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Die Geschichte von Danas Scheidung langweilte sogar sie selbst. Der Mangel an Originalität war ihr peinlich, und wenn jemand sie nach Einzelheiten fragte, verdrehte sie die Augen, um ihre Demütigung zu verbergen. »Jüngere Frau«, sagte sie dann. »Ahhh«, kommentierten die Leute wissend.

Natürlich ließ sich die Auflösung einer seit fünfzehn Jahren bestehenden Ehe nicht mit einer so einfachen Erklärung abtun. Ja, er war untreu gewesen, aber Dana hatte ihm im Lauf der Jahre so viele Dinge verziehen, sie hätte ihn auch wieder aufgenommen. Es war Kenneth, der mit der Begründung auf die Scheidung gedrängt hatte, seine Liebe zu ihr sei nie so groß gewesen wie das, was er jetzt für diese neue Frau empfinde. »So glücklich war ich noch nie«, hatte er zu ihr gesagt.

Trotzdem schien er enttäuscht darüber, dass Dana sich kampflos damit abfand, wegen seiner neunundzwanzigjährigen Friseurin von ihm verlassen zu werden. Dabei war Dana für ihr Empfinden ziemlich heftig explodiert. Allerdings wurde beiden bald klar, dass ihre Wut mehr mit ihren Kindern als mit ihr selbst zu tun hatte. Wie sollten sie weiterhin unbeschwert und vertrauensvoll auf andere Menschen zugehen, dachte sie voller Sorge, wenn der König ihres eigenen, kleinen Reiches sein Schloss verließ? Wer würde sie vor dem Ansturm der Hunnen bewahren?

Mit dem Leben in einem königlosen Schloss kannte Dana sich nur allzu gut aus, und sie hatte sich geschworen, dass das ihren Kindern nicht passieren würde. Tief im Inneren hatte sie gewusst, dass sie keine Kontrolle über die Wechselfälle des Lebens besaß, aber es war tröstlich gewesen, so zu tun, als hätte sie die Macht, diesen einen großen Kummer von Morgan und Grady fernzuhalten.

Ihre Ehe war nicht völlig lieblos gewesen, das konnte Dana mit einiger Sicherheit sagen. Es hätte sogar Potenzial für jene Art von großer Liebe gegeben, wie sie in den Liebesromanen vorkam, von denen sie nicht genug bekommen konnte. Sie hatte auf dieses Gefühl gewartet, hatte versucht, es nach Kräften zu nähren, zum Beispiel in romantischen Stunden, wenn sie Neues im Bett ausprobierten. Kenneth schien das sehr zu gefallen. Ihr auch, obwohl ihr Verstand eher abschweifte, wenn irgendeine ungewöhnliche Position von ihr verlangt wurde.

Und sie hatte sich so bemüht. Bei allem.

In den Beziehungen, die sie bewunderte, ob im wirklichen Leben oder in Büchern, waren sich die Liebenden auch die besten Freunde. Sie hörten einander zu und standen sich mit Rat und Tat zur Seite. Genau danach strebte auch sie. Sie versuchte, sich einzureden, dass Kenneth es nur gut mit ihr meine, wenn er sie tadelte, weil sie keinen dicken Mantel anhatte, oder wenn er andeutete, sie könne doch von Zeit zu Zeit mal etwas literarisch Anspruchsvolleres lesen. Er machte sich Gedanken um sie. Bot ihr auf seine Weise seinen Rat an. Mehr als ihre Eltern es je füreinander getan hatten.

Eines Abends, als sie schlecht gelaunt und er ihr gegenüber besonders unaufmerksam war, hatte sie den Mut aufgebracht, ihm zu sagen, dass er auf ihre Bedürfnisse nicht eingehe. Seine Antwort: »Was für Bedürfnisse?« Dana wusste selbst nicht genau, welche, aber sie hatte sie, und er konnte sie nicht befriedigen.

»Tut mir leid, mein Schatz«, hatte er gesagt, während er kurz einen Arm um sie legte. »Ich versuche, mich zu bessern.« Dann war er verschwunden, um sich ein Haar auszuzupfen, das wie ein Tentakel aus seiner ansonsten ebenmäßigen Augenbraue herausgewachsen war.

