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Die inzwischen schmutzigen Finger trommelten immer energischer auf die Tastatur des zerbrechlich wirkenden Laptops und fanden bald ihren eigenen Rhythmus: Glück muss man strafen, Familie muss man strafen, Kinder muss man strafen, Glück muss man strafen, Familie muss man strafen, Kinder muss man strafen … Seite um Seite füllte sich mit den Worten, die direkt aus seiner Seele kamen. Es war, als würde sich der Dämon in ihm endlich wieder heraustrauen. Als wühlten sich seine langen spitzen Klauen immer weiter dem Licht entgegen. Mit jedem Wort ein Stückchen weiter und weiter und weiter. Zu lange musste er ihn wegsperren, ihn bändigen. Aber jetzt und hier, in seinem alten Zuhause konnte er es zulassen.
Das feuchte Gestein um ihn herum gefiel dem Dämon auch viel besser als der Beton seiner Einzimmerwohnung. Hier war nichts steril, hier hatten sie zusammen Geschichte geschrieben. Ein verzerrtes Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit und die linke Hand unterbrach den Rhythmus der Worte. Sie fuhr nach unten und quetschte seinen Schritt solange, bis endlich der wohlverdiente Schmerz einsetzte und ihm auf schönste Weise die Luft nahm. Dies war der Zustand, den ER brauchte, um für ein paar Sekunden alles noch einmal zu erleben. Um zu hören, wie sie geschrien hatten, um zu spüren, wie ihr letztes bisschen Atem sich mit seinem vermengt hatte, wie ihr Blut schmeckte und wie letztlich ihre Verzweiflung aus den toten Augen gewichen war … ein Hochgefühl jagte das nächste!
ER beruhigte sich ein wenig und drückte dann die SENDEN-Schaltfläche. Im Geist verfolgte er den Weg seiner E-Mail, wie sie zuerst über sein Satellitentelefon hinaus ins All geschossen wurde. Dort fing sie ein Satellit auf, zerstückelte die Daten, um sie schließlich wieder zurück zur Erde zu katapultieren. Beim ersten Server angekommen, würde sich die E-Mail eine fremde IP-Adresse stehlen und sich anschließend an zehn zufällig ausgewählte E-Mail-Adressen im Raum Nürnberg versenden.
Auch wenn sie ihn verachteten, eine kleine Chance wollte er ihnen lassen! Das war sozusagen das Salz in der Suppe, denn ohne einen Hinweis würden sie nie kapieren, wie mächtig er zusammen mit seinem Dämon war.
Sanft schloss er den Monitor des Laptops, prüfte kurz, ob die Tür aus den abgeschlagenen Ästen einer Eiche noch frisch genug war und nahm dann wieder die Buntstifte zur Hand.