8. KAPITEL
Als Nate am Dienstagabend unter der Dusche stand, dachte er darüber nach, dass er noch nie zuvor eine Frau hatte zwingen müssen, mit ihm auszugehen. Besonders begeistert war er von dieser Taktik selbst nicht. Aber was sollte er machen? Sie hatte ihn zweimal zurückgewiesen, und trotzdem wollte er sie mehr als zuvor. Vielleicht funkte es diesmal endlich bei ihr?
Sie wartete in der Küche auf ihn, und er musste sich beherrschen, sonst hätte er sie gleich mit einem Kompliment verschreckt. Sie trug einen langen, weiten Rock und das Haar offen. Ihre Bluse war eine Überraschung: Im Gegensatz zu ihren sonst viel zu weiten Oberteilen saß diese so, dass man tatsächlich ihre sanften Kurven darunter erahnten konnte.
“Bist du soweit?”, fragte er.
Sie nickte und griff nach ihrer Handtasche.
“Wohin fahren wir eigentlich?”, fragte Nate, als sie zu Frankies Honda gingen.
“Zum Silver Diner. Sonst gibt es hier nur Touristenlokale, die mehr Bars als Restaurants sind. Dort ist es zu laut, um übers Geschäft zur sprechen.”
Ach ja, richtig. Ihr ging es ja nur ums Geschäft.
Zehn Minuten später parkten sie vor einem alten Eisenbahnwaggon, den man zu einem Restaurant im Stil der typischen Diner umgebaut hatte – mit dem typischen langen Resopaltresen, den mit rotem Kunstleder bezogenen Barhockern davor und ein paar Sitzecken gegenüber. An einer Seite gab es einen weiteren Raum mit Tischen. Offenbar war das Dekor nicht nachgemacht, sondern stammte original aus den Fünfzigerjahren.
Mehrere Gäste winkten Frankie zu, als sie an ihnen vorbeigingen. Wenn sie Nate vorstellte, betonte sie jedes Mal ausdrücklich, dass er ihr neuer Koch war. Als sie sich im Anbau einen Tisch suchten, wartete sie nicht darauf, dass er ihr den Stuhl zurechtrückte, sondern setzte sich und kam sofort zur Sache.
“Also. Was wollen wir jetzt machen?”, fragte sie herausfordernd.
“Wir bestellen uns was und essen”, schlug er vor. Und danach gehen wir tanzen, dachte er. Ach nein, schade, dies ist ja kein richtiges Date.
Frankie wartete, bis die Kellnerin ihnen die Karten gereicht hatten, dann sagte sie: “Ich meinte unsere Geschäftsbeziehung.”
Auch das Speisenangebot stammte eindeutig aus den Fünfzigern. Hackbraten. Schnitzel. Gulasch und Kartoffelbrei. Damit es keine Missverständnisse gab, war neben jedem Gericht ein entsprechendes Foto abgebildet. Nett.
“Was willst du?”, fragte er.
“Weg von hier”, murmelte sie, schaute aber doch noch in die Karte. “Ich hätte mich gar nicht erst darauf einlassen sollen.”
“Warum nicht?”
“Es fühlt sich einfach nicht richtig an. Schon die ganze Zeit nicht. Wenn ich in die Küche komme und du mich nicht beachtest, weiß ich nicht, ob du nur viel zu tun hast oder noch sauer auf mich bist. Und natürlich sollte mir das egal sein – ist es aber leider nicht. Und es wäre sogar verständlich, wenn du noch sauer bist, aber was soll ich machen? Mehr als entschuldigen kann ich mich ja schließlich nicht.”
Ihm fielen da auf Anhieb noch andere Arten der Wiedergutmachung ein, aber auf die würde sie sich nie einlassen.
Warum legst du ihr nicht einfach die Hand aufs Knie?, fragte seine lüsterne innere Stimme. Du könntest den Rock ein Stück nach oben schieben und –
Quatsch. Halt den Mund. Verdammt, seine Libido …
“Wie bitte?”
Oh nein, jetzt hatte er auch noch laut gedacht. Hoffentlich hatte er nach “Quatsch” aufgehört. “Äh, nichts, ich …”
Zum Glück kam in dem Moment die Kellnerin, um ihre Bestellung aufzunehmen.
“Wir hätten gerne eine Flasche Wein”, sagte er.
“Weißen oder roten?”
“Frankie?”
