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»Haben Sie das gesehen?« fragte Elsie Brand und legte etwas auf meinen Schreibtisch. Es war ein Ausschnitt aus einer Zeitungsseite. Die Klatschspalte, stellte ich fest. Man konnte daraus das Neueste über alle möglichen bekannten Persönlichkeiten entnehmen — Nachrichten von geradezu welterschütternder Bedeutung. Aber da waren auch versteckte Anspielungen, die der blühenden Phantasie des Zeitungsmannes entsprungen sein mochten oder auch nicht. >... wie kommt es wohl<, las ich zum Beispiel, >daß die Sekretärin eines bekannten Rechtsanwaltes, dessen Name mit M beginnt, immer an den Abenden Überstunden machen muß, an denen die Gattin ihres Chefs Klubabend hat?< In dieser Tonart ging es weiter.

»Was soll ich denn damit?« erkundigte ich mich.

Elsie wies wortlos auf einen Absatz ganz unten auf der Seite. Ich las: »Hartnäckig hält sich das Gerücht, daß ein wohlhabender Bürger unserer Stadt offenbar zu häufig und zu lange fremde Länder bereist, um eine steuerbegünstigte Institution mit Material zu versorgen. Seine viel jüngere Gattin, so munkelt man, trage sich mit dem Gedanken, ihre Zukunft weniger einsam zu verbringen^

»Na und?« fragte ich.

»Ach, nur so. Ich dachte, vielleicht...«

In diesem Augenblick kam Bertha Cool hereingerauscht. Sie stand im Zimmer, kriegerisch anzusehen, mit dem Blasrohr in der einen und dem Buddha in der anderen Hand.

»Bilde dir ja nicht ein, daß ich mit dem Zeug hier über die Straße gehe«, zischte sie mich an.

»Warum nicht?« meinte ich unschuldig. »Schließlich wirst du ja auch das Honorar aushandeln wollen, und ...«

»Allerdings will ich das«, sagte sie grimmig. »Aber ich bin kein Laufbursche.«

»Wenn ich dich so ansehe ...«, begann ich.

Aber sie schnitt mir das Wort ab: »Ich hab’ mir’s überlegt, Donald. Du mußt zugeben, daß ich in finanziellen Dingen geschickter bin als du; ich werde das Honorar aushandeln. Aber erst, nachdem du ihm die Sachen gebracht hast. Erzähl ihm, wie du’s angestellt hast — aber nicht so, wie du’s mir vorhin erzählt hast; du mußt die Geschichte ein bißchen ausschmücken, klar? Du brauchst ihm nicht auf die Nase zu binden, wie einfach das alles war. Phantasie, Junge! Darauf kommt’s an! Sag ihm meinetwegen, wir haben erst mal das Gebäude vermessen, um herauszukriegen, ob der Fahrstuhl wirklich der einzige Weg zu seiner Atelierwohnung ist; erzähl ihm...«

»Das hat er vielleicht gar nicht gern«, unterbrach ich sie.

»Das ist mir doch Wurscht! Schließlich wollen wir ja auch leben! Er hat den Kram immerhin auf neuntausend geschätzt, ohne mit den Wimpern zu zucken; und jetzt bekommt er ihn prompt zurück, ohne alle Umstände und ohne Publicity...«

Ich schüttelte den Kopf: »Falsch, Bertha —ganz falsch.«

»Wieso falsch? Ich rede hier von Geld, und du ...«

»Ich rede auch von Geld«, belehrte ich sie. »Denk doch mal logisch: Wenn wir einen Monat gebraucht hätten, um die Sachen zu finden, dann könnten wir die Sache ein bißchen... eh... ausbauen. Aber so? Die ganze Angelegenheit hat nur einige Stunden gedauert. Da kannst du keine große Sache daraus machen, siehst du das nicht ein?

Ich mache dir einen ganz anderen Vorschlag: Da du die Sache nicht größer machen kannst — mach sie doch kleiner; tu so, als ob das kleine Fische für unsere Firma wären — so: >Das? Ach so, ja... wissen Sie, das machen wir immer kurz vor dem Frühstück.< Verstehst du? Und dann schickst du ihm eine ganz normale Rechnung; ein Mann hat einen Tag lang daran gearbeitet — ja, du kannst noch Taxispesen reinmogeln, wenn du willst, und noch so ein paar Kleinigkeiten. Der Erfolg wird sein, daß wir bei Crockett eine gute Nummer haben; und das nächstemal wird er uns wieder heuern. Und seine Bekannten werden erfahren, daß wir flott arbeiten und keine Phantasiepreise machen — du wirst sehen, es zahlt sich aus.«

Bertha war sichtlich beeindruckt. »Na ja«, meinte sie schließlich, »ich will’s mir mal durch den Kopf gehen lassen. Vielleicht hast du gar nicht so unrecht... ich werde die Sache überschlafen. — Aber jetzt bringst du ihm erst seinen Krempel.«

»Wenn du mir versprichst, ihm eine normale Rechnung zu schicken«, stellte ich zur Bedingung, »dann gehe ich jetzt zu ihm, übergebe ihm die Sachen und erstatte Bericht.«

»Einverstanden«, erklärte sie nach kurzem Zögern.