Beim Unterschreiben der Scheidungspapiere war Dana natürlich todtraurig gewesen. Kenneth hatte darauf bestanden, sie danach zum Mittagessen in ein französisches Restaurant einzuladen, und sie war von dem gähnenden Abgrund ihres offiziell beurkundeten Alleinseins zu verwirrt gewesen, um abzulehnen. Ihre Hand hielt die Gabel, als wäre sie ein fremdartiger Gegenstand, ein Werkzeug, in dessen Gebrauch man sie nicht richtig unterwiesen hatte. Als die Gabel in den Salade Niçoise glitt, wehte ihr der Kräuterduft der Oliven entgegen, ein fremder, bedrohlicher Geruch. »Nein«, hätte sie am liebsten gesagt, »geh weg!«

Sie legte die Gabel auf den Teller und versuchte, sich zu beruhigen, indem sie mit der Hand über die Tischdecke fuhr und die scharfkantigen Krümel wegwischte, die von Kenneths gebutterter Baguettescheibe abgeblättert waren. Ihre Haut fühlte sich kalt an und spröde wie Papier, so als könnten die Brotkrustensplitter sie durchbohren, bis Blut aus den Wunden trat. Im künstlichen Dämmerlicht des Restaurants wirkte Kenneths Miene düster und niedergeschlagen, als dächte auch er über Dinge nach, die ihn innerlich bluten ließen.

Er räusperte sich, ein kaum wahrnehmbares Gurgeln begleitete den plötzlichen Husten. Seine Allergie spielte verrückt, und Dana hätte ihn fast gefragt, ob er sein Antihistaminikum genommen habe. Es war jedoch nicht mehr an ihr, auf dieses Geräusch zu achten oder ihn an seine Medizin zu erinnern. Sie sollte lieber anfangen, auf ihren eigenen Körper zu hören: das dumpfe, widerwillige Pochen ihres Pulses, die schrille Beschämung darüber, dass sie bei etwas so Wichtigem gescheitert war.

»Versprich mir etwas«, bat sie ihn über ihren Salat hinweg. »Wenn du die Kinder besuchst, bring bitte deine Freundin nicht mit. Lass sie dich wenigstens die nächsten zwei Monate lang ganz für sich haben.«

»Was meinst du damit?«, hatte er gesagt, noch nicht beleidigt, aber kurz davor. »Glaubst du, ich schenke den Kindern nicht meine volle Aufmerksamkeit?«

»Nein, es ist nur … Ich möchte, dass sie so viel Zeit wie möglich mit dir verbringen.« Dana hatte Angst, dass Grady und Morgan ihren Vater vollkommen verlieren würden, so wie sie ihren verloren hatte. Vielleicht würde Kenneth von dieser neuen Person fortgespült, so wie ihr Vater fortgespült worden war.

»Ich ziehe nur nach Hartford um«, murmelte Kenneth. »Nicht auf den Mars.« Der Kellner kam, um zu fragen, ob sie ein Dessert haben wollten. Kenneth verneinte die Frage für sie beide.

Dana hatte sich durch die langen, verwirrenden Monate seit der Scheidung hindurchgewurstelt. Ihr fiel auf, dass sie häufig blinzelte, ein vergeblicher Versuch, sich auf dieses neue Leben als Alleinerziehende zu konzentrieren. Außerdem stellte sie fest, dass sich in ihren Ton allmählich eine gewisse Schärfe einschlich. Denk positiv, sagte sie sich und ließ auf dem Weg zum Zahnarzt den Motor ihres Minivans etwas lauter aufheulen als nötig.

Zu Dr. Sakimoto gingen sie jetzt schon neun Jahre, seit Morgans drittem Lebensjahr. Bei ihrem ersten Besuch in seiner Praxis hatte Morgan so große Angst gehabt, allein auf den riesigen Vinylstuhl zu klettern, dass Dana sich daraufgesetzt und das zitternde Mädchen auf den Schoß genommen hatte. Kaum hatte Marie, die Zahnhygienikerin, Morgans Zähne mit ihrem Instrument berührt, übergab sich das Mädchen auch schon.

»Ist ja gut, mein Spatz, ist ja gut«, hatte Dana Morgan beruhigt und dabei versucht, die Schweinerei zu beseitigen.

