VIII

Funsn hat zwei völlig verschiedene Bedeutungen. Hängen aber trotzdem miteinander zusammen. Genau genommen spricht man in so einem Fall von einer übertragenen Bedeutung. Aber was red ich da lang herum? Erklär ich einfach, was gemeint ist!

Also: Ursprünglich ist mit Funsn ein schwaches Licht gemeint. Also ein Zündhölzel oder eine Kerze oder von mir aus eine Taschenlampen, wo die Batterie schon am Gar-Werden ist. Übertragen auf den Menschen heißt Funsn dann, dass einer ein bisserl unterbelichtet ist. Geistig. Interessanterweise wird Funsn aber nur für Frauen verwendet. Wie wenn es keine geistig unterbelichteten Männer geben tät. Da kenn ich genug!

Ist aber halt einmal so: Eine Funsn ist eine Frau. Wobei mit Funsn nicht nur gemeint ist, dass diese Frau deppert ist. Sie muss auch noch ungut und gemein sein, dass man von einer Funsn sprechen kann. Aber das fallt ja in der Regel eh zusammen: Wenn eine wirklich saudeppert ist, dann ist sie ja meistens auch noch ziemlich geschissen. Eine richtige Funsn halt!

So wie die Frau Mayerhofer. Die Leiterin vom Bezirksaltenheim St. Johann ob der Aist. Stellt sich glatt hin und stoppt auf die Sekunde genau, wie lang die Vivi und die Gucki für die Morgenpflege brauchen. Und tragt dann die Zeit in eine von ihren berüchtigten Tabellen ein.

Und dann auch noch: mit was für einem Gesichtsausdruck! So verbissen freundlich, wie wenn sie sagen möchte: „Euch faulen Sauen werd ich schon noch beibringen, was Arbeiten heißt!“ Sagt sie aber eh nicht. Sagt nur: „Das geht schon noch ein bisserl flotter, meine Damen!“

Ist natürlich ein Schmarrn. Weil flotter – flotter geht es beim besten Willen nimmer. Außer du behandelst die alten Menschen nicht mehr wie Menschen, sondern wie ein Stückl Holz. Das kannst du dann schon in Rekordzeit waschen und umziehen, während du gleichzeitig die Bettwäsche wechselst.

Hat die Gucki ziemlich schnell feststellen müssen, dass ihre neue Tätigkeit ziemlich wenig mit Altenbetreuung zu tun hat. Dafür aber umso mehr mit Fließbandarbeit. Nur dass man da nicht annähernd so gut verdient wie an einem richtigen Fließband. Kein Wunder, dass es dann in den Altersheimen zu wenig Personal gibt!

Drum ist ja die Gucki auch gleich genommen worden. Wie sie ins Büro von der Mayerhofer hineinspaziert ist. Und gesagt hat, dass sie ein Praktikum machen möchte. Eine Woche lang. Zur Berufsorientierung. Weil ihr das Arbeitsamt eine Ausbildung zahlen tät: Fachschule für Altenfachbetreuung.

Hat die Mayerhoferin sofort Ja gesagt. Obwohl die Gucki dazugesagt hat, dass sie ihren Hund ins Altersheim mitnehmen muss. War der Frau Heimleiterin auch recht. Hat gleich am nächsten Tag anfangen können, die Gucki. Am Donnerstag. Hauptsache, die Mayerhoferin hat wieder wen, den sie in den Dienstplan eintragen kann. Und der noch dazu nix kostet.

Drum ist die Gucki, die eigentlich Urlaub hat, heute schon um halb fünf in der Früh aufgestanden und mit dem Turrini Gassi gegangen. Und hat dann um sechs ihren Dienst angetreten. Und macht seither mit der Vivi Morgenpflege am Fließband. Und ist heilfroh, wie die Mayerhoferin mit ihrer Stoppuhr abreißt, um an diesem sonnigen Sommermorgen auch noch die anderen Altenpflegerinnen zu schikanieren.

„Musst nix denken, Altenpflege sein bleedes Orbeit! Altenpflege sein super Orbeit! Aber Chefin sein bleede Funsn!“, sagt die Vivi. Kaum dass die Mayerhoferin bei der Tür draußen ist. Braucht sich ja nix scheißen, die Vivi, wegen die Heimbewohner. Sind ja eh alle schwerhörig.

