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Giffey sieht die Frau hinter einer Biegung verschwinden. Er tritt aus einer Nische, die offenbar eine bessere Perspektive auf ein große Gemälde aus dem neunzehnten Jahrhundert ermöglichen soll – nicht gerade ein Meisterwerk (kann er es wirklich beurteilen?), aber durchaus beeindruckend mit dichtgedrängten Scharen fuchsbrauner und grauscheckiger Pferde und napoleonischer Soldaten.

Die Frau ist Seefa Schnee. Das weiß er, aber er kann sich nicht mehr erinnern, warum er es weiß oder was es bedeutet. Doch er ist kein Idiot. Er kommt immer wieder zu eigenen Erkenntnissen, während seine zwei Persönlichkeiten, seine zwei Vergangenheiten ihren Streit ausfechten. Er kann sogar erklären, warum es zu einem neuen Ausbruch der Zuckungen und des Gestammels kommt.

Jack Giffey existiert nicht wirklich. Er hat niemals wirklich existiert.

Leise verfolgt er die Frau, versteckt sich hinter Ecken und springt aus der Deckung, während sie vom großen Garten zu einem unbekannten Ort unterwegs ist, vermutlich nach unten. Das ist Giffey recht, ob er nun wirklich ist oder nicht.

Sowohl Giffey als auch der andere haben den größten Teil ihres Lebens als Soldat verbracht. Sowohl Giffey als auch der andere wurden zum Töten ausgebildet. Sowohl Giffey als auch der andere wurden durch den Tod von Colonel Sir John Yardley aus der Bahn geworfen, doch irgendwann später ging einer fort. Und der andere wurde geboren.

Colonel Sir ist der Kreuzweg seiner zwei Persönlichkeiten.

Er hat eine Theorie.

(Die Frau bleibt am Ende eines Gangs stehen. Auf der rechten Seite gibt es eine Tür in der Wand. Sie zieht einen malerisch mechanischen Schlüsselring aus der Tasche und steckt ihn ins Schloss der Tür.)

Seine Theorie besagt, dass der andere wegen nicht genau spezifizierter Verbrechen von irgendeiner Regierung in Haft genommen wurde. Da es die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika war, die erneut in Hispaniola einmarschierte, um Ordnung zu schaffen und das Machtvakuum auszufüllen, vermutet er, dass es die USA waren, das Land, in dem sowohl Giffey als auch der andere geboren wurden, das ihn in der Mitte gespalten hat.

Da Giffey nun mit denselben Symptomen wie Jenner zu kämpfen hat, mit Zuckungen und Anfällen sinnlosen Zorns, liegt die Vermutung nahe, dass er therapiert und mit Monitoren ausgestattet wurde, möglicherweise im Zuge einer richterlichen Anordnung. Oder…

Oder man betrachtete den anderen als wertvoll. Sodass er mit Monitoren ausgestattet wurde, die seine Psyche restrukturierten, die ihm die Maske des Jack Giffey verpassten, als überzeugende Tarnung, die er selbst nicht durchschauen konnte, die den anderen zu einer intelligenten menschlichen Bombe machten. Ein automatischer Warbeiter, der gegen Omphalos eingesetzt wurde. Jenner wurde als separater Teil des Plans anderswo rekrutiert; und Park, der glaubte, er hätte Giffey rekrutiert, wurde genauso in den Plan einbezogen, wie jemand, der von einem Zauberer dazu verleitet wird, eine bestimmte Karte zu ziehen.

Wie sonst hätten Giffey und Jenner jemals an MN gelangen können?

Jemand weiß Bescheid. Jemandem war dieses Gebäude schon seit längerem ein Dorn im Auge. Falls es keine schlichte Paranoia der Regierung war, die einfach nur einen Schlag gegen ein anmaßendes Projekt der Republik Green Idaho führen wollte. Dieses Motiv kann er sogar nachempfinden, es kann sein programmiertes, fiktives Ich anstacheln.

Jack Giffeys Missionen haben nie einen besonders vernünftigen Eindruck gemacht. Aber gegen Seefa Schnee und ihren Glöckner anzutreten…

Er kann sich etwas Schlimmeres vorstellen.

Die Sachlichkeit seiner Hypothese ist verblüffend. Aber jetzt muss er sich um andere Dinge kümmern. Es gelingt ihm, die Tür abzufangen, bevor sie wieder ins Schloss fällt.

Erneut erlischt die Beleuchtung, und ein beunruhigendes Erschaudern läuft durch das Gebäude, als würde Omphalos allmählich aus dem Schlaf erwachen. Er hört, wie die Schritte der Frau auf der Treppe innehalten. Sie bleibt stehen. Dann geht sie trotz der Dunkelheit mit sicherem Schritt weiter. Sie kennt sich hier bestens aus, auch auf diesen schweren Stahlstufen.

Er hat immer noch seine Taschenlampe. Er schaltet sie erst ein, als er die Schritte der Frau nicht mehr hören kann. Die Treppe führt mindestens drei, vielleicht sogar vier oder fünf Stockwerke in die Tiefe. Es ist ein langer Weg.

Im Schein der Taschenlampe beginnt er seinen Abstieg durch die Finsternis. Die Giffey-Persönlichkeit weiß vermutlich, was in dieser Situation zu tun ist; höchstwahrscheinlich hat sie spezielle Anweisungen oder eine entsprechende Ausbildung erhalten.

Vorläufig überlässt er Jack Giffey das Kommando.

Doch das hat zur Folge, dass er wieder abgehackte Obszönitäten ausstösst, und er hält sich mit der freien Hand den Mund zu, um die Laute zu unterdrücken.

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