24.) Sehen und gesehen werden

 

Ein Strandtag in Dubai ist immer ein besonderes Erlebnis – zumindest wenn man ihn an einem der öffentlichen Strände und nicht an einem Hotel-Strand verbringt. Der Strandneuling, bewaffnet mit Handtuch und Zeitung, merkt zum Beispiel schnell, warum die anderen alle mit ihrem dicken SUV (Sport Utility Vehicle) so weit wie möglich auf den Strand drauffahren  - die richtige Ausrüstung ist das A und O des Strandtages in Dubai.

 

An den öffentlichen Stränden in Dubai gibt es nämlich nichts – keine Büdchen, an denen man zu Wegelagerer-Preisen gekühlte Getränke oder Snacks kaufen könnte, keine Lädchen mit völlig überteuertem Wasserspielzeug aus China für die nörgelnden Kleinen oder abgelaufener Sonnencreme. Auch keine Liegen. Und vor allem gibt es eines nicht: Schatten.

 

Was es dafür gibt, ist eine tolle Aussicht. Zwischen dem Burj Al Arab und der Dubai Marina befinden sich direkt am Meer die großen Villen der Scheichfamilie. Von denen kann man außer den gigantischen Eingangstoren nichts sehen, aber man kann sich vorstellen, dass es drinnen ganz nett sein könnte.

 

Aus welchem Grund auch immer, es gibt kurz vor der Abfahrt zur Palm Jumeirah zwischen diesen Strandpalästen ein riesiges, freies Strandstück direkt am Meer: Mit bestem Blick auf die Palm Jumeirah und das Burj Al Arab kann man dort kostenlos in der Sonne liegen und den Strand genießen – wenn man denn die richtige Ausrüstung dabei hat.

 

Zur Minimal-Ausrüstung für einen Strandtag gehören: zwei extra-große Kühlboxen mit Getränken und Essen, Handtücher, Matten und Camping-Stühle für alle – der Sand kann auch durchs Handtuch verdammt heiß werden. Dazu zwei Ikea-Plastiktüten mit Sand- und Wasserspielzeug sowie ein Sonnenschirm für die Kinder, unter dem sie mit den gesammelten Muscheln spielen und das mitgebrachte Spielzeug ignorieren können. Außerdem wahlweise ein Pop-Up-Sonnenzelt oder ein zusammenklappbares Gazebo (Pavilion) – das allerdings nur, sofern ein Familienmitglied bereit und in der Lage ist, dieses auf- und wieder abzubauen.

 

So ausgestattet lässt es sich mehrere Stunden auch bei 45 Grad im Schatten einigermaßen aushalten. Allerdings nur, wenn man immun gegen eine gewisse Form des „Sehen-und- gesehen-werdens“ ist.

Wenn man sich gerade gemütlich und verdienterweise hingesetzt hat – Schleppen und Aufbau des Strandequipments haben über eine Stunde gedauert, zwei Fingernägel und die gute Laune aller Beteiligten gekostet – braucht man nicht lange warten und die ersten „Besucher“ kommen.

 

Hierbei handelt es sich meistens um Herren indischer, pakistanischer oder ähnlicher Abstammung, in deren Kultur es verankert ist, dass man hier und da mal stehenbleibt und guckt. Gerne auch ein paar Minuten länger und in großer Gruppe. Schließlich gilt es, das ganze Equipment, die Familie, das Spielzeug, den Sand und die Essensvorräte genau zu betrachten und untereinander zu besprechen.

 

Wer dieses „Gesehen-werden“ aushält, hat schon mal gute Karten für einen entspannten Tag am Strand. Halten die meisten nicht aus, daher gibt es jedes Jahr mehrere Hundert Beschwerden bei der Polizei wegen „Belästigung und Stören“ am Strand.

 

Für mich persönlich schlimmer ist allerdings das Problem des „Sehens“ am Strand. Viele der oben genannten Herren verdienen ihr Geld mehr schlecht als recht als Bauarbeiter oder Ähnliches. Selbstverständlich ist da ein kostenloser Sprung ins Meer eine willkommene Abwechslung – in Ermangelung einer Badehose bevorzugt in der weißen Unterwäsche. Beim Verlassen des Wassers sieht man dann deutlich mehr, als man sehen will.

 

Offenbar bin ich nicht allein mit meinem „übererfüllten“ Informationsbedürfnis am Strand. Seit einiger Zeit gibt es eine Kampagne in Dubai, alte Badehosen für die Arbeiter zu spenden. Außerdem hat die Polizei die Firmen aufgerufen, ihre Arbeiter über angemessene Badekleidung aufzuklären – wobei fraglich bleibt, ob es was nützt. Wenn es die Herren bislang nicht gestört hat, wie Bo Derek den Fluten zu entsteigen, werden sie wohl kaum wegen ein paar ermahnender Worte ihr hartverdientes Geld für Badehosen ausgeben. Und gebrauchte Badehosen haben nur einen sehr geringen Reiz.