Muss die Gucki natürlich lachen. Weil die Vivi, die eigentlich Viera Vecikerova heißt und wie die meisten Pflegerinnen aus der Slowakei kommt, so gut Mühlviertlerisch kann. Wär doch gelacht, wenn sie der heute nicht noch ein paar saftige Schimpfwörter beibringt! „Und ein schiacher Krampen ist sie auch, die Frau Chefin!“

„Genau: schiach wie die Nacht schwarz! Der Krampen, der schiache!“ Das ist jetzt aber nicht die Vivi, die das gesagt hat. So schnell kann man den Mühlviertler Dialekt auch wieder nicht derlernen. Das ist die Frau Ledermüller. Die gerade von der Vivi und von der Gucki gewaschen wird. Und weil sie seit gestern ein neues Hörgerät hat, beteiligt sie sich halt auch ein bisserl an der Unterhaltung.

Wird die Morgenpflege direkt eine Gaudi! Weil die Frau Ledermüller früher einmal Wirtin war und eine Goschen wie ein Schwert hat. Die kennt so viele Schimpfwörter, dass nicht nur die Vivi, sondern auch die Gucki noch was lernen kann. Nur die Frau Raab, die mit der Frau Ledermüller im selben Zimmer liegt, hat Lernprobleme. Mitsamt Hörgerät stocktaub.

Spielen sie halt Stille Post. Die Rosi – die Frau Ledermüller heißt Rosi – die Rosi also sagt: „Blöde Blunzen!“ Die Vivi wiederholt es, so gut es halt geht: „Bleede Blu-znn!“ Die Gucki schreit es der Frau Raab ins Ohr. Und die fragt dann: „Was tut hunzen?“ Und dann lachen alle vier, dass es sie fast zerreißt. Und dann kommt auch schon das nächste Schimpfwort. Kurzum: eine Morgenpflege für die Seele!

Dabei tun sie aber alle miteinander der Mayerhoferin ein bisserl unrecht. Weil es ja nicht die Frau Heimleiterin ist, die die Geschichte mit der Stoppuhr erfunden hat. Sondern irgendwelche Beamten. In der Sozialabteilung des Landes Oberösterreich. Weil das Land halt kein Geld mehr hat für die alten Leute.

Für einen Geschenkskorb zum Hunderter reicht es schon noch – für das Pflegepersonal in den Altersheimen aber reicht es hint und vorn nimmer. Auch wenn sie die Pflegerinnen noch so schlecht zahlen! Die Vivi – zum Beispiel – ist eine gelernte Krankenschwester, ist aber nur als Hilfskraft angestellt und dementsprechend schlecht bezahlt. Weil das Diplom aus der Slowakei bei uns nicht gilt. Bei der Milena und bei der Alena war das was anderes. Die haben in Österreich die Fachschule für Altenfachbetreuung gemacht. Die haben sie schon besser zahlen müssen.

„Meglicherweise Milena und Alena nur abgestecht mit die Nordic Walking, weil zu teier fir St. Hans?“, vermutet die Vivi. Und zieht dabei so die Augenbrauen hoch, wie wenn sie das ganz im Ernst meinen tät.

Spielt die Gucki natürlich mit: „Und wer ist dann der Mörder? Die Mayerhoferin – oder der Herr Soziallandesrat höchstpersönlich?“

Und dann müssen sie auch schon wieder so lachen, dass ihnen der Herr Haunschmid, der grad mit der Morgenpflege dran ist, fast aus dem Bett gefallen wär. Trotzdem lacht er mit. Nicht, weil er irgendetwas von dem versteht, was die Ganserl da daherschnattern. Einfach nur, weil der Tag heut mit zwei quietschvergnügten Mädeln beginnt – und nicht mit einem verbissenen Pflegeroboter!

„He, was soll denn das? Diese ganze Altersheim-Geschichte?“, wird man sich schon die längste Zeit fragen. „Da hat die Gucki den Mörder praktisch schon am Krawattl – den, der die Alena kurz vor ihrem Tod angerufen hat. Aber statt dass sie ihn nach Strich und Faden verhört, verplempert sie ihre Zeit im Altersheim?“

„Nur keine Angst!“, sag ich da. Die Gucki wird den Holzinger Bertl schon noch verhören. Aber zum richtigen Zeitpunkt! Weil einer, der schon mit neunundzwanzig Bürgermeister geworden ist, der weiß auf alles eine Antwort. Oder zumindest eine gute Ausrede. Muss ihn die Gucki im richtigen Moment derwischen. Nämlich am Samstag.

