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Kleffer erwartete uns in der Gasse zwischen Beppo Bippo und dem Möbelgeschäft. Mit dem Rücken zu uns rauchte er und stampfte abwechselnd mit den Füßen auf. Eine Hand hatte er an die Wand gelegt und drückte so fest, dass die Sehnen durch die Haut an seinem Arm traten. Kiosk-David gegen die Goliaths dieser Welt. Als er uns entdeckte, streckte er uns sein Handy entgegen. »Hier!«

Das Display zitterte in seiner Hand, ein Miniviereck voller Bewegung und Lärm. Menschen in weißer Kleidung, die mit Messern, Pfannen und Fritteusen hantierten. Dazu Klappern und Zischen.

Kleffer tippte auf das Minivideo. »Sehen Sie?«

»Was?«, fragte Milo.

»Scheiße … sehen Sie … scheiße, jetzt ist es weg, Moment … scheiße, okay, hier bin ich. Mit der Wurst. Und da drüben, im Hintergrund … scheiße, okay … da. Das ist er!«

Er zoomte in eine Ecke des Videos und deutete auf einen großen, dünnen Mann hinter einer Edelstahlarbeitsfläche. Unter seinem Haarnetz quollen dunkle Locken hervor. Eine dickrandige Brille hob sich von der blassen Haut ab, doch Gesichtszüge waren trotz Maximalzoom nicht zu erkennen.

Seine Hände bewegten sich rasch. Schnippel, schnippel.

»Das ist Jens Williams?«, fragte Milo.

»Ja, ja«, bestätigte Kleffer. »Er wurde JJ genannt. Besser passen würde aber Arschloch.«

»Sie haben zusammengearbeitet?«

»In der New Yorker Restaurantszene wechseln die Leute ständig die Anstellung.«

»Welches Restaurant ist das?«

»Nein, nein«, widersprach Kleffer. »Das ist kein Restaurant, das ist eine Show. Mega-Chef

»Eine Fernsehshow?«

»Ja, Gourmet Network hat das produziert. Das war die Pilotsendung, aber es kam dann nicht zur Serie. Ich war im A-Team, weil ich schon für Mr Luong gearbeitet hatte. Der wusste, was ich kann. Arschloch war in Billy Slades Team, er wollte auch Postenkoch sein, durfte dann aber nur zuarbeiten.«

»Was bedeutet …«

»Man schnippelt rohes Gemüse. Heißt, man ist super scheiße.«

»Fleisch ist besser?«

»Proteine?«, sagte Kleffer. »Was meinen Sie denn? Je weiter man vorn steht, umso mehr darf man Proteine umwandeln. Ich habe Kalbsbries bekommen, Mr Luong wusste, was ich daraus machen konnte. Ich habe Würstchen mit Kastaniensoße gemacht, der Jury ging komplett einer ab.«

»Und in der Zwischenzeit musste JJ Salat putzen.«

»Grünkohl. Mangold. Karotten.« Kleffer lachte rau. »Er war so sauer, dass er sich schnitt und die gesamte Mise en place verblutete. Alles war ruiniert, und er wurde mitten in der Show gefeuert. Einfach so! Aber er war eben nur ein Scheißkarottenschnippler. Dass ich derweil meine Kalbsbrieswürstchen mit Kastaniensoße gemacht habe, muss ihn zur Weißglut getrieben haben. Er hat mich gehasst.«

»Wegen der Würstchen.«

»Nicht nur wegen der Würstchen«, sagte Kleffer. »Mein Team hat gewonnen. Und er war ein Scheißloser.«

Milo bat ihn, das Video an seinen Computer und sein Handy zu mailen.

»Sonst noch was, Darius?«

»Ich weiß, er hat Kathy wehgetan, das haben Sie mir am Telefon gesagt.«

»Nicht direkt …«, wandte Milo ein.

»Wenn Sie ihn mir übergeben, werde ich ihm zeigen, wie man mit dem Messer umgeht.«

»Immer langsam, Darius.«

Kleffer rauchte, stampfte auf, schlug gegen die Wand.

