18
Ich wollte gerade ins Bett gehen, da klingelte mein Telefon. Es war mein Sohn Jeff. »Schalt Channel 4 ein«, sagte er.
»Warum? Was läuft?«
»Regionalnachrichten. Im Teaser vor der Werbung haben sie dich, Kreationismus und eine appetitliche Kontroverse erwähnt, was auch immer das bedeutet. Hast du heute Streit gesucht?«
»Oh, zum Teufel«, sagte ich, »nein, der Streit hat mich gesucht. Gewissermaßen. Ich schätze, man könnte sagen, dass ich letzte Woche ein bisschen Dreck aufgewühlt habe. Aber nicht genug, um zu rechtfertigen, was da heute los war.«
»Igitt«, sagte er. »Klingt ernst. Ruf mich zurück, wenn der Beitrag zu Ende ist.« Damit legte er auf.
Ich zog einen Bademantel über meine Boxershorts und ging im Dunkeln ins Wohnzimmer, wo ich die Stehlampe neben dem Lehnsessel einschaltete. Die Fernbedienung lag wie immer auf der Armlehne des Sessels. Ich ließ mich schwer auf das Leder plumpsen, lehnte mich zurück und schaltete den Fernseher ein. Ich erwischte einen lauten regionalen Werbespot einer Gruppe von Autohändlern draußen am Flughafen, die sich selbst die »Airport Motor Mile« getauft hatten, gefolgt von einer ebenfalls lärmenden Werbung für einen Möbelgroßhandel, bevor die Nachrichtensendung weiterging.
Bezeichnenderweise fingen sie jedoch nicht mit der Geschichte über die Demonstration an. Das war eine Sache, die mich an Fernsehnachrichten unheimlich nervte: Sie kündigten wiederholt einen Beitrag an, von dem sie annahmen, dass er viele Leute interessieren würde – etwas mit süßen Tieren oder einer Slapstickkomödie oder einem pikanten Skandal – und zeigten ihn dann erst ganz am Ende der Nachrichtensendung. Ich ärgerte mich durch das Wetter, die Sportnachrichten und seltsamerweise eine Wiederholung der Wettervorhersage (bei der ich auch beim zweiten Mal den Ton abdrehte), bevor der Sprecher – der fröhlich dreinschaute, auch wenn er vom Tod eines Kindes berichtete – ein besorgtes Gesicht aufsetzte und fragte: »Steht Tennessee ein neuer Affenprozess bevor?« Es folgte eine Nahaufnahme des Typs in dem Gorillakostüm, gefolgt von einer Reihe von Aufnahmen von den Demonstranten, einzeln und zu zweit, zu dritt oder zu sechst. So, wie die Bilder zusammengestellt waren, ohne die Gruppe als Ganzes zu zeigen, wirkte es, als wären sehr viele, womöglich sogar Hunderte von Menschen dort gewesen und hätten Transparente geschwungen, und nicht nur ein Dutzend oder so, die wirklich protestiert hatten. Der Reporter spielte die »Kontroverse« hoch, indem er wütende Anschuldigungen von Demonstranten einfügte; und als die Kamera zeigte, wie Miranda mit dem Darwin-Schild anrückte, sprach er von einer »wütenden Gegendemonstration«.
Dann kam etwas, was ich nicht erwartet hatte. In einer Reihe von kurzen Interviews mit Zuschauern tauchte Jess Carters Gesicht auf dem Bildschirm auf, und ihr Name und ihr Titel wurden ebenfalls eingeblendet. Ich hatte gar nicht gewusst, dass sie heute dort war. »Diese Leute sind eine kleine Minderheit von engstirnigen, selbstgerechten Wichtigtuern«, sagte Jess direkt in die Kamera. »Wenn sie ihr Gehirn an der Tür abgeben wollen, bitte schön, aber sie sollten nicht versuchen, andere Menschen auch dazu zu zwingen. Dr. Brockton tut mehr Gutes in der Welt als dieser ganze Haufen von antiintellektuellen Demonstranten zusammen. Sie sollen in ihren Bus steigen und zurück nach Kansas in das Kaff fahren, aus dem sie gekommen sind.« Ich lächelte über ihre resolute Tirade und ihre Verteidigung meiner Person, doch gleichzeitig zuckte ich zusammen und hoffte, dass sie nicht zusammen mit mir in diesen Schlamassel hineingezogen werden würde. Im Hintergrund konnte ich hinter ihrer linken Schulter Jennings Bryan sehen, den Anwalt, der die ganze Veranstaltung initiiert hatte. Die meiste Zeit war sein Gesicht eine ausdruckslose Maske, doch ich sah seine Augen vor Zorn Funken schlagen, als sie sprach. In seinem kurzen Statement, das ihrem folgte, prangerte Bryan die Kooption der öffentlichen Bildung durch seelenlose Intellektuelle und säkulare Humanisten an, deren Hauptziel es sei, gläubige Menschen zu diffamieren. Verdammt, dachte ich wieder, ich und mein großes Mundwerk. Doch dann dachte ich: Nein, ich habe nichts gegen den Glauben – nur gegen vorsätzliche, tyrannische Ignoranz.