Aber nicht dass jetzt wer glaubt: weil am Samstag der Mondkalender günstig für Verhöre ist! Nein, weil da das Trillinger Feuerwehrfest ist. Sprich: Pflichttermin für den Holzinger. Weil er natürlich bei jedem Blumenthaler Verein ist. Praktisch Voraussetzung, wenn du Bürgermeister werden willst. Ist er natürlich auch bei der Feuerwehr. Muss er sich natürlich bei jedem Feuerwehrfest im Bezirk sehen lassen, wenn er einmal Landtagsabgeordneter werden will. Und das hat er fest vor, der Bertl.

Hat die Gucki also am Montag das Holzinger-Verhör verschoben. Und sich lieber ausgeschlafen. Am Dienstag hat sie dann mit dem Pezi eine Mühlviertler Nachrichten zusammengebastelt, dass die Kriminalpolizei Oberösterreich und sämtliche anderen Zeitungen in ganz Österreich der Neid gefressen hat. Acht Seiten über den Doppelmord! Mit den allerschönsten Fotos! Genau genommen waren es ja eher die allerschiachsten Fotos. Nordic-Walking-Stecken, die aus Brustkörben ragen, sind halt einmal keine Werbung für diesen Sport!

Hat der Rammer komplett durchgedreht. Wie er am Mittwoch die Mühlviertler Nachrichten gesehen hat. Diese Wurm hat ihn schon wieder verarscht! Aber komplett auch noch! Na, warte! Das wirst du mir büßen! Büßen muss es aber vorläufig einmal sein armer BMW. Der einen neuen Streckenrekord Linz–Freistadt aufstellt. Wobei der Rammer zugeben muss, dass seine neue Kollegin gute Nerven hat. Weil die Helli nicht einmal mit der Wimper zuckt, wie er im Neumarkter Tunnel – praktisch im schönsten Überholverbot – gleich drei LKW hintereinander überholt.

Überhaupt: Die Helli hat er anscheinend unterschätzt. Weil die Watschen, die sie diesem Journalisten-Lehrbuben jetzt verpasst, ist wirklich nicht ohne. Und weil sie ihm dann auch noch ihre Dienstpistole an die Schläfe hält, rückt er tatsächlich die eine Mordwaffe heraus. Und gesteht, dass der andere Nordic-Walking-Stecken im Altersheim ist. Wirklich tüchtig, die Helli!

Und geschickt auch. Weil sie dann in St. Johann die alten Leute nicht mit gezogener Dienstwaffe verhört, sondern mit einer ganzen Schachtel Pralinen. Hat sie extra in Freistadt gekauft. Und wirklich: Die machen sofort den Mund auf! Ist die zweite Mordwaffe schnell gefunden. Nur hat so eine alte Schachtel den Stecken leider so gut geputzt, dass es keine verwertbaren Spuren mehr gibt.

Aber dann haben sie in kürzester Zeit auch schon einen dringend Tatverdächtigen. Weil ein gewisser Strauß Wilhelm mit der Milena kurz vor ihrem Tod eine lautstarke Auseinandersetzung gehabt hat. Mitten im Altersheim. Kommt direkt ein Tempo hinein in ihre Ermittlungen!

Weil sie den Strauß auf der Stelle in seinem Friseurgeschäft festnehmen und in Handschellen nach Linz schleppen. Zum Verhör. Da steht aber dann auch die Helli an. Weil wenn einer so ein wasserdichtes Alibi hat wie der Strauß, da nutzen auch Pralinen und eine Dienstwaffe nix!

Wobei der Rammer zugeben muss, dass die Helli wirklich eine ausgefeilte Verhörtechnik hat. Zuerst hat die dem Strauß einen Kaffee serviert – und gleich drauf hat er auch schon eine Watschen gehabt. Dann hat er ein nasses Taschentuch für sein geschwollenes Aug gekriegt – und im nächsten Moment hat ihm die Helli auch schon ihre Glock in den Mund gesteckt.

Trotzdem stellt sich nach vierstündigem Verhör heraus, dass alles vergebliche Liebesmüh war. Das Alibi von dieser warmen Drecksau ist halt einmal hieb- und stichfest. Und wenn er sich wegen der paar Watschen beschweren sollte, dann hängen sie ihm ein Widerstand gegen die Staatsgewalt an, dass es nur so tuscht. Und eine Schwere Körperverletzung. Immerhin ist der Helli beim Zuhauen ein Fingernagel abgebrochen.

Viel blöder ist da, dass sie diese Journalisten-Tussi nicht und nicht erwischen. Jeden Tag – Donnerstag, Freitag, Samstag – jeden Tag stehen sie schon um sechs in der Früh vor ihrer Haustür. Wer aber nicht da ist, ist diese verfickte Wurm!