»Darius?«

»Ja, ja, ich bin ganz cool.«

»Halten Sie es für möglich, dass Williams Kathy getötet hat, aus Rache, weil Sie beim Kochen besser abgeschnitten haben?«

»Als er die Mise verblutet hat, haben alle darüber geredet, und Billy Slade hat ihn aus dem Inca Grill entlassen. Das Letzte, was ich gehört habe, war, dass er in irgendeinem Schuppen in der Delancey Street Burger gebraten hat.«

Kleffer lachte wieder und drehte eine Hand hin und her. »Brat, dreh, brat, dreh. Schmilzt einem auf Dauer das Hirn raus. Aber das Arschloch verdient es nicht besser, der war von Anfang an ein Arsch, hat sich sogar mit den Guatemalteken angelegt.«

»Die Guatemalteken?«

»Die Küchenhilfen. Die sind im Grund so was wie das Rückgrat einer Küche, man legt sich nicht mit ihnen an. Das Arschloch hat einen davon ins Gesicht geschlagen, weil der ihn angeblich verarscht hätte. Was idiotisch ist. Die Guatemalteken sind Vollprofis. Man kann in einer Küche mit allem Möglichen durchkommen, aber man legt sich nicht mit den Guatemalteken an. Die wissen mehr als alle anderen. Aber das war genau sein Problem, er dachte, er wäre schlauer als die anderen, weil er in Harvard war.«

»Ich dachte, in Yale.«

»Oder das«, sagte Kleffer. »Persische Scheißphilosophie, na und? Kann man dann vielleicht eine Soße kochen? Oder Gewürze kombinieren? Die Küche ist der ultimative Test. Der Arsch hat ihn nicht bestanden. Er mochte mich nie, weil ich immer besser abschnitt, wenn wir irgendwo gegeneinander antraten. Deshalb hat er mir Kathy abspenstig gemacht. Ich weiß, dass er es war.«

Er drückte seine Zigarette aus und zündete sich sofort die nächste an. »Also, ich gehe von New York weg und komme hierher. Und raten Sie mal, wer da plötzlich auf der Matte steht? Ich dachte, das darf ja wohl nicht wahr sein.«

»JJ tauchte im Beppo auf …«

»Nein, nein, in einem Lokal im Valley, Fusion italienisch-japanisch, ich bin da zum Essen, nicht zum Arbeiten. Ich sitze mit Kathy beim Abendessen, alles läuft super zwischen uns, ich denke, nichts kann mehr schiefgehen, alles ist prima. Und dann steht auf einmal er da! Ich sage Hallo, bitte ihn aber nicht, sich zu uns zu setzen. Er setzt sich trotzdem, als wären wir beste Kumpel. Total nett und freundlich, völlig anders als der Arsch, der den Guatemalteken geohrfeigt hat. Was soll ich machen, ihn rauswerfen und vor Kathy wie ein Vollidiot dastehen? Also trinkt er zwei Gläser mit uns, und bald redet er schon mehr mit Kathy als mit mir.«

»Worüber hat er geredet?«, fragte ich.

»Im Grunde hat er nur damit angegeben, wie supertoll er ist. Harv-Yale oder was weiß ich. Dass er früher Koch war, dass die Gastronomie ihre ›Reize‹ hat, dass es nichts Schöneres gibt, als Menschen zu verköstigen, dass er eines Tages den Welthunger bekämpfen will, nur jetzt wolle er erst einmal etwas ganz anderes machen, Zeit für etwas Neues, er sei in die Justiz gegangen. Ich wusste, dass er Scheiße redete, na und? Ich wollte ihn nur loswerden, Kathy mit nach Hause nehmen und … Er verabschiedet sich, wir drücken uns wie beste Freunde, und ich sehe ihn nie wieder.«

Er rauchte gierig. »Ich habe nie wieder daran gedacht, warum auch?«

»Sie haben nie überlegt, dass er der Mann sein könnte, der Ihrer Meinung nach mit Kathy zusammen war?«

»Der Scheißkerl, mit dem sie mich betrogen hat?«, sagte Kleffer. »Warum sollte ich ihn dafür halten? Er ist ein Arschloch.«

»Wie viel Zeit verging von da an, bis Kathy mit Ihnen …«

»Etwa zwei Monate.« Er schüttelte den Kopf. »Sie sagt das einfach so zu mir. Du bist raus, Darius. Dass ein anderer Kerl im Spiel ist, das sagt sie nicht, aber ich weiß es. Das hat mich verdammt noch mal fertiggemacht.« Er klopfte sich auf die Brust. »Wieso sollte ich dabei an ihn denken? Sie meinte, sie wollte Stabilität.«

»Jemand, der für die Justiz arbeitet.«

»Ja, ja, aber das ist bei mir nicht hängen geblieben, weil ich wusste, dass es Blödsinn ist. Ein Arsch, der Gemüse schnippelt, und jetzt will er Anwalt sein?«

»Er sagte, er sei Anwalt?«

»Für die Justiz arbeiten, was soll das wohl sonst heißen? Glauben Sie wirklich, er war es?«

»Wir glauben bislang gar nichts, Darius«, sagte Milo. »Wir sammeln Fakten. Haben Sie sonst noch Informationen, die uns helfen könnten, JJ zu finden?«

»Sie glauben, dass er es war«, beharrte Kleffer.