Dr. Sakimoto war mit einer Rolle Haushaltspapier in der Tür erschienen. »Gar kein Problem«, hatte er gesagt. Dana hatte, passend zu seiner kurzen, etwas rundlichen Gestalt, eine hohe, nasale Stimme erwartet, doch sie klang so tief und voll, als käme sie aus den Absätzen seiner Schuhe. »Passiert alle naselang, stimmt’s, Marie?« Die Angesprochene schien sich dessen nicht so sicher zu sein, jedenfalls verließ sie, die Hand auf der Nase, rasch den Raum.

Dana entschuldigte sich immer wieder, während sie Morgan säuberte und tröstete.

»Nur ein paar erbrochene Kekse«, beruhigte er sie und wischte an dem Stuhl hinunter. »Aufs Ganze gesehen ein unbedeutendes Problem, hab ich recht?«

»Ja«, hatte Dana geseufzt. »Das haben Sie.«

Jetzt war Morgan fast zwölf und wollte ihre Mutter in der Zahnarztpraxis nicht mehr in ihrer Nähe haben, sinnierte Dana, als sie selbst sich, ein Papierlätzchen um den Hals, auf genau diesem Stuhl zurücklehnte.

»Irgendeine Veränderung Ihres Gesundheitszustands?«, fragte Dr. Sakimoto, während er ihre Patientenakte studierte. Er erinnerte Dana an eine Vogeltränke: klein und gedrungen, aber mit einem fast sichtbaren Vorrat an guter Laune. »Neue Medikamente? Rasche Gewichtsab- oder -zunahme?«, fragte er.

»Letzteres ja«, antwortete sie.

Er sah sie flüchtig an – ihr Gesicht, bemerkte sie, nicht etwa ihren Körper, an dem er selbst hätte sehen können, ob sie dicker oder dünner geworden war. »Ja?«, sagte er. »Ab- oder Zunahme?«

»Beides. Ich habe sehr schnell fünfzehn Pfund verloren, ungefähr zehn aber schon wieder drauf.«

»Waren Sie krank?«, fragte er. »Ich hoffe, es war nicht irgendeine Modediät.«

»Die Scheidungsdiät«, scherzte sie trocken. »Nicht direkt eine Modeerscheinung – eher eine Epidemie.«

»Das tut mir wirklich leid«, sagte er freundlich. »Wie geht es Ihnen?«

»Ganz gut, glaube ich.« Es kam ihr so vor, als erwartete er noch etwas, deshalb fügte sie hinzu: »Ich benutze immer noch Zahnseide.«

»Gut«, sagte er. »Wenn das Leben anfängt, Faustschläge zu verteilen, ist nämlich nichts wichtiger als eine ordentliche Zahnhygiene.«

Er hat recht, dachte sie. Ich sollte mich besser um mich kümmern. Mehr Sport treiben. Doch dann sah sie sein mitfühlendes Lächeln. Natürlich machte er nur Spaß. Auch wenn sie nach wie vor Zahnseide benutzte, die Spülmaschine einräumte und Muffins für die Klassenfeste ihrer Kinder backte, wusste Dana, was anders war als vorher. Sie hatte sich immer leichtgetan, über die Scherze anderer zu lachen, ihnen das Gefühl zu geben, komisch zu sein, auch wenn sie es gar nicht waren. Jetzt dagegen schien sie die Pointe nicht einmal verstanden zu haben.

An diesem Nachmittag stieß Dana mit ihrem Minivan rückwärts aus der Einfahrt hinaus, während Grady auf dem Rücksitz zur Musik seines nicht gerade altersgemäßen Lieblingssenders mit dem Kopf wippte. »Getcha, getcha down on the floor, beggin’ for more …«, rappte der Sänger über die Synthesizerperkussion hinweg. Dana hoffte, dass ihr Zweitklässler in Wirklichkeit nicht wusste, was er da hörte.

Im Rückspiegel entstand plötzlich Bewegung. Etwas Großes – ein Auto? – kam hinter ihr zum Stehen und blockierte die Einfahrt. Da sie im Spiegel alles seitenverkehrt sah, schlug sie erst in die falsche Richtung ein und riss dann den Lenker herum, wobei Grady sich den Kopf am Fenster anstieß. »Au!«, schrie er, obwohl er einen Football-Helm aufhatte.