Die letzte Aufnahme zeigte in qualvoller Zeitlupe, wie eine den ganzen Bildschirm ausfüllende Sahnetorte auf mein Gesicht zuschoss und dann darin zerschmetterte. Die Füllung spritzte strahlenförmig weg; gelblich weiße Ströme tropften mir gemächlich von Nase und Kinn. Das Bild erstarrte in dem Augenblick, in dem ich mir die Augen wischte und durch die Sauerei blinzelte. Der Sprecher erschien wieder auf dem Bildschirm, seine vorhin so besorgte Miene zeigte jetzt Belustigung. »Wenn es nach den Demonstranten geht«, sagte er, »wird Professor Brockton, dessen Bemerkungen während einer Vorlesung diese Kontroverse ausgelöst haben, sich bald an seinen eigenen Worten verschlucken.« Er zwinkerte. »Das war die heutige Ausgabe von Nightwatch. Gute Nacht – und guten Appetit!«
Angewidert schaltete ich den Fernseher aus und rief Jeff an. »Nicht gerade ein glanzvoller Augenblick für die Hochschule, was?«, sagte ich.
Er lachte. »Nun, das nicht gerade, aber du wirst wenigstens nicht auf dem Scheiterhaufen verbrannt wie Kopernikus.«
»Jedenfalls noch nicht«, sagte ich. »Aber das war nicht Kopernikus. Kopernikus ist friedlich im Schlaf gestorben. Es war Bruno, der geröstet wurde, weil er die Auswirkungen der kopernikanischen Theorie genau dargelegt hat – weil er darüber spekulierte, dass es andere Welten geben könnte, die andere Sterne umkreisten, bewohnt von anderen, intelligenteren Wesen.« Ich seufzte. »Manchmal wirken wir nicht gerade wie scharfe Konkurrenz.«
»Aber, hey«, sagte Jeff, »diese Dr. Carter – sie scheint sehr klug zu sein. Ist dir ja ganz schön beigesprungen. Ist das nicht die Frau, die du vor ein paar Monaten mal zum Abendessen mitbringen wolltest?«
»Genau die«, sagte ich. »Sie hat so ihre Art, jedes Mal, wenn ich zum Abendessen mit ihr verabredet bin, angepiepst zu werden. Letzte Woche war es wieder so – ich habe zu Hause für sie gekocht. Gerade als die Kohle heiß wurde – in mehrfacher Hinsicht –, wurde sie angepiepst.«
»Vielleicht solltest du mir erlauben, dich mit Sheri zusammenzubringen«, sagte er.
»Wer ist Sheri?«
»Eine Steuerberaterin in meiner Firma. Steht drei Monate im Jahr absolut nicht zur Verfügung, aber ab dem sechzehnten April hat sie viel Zeit. Und ich habe sie noch nie angepiepst. Bei Steuererklärungen gibt es nicht viele Notfälle. Außer bei deiner.« Ein ebenso unerwarteter wie unwillkommener Themenwechsel. »Dad, ich habe mich durch diesen Karton durchgearbeitet, den du als Buchführung bezeichnest, und ich finde keine Kontoauszüge für August, Oktober und Dezember.«
»Schau noch mal nach«, sagte ich. »Die müssen irgendwo sein.«
»Dad, ich habe schon zweimal geschaut.« Ich merkte, dass er sauer war; wenn er nicht gut auf mich zu sprechen war, fingen seine Sätze immer mit »Dad« an. Und zur Zeit der Steuererklärung hörte ich sehr oft »Dad«. »Ich habe alles sortiert und geordnet. Dad, sie sind nicht da.«
»Verdammt«, sagte ich. »Dann habe ich keine Ahnung, wo sie sind.«
»Eindeutig.«
»Vielleicht sind sie in der Post verloren gegangen«, spekulierte ich. »Kannst du nicht einfach die Bank anrufen und sie bitten, dir Kopien zu schicken?«
»Nein«, sagte er, »das dürfen sie nicht, es ist nicht mein Konto. Warum gehst du nicht ins Internet und lädst Kopien runter und schickst sie mir dann per E-Mail?«
»Online? Das Zeug ist online?«
»Nur ungefähr die letzten zehn Jahre«, sagte er. »Du müsstest irgendwo in deinen Unterlagen einen Benutzernamen und ein Passwort haben.«