“Roter ist okay. Nein, weißer. Warte, doch roten.” Sie stützte die Stirn auf die Hand. “Ach, was weiß ich.”
“Wir nehmen von beidem eine Flasche”, bestimmte Nate und bestellte sich den Hackbraten.
“Zwei Flaschen sind viel zu viel”, wandte Frankie ein.
“Dann such dir eine Farbe aus. Was isst du?”
“Auch den Hackbraten. Also roten.”
Aus dem Augenwinkel sah Nate, wie ein großer Mann mit zwei blonden Kindern im Schlepptau den Diner betrat. Die Kinder wollten am Tresen sitzen, also hob der Mann das kleinere Mädchen auf einen Barhocker, während die Größere allein raufkrabbelte.
Schnell schaute Nate weg, als er den vertrauten Schmerz in der Brust spürte. Hörte das denn nie auf? Jedes Mal dasselbe, wenn er Kinder sah: Bedauern, eine vage Sehnsucht.
Sogar im White Caps war er jetzt vor Kindern nicht mehr sicher, weil zwei Familien dort Ferien machten.
“Nate?”
Er bemerkte, dass Frankie ihn fragend ansah. “Was?”
“Was ist nun also mit unserer Geschäftsbeziehung?”
Nachdem die Kellnerin den Wein gebracht und er eingeschenkt hatte, holte er tief Luft. “Ganz ehrlich? Ich habe schon immer meine Probleme mit Leuten gehabt, die den Chef rauskehren – und du bist wirklich ein Kontrollfreak. Also werden wir uns wohl immer wieder in die Haare geraten.”
“Aber ich habe mich doch entschuldigt!”
“Ja, ich weiß, und das ist nett von dir. Aber es ändert nicht viel, oder?”
Sie funkelte ihn ärgerlich an. “Und wieso sind wir dann heute hier?”
Weil er ein Masochist war? Himmel, diese Frau sah zum Anbeißen aus, wenn ihre blauen Augen so blitzten.
Als der Salat gebracht wurde, nahm sie zwar die Gabel in die Hand, doch er sah, dass sie die Blätter nur hin und her schob.
“Was hast du für ein Problem mit Autorität?”, fragte sie.
“Dasselbe wie jeder, nehme ich an. Ich mag es nicht, wenn man mir sagt, was ich tun soll.”
“Aber wenn dein Chef recht hat?”
“Wenn er recht hat, wusste ich das vorher schon und muss es nicht gesagt bekommen. Und wenn er falsch liegt, verschwendet er nur meine Zeit.”
“Das ist ziemlich arrogant.”
“Du beschwerst dich doch schon die ganze Zeit über mein Ego, also überrascht dich das sicher nicht.”
Beinah hätte sie gelächelt, doch sie beherrschte sich im letzten Moment. “Aber Henri hat gesagt, dass er dir völlig freie Hand gelassen hätte, weil er dich unbedingt behalten wollte. Du hättest niemanden über dir gehabt. Wieso bist du trotzdem gegangen?”
“Weil ich trotzdem immer nur sein Nachfolger gewesen wäre. Er hat das La Nuit groß rausgebracht, also hätte ich mir nie einen eigenen Namen machen können.”
“Willst du denn berühmt werden?”
“Ich möchte respektiert werden. Und etwas haben, das nur mir gehört. Deshalb will ich mit Spike zusammen mein eigenes Restaurant aufmachen.”
“Und New York ist deine erste Wahl.”
“Ja.”
Sie schob ihren Teller weg und schaute nachdenklich aus dem Fenster. Wieder sah Nate aus dem Augenwinkel, wie der Mann mit den beiden Kindern aufstand und seiner kleinen Tochter vom Hocker half. Sie gingen in Richtung der Waschräume, und Nate schluckte, als er sah, wie vertrauensvoll die Kleine die Hand ihres Vaters hielt. Auf dem Rückweg blieb der Vater mit seiner kleinen Tochter an ihrem Tisch stehen.
“Frankie?”
Sie hob überrascht den Kopf und setzte ein Lächeln auf. “David.”
“Du siehst gut aus”, sagte der Mann lächelnd.
“Du auch. Und das ist bestimmt Nanette?”
“Nein”, meldete sich die Kleine. “Nanette ist meine Schwester. Ich bin Sophie.”
“Und das dritte ist gerade unterwegs”, sagte der Mann mit einem verlegenen Achselzucken, als wollte er sich für die Fruchtbarkeit seiner Frau entschuldigen.