»Soll ich bei Crockett anrufen und Bescheid sagen, daß Sie kommen?« fragte Elsie Brand.

Ich überlegte. »Nein«, entschied ich mich dann und fügte grinsend hinzu: »Ich möchte nämlich sein Gesicht sehen, wenn ich ihm das Zeug bringe. Irgend jemand muß doch von der Geschichte gewußt haben — die Fahnenstange hat sich nicht selbst ausgehöhlt. Ich möchte gern rauskriegen, ob Dean Crockett der Zweite nicht womöglich den >Diebstahl< selbst arrangiert hat und wir nur als Schaufensterdekoration gebraucht wurden; und wenn das so gewesen sein sollte, warum er das getan hat.«

»Mach bloß keinen Ärger!« warnte Bertha. »Übrigens— könnte nicht der Fotograf dahinterstecken?«

»Möglich«, sagte ich, »aber nicht wahrscheinlich. Der hat vermutlich nicht einmal gewußt, daß die Statuette in seiner Kamera steckte.«

»Ach nee...« Sie war skeptisch. »Wieso?«

»Weil der kleine Buddha in Watte eingewickelt war.«

»Na und...? Was hat denn das damit zu tun?«

»Paß mal auf«, erklärte ich ihr: »Nimm doch mal an, es ist eine Frau, die den Buddha haben wollte. Sie weiß Bescheid über die Röntgenanlage, und sie weiß, daß eine von Palmers Kameras das einzig sichere Versteck ist. Der Apparat nun, in dem die Figur steckte, hat ein Weitwinkelobjektiv; mit anderen Worten, Palmer brauchte ihn nur, um die Gesellschaft bei Tisch zu fotografieren; später benutzte er eine andere Kamera. Also war die mit dem Weitwinkel die richtige für den Zweck. Unsere Freundin brauchte also nur den Buddha darin zu verstauen und später gelegentlich unter irgendeinem Vorwand bei Palmer aufzukreuzen und das Ding in einem unbewachten Augenblick an sich zu nehmen.«

»Ja, aber die Watte?« erinnerte Bertha. »Was hat die Watte damit zu tun?«

»Darauf komme ich jetzt«, fuhr ich fort. »Die Watte ist nur ganz lose hineingestopft worden. Das hätte ein Fotograf nie getan; man bekommt das Zeug nämlich sehr schlecht wieder ‘raus, und die Fädchen, die hängenbleiben, verderben jedes Bild... Ein Fotograf hätte die Figur vielleicht in ein weiches Tuch gewickelt, aber niemals in Watte.«

»Ach so«, meinte Bertha. Plötzlich leuchteten ihre kleinen, gierigen Augen auf: »Wart mal... ich hab’ eine Idee. Du erzählst Crockett, du kannst ihm noch nicht sagen, wo du den Buddha gefunden hast — du bist noch hinter dem Täter her, das heißt, du willst ihn erst überführen... Dann können wir den Fall vier oder fünf Tage länger bearbeiten. Inzwischen brauchst du dich bloß bei dem Fotografen rumzudrücken und aufzupassen, wer ‘reinkommt.«

»Nein«, erklärte ich voller Entsetzen, »das schaff’ ich nicht. Ich kann nicht tagelang diesen Kerl ertragen, ohne ihn umzubringen.«

»Dann werde ich das eben besorgen«, kündigte Bertha an. »Aber aus der Sache kann man was machen... Crockett bekommt von uns einen vollständigen Bericht, und wir können ihm dabei gegebenenfalls vorschlagen, seinen Hoffotografen lieber ‘rauszuschmeißen.«

»Von mir aus.« Ich grinste: »Geh du ruhig mal zu diesem Palmer — von dem kannst du noch was lernen!«

»Das möchte ich bezweifeln«, knurrte Bertha.

»Ach, weißt du, der kennt da so ein paar Varianten ...«

»Quatsch«, bellte sie, »ich bin im Bedarfsfall variabel genug! Und jetzt scher dich ‘raus und mach, daß du zu Crockett kommst; du weißt, was du ihm zu sagen hast. Ich kümmere mich inzwischen um den Knaben Lionel... oder halt mal — meinst du, ich kann die Ennis schicken? In die ist er doch verknallt.«

Ich schüttelte den Kopf: »Schon wieder falsch, Bertha. Das einzig Richtige ist, die Karten bei Crockett offen auf den Tisch zu legen. Wenn er dann mehr über Palmer wissen will, bekommen wir den Job automatisch.«

Bertha seufzte müde. »Du bist so ungefähr das Sturste, was mir je begegnet ist«, stellte sie resigniert fest. »Von mir aus mach doch, was du willst — das tust du ja ohnehin!«