»Nun, ich weiß nicht, wo. Schau bei den Sachen nach, die ich dir gebracht habe. Vielleicht irgendwo da drin.«
»Dad, du bist hoffnungslos«, stöhnte er. »Ich würde dich ja rausschmeißen, aber ich bin das Einzige, was zwischen dir und dem vollkommenen Verlust meines Erbes steht.«
»Und wie kommst du darauf, dass du in meinem Testament erwähnt wirst, du Klugscheißer?«
»Oh, ich weiß nicht. Gut geraten, vielleicht. Vielleicht stand es auch in der Kopie deines Testaments, das in diesem Haufen Papier steckte.«
»Ah«, sagte ich. »Ich habe mich schon gefragt, wo ich sie hingelegt habe. Pass gut für mich darauf auf, ja? Ich muss mich darum kümmern, wie ich dich am besten daraus streiche.«
»Richtig. Okay, ich leg jetzt auf. Gute Nacht. Schau, ob du dich darauf programmieren kannst, davon zu träumen, wo die Kontoauszüge sein könnten. Oh, und Dad?«
»Ja, Sohn?«
»Viel Glück mit Dr. Carter.«
»Danke«, sagte ich. »Viel Glück mit meiner Steuererklärung.«
Am nächsten Morgen rief ich Jess in ihrem Büro an. »Hey«, sagte ich, als sie abhob, »danke, dass du gestern in den Nachrichten zu meiner Verteidigung angetreten bist.«
»Bekomme ich dafür Fleißkärtchen?«
»Tausende«, sagte ich. »Was hast du da gemacht? Ich wusste nicht mal, dass du in Knoxville warst.«
»Kurzer Abstecher«, sagte sie. »Ich kam an dem Morgen früh ins Leichenschauhaus. Bei euch oben gab’s zwei Todesfälle, die eine Obduktion erforderten, und hier unten war’s ziemlich ruhig, also bin ich kurz entschlossen hochgefahren. Ich wollte gerade ins Auto steigen, um zurück nach Chattanooga zu fahren, da kam Miranda rausgestürmt und bat mich, sie mit zum Campus zu nehmen. Das Darwinposter hat sie auf der Fahrt gemalt.«
»Nun, ich freue mich sehr über die Unterstützung«, sagte ich. »Ich hoffe nur, dass sie dir nicht auch noch eine Torte ins Gesicht werfen.«
»Ach, das würde mir nichts ausmachen. Ich mag Bananentorte. Aber auf das andere könnte ich gut und gerne verzichten.«
»Das andere?«
»Ich habe letzte Nacht ein halbes Dutzend Anrufe bekommen«, sagte sie. »Jedes Mal derselbe Typ.«
»Was für ein Typ? Hat er seinen Namen genannt? Hast du seine Stimme erkannt? Hast du auf der Anrufererkennung eine Nummer?«
»Kein Name, blockierte Nummer, gedämpfte Stimme.«
»Erzähl mir von den Anrufen.«
»Also, nach den Schimpfnamen, mit denen er mich beim ersten Anruf bedachte, beschloss ich, den Rest der Anrufe auf den Anrufbeantworter gehen zu lassen. Einige Nachrichten kündigten mir ein sehr unerfreuliches Leben nach dem Tode an. Andere versprachen mir einige ziemlich höllische Erfahrungen diesseits des Grabes. Die zum Grab führen würden.«
»Morddrohungen? Mein Gott, Jess, hast du die Polizei informiert?«
»Nein, das ist nur ein stinksaurer Feigling, der Dampf ablässt«, sagte sie. »Lohnt sich nicht, Zeit und Energie darauf zu vergeuden.«
»Geh kein Risiko ein«, sagte ich. »Ruf die Polizei an.«
»Wenn ich jedes Mal, wenn mich jemand belästigt, die Polizei anrufen würde, wäre ich bald das Mädchen, das ›Wolf‹ schreit. Wenn es nicht aufhört, rufe ich die Telefongesellschaft an und bitte sie um eine Rückverfolgung der Anrufe und die Sperrung der Nummer. Wenn sonst was passiert, sage ich es der Polizei. Okay?«
»Okay«, lenkte ich ein, auch wenn ich es nicht okay fand.
»Oh, oh«, sagte sie, »ich muss auflegen – Amy macht ihr ›Da ist jemand Wichtiges in der Leitung‹-Gesicht. Wir sprechen uns wieder.«
»Okay. Pass auf dich auf, Jess«, sagte ich. »Tschüss.«
»Mach ich. Tschüss.«