Nate vermied es, das kleine Mädchen anzusehen, und konzentrierte sich stattdessen auf den Mann. Er war groß, gut in Form, trug eine elegante Uhr und teure Schuhe. Sicher ein Mitglied des hiesigen Geldadels.
“Wie geht es Madeline?”, fragte Frankie.
“Sehr gut. Sie besteht immer darauf, bis kurz vor der Entbindung zu arbeiten. Aber sie hat ja auch mehr Ehrenämter als ich Klienten.” Er räusperte sich. “Aber du … du hast bestimmt auch viel zu tun. Mit dem White Caps.”
“Ja, Arbeit gibt’s genug.”
Hilflos schaute der Mann zu Nate. “Wo sind nur meine Manieren? Ich bin David Weatherby.”
Der Name war Nate nicht unbekannt. Die Weatherbys und die Walkers liefen sich öfter über den Weg. Aber er hatte keine Lust, das jetzt ins Spiel zu bringen, und stellte sich nur mit Vornamen vor. “Ich bin Nate, der neue Koch im White Caps.”
“Oh.” Der Mann wandte sich wieder Frankie zu. “Wie läuft es diese Saison?”
“Sehr gut.”
“Daddy, können wir uns wieder hinsetzen?”, fragte die Kleine.
“Ja, Liebes. Tja, wir müssen dann wieder. Frankie, es war schön, dich mal wieder zu sehen.”
“Finde ich auch.”
Nachdem sie gegangen waren, atmete Frankie langsam aus. “Könnte ich noch etwas Wein haben?”
Nate goss ihr ein. “Ein alter Freund?”
“So was in der Art.” Sie nahm einen großen Schluck und stellte das Glas wieder ab. “Nanu, keine neugierigen Fragen?”
“Nicht nötig, es war ziemlich offensichtlich.”
“Ach ja?”
“Ihr wart mal ein Paar, richtig? Es gab eine hässliche Trennung. Aber weil ihr euch hier immer mal wieder über den Weg lauft, bemüht ihr euch beide, höflich zu sein, wenn ihr euch begegnet …”
“Wir waren verlobt.” Sie trank ihr Glas leer und schenkte sich selbst nach.
Die Kellnerin brachte zwei riesige Teller mit Hackbraten. Als sie gegangen war, fragte er: “Was ist passiert?”
“Als meine Eltern starben, war mein altes Leben vorbei. Und in mein neues passte David nicht hinein, das haben wir beide recht schnell eingesehen.”
“Er hat dich verlassen?”, fragte Nate ungläubig.
“Ich habe ihn verlassen, weil ich wusste, dass er es früher oder später tun würde.” Wieder schob Frankie das Essen nur auf dem Teller herum. “Ich war sowieso eher so was wie ein Protest gegen seine Eltern, glaube ich. Sonst hat er nämlich immer das getan, was sie von ihm wollten. Mich hat er kennengelernt, als er mit dem College fertig war. Seine Eltern haben darauf bestanden, dass er in die Familienfirma eintritt, aber er wollte Journalist werden. Schließlich hat er nachgegeben, aber dafür hat er mich seinen Eltern vorgestellt – und ich war absolut nicht die Frau ihrer Träume: kein Geld, verrückte Eltern, nicht mal hübsch. Seine Mutter war untröstlich, und je mehr sie nörgelte, desto überzeugter war David, dass er mich liebte.”
Sie nahm einen kleinen Bissen Hackbraten. “Ich wollte ihm so gern glauben. Ich war zwanzig und habe von einer wunderbaren Zukunft in der schönsten Großstadt der Welt geträumt, mit einem Ehemann, der mich anbetet. Aber dann sind meine Eltern gestorben, und wir haben die Hochzeit verschoben. Nach einer Weile gab es die ersten Unstimmigkeiten. Ich glaube schon, dass er mich geliebt hat, aber er hat mich auch als Druckmittel gegen seine Eltern benutzt. Wenn meine Eltern nicht umgekommen wären, hätte er mich sicher geheiratet. Aber das White Caps zu übernehmen und einen Teenager großzuziehen passte nicht in seine Pläne. Er war unglaublich erleichtert, als ich ihm den Ring zurückgab.”
Sie lachte gezwungen, als wäre sie selbst überrascht, wie viel sie von sich preisgegeben hatte. “Aber wenigstens glaube ich seitdem nicht mehr an den holden Prinzen auf dem weißen Pferd. Von reichen Männern habe ich die Nase voll. Ich sehe ja auch ständig im White Caps, was für völlig überzogene Ansprüche sie haben. Nein, da sind mir Männer ohne Geld lieber.”