Eh klar! Weil ja die Gucki ihr Praktikum macht. Jeden Tag Frühdienst. Kräult eh schon am Zahnfleisch daher. Weil sie das frühe Aufstehen nicht gewohnt ist. Genauso wenig wie der Turrini. Nur hat es der leichter. Weil er nicht arbeiten muss. Weil keiner von den alten Leuten „Pfui!“ sagt, wenn er ins Bett springt. Ganz im Gegenteil! Da wird er noch zugedeckt! Und Gutenachtgeschichten kriegt er auch erzählt!

Trotzdem hat sich das Praktikum für die Gucki ausgezahlt. Erstens einmal weiß sie jetzt hundertpro, dass sie nicht alt werden will. So nicht! Nicht in so einem Altersheim! Wo du weniger Privatsphäre hast als wie ein Hendl in einem Hühnermastbetrieb.

Ich will jetzt gar nicht hinpecken auf die Tierschützer. Weil was die sagen, stimmt ja eh: dass die Viecher unmenschlich behandelt werden. Aber die alten Menschen werden bei uns genauso unmenschlich behandelt. Nur reißt da keiner die Goschen auf! Von wegen nicht artgerechte Seniorenhaltung. Darf die Gucki gar nicht lang nachdenken. Sonst vergisst sie noch ganz, warum sie überhaupt da ist. Also: Was hat sie bis jetzt herausgefunden?

Parallelen. Zwischen den Mordopfern. Beide, die Milena und die Alena, kommen aus derselben Kleinstadt in der Slowakei. Beide alleinerziehende Mütter. Beide gelernte Krankenschwestern. Beide jahrelang Hauskrankenpflegerinnen im Mühlviertel. Vierundzwanzig Stunden am Tag. Wirst du natürlich auch zum Kochen und zum Putzen und zum Stallgehen eingeteilt. Und manchmal sogar zum Sexuell-belästigt-Werden. Weil so viel Arbeit macht ein alter Mensch auch wieder nicht, dass du da die ganzen vierundzwanzig Stunden brauchst. Weiß die Gucki alles von der Vivi. Die auch Jahre als Hauskrankenpflegerin gearbeitet hat.

Jetzt kommt aber auch schon die entscheidende Parallele. Die Milena und die Alena haben als Hauskrankenpflegerinnen immer bei ein und demselben Pflegefall gearbeitet. Abwechselnd. Vierzehn Tage die Milena – dann vierzehn Tage die Alena – dann wieder die Milena – und so weiter.

Da muss der Hund begraben sein! Egal ob jetzt die Milena und die Alena die Oma schlecht gepflegt oder die sexuelle Belästigung verweigert haben – in irgendeinem dieser Häuser, wo die zwei abwechselnd gearbeitet haben, muss die Gucki ein Motiv für den Doppelmord finden.

Nur: wie? Die ganze Hauskrankenpflege durch Tschechinnen und Slowakinnen war ja die längste Zeit illegal. Die Pflegerinnen haben gearbeitet – und das Finanzamt hat weggeschaut. Weil es so für den Staat trotzdem viel billiger gekommen ist, wie wenn alle Pflegefälle ins Heim gekommen wären.

Aber auch heute, wo es eine gesetzliche Regelung für die Anstellung der Pflegerinnen gibt, sind neunzig Prozent aller Pflegerinnen weiterhin illegal beschäftigt. Sonst könnten sich die alten Leute die Pflege gar nicht leisten. Und müssten ins Heim. Geht aber nicht. Ist ja kein Platz. Muss das Finanzamt halt wieder wegschauen.

„Musst du suchen Agentur, was hat vermittelt die Milena und die Alena!“ Die Vivi weiß auch da eine Antwort. „Agentur fir Hauskrankenpflege so wie Zuhälter fir Nutten: kassieren fir nix! Dafir haben scheene Kartei fir Pflegerinnen und fir Kundschaft.“

Wird ihr die Vivi so sympathisch, dass die Gucki ihre Kollegin zum heutigen Feuerwehrfest nach Trilling einladet. Inklusive Vorglühen. Daheim bei der Gucki. Damit die Vivi nicht gar so nüchtern ist, wenn sie der Gucki ihre Nachbarbuben kennenlernt. Die alle miteinander dringend eine Frau brauchen täten. Aber halt leider auch alle miteinander am Heiratsmarkt ziemlich schwer vermittelbar sind. Weil doch ein bisserl frauenunverträgliche Hobbys: Alkohol, Tarockieren, Autos (der Fuzzi), Alkohol, Tarockieren, Jagd (der Gerri), Alkohol, Tarockieren, Motorsäge (der Maxi).