Milo trat näher an ihn heran. Kleffer stand mit dem Rücken zur Wand. »Darius, ich sage das jetzt nur noch einmal …«

»Okay, okay … nein, ich weiß nicht, wo er ist. Habe in New York nichts mit ihm gemacht und hier auch nicht.«

»Mit wem war er denn in New York zusammen?«

»Mit niemandem, das ist das Problem«, sagte Kleffer. »Nach Feierabend sind wir oft noch was trinken gegangen, die Köche, die Guatemalteken, manchmal auch die Kellner. Wir waren müde, aufgedreht und hungrig und wollten einfach noch ein Bier und ein Sandwich.«

»Williams nicht.«

»Nicht ein einziges Mal.«

»Hatte er Freundinnen in New York?«

»Nein«, sagte Kleffer. »Hoffentlich nicht.« Er wippte auf den Füßen. »Wenn das stimmt, was Sie denken.«

Er kehrte an die Arbeit zurück.

»Einem anderen die Freundin ausspannen, um die mangelnden Kochkünste wettzumachen«, sagte Milo.

»Seine Kochkünste waren nicht gut genug fürs Fernsehen«, ergänzte ich, »aber gut genug für seine sonstigen Interessen. Und Kleffer könnte sich irren, wenn er sagt, dass Williams keine Freundin in New York hatte. Es könnte durchaus ein oder zwei Verbrechen in Manhattan gegeben haben …«

»Ich habe nach ähnlichen Tatorten gesucht.«

»Du weißt so gut wie ich, dass die Datenbank nicht immer alle relevanten Details enthält. In einem Einzelfall spielt doch ein für zwei gedeckter Tisch vielleicht gar keine Rolle. Alles, was man davon ableiten könnte, ist, dass das Opfer den Täter gut gekannt hat. Selbst wenn die Ermittler das interessant fanden, wollten sie die Info vielleicht unter Verschluss halten.«

Er überlegte und holte dann sein Handy hervor. »Sean, wie sieht’s mit Ihrer Verfügbarkeit aus? … Gut. Sie müssen jedes Revier in Manhattan anrufen, und wenn Sie dort nichts erfahren, versuchen Sie es in Brooklyn. Finden Sie heraus, ob es irgendwelche ungelösten Mordfälle gibt, die was mit Candlelight-Dinner zu tun haben. Also nicht nur Lebensmittel am Tatort, sondern ein richtiger gedeckter Tisch … weil wir einen neuen Verdächtigen haben, der dort ein paar Jahre gelebt hat … Fellingers Assistent, Williams, ich erzähle Ihnen später mehr … versuchen Sie es auch in Connecticut, speziell in New Haven.«

Auf dem Weg zurück zur Polizeistation überprüfte er die letzten Kreditkartenbewegungen der Corey-Schwestern. Sie waren noch in Vancouver. Es gab eine Ausgabe: Tampons.

»Sie geben nicht viel aus, also sind sie definitiv bei jemandem untergekommen. Vielleicht hat Ursula Verwandte in Kanada.«

»Schon möglich, aber Richard werde ich gewiss nicht danach fragen. Apropos, wie siehst du die Dinnerszene in Ursulas Haus? Sie war keine von Williams’ Sklavinnen. Sie war ein Auftragsmord.«

»Williams betrachtet sich selbst als Künstler, er signiert seine Werke.«

»Krankes Arschloch«, sagte er. »Und jetzt hat er wahrscheinlich auch noch die Santos … oder hatte sie. Abgesehen von einer Fahndung nach seinem Transporter – falls er den überhaupt noch fährt – kann ich nichts tun, oder?«

»Williams ist weg, doch soweit wir wissen, ist Corey immer noch in seinem Haus in Oxnard. Gib Nguyen die neuen Fakten durch und bring ihn dazu, dass er dir für Corey einen Durchsuchungsbeschluss ausstellt – das mit den Pferden dürfte Grund genug sein. Dann stellst du das Haus auf den Kopf, und vielleicht findest du nicht nur geheime Geldbestände, sondern auch Beweise für seine Verbindung zu Williams. Anschließend nimmst du dir das Lagerhaus in der Innenstadt vor. Sobald du Beweise in der Hand hast, bekommst du auch aus ihm heraus, wo Williams sich aufhält.«

»Vorausgesetzt, er weiß was darüber.«

»Wir können nur mutmaßen. Wenn du nichts findest, kannst du die Wahrheit immer noch aus ihm herausprügeln.«

Er lachte und rief Nguyen an. »Ich mag Pferde auch, aber das reicht leider bei Weitem nicht«, sagte der stellvertretende Bezirksstaatsanwalt.