“Nicht jeder aus einer reichen Familie ist ein Snob”, bemerkte Nate.
“Schon möglich. Aber die offene Ablehnung von Davids Familie hat mir für alle Zeiten gereicht. Ich glaube, heute hätte ich dafür kein Verständnis mehr und würde mich schrecklich danebenbenehmen. Für höfliche Heuchelei ist mir meine Zeit zu schade.”
“Kann ich gut verstehen. Aber New York hat dir gefallen?”
“Oh ja, und wie. Ich mochte die ganze Atmosphäre, und nicht nur in den schicken Vierteln. Die vielen Leute, die Geschäftigkeit, das Leben …” Sie unterbrach sich, als hätte sie zu viel gesagt.
“Kommst du heute noch manchmal hin?”
“Nein. Manchmal stelle ich mir zwar vor, wie es wäre, dort zu leben – aber das ist natürlich Quatsch.”
“Warum?”
“Weil es nie dazu kommen wird.”
“Und warum nicht?”
Frankie presste die Lippen zusammen. “Ich muss mich um das White Caps kümmern. Und um meine Familie. Joy braucht mich.”
“Aber sie ist Mitte zwanzig, oder? Sie ist erwachsen, hat eine Ausbildung – du bist nicht mehr verantwortlich für sie. Was hält dich hier?”
Nervös wedelte sie mit der Hand durch die Luft, als könne sie seine Worte wegwischen. “Lass uns über was anderes reden.”
“Warum?”
“Weil du mein Koch bist, nicht mein Psychiater.” Wieder griff sie zur Weinflasche und schien überrascht zu sein, dass sie fast leer war. Fragend schaute sie auf Nates volles Glas. “Der Wein schmeckt dir wohl nicht?”
Er zuckte die Achseln. “Ich trinke nie viel. Alkohol ist gut für Saucen, aber sonst lasse ich die Finger davon.”
Nachdenklich schaute sie ihn an. “Gibt’s dafür einen Grund?”
“Mein Vater war Alkoholiker. Schon der Geruch von Whisky erinnert mich unangenehm an ihn, also sind harte Sachen sowieso nichts für mich. Weinkenntnis gehört zu meinem Beruf, aber dafür reicht ein Schluck.”
“Hast du überhaupt Kontakt zu deinem Vater?”
“Er ist seit fünf Jahren tot.”
“Das tut mir leid.”
“Tja, ich wünschte, das könnte ich auch sagen, aber dann müsste ich lügen.”
Frankie hob die Augenbrauen. “Und deine Mutter?”
“Sehe ich selten und bin nicht traurig deswegen. Mein Bruder kommt besser mit ihr aus und kümmert sich um sie.”
“Ist sie krank?”
“Nein, kerngesund. Aber sie kommt alleine nicht zurecht.” Zumindest nicht mit ihren viel zu hohen monatlichen Ausgaben, fügte er in Gedanken hinzu.
Schweigend stocherte Frankie in ihrem Teller herum, dann blickte sie schließlich auf und platzte heraus: “Warst du schon mal verheiratet?”
“Nein.”
“Das klingt, als ob du die Ehe für was Schreckliches hältst.”
Das kleine Mädchen am Tresen lachte laut, und wieder spürte er den vertrauten Stich in der Herzgegend. Er dachte an Celia, die Frau, die er beinah geheiratet hätte, weil sie schwanger war. Mit seinem Kind.
“Möchtest du Nachtisch?”, fragte er.
“Also hast du keine Lust, irgendwann mal eine Familie zu gründen?”
“Nein, bestimmt nicht.”
“Hast du schon mal jemanden geliebt?”
“Ich dachte, wir wollten keine Freunde sein”, erinnerte er sie etwas grob. “Was sollen jetzt also die ganzen persönlichen Fragen?”
“Ich bin nur neugierig. Die meisten Menschen wollen doch irgendwann mal heiraten, Kinder ha…”
“Ich nicht”, unterbrach er sie barsch.
Erschrocken verstummte sie und starrte auf ihren Teller.
“Willst du dir den Rest einpacken lassen?”, fragte er etwas versöhnlicher. Sie hatte kaum etwas angerührt.
“George freut sich sicher drüber”, stimmte sie zu.