Dana stieg auf die Bremse und wandte sich ruckartig auf ihrem Sitz um. »Ist dir was passiert?«

»Nö«, murmelte er, während er sich den Ellbogen rieb, einen der wenigen ungepolsterten Körperteile.

Dana blickte durchs Heckfenster und sah, dass neben ihrem umgefallenen Briefkastenständer eine orangefarbene Rostbeule stand.

»Scheiße!«, knurrte der Fahrer, dessen Gesicht von einem Vorhang aus pechschwarzem Haar verdeckt wurde, wütend durchs offene Fenster.

Das war Dana erst einmal nicht geheuer. Ein fluchender Fremder war auf ihr Grundstück gerast. Sollte sie überhaupt aussteigen? Doch Grady war schon dabei, zur Seitenschiebetür hinauszuklettern und sich wie üblich in Gefahr zu stürzen. Dana stieg hinter ihm aus.

»Du blödes Stück Scheiße!«, fauchte die Fahrerin – es war nämlich eine Frau – ihr Auto an. Allem Anschein nach unternahm sie gerade den Versuch, durch heftiges Rütteln das Lenkrad von seiner Metallsäule zu lösen. »Ahhh! Mein Leben ist einfach zum Kotzen.« Ihr Gesicht konnte Dana immer noch nicht richtig sehen, die Stimme kam ihr jedoch bekannt vor …

»Alder?«, sagte Grady, an das dreckige Auto gelehnt.

Danas Nichte sackte in sich zusammen, resigniert ließ sie die Schultern sinken. »Hey, G«, murmelte sie.

»Alles in Ordnung, Alder?«, fragte Dana unnötig aufgeregt und griff nach der Tür. »Tut dir was weh, Liebes? Komm, lass mich mal …« Sie nahm Alders Ellbogen, während das Mädchen sich aus dem Inneren des Autos mit der zerschlissenen Vinylverkleidung herausschälte. Alders graues T-Shirt war mit dem undeutlichen roten Umriss eines Gebäudes bedruckt, das von Flammen verzehrt wurde. Dazu in gekritzelten Buchstaben der Schriftzug FACKEL DIE BUDE AB.

Dana umarmte sie, und Alder ließ es geschehen. Über ein Jahr war es her, dass sie sich zuletzt gesehen hatten. August, besann sich Dana. Mas Beerdigung. Der Unterschied in Alders Erscheinung war verblüffend. Ihr rötlich braunes Haar war schwarz gefärbt und ihre Kleidung düsterer, als Dana sie je an ihr gesehen hatte. Alder hatte immer einen vielfarbigen, eklektischen Stil gehabt. Unkonventionell, aber reizvoll. Jetzt dagegen hatte sie plötzlich etwas Zerbrechliches an sich, so untypisch für das handfeste, aufrechte Mädchen, das Dana immer bewundert hatte.

»Kann ich bei euch wohnen?«, fragte Alder, als sie die Einfahrt hinaufgingen. Dana entgleiste das besorgte Lächeln.

»Ja!«, jubelte Grady. »Na klar! Stimmt’s, Mom? Stimmt’s?«

Alder gab ihm einen leichten Schubs, der ihn aus dem Gleichgewicht brachte. Er stieß sich ab, um extra weit zu fallen, und als er landete, schlugen seine Schulterpolster klappernd aneinander. »Oh Mann!« Lachend lag er im Gras. »Das ist der Hammer!«

Mit einem Glas zuckerfreie Limonade ließ Dana ihre Nichte in der Küche zurück und brachte Grady zum Training. Auf dem Rückweg rief sie ihre Schwester an.

»Ich hätte wissen müssen, dass sie zu dir fährt«, murmelte Connie. »Sie hat wieder die Schule geschmissen.«

»Die … äh … diese kreative …«

»Die Summit Creativity and Awareness School. Um sie da reinzukriegen, musste ich praktisch beweisen, dass sie die Reinkarnation von Salvador Dalí ist.«

»Bist du sicher, dass das die richtige Schule für sie ist? Bestimmt ist sie toll, aber vielleicht passt sie doch nicht so ganz dorthin.«

»Gut, dann klär mich auf«, sagte Connie. »Was schlägst du vor? Deerfield? Williston? Mit Hamptonfield High ist sie nämlich durch. Das ist ein Ort für Einzeller.«

Dana biss sich auf die Daumenspitze. »Ich hab von dem Trigonometrievorfall gehört.«

»Trigonometrie! Trigo-Scheiß-Metrie! Als ob sie je in ihrem Leben Verwendung dafür hätte. Als ob es darauf ankäme

»Schon …, aber ob es so geschickt war, auf dem Elternabend eine Diskussion darüber vom Zaun zu brechen …«

»Wann denn sonst?«, fragte Connie. »Alle Eltern und sogenannten Lehrer waren anwesend, Dana. Das ganze paramilitärische Establishment!«

»Na dann, ähm …«, nuschelte Dana. Die Tiraden ihrer Schwester waren unerbittlich und anstrengend.