In der nächsten Stunde tat Milo alles, was zu guter Polizeiarbeit gehörte: Er schrieb Jens Williams’ Transporter und den zehn Jahre alten Lexus, der auf Meredith Santos angemeldet war, zur Fahndung aus und vertiefte sich dann in Behördendokumente.

Die Sozialversicherung lieferte schließlich den Hinweis, dass Williams fast zwei Jahre in Miami gewohnt hatte, ehe er nach New York gegangen war. Milo konnte zurückverfolgen, wo er gearbeitet hatte, nämlich als Büfettkoch in zwei Hotels.

Beide Male hatte er von sich aus gekündigt, keiner der Arbeitgeber hatte irgendetwas Besonderes über ihn zu sagen. Er hatte die ganze Zeit über denselben Wagen gefahren und nicht einmal einen Strafzettel kassiert.

Bei der Polizei in Miami sprach Milo mit einem Lieutenant namens Abel Sorriento und fragte nach Morden mit kulinarischer Note.

»Essen? Hier geht’s immer ums Essen«, sagte Sorriento. »Vor Nightclubs und Restaurants passiert jede Menge Blödsinn, aber meistens ist es ein Volltrottel, der einen anderen umlegt, kein Psychokram wie das, was Sie beschreiben.«

»Okay, danke.«

»Bon appétit.«

Eine Nachfrage bei Sean Binchy ergab nur, dass der junge Mann in keinem der New Yorker Reviere bislang etwas erfahren hatte.

»Da ist so ein generelles Misstrauen zu spüren, selbst wenn man seine Markennummer durchgibt. Ein paar Mal haben die mich tatsächlich zurückgerufen, um meine Identität zu überprüfen.«

»Überpopulation, Sean.«

»Wie bitte, Sir?«

»Leben in der Großstadt«, sagte Milo. »Steckt man zu viele Ratten in einen kleinen Käfig, fangen sie an, ihre paar erbärmlichen Quadratmillimeter zu verteidigen.«

»Aha«, meinte Binchy. »Daran werde ich denken, wenn Becky wieder mal das Reisefieber packt. Wenn Sie mich fragen, es geht nichts über Los Angeles an einem warmen Tag.«

Kurz vor vier Uhr rief Milo bei Frank Gonzales an.

»Habe für den Rest des Tages festen Boden unter den Füßen«, sagte der Kollege aus Oxnard, »musste noch Papierkram erledigen. Corey ist aber immer noch zu Hause, einer meiner Grünschnäbel hat Bewegung hinter den Vorhängen gesehen. Außerdem kam der Nachbar mit einem Umschlag vorbei, wahrscheinlich die Miete, und wurde eingelassen.«

»Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, Frank.«

»Kein Thema. Ich habe über Corey nachgedacht. Der Typ bringt mehrere Frauen um, ohne jegliche kriminelle Vergangenheit? Einfach so? Midlife-Crisis oder was?«

»Kann sein, dass wir eine neue Situation haben, Frank.« Milo berichtete von der möglichen Verbindung zwischen Corey und John Jensen Williams.

»Corey hat den Mord an seiner Frau delegiert, und dieser andere Typ hat die Arbeit erledigt?«

»Sieht so aus.«

»Gibt es Hinweise darauf, dass Corey und Williams immer noch interagieren?«

»Bislang nicht.«

»Wenn dieser Williams ausbezahlt ist, gibt es keinen Grund mehr für ihn, sich bei Corey sehen zu lassen«, sagte Gonzales. »Hat Corey für Sie immer noch höchste Priorität?«

»Allerdings.«

»Gut, wir bleiben an ihm dran.«

Bei seiner Observation von Flora Sullivan war es Moe Reed gelungen, ihr unbemerkt bis zum Eingang ihrer Kanzlei zu folgen. Von Cousin Jens keine Spur. Auch nicht in der Tiefgarage. Nur um ganz sicherzugehen, hatte er Al Bayless gebeten, die Aufnahmen der neuen Kameras durchzusehen. Nada.

»Irgendwelche neuen Eindrücke von Sullivan, Moses?«, fragte Milo.

