen eines lieben Freundes hier Zugang zu verschaffen?«
»Ihr Privatleben interessiert uns nicht, Ms Sullivan. Wir sind hier, um über Ihren Cousin John Jensen Williams zu sprechen.«
»Jens? Wieso denn das? Er ist ein entfernter Cousin, ich kenne ihn kaum.«
»Sie kannten ihn gut genug, um ihm eine Stelle in diesem Gebäude zu besorgen.«
»Ich habe ihm einen Gefallen getan … ach so, das. Man hat mir versichert, dass die Angelegenheit geregelt wird, sobald JJ entlassen ist.«
»Hier geht es um Mord«, sagte Milo.
»Was?«, kreischte sie. Als es hinter ihr laut wurde, schwieg sie abrupt. Eine Gruppe gut gekleideter Leute mit abgespannten Gesichtern bog um eine Ecke und kam auf uns zu. Einer der Männer winkte mit dem Finger. »Hi, Flo.«
»Hallo, Mark.«
Das Grüppchen ging vorbei und warf uns neugierige Blicke über die Schulter zu.
»Scheiße. Gehen wir in mein Büro«, sagte Flora Sullivan.
Was Größe und Schnitt anging, war ihr Büro dem von Fellinger sehr ähnlich, nur die Möbel waren heller und pastelliger. Nur zwei Fotos, beide zeigten Sullivan und ihren Mann, Porträts, die von seiner Behinderung nichts verrieten.
Sie faltete ihre lange Gestalt hinter ihren Schreibtisch. »Ehe ich noch mehr Unsinn über Mord höre, will ich eine klare Antwort von Ihnen: Was hat Mr Bonelli mit Ihrer Angelegenheit zu tun?«
»Nichts«, erwiderte Milo.
»Sie haben gelogen, um sich hier hereinzumogeln. Ist das ordentliche Polizeiarbeit?«
»Ms Gruhner stellte ein gewisses Hindernis dar.«
»Ms Gruhner macht ihre Sache bestens. Ohne sie wäre das hier ein Tollhaus.« Sullivan hob die Brillenkette über den Kopf und legte die Brille auf den Schreibtisch. »Ihre Antwort reicht mir nicht. Was interessiert Sie an Mr Bonelli?«
»Nur, dass er ein Freund von Ihnen ist.«
Einige der lachsrosa Flecken verdunkelten sich zu Karminrot. »Er ist ein lieber Bekannter aus Studientagen. Und weiter?«
»Als wir Sie gegoogelt haben, tauchte Mr Bonellis Name häufig neben Ihrem auf, im Zusammenhang mit Wohltätigkeitsveranstaltungen, solche Dinge. Wir müssen wirklich mit Ihnen sprechen, deshalb haben wir zu solchen Maßnahmen gegriffen. Entschuldigen Sie das bitte.«
Er öffnete ihr eine Tür; sie musste das Streitgespräch nicht fortsetzen.
Sie zielte mit dem Finger auf uns. »Warum spionieren Sie mir nach? Und wehe, Sie drücken sich vor einer ehrlichen Antwort.«
Grundkurs Prozessführung: Beherrschen Sie die Situation.
»Wir sind hier«, begann Milo, »weil Sie J. J. Williams’ einzige Verwandte vor Ort sind und er unter Umständen in mehrere Mordfälle verwickelt ist.«
»Lächerlich.« Sullivan lachte, bis sie schnaubte. Mir drängte sich der Vergleich mit einem Pferd auf. »Sie verschwenden Ihre Zeit und was noch schlimmer ist, Sie verschwenden meine.« Sie stand auf. »Bitte verlassen Sie jetzt meine Räume.«
»Wir müssen Mr Williams finden …«
»Da kann ich Ihnen leider nicht behilflich sein.«
»Sie kennen ihn gut genug, um ihn zu empfehlen …«
»Ich wollte nett sein! Und was hat es mir gebracht? Fragen Sie doch die Kollegen, die ihn eingestellt haben.«
»Die Adresse, die er Mr Fellinger gegeben hat, war erfunden.«
Sullivan zwinkerte. »Tatsächlich.«
»Tatsächlich. Wo können wir ihn finden, Ma’am?«
»Ich habe absolut keine Ahnung.«
»Obwohl …«
»Er ist ein entfernter Verwandter, dem ich zu einem Job verholfen habe. Das würde ich auch für jeden Fremden tun, solange er qualifiziert ist.«
»Mr Williams Qualifikation war …«
»Er war in Yale.«
»Sie standen ihm nahe genug, um das zu wissen«, sagte ich.
Sie funkelte mich an. »Das war nicht gerade ein Familiengeheimnis.«
»JJ galt in der Familie als intelligent.«
»Intelligent genug …« Sie sprach mit tiefer Stimme, um Autorität bemüht, doch dann vermasselte sie alles, indem sie blinzelnd den Blick senkte und anfing, mit ihrer Brille zu spielen.
»Er hat Ihnen erzählt, er habe sein Studium in Yale abgeschlossen«, sagte ich.
»Ja und?«
»In Wahrheit ist er nach einem Jahr abgegangen.«
Sie schnippte mit einem schimmernden roten Fingernagel gegen die obere Ecke ihres Hochzeitsfotos. »Offensichtlich bin ich nicht in seine Lebensgeschichte eingeweiht. Ich hatte ihn seit Langem nicht mehr gesehen.«
»Er hat Sie angerufen, als er in Los Angeles ankam?«
»Er rief aus heiterem Himmel an und erzählte mir, dass er nach Los Angeles ziehen wolle. Wir hatten uns seit Jahren nicht mehr gesprochen. Sind Sie sicher, dass er Yale abgebrochen hat?«
»Absolut«, sagte Milo.