Wenn wer das mit dem Vorglühen nicht verstanden hat: Erklär ich es halt. Das ist ein wunderschönes sprachliches Bild, das in den letzten Jahren einen triumphalen Siegeszug durch das Mühlviertel angetreten hat. Kommt eigentlich aus der Motorentechnik. Weil du einen Dieselmotor vorglühen musst, bevor du ihn startest. Also: Du erwärmst mit Glühfäden den Zylinder, damit sich das Diesel-Luft-Gemisch leichter entzünden lasst. Beim Vorglühen im übertragenen Sinn aber erwärmst du praktisch deine Seele mit Alkohol, indem du dich daheim mit deinen Freunden schon vor dem Fortgehen ein bisserl ansaufst.

Erstens ist es billiger, und zweitens bist du dann schon ziemlich gut aufgelegt, wenn du auf das Fest hinkommst. Sprich: kein bisserl mehr schüchtern. Und zu allem bereit. Rein gspusimäßig. Kann aber auch schiefgehen. Wenn du nämlich schon blunzenfett auf das Fest kommst, ist das einzige Abenteuer, das noch auf dich wartet, kein Gspusi mit einem netten Sexualpartner, sondern nur mehr der Vollrausch. Ist den meisten aber auch nicht zuwider.

Die Gucki und die Vivi können sich anscheinend nicht so recht entscheiden. Was wollen sie jetzt? Einen Mann – oder doch lieber einen Vollrausch? Einerseits sind sie alle zwei aufgemascherlt bis zum Gehtnimmer – andererseits picken sie schon seit zwei Stunden in der Gucki ihrem Garten und plätschern dabei ein Flascherl Veltliner nach dem anderen.

Jetzt will natürlich ein jeder wissen, was die zwei anhaben. Besser gesagt: was sie alles nicht anhaben. Sprich: Wie viel nackerte Haut kann man sehen? Ist ja ein lauer Frühsommerabend. Braucht man gar nicht so viel anziehen.

Muss ich die ganzen Geilspechte leider enttäuschen. Gar so viel nackerte Haut sieht man auch wieder nicht. Weil alle zwei ein Dirndl anhaben. Aber ein altes. Von früher. Also schon ziemlich weit ausgeschnitten, aber halt mit einer Bluse drunter. Sieht man praktisch nix vom Busen. Dabei alle zwei wirklich einen sehenswerten Busen. Üppig der von der Gucki – keck der von der Vivi. Und auch von die Haxen sieht man nicht besonders viel. Kleid und Schürze reichen mehr als eine Handbreit übers Knie. Trotzdem alle zwei extrem appetitlich!

„Wie kommen die jetzt zu so einem Dirndl?“, wird man sich fragen. Ist leicht erklärt. Die Vivi hat das ihrige von einer alten Frau geschenkt gekriegt, die sie einmal gepflegt hat. Weil es das Enkerl eh nicht haben wollt. Und die Gucki hat das ihrige voriges Jahr vom Leo zum Geburtstag geschenkt gekriegt. Weil ihm die ewigen Jeans und die ewige Lederjacke schon zum Hals herausgehängt sind. Und weil er halt doch ein bisserl ein alter Nazi ist und endlich einmal ein Deutsches Mädel haben wollt.

Jetzt aber interessant. Glaubst du, dass die Gucki ihr Dirndl auch nur ein einziges Mal angezogen hätt? Praktisch dass sie dem Leo die Freude macht? Nein, wirklich nicht! Zufleiß nicht! Hat es ein Jahr lang im Kasten hängen lassen. Aber jetzt zieht sie es auf einmal an? Da soll sich einer noch auskennen mit die Weiber!

Hat aber schon ihre Gründe, die Gucki. Warum sie heute ihr Dirndl anlegt. Erstens wegen der Provokation, zweitens wegen der Provokation, und drittens – richtig geraten! – wegen der Provokation. Wenn wer das Wort Provokation nicht kennt: Wie erklär ich das jetzt? Ich bin ja mehr zuständig für so Mühlviertler Ausdrücke – und nicht für Fremdwörter. Am ehesten könnt man es mit Anstänkern übersetzen.