Er rief die Kellnerin, bat sie, die Reste einzupacken, und bezahlte, bevor Frankie etwas einwenden konnte. Beim Rausgehen winkte sie David und seinen Töchtern kurz zu.
Schweigend gingen sie über den Parkplatz zu ihrem Wagen. “Ich sollte fahren”, bemerkte er schließlich.
Widerspruchslos kramte sie die Schlüssel aus ihrer Handtasche und warf sie ihm zu.
Als sie wieder auf der Landstraße waren, sah sie ihn von der Seite an. “Ich möchte noch nicht nach Hause.”
“Einverstanden. Wohin fahren wir?”
“Ist mir egal. Hauptsache, wir halten nicht so bald an.”
Frankie kurbelte das Fenster runter. Sie hatte nicht viel gegessen und zu viel Wein getrunken, was ihr schon lange nicht mehr passiert war. Ihr Körper fühlte sich schwer an, ihr Kopf dagegen ganz leicht, und sie dachte darüber nach, warum Nate beim Thema Ehe und Familie so verbittert geklungen hatte. Hatte eine Frau ihm übel mitgespielt? Kein Wunder, dass er das Thema mied. Sie dachte auch nicht gern an David.
“Ich hasse es, wenn ich ihm begegne”, sagte sie.
Er hob die Augenbrauen. “David?”
“Er schaut immer so schuldbewusst drein, als wüsste er genau, was für ein Feigling er damals war. Vielleicht sollte es mich freuen, dass er ein schlechtes Gewissen hat, aber dann sehe ich seine Kinder und seinen teuren Wagen und möchte ihn schütteln. Er hat doch alles, was er wollte, und ich sitze hier fest und versuche, irgendwie zurechtzukommen.”
Auf einmal war sie richtig wütend, und sie stellte sich vor, David mal ordentlich die Meinung zu sagen. “Also schau mich nicht so an, als ob es dir leidtäte, wo du doch in Wahrheit gottfroh bist, dass ich dich so kampflos habe ziehen lassen! Und werd endlich erwachsen! Sei ein Mann!”
Atemlos lehnte sie den Kopf an die Kopfstütze. “Tut mir leid. Er ist ja gar nicht hier.”
Nate lachte leise. “Falls er sich nicht doch heimlich im Kofferraum versteckt hat …”
“Andererseits war ich vielleicht noch bis zum Diner zu hören. Tut mir leid, dass ich so gebrüllt habe.”
“Ich würde ja gerne sagen, dass du ruhig weiterbrüllen kannst, aber dann würdest du sofort aufhören. Also halte ich einfach den Mund, fahre weiter und hoffe, dass du nicht so schnell wieder nüchtern wirst.”
“Warum bist du so nett zu mir?”, flüsterte sie.
“Weil du es verdienst.”
Sie versuchte, nicht allzu gerührt zu sein. “Obwohl ich dich angeschrien habe und ungerecht war – und das nicht nur ein Mal?”
“Ja, trotzdem. Du kannst einem ganz schön auf die Nerven gehen, aber ich glaube, das liegt daran, dass du schon so lange alleine kämpfst und immer stark sein musst. Deshalb fällt es mir leichter, darüber hinwegzusehen.”
Tränen stiegen ihr in die Augen. “Na so was.”
Sie schwiegen eine Weile, dann sagte sie: “Bieg da vorne links ab. Dort oben ist ein schöner Aussichtspunkt.”
Nach kurzer Zeit kamen sie auf einen kleinen Parkplatz mit Seeblick, auf dem schon ein paar andere Wagen standen, in gebührendem Abstand voneinander geparkt. Offenbar war dies ein beliebter Treffpunkt für Pärchen.
Nate fuhr ganz ans Ende und stellte den Motor ab.
“Erzähl mir mehr von deiner Familie”, bat sie.
“Da gibt’s nicht viel zu erzählen.”
“Was bedeutet, dass du nicht darüber reden willst, oder?”
Er lächelte. “Nein. Sie gehören einfach nicht zu meinem täglichen Leben.”
“Wo bist du aufgewachsen?”
“In einem Vorort von Boston.”
Als er nicht weitersprach, fragte sie: “Und was macht dein Bruder so?”
“Er ist Geschäftsmann. Und tut viel für die Allgemeinheit.”
“Das ist bewundernswert.”
“Ja, ich respektiere ihn sehr.” Nate drehte sich so, dass er sie ansehen konnte, einen Arm über das Lenkrad gelegt. “Aber wir wollten über unsere Zusammenarbeit sprechen. Da muss sich etwas ändern.”
