4.) Das neue Wüstenauto oder wahre Liebe

 

Das Leben in der Wüste prägt und man lernt so einiges, wovon man nie gedacht hätte, dass man es mal lernt. Ich zum Beispiel weiß so ziemlich alles über Autoachsen und ich kann versichern, dass Autoachsen mich wirklich überhaupt nicht interessieren.

 

Mein Wissen verdanke ich Freund Peter und seinem neuen Auto. Wir sprechen hier nicht von irgendeinem neuen Auto, wir sprechen von einem neuen Wüstenauto. Diese Unterscheidung ist – zumindest für Männer – sehr wichtig. Selbstverständlich muss das Wundergefährt, das das angeblich das Beste seiner Art ist und praktisch nicht mehr stecken bleiben kann, sofort vorgeführt werden. Peter kommt also mit seiner Frau Sabine zur Probefahrt im neuen Nissan „Patrol“ vorbei.

Beim Anblick des Autos kann ich mir die verwunderte Nachfrage nicht verkneifen:

 

„Ich dachte das sei ein Neuwagen?“ 

 

Ich verstehe nicht viel von Autos. Da unsere Nachbarn aber ebenfalls einen neuen Nissan „Patrol“ in der Garage stehen haben, weiß ich immerhin, dass es sich hierbei um ein riesiges, schiffähnliches, irgendwie rundes Gefährt handelt, in dem Noah problemlos die ganze Arche untergebracht hätte. Das Auto jedoch, das vor mir steht, ist klein, hat nur zwei Türen und ist ungefähr so eckig wie der erste Golf.

 

Ich werde aufgeklärt, dass es sich natürlich um einen Neuwagen handelt. Die Marketing-Leute von Nissan sind offenbar Männerversteher und bauen für echte Wüstenpioniere wie Peter weiterhin das Model von 1980, weil das eben das einzige wirklich wüstentaugliche ist. Bei den eher kleinen Stückzahlen ist der Preis natürlich etwas höher.

 

Jaaaaa“, antwortet Peter langezogen auf meine Nachfrage nach dem Preis, „aber die neuen „Patrols“, die haben keine Starrachsen, die haben Einzelradaufhängung.“

 

Dann beginnt er, mir sehr langatmig die Vorteile von Starrachsen zu erklären. Wie gesagt, sind mir diese herzlich egal und so habe ich trotz seiner Bemühungen auch nach einer halben Stunde Achsenvortrag immer noch keine Ahnung, wovon er spricht.

 

Nach der Probefahrt weiß ich es dann: Die Achsenaufhängung ist für die Federung des Autos zuständig. Wenn man Starrachsen hat, hat man keine. Also, Federung. Man kann jeden Kaugummi, der auf der Straße liegt, spüren. Von Fahrbahnhöckern oder Bodenwellen in der Wüste will ich gar nicht erst anfangen. Endlich weiß ich, wie sich die Prinzessin auf der Erbse gefühlt haben muss. Oder eine Katze, die im laufenden Wäschetrockner gefangen ist.

 

Ich frage, noch immer im wahrsten Sinne des Wortes erschüttert, Ehefrau Sabine, wie sie denn das neue Auto findet - eine freundliche Umschreibung für meine wirkliche Frage, wie sie das neue Auto aushält.

 

Ihre kurze Antwort: „Wenn ich in dem Auto sitze, zieh ich immer einen Sport-BH an.“

 

Das ist wahre (Wüsten-)liebe.