„Aber geh!“, wird man jetzt sagen. „Ein so ein fesches Dirndl ist doch keine Provokation, sondern eine Augenweide!“ Höchstens dass es einen Mann zum Ununterbrochen-auf-den-Busen-Hinschauen provoziert. Wenn es gar recht weit ausgeschnitten ist.

Grundsätzlich schon. Grundsätzlich ist ein Dirndl keine Provokation. Aber eben nur grundsätzlich. Wenn du aber – wie die Gucki und die Vivi – zusätzlich noch ein Kopftüchl umbindest, dann regt das bei uns die Leute schon auf. Praktisch rotes Tuch. Auch wenn es gar nicht rot ist, sondern bunt. So wie die zwei schönen bunten Kopftüchl, die sich die Gucki von der Frau Hemmelmeier ausgeborgt hat. Von Zimmer 24. Eines aus Mariazell und eines aus Maria Taferl.

Verstehen tu ich das eh nicht, dass so ein Kopftüchl die Leute so aus dem Häusel bringt. Statt dass sie froh sind, dass das Kopftüchl vor dem Aussterben gerettet wird. Weil ja heutzutag eh keine mehr ein Kopftüchl aufhat. Höchstens zur Stallarbeit. Und halt die ganz alten Weiber. Über siebzig ist das Kopftuch schon noch ein Muss. Sagen wir einmal im Altersheim in St. Hans. Neunundneunzig Prozent der Heimbewohnerinnen tragen Kopftuch. Und die paar, die sich selber anziehen können, die vergessen beim Anziehen auf die Socken oder auf die Unterhose, auf ihr Kopftüchl aber hat noch keine vergessen.

Sonst ist das Kopftuch bei uns ja verschwunden. Die Einzigen, die eins tragen, sind die Türkinnen. Angeblich aus religiösen Gründen. Vielleicht sind sie aber auch nur zu faul zum Haarwaschen? Auf jeden Fall fühlen sich die Leute bei uns durch die Türkinnen-Kopftücher provoziert. Warum, weiß ich auch nicht. Vielleicht haben sie einfach ein schlechtes Gewissen, wenn sie eine Frau mit Kopftuch sehen? Weil es sie an die Oma erinnert, die sie ins Heim gesteckt haben?

Jetzt natürlich ein Mords ein Auflauf, wie die Gucki und die Vivi mit ihren Kopftüchln daherkommen. Zwei Türkenweiber im Dirndl! Am Trillinger Feuerwehrfest! Das ist ja doch die Höhe! Eh klar, dass bei derana Aufregung keiner die Gucki derkennt. Nicht einmal der Otter Burli. Obwohl die Gucki seit zehn Jahren praktisch jeden Sonntagvormittag im Gasthaus Otter verbringt.

Muss sich der Burli gefallen lassen, dass sie ihn fragt: „Haben sie dir geschissen in die Hirn, weil schauen gar so deppert?“ Obwohl er der Trillinger Feuerwehrkommandant ist und einen ganzen Haufen glitzernder Orden auf der Brust von seiner Feuerwehruniform hat.

„Das da nix Türken-Disco! Das sein Feuerwehrfest!“ Ist der Burli so durcheinander, dass er gleich auch nimmer Deutsch kann.

Zumindest nicht so gut wie die Vivi. „Deswegen ja da!“, haucht sie dem Burli ins Ohr. „Fesches Feiawehrmann ausziehen und vernaschen!“ Und fangt wirklich an, dem Burli seine Uniform aufzuknöpfeln.

Eigentlich interessant, wie die Sache weitergegangen wär. Aber akkurat in dem Moment kommt jetzt der Fuzzi daher. Da nutzt das ganze Dirndl und das ganze Kopftüchl und auch die ganze Schminke nix: Der Fuzzi kennt seine Gucki! Und begrüßt sie auch schon liebevoll: „Servus Gucki, du schiache Haut! Wer ist denn das fesche Weiberl, das du da heut mithast?“

Wird es direkt noch ein lustiger Abend. Was heißt da Abend? Eine lustige Nacht wird es in Trilling! Die Aisttal Buam martern ihre Instrumente und plärren sich die Seele aus dem Leib, die Kellnerinnen kommen mit dem Bierholen nimmer nach, die Schnapsbar ist so bummvoll, dass auch die Bewusstlosen nicht umfallen, vor dem Damenklo so eine Schlange wie beim morgendlichen Stau in Linz, auf der Tanz­fläche geht es zu wie in einem Autodrom – und mittendrin die Gucki und die Vivi mit ihren lustig flatternden Kopftüchln!