Frankie seufzte. Vielleicht lag es am Wein, aber sie wollte jetzt nicht mehr reden. Sie wünschte sich, dass Nate sich über sie beugte und sie küsste.
“Nenn mir deine Bedingungen”, murmelte sie. “Du hast mich in der Hand, das weißt du ja. Ich muss bis Ende Oktober hundertfünfzigtausend Dollar zusammenbekommen.”
Er stieß einen leisen Pfiff aus. “Ist das denn überhaupt zu schaffen?”
“Wenn die Sommersaison weiter so gut läuft, könnte es klappen. Im Herbst kommen dann noch Touristen, wenn beim Indian Summer die Bäume bunt werden. Aber dann wird’s schon wieder schwieriger, weil du ja nicht mehr da bist. Ich habe mich schon mal umgeschaut, ob ich einen würdigen Nachfolger für dich finde, aber vor dem Labor Day hat niemand Zeit.” Es fiel ihr schwer, das zuzugeben, aber sie war wirklich auf Nate angewiesen. “Sag mir also, was du willst, und du wirst es wahrscheinlich bekommen”, erklärte sie bitter.
“Also gut. Erstens: Sag den Gästen, dass ihre Kinder in der Küche nichts zu suchen haben. Letzte Woche sind zweimal Kinder in die Küche gestürmt und wollten was zu essen haben. Ich will in der Küche meine Ruhe, verstanden?”
Überrascht sah Frankie ihn an. Damit hatte sie nicht gerechnet. Vermutlich ging es ihm auch um die Sicherheit, aber seine Stimme klang so gepresst, dass sie annahm, es steckte noch mehr dahinter.
“Du magst Kinder nicht besonders, was?”, fragte sie.
Er überging die Frage einfach. “Zweitens: Wenn wir weiterhin so viele Gäste haben, würde ich gerne noch eine Hilfskraft einstellen. Sie muss nicht wahnsinnig viel können, also reicht es wohl, wenn wir eine Anzeige in der Lokalzeitung aufgeben. George macht sich ganz gut, aber man muss ihn ständig beaufsichtigen, und ich wage es nicht, ihn an den Herd zu lassen.”
Faszinierend, wie geschickt er sich um eine Antwort gedrückt hat, dachte Frankie.
“Und dann noch eins.” Nate trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad. “Wenn ich bleibe, will ich mehr Zeit mit dir verbringen. Allein.”
Entgeistert starrte sie ihn an. “Wie bitte?”
“Du hast mich schon verstanden.”
Nate wartete schweigend, während sie seine Worte verarbeitete. Er musste verrückt sein, sie so unter Druck zu setzen – aber was sollte er machen? Er hatte versucht, sie zu verführen, und war gescheitert. Er hatte versucht, ihr aus dem Weg zu gehen, und hatte fast den Verstand verloren. Vielleicht funktionierte es so.
“Ich werde nicht mit dir schlafen, nur um mein Haus nicht zu verlieren”, sagte sie tonlos.
Autsch. So hatte er das ja gar nicht gemeint.
“Herrgott, Frau, du weißt wirklich, wie man einen Mann beleidigt, was? Hast du von allen Männern eine so schlechte Meinung, oder bin ich der einzige?”
“Na hör mal, was soll ich denn sonst denken? Erst betonst du, dass du an Freundschaft kein Interesse mehr hast, und dann willst du mit mir allein sein? Brauchst du jemanden zum Kartenspielen oder was?”
Hm. Treffer. Dabei hatte er das mit der Freundschaft nur erwähnt, damit sie keine Fragen nach seiner Vergangenheit mehr stellte. Wie konnte eine einfache Sache nur so kompliziert sein?
“Ich will doch nur mal wieder mit dir ausgehen”, erklärte er. “Nichts Ausgefallenes. Nur zum Essen. Oder ins Kino. Kein Sex.”
Obwohl, wenn sich natürlich die Gelegenheit ergab …
“Und wozu soll das gut sein?”
“Ist doch egal. Ich will es einfach so. Oder muss ich dich daran erinnern, dass du mich brauchst?”
Grimmig starrte sie ihn an. “Im Moment kann ich dich nicht besonders gut leiden, weißt du.”
“Ist schon recht. Wie lautet deine Antwort?”
Sie schaute auf ihre verschränkten Hände. “Wie oft?”
“Jeden Dienstagabend.”