»Na dann, ähm?«, äffte Connie sie nach. »Du hörst dich an wie Ma! Wenn du jetzt noch Haarklammern und Kölnisch Wasser benutzt, fange ich an, mir ernstlich Sorgen zu machen.«

»Ich fand schon immer, dass ein oder zwei Haarklammern ganz nützlich sein könnten.« Lächelnd genoss Dana eine der seltenen Gelegenheiten, Connie ein wenig zu piesacken.

»Mach mich nicht an – ich stecke in einer Krise!«

»Also gut«, gab Dana nach. »Sagt Alder denn, auf welche Schule sie gerne gehen würde?«

»Als ob sie das wüsste. Und wer sagt überhaupt, dass eine stinknormale Highschool der Schlüssel zum Glück ist? Für mich war es der Schlüssel zu vier Jahren Stumpfsinn. Übrigens hat Alder Talent. Wenn sie bloß mal mehr als zehn Minuten im Atelier verbringen würde, könnte sie mit achtzehn ihre erste Vernissage haben!«

»Mm-hmm«, machte Dana beifällig, ohne wirklich ihrer Meinung zu sein. »Vielleicht sollte sie erst mal ein paar Tage hierbleiben, bis ihr beide euch beruhigt habt.« Es war allerdings unwahrscheinlich, dass ihre Schwester sich jemals beruhigen würde.

»Gut«, sagte Connie. »Lass sie bleiben. Lass sie ihre kleine, spießige Abercrombie & Fitch-Fantasie ausleben. Sie wird schon früh genug wieder zu Sinnen kommen – zu allen sechs.«

»Von mir aus gerne«, sagte Dana.

»Klar«, schnaubte Connie.

Dana bog in die Einfahrt ein. In gewisser Hinsicht hatte Connie recht – Danas Haus, das sich in die nette Kleinstadt Cotters Rock in Connecticut hineinschmiegte, hatte etwas Kuscheliges. Es war im Kolonialstil erbaut, mit Eingang in der Mitte und jägergrünen Fensterläden und einem Holzapfelbaum davor, der im Frühjahr wunderschön blühte. Die prächtige Haustür benutzten sie allerdings gar nicht mehr. Seit Morgan laufen gelernt hatte, waren sie durch den Seiteneingang gleich neben der Garage gegangen, da ihre kleinen Schuhe immer dreckig und ihre Schneestiefel mit schöner Regelmäßigkeit nass waren.

Als Dana eintrat, fand sie Alder genau so vor, wie sie sie verlassen hatte, die Limonade noch unberührt. »Ist was passiert?«, fragte Dana und ließ sich auf einem Stuhl neben ihr nieder.

»Ja, mein ganzes verfluchtes, jämmerliches Leben ist passiert.«

»Würde es dir was ausmachen, dich nicht ganz so drastisch auszudrücken, mein Schatz?«

Alder zuckte entschuldigend die Achseln.

»Deine Mutter hat gesagt, du hättest die Schule geschmissen.«

»Sie macht mich noch wahnsinnig

Das glaube ich gern, dachte Dana. »Also … wie wär’s, wenn du ein paar Tage hierbleibst?« Während sie Alder anlächelte, dachte sie sich die Haarfarbe und den verdrießlichen Gesichtsausdruck weg. Klein-Alder. Aufgewecktes, lustiges, spontanes Mädchen. Das erste Baby, das Dana je auf dem Arm gehabt hatte. »Ich hab dich vermisst.«

Wärme floss wie ein dünnes Rinnsal über das Gesicht des Mädchens, eine Erinnerung an früheres Glück. »Wie ist denn die Cotters Rock High so?«, fragte sie.