»Ich habe sie nur vorbeigehen sehen. Sie geht schnell, aber nicht, weil sie nervös wäre, wenn Sie das meinen. Es scheint eher ihre normale Schrittgeschwindigkeit zu sein.«

Ein paar Momente später rief Grant Fellinger an und wollte wissen, ob es Fortschritte bei der Suche nach Meredith Santos gebe. Milo sagte »Noch nicht«, doch Fellinger fiel ihm ins Wort. »Sie müssen das wirklich ernst nehmen«, sagte er und nannte ihm die Nummer von Santos’ Eltern in Arizona. »Natürlich müssen Sie mit ihnen Kontakt aufnehmen.«

»Natürlich«, murmelte Milo und wählte die Nummer. Er hörte lange zu und zerrte dabei an seiner Krawatte. Beim Auflegen sagte er: »Nette Leute in einer schrecklichen Lage – okay, Zeit für ein Bier. Oder auch sechs. Ich muss hier raus. Kommst du mit?«

Auf dem Weg zum Treppenhaus rief Sean Binchy an, aufgeregt wie ein kleiner Junge an seinem Geburtstag. »Nichts in New York, Lieutenant, aber ich habe mit einem Detective in New Haven gesprochen, der mich an den Nachbarort West Haven verwiesen hat, wo ich mit dem Polizeichef gesprochen habe. Und der hatte genau so eine Geschichte. In dem Jahr, in dem Williams in Yale war. Fantastisch, oder?«

Milo zog seinen Notizblock hervor. »Gute Arbeit, Sean. Schießen Sie los.«

»Opfer war Loretta Sfiazzi, fünfundzwanzig, Bedienung in einem der gehobeneren Fischrestaurants. Sie tauchte nicht bei der Arbeit auf und wurde von ihrer Vermieterin in ihrer Wohnung gefunden, auf dem Boden liegend, kein Hinweis auf sexuelle Gewalt, aber Würgemale und zahlreiche Stichwunden wie bei Ms Hennepin. Ein für zwei gedeckter Tisch, wenn auch nicht schick wie bei uns, sondern nur Dosenchili und eine ungeöffnete Flasche Rotwein. Zwei Exfreunde waren verhört worden, hatten jedoch ein Alibi, und danach gab es keinen weiteren Verdächtigen mehr. Was Chief Donald Molinaro seltsam vorkam, war das Chili. Loretta arbeitete in einem gehobenen Restaurant, und wenn sie Leute zum Essen nach Hause einlud, nahm sie immer Essen aus der Restaurantküche mit; die Angestellten durften das dort. Ihre Eltern meinten, sie habe nie Chili gegessen, und sie benutzte schönes Geschirr und Besteck, wenn sie den Tisch deckte – Sachen, die sie von ihrer Großmutter geerbt hatte. Nur der Wein passte. Die Eltern sagten aus, dass die Flasche ein Weihnachtsgeschenk von ihnen gewesen sei, Loretta habe sie für eine besondere Gelegenheit aufbewahrt.«

»Er kommt mit einer Konservenbüchse in der Tasche und leiht sich den Rest«, sagte Milo. »Erste Versuche im zarten Alter von achtzehn.«

»Genau das dachte ich auch, Lieutenant. Jedenfalls, in West Haven hatten sie keine Ahnung, was sie damit anfangen sollten, und waren jetzt total entsetzt über das, was ich ihnen erzählte. Nicht, dass ich ihnen viel sagen konnte, nur dass Williams unser Hauptverdächtiger ist.«

Milo brachte ihn auf den neuesten Stand.

»Bizarr«, sagte Binchy. »Ich habe Chief Molinaro gefragt, ob Williams möglicherweise auch in Ms Sfiazzis Restaurant gearbeitet hatte. Leider gibt es das Lokal nicht mehr, und alle, die damit zu tun hatten, sind weggezogen oder verstorben. Aber ich habe das Datum des Mordes mit Williams’ Spannergeschichte verglichen – der Mord passierte zehn Tage, nachdem er aufgeflogen war.«

»Von der Uni geflogen, und dann musste eine Frau dran glauben.«

»Nicht direkt, Lieutenant, er war noch eingeschrieben, sie haben sich Zeit gelassen. Chief Molinaro sagte, das sei immer so, Yale versuche immer zu vertuschen. Er sagte auch, das Schwierigste an Yale sei es, überhaupt zugelassen zu werden. Danach sei es locker. Aber ich schätze, Williams war wohl nicht glücklich.«