“Aber das verstehe ich nicht!”, brach es aus ihr heraus. “Warum um alles in der Welt willst du …”
Er streckte die Arme aus, zog sie an sich und küsste sie. Und als sie sich nicht wehrte, stöhnte er leise auf und schob seine Zungenspitze sanft zwischen ihre weichen Lippen. Sie öffnete den Mund und erwiderte den Kuss, und heißes Verlangen schoss durch seinen Körper.
Als er sie schließlich freigab, sagte er rau: “Deshalb. Wir müssen nicht miteinander schlafen. Aber wenn ich dich nicht mal berühren kann, verliere ich noch den Verstand.”
Sie hob die Hand, und er rechnete schon mit einer Ohrfeige – doch dann legte sie ihm nur den Arm um den Nacken und zog ihn zu sich hinunter. Sie wollte noch einen Kuss, und er gehorchte nur zu gerne. Von dieser Frau konnte er nie genug bekommen. Er küsste sie leidenschaftlich und tief, und als sie ihn schließlich wegschob, versuchte er, seine Enttäuschung zu verbergen.
“Bring mich nach Hause, Nate”, sagte sie mit zitternder Stimme.
Ach, verdammt. Er war wieder zu schnell gewesen, hatte zu viel auf einmal gewollt.
Es war nicht weit bis zum White Caps, und sie schwiegen den ganzen Weg. Als sie die Küche durch die Hintertür betraten, ging Frankie sofort zur Treppe, und er beschloss, sie nicht aufzuhalten und ihr einen guten Vorsprung zu lassen. Die Vorstellung, dass sie sich im Zimmer gegenüber auszog, war schwer zu ertragen.
“Nate? Kommst du nicht mit nach oben?”
Er schüttelte den Kopf. “Es ist wohl besser, wenn ich noch eine Weile hier unten bleibe.” Vielleicht sollte er sogar in der Scheune schlafen.
Frankie wurde rot. “Oh. Ich glaube nicht, dass das besser ist.”
Hatte er richtig gehört? Wollte sie wirklich …?
“Ich dachte, wir könnten … äh … zusammen nach oben gehen”, fügte sie hinzu.
Ohne Zögern setzte er sich in Bewegung, nahm sie bei der Hand und zog sie die Treppe hinauf.
In ihrem Zimmer legte er ihr die Hände ums Gesicht und küsste sie zärtlich. Am liebsten hätte er sie gefragt, warum sie gerade heute ihre Meinung geändert hatte, aber er ahnte schon, dass ihm die Antwort nicht gefallen würde. Sie hatte ihren Ex-Verlobten mit seinen Kindern getroffen. Und fast eine ganze Flasche Wein getrunken.
Der Gedanke, dass er nur eine Ablenkung oder ein Trostpreis war, fühlte sich nicht besonders gut an – aber er würde sie trotzdem nicht zurückweisen. Frankie jedoch schien seine Gedanken zu lesen.
“Du bist der einzige Mann, der für mich hier gerade eine Rolle spielt, Nate”, sagte sie bestimmt. “Es hat nichts mit David zu tun. Ich wollte mit dir schlafen, seit du am ersten Abend in der Küche aufgetaucht bist. Und jetzt habe ich keine Kraft mehr, mich dagegen zu wehren. Und auch keine Lust.”
Überwältigt zog Nate sie in die Arme. Er versuchte, es langsam angehen zu lassen, aber er war so erregt, dass seine Hände zitterten, als er ihren Rücken streichelte. Er küsste sie lange und tief und bewegte sich dabei mit ihr in Richtung Bett. Als sie ihm das Poloshirt aus der Hose zog, hätte er am liebsten laut gejubelt. Schon so lange sehnte er sich danach, ihre Hände auf seiner nackten Haut zu spüren!
Mit einer schnellen Bewegung streifte er das Shirt ab und schlang danach wieder die Arme um sie. Langsam ließ er sich mit ihr aufs Bett sinken und schob die Hand unter ihren weiten Rock. Es brachte ihn fast um den Verstand, die seidige Haut ihrer Schenkel zu spüren, während sie gleichzeitig seinen Oberkörper streichelte.
Zärtlich bedeckte er ihren Hals mit Küssen und stöhnte auf, als sie die Beine spreizte und ihn fest an sich drückte. So lange hatte er sich vorgestellt, endlich mit ihr zusammen zu sein – und nun übertraf die Realität seine kühnsten Fantasien.