»Hm«, meinte Sullivan. »Tja, das ist schade, aber das konnte ich wirklich nicht wissen. Wenn meine Mutter noch ihre Sinne beisammenhätte, würde sie es wahrscheinlich wissen. Sie und JJs Mutter sind zusammen aufgewachsen und standen sich sehr nahe, eher wie Freundinnen. Leticia – das war seine Mutter – ist schon vor Jahren gestorben, und meine Mutter ist geistig nur noch ein Schatten ihrer selbst. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden …«
»JJ hat also aus heiterem Himmel angerufen und gesagt, er braucht einen Job.«
»Er hat mich gefragt, ob irgendwo ein Anwaltsassistent oder etwas Ähnliches gesucht würde. Ich hatte gerade zufällig mit Fellinger gesprochen, der mir erzählt hatte, dass er jemanden sucht. Da dachte ich, das passt doch perfekt.«
»Weil JJ intelligent war.«
»Intelligent und erfahren«, sagte sie. »Er hat bei Skadden in New York gearbeitet, das ist ein Big Player.«
Milo und ich schwiegen.
Flora Sullivan spielte mit ihrer Brille. »Hat er darüber auch gelogen?«
»Wir werden uns das noch genauer ansehen«, sagte Milo. »Aber ich denke schon.«
Sie seufzte. »Was für ein Schlamassel. Aber Mord? Das hat mit der Familie nichts zu tun. Überhaupt nichts.«
»Sie haben also keine Idee, wo er sich aufhalten könnte.«
Sie schüttelte den Kopf. »Als er zum ersten Mal anrief, habe ich ihn gefragt, wo er wohnt. Er meinte, er habe noch nichts Dauerhaftes gefunden, aber er würde mir Bescheid geben. Was er dann nie getan hat.«
»Und Sie haben nie nachgefragt.«
»Es gab keinen Grund nachzufragen. Unser Deal beschränkte sich auf dieses einzige Telefonat. Ich habe versucht, nett zu sein, und angeboten, dass wir uns mal treffen könnten, sobald er eine feste Bleibe hat, aber er hat sich nie gemeldet. Nachdem Sie schon herumgestochert haben, wissen Sie ja, dass meine sozialen Kontakte eher eingeschränkt sind.«
»Nichts, das uns bekannt wäre.«
Sullivans Blick war lang, durchdringend und erbost. »Nun ja, ich nehme Sie beim Wort. Hin und wieder ein Wohltätigkeitsball, ja, ab und zu eine Runde Golf. Ansonsten konzentriere ich mich voll auf meinen Mann. Er ist querschnittsgelähmt. Ein betrunkener Fahrer.«
»Das tut mir leid, Ma’am …«
»Was vorbei ist, ist vorbei. Man kämpft sich weiter durch.« Sie lehnte sich zurück. »Aber jetzt lassen Sie uns das hier bitte beenden. Es war ein langer Tag.«
»Wir lassen Sie sofort in Ruhe. Haben Sie eine Telefonnummer von JJ?«
»Ich sagte Ihnen doch … Moment, wissen Sie was, vielleicht habe ich doch eine. Nur, weil ich zwanghaft bin und jeden Anruf notiere.«
Sie nahm ein iPad zur Hand, wischte über den Bildschirm und las sieben Ziffern ab.
»Das ist dieselbe, die er Fellinger auch gegeben hat. Die ist ungültig.«
»Oh. Dann haben Sie wohl Pech, fürchte ich.«
»Nachdem Sie im selben Gebäude gearbeitet haben, müssen Sie sich doch gelegentlich gesehen haben.«
»Nicht so oft, wie Sie vielleicht denken«, sagte Sullivan. »In den letzten paar Monaten sind wir uns maximal vier bis fünf Mal über den Weg gelaufen. Immer am Aufzug, wo auch sonst treffen sich Menschen in einem Bürogebäude? Wir haben uns freundlich gegrüßt, aber man unterhält sich ja nicht, wenn man mit lauter Fremden in einer kleinen Kabine eingezwängt ist. Nun, wenn Sie jetzt …«
»Ihr Vater war in der Luftfahrt tätig«, unterbrach ich sie. »Was hat Jens’ Vater gearbeitet?«
»Spielt das eine Rolle für sein angeblich mörderisches Verhalten? Ich kann das immer noch nicht glauben. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir mehr darüber zu erzählen?«
»Tut mir leid, das darf ich nicht«, sagte Milo.
»Einbahnstraße?«, fragte Flora Sullivan. »Andererseits klar, Sie sind Männer.«
Ich wiederholte die Frage.
»Ich habe beim ersten Mal nicht geantwortet, weil ich nicht weiß, was JJs Vater gemacht hat, und ich wäre nicht überrascht, wenn JJ das auch nicht wüsste, weil das Schwein nämlich Leticia hat sitzen lassen, als JJ ein Baby war. Meine Mutter hat immer davon gesprochen, wie schwer sie es hatte.«
»Keine Geschwister?«
»Nein.«
»Wann ist sie verstorben?«
»Hm … das ist schon eine ganze Weile her, sie war noch gar nicht alt. Herzinfarkt. Sie rauchte und trank, und ihre Ernährung war auch nicht die beste. Sie hat in einem Diner gearbeitet … eine Art Pommesbude, Sie verstehen. Wahrscheinlich hat sie das Zeug gegessen, das dort auf der Karte stand.«
»Sie war Köchin?«, fragte ich.
»Imbissköchin«, sagte sie. »Die arme Leticia hat ihr Leben buchstäblich damit verbracht, am Imbissgrill zu malochen.«