Frankie schob eine Hand zwischen ihre Körper und öffnete Nates Hose, während er ihre Bluse aufknöpfte. Mit einer geschickten Bewegung streifte er die Hose ab, und kurz darauf landete auch ihre Bluse auf dem Fußboden vorm Bett. Sie tastete nach dem Verschluss ihres BHs, doch er hielt ihre Hände fest.
“Oh nein, das will ich machen”, raunte er ihr ins Ohr.
Langsam strich er mit den Fingerspitzen über die zarte Spitze, und sie wunderte sich über seine Selbstbeherrschung, wo sie es doch beide kaum abwarten konnten. Als er ihr in die Augen sah, spürte sie Wärme im ganzen Körper.
Noch nie hatte ein Mann sie so angeschaut, und sie hatte auch nicht damit gerechnet.
Sanft streifte er ihr den BH ab, dann streichelte er ihre Brüste. Es machte sie nicht verlegen, dass das Licht brannte und er sie unverhohlen betrachtete. Warum auch? Sein Blick spiegelte Bewunderung und Verehrung. In seinen Augen war sie schön. Beinah hätte sie ihm gedankt, aber stattdessen küsste sie ihn.
Sein Mund strich über ihr Schlüsselbein, dann über ihre Rundungen. Als er ihre Brustspitzen mit den Lippen umschloss und mit der Zunge liebkoste, schrie Frankie leise auf und begann sich drängend unter ihm zu bewegen. Auch er stöhnte und zog den Reißverschluss an ihrem Rock auf, ohne auch nur einen Augenblick lang aufzuhören, ihre Brüste lustvoll zu liebkosen. Ungeduldig streifte sie den Stoff ab und schlang dann endlich die Beine um Nate. Sie spürte sein Verlangen heiß und drängend und zerrte ungeduldig an seinen Boxershorts, während er sich um ihren Slip kümmerte.
Endlich war nichts mehr zwischen ihnen, und sie genoss das Gefühl, seinen Körper mit den Händen zu erkunden.
“Wir brauchen ein …”, begann er, dann stöhnte er auf. “Mmmmmh, mach das noch mal.”
“Das hier?”
“Ohhhh. Ja.”
Was hatte er davor gesagt? Was brauchten sie? Ach ja.
“Ich habe kein …” Weiter kam sie nicht, weil er sie leidenschaftlich küsste.
Als sie wieder Luft bekam, fügte sie hinzu: “Ich habe so was schon lange nicht mehr gemacht, weißt du.”
Nate sprang auf. “Vielleicht habe ich eins. Warte kurz.”
Er sprintete über den Flur, dann hörte sie ihn fluchen.
Als er zurückkam, fragte er: “Gibt’s in der Stadt eine Drogerie?”
“Schon geschlossen.”
“Eine Tankstelle?”
“Auch schon zu.”
“Verdammt.”
Er sah geradezu verzweifelt aus, als er die Tür wieder hinter sich schloss und zu ihr zurückkam. Sie schlang die Arme um ihn. “Ich bin auch für Sicherheit”, flüsterte sie. “Aber wir müssen ja nicht …”
Erschrocken unterbrach sie sich, als er plötzlich wie erstarrt dalag. Fragend schaute sie ihn an, und in seinen Augen stand auf einmal ein gehetzter Ausdruck.
Eigentlich hatte sie sagen wollen, dass sie ja nicht miteinander schlafen mussten. Es gab andere Wege, zur Erfüllung zu kommen. Doch Nate schien auf einmal jedes Interesse verloren zu haben.
“Nate?”, fragte sie verstört.
“Bei der Verhütung mache ich nie Ausnahmen”, erwiderte er rau.
Als er sie wieder küsste, fühlte es sich anders an, als wäre er nicht mehr ganz bei der Sache.
“Was ist denn?”
Er rollte sich auf den Rücken und zog sie an sich, dabei streichelte er ruhelos ihre Schulter.
“Rede doch mit mir”, drängte sie. “Es ist okay, ganz egal, was es ist.”
Endlich sah er sie wieder an, und sie hatte das Gefühl, dass er versuchte, ihre Reaktion abzuschätzen.
Schließlich sagte er: “Es tut mir leid, aber ich muss gehen.”
Auf einmal fühlte sie sich nackt und ungeschützt, und sie zog die Bettdecke über sich. “Okay.”
Ohne ein weiteres Wort stand er auf, sammelte seine Sachen ein und ging.