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Grafföwea ist schon wieder so ein Wort, mit dem ich mir schwertu. Beim Übersetzen. Am ehesten hinkommen tät noch Glumpert. Nur ist das halt auch nicht direkt ein hochdeutscher Ausdruck. Versteht ja wieder kein Schwein!
Probier ich es halt in Gottes Namen. Also: Ein Grafföwea ist grundsätzlich einmal was Nutzloses. Da gibt es dann aber zwei Möglichkeiten. Erstens: Sachen, die von Haus aus nutzlos sind. Sagen wir einmal: Alles, was du auf einem Kirtag kaufen kannst, vom Taschenfeitel bis zum Plastiktraktor, ist ein Grafföwea. Sprich: funktioniert nicht gescheit oder ist sofort hin. Dann gibt es aber auch noch Sachen, die an und für sich schon funktionieren, aber halt irgendwann einmal doch nimmer. In so einem Fall spricht man von einem alten Grafföwea. Das steht dann noch jahrelang herum, weil die Mühlviertler doch sparsam sind. Wenn nicht sogar ein bisserl neidig. Erst wenn man in der Garage oder im Stadl kein bisserl Platz mehr hat, landet es zum Schluss doch im Altstoffsammelzentrum.
Keine Ahnung, welche Bedeutung von Grafföwea der Fuzzi da im Sinn hat: von Haus aus nutzlos oder nur kaputt? Wie er seinen Rasenmähertraktor jetzt als „Grafföwea, elendiges!“ beschimpft.
In meinen Augen ist ja ein Rasenmähertraktor grundsätzlich ein Grafföwea. Praktisch so notwendig wie ein Kropf! Weil ja die wenigsten Besitzer von so einem Rasenmähertraktor daheim einen Golfplatz haben. Sondern ein Grundstück mit grad einmal tausend Quadratmeter. Wenn du dann noch die Grundfläche vom Haus abziehst und von der Doppelgarage und von der Terrasse und vom Gemüsegarten und von den Blumen, dann bleibt so ein winziges Fleckerl Rasen über, dass du den auch mit der Nagelschere schneiden könntest. Aber nein, ein jeder muss ein Mordstrumm Rasenmähertraktor haben! Und auf dem hockt er dann oben wie der Hahn am Mist und rückt seinem Rasen zu Leibe, sobald der auch nur einen Millimeter gewachsen ist! Praktisch jeden zweiten Tag.
„Warum?“, frag ich mich. „Warum lassen sich die Leute einen jeden Blödsinn einreden?“ Siehe: Rasenmähertraktor! Siehe: Nordic-Walking-Stecken! Und, und, und!
Keine Ahnung! Ich weiß beim besten Willen nicht, warum die Leute so deppert sind. Nur: Beim Rasenmähertraktor hab ich da schon so meine Theorie. Und weil jetzt grad eh nix passiert, außer dass der Fuzzi seinen Rasenmähertraktor als „Grafföwea, elendiges! Hundskrüppel, verdammtes!“ oder „Mistviech, verbrunztes!“ beschimpft – der Fuzzi hat da diesbezüglich wirklich einen ziemlichen Wortschatz –, kann ich wenigstens einmal meine Rasenmähertraktor-Theorie verzapfen.
Also: meine Theorie! Muss ich aber gleich dazusagen, dass das ein wengerl dauern kann. Weil ich nicht recht weiß, wo ich da anfangen soll. Am besten: beim Grundsätzlichen. Am Land ist es ruhig. Ruhig im Sinn von still und auch ruhig im Sinn von nicht viel Bewegung. Praktisch das Gegenteil von der Stadt. Mords ein Lärm! Und alles wurlt kreuz und quer durcheinander! Sehnen sich die Städter nach Ruhe und Stille. Kann ich sogar verstehen. Was ich aber nicht verstehen kann, ist, dass sich die Landbevölkerung auch nach dem sehnt, was sie nicht hat: nach einem ordentlichen Wirbel und nach einem ordentlichen Lärm!
Wenn sich die Leute wenigstens darauf beschränken würden, auf Feuerwehrbälle oder auf Zeltfeste zu gehen. Dort gibt es statt einer Musik sowieso längst nur mehr Lärm. Hast du mit der Eintrittskarte praktisch auch schon eine Garantie für einen Gehörschaden. Aber nein: Die Leute müssen den Krach ja unbedingt selber erzeugen!
Da sind wir aber auch schon bei der Spielzeug-Industrie, die den Mühlviertler – besser gesagt: die männliche Bevölkerung des Mühlviertels – mit Krach erzeugenden Geräten versorgt. Praktisch die Rauschgift-Mafia für Lärmsüchtige!
Das fangt ja schon an, bevor ein Bub überhaupt richtig gehen kann. Hat er auch schon das Steuerkastl von so einem ferngesteuerten Auto in der Hand und terrorisiert die ganze Siedlung mit Lärm in Kreissägenqualität. Aber statt dass ihn wer derschlagt, sagen die Leute noch: „So ein g’schickter Bub!“ Eh klar, dass der dann sobald wie möglich auf ein nervenzerfetzend heulendes Moped umsattelt. Und wenn er das überlebt, kann er mit dem Auspuff von seinem ersten Auto locker den ganzen Marktplatz in Disco-Lautstärke beschallen.
„Wie kratzt er jetzt die Kurve zum Rasenmähertraktor?“, wird sich der eine oder der andere vielleicht fragen. Ganz einfach! Das mit dem Rasenmähen ist ja nichts anderes als ein Vorwand, dass auch erwachsene Buben sinnlos herumfahren und dabei einen Höllenlärm erzeugen können.
Was aber macht eigentlich der Fuzzi mit einem Rasenmähertraktor? Der hat doch vor seinem alten Haus nicht einen einzigen Quadratzentimeter Rasen? Eine berechtige Frage. „Mähen sicher nicht!“, hat der Fuzzi dann auch zur Antwort gegeben. Wie er einen Rasenmähertraktor mit einem komplett hinigen Mähwerk gekauft hat. Das war sowieso das Allererste, was er ausgebaut hat. Das Mähwerk. Weil er den Platz ja zum Einbauen gebraucht hat. Weil: Den Motor von einer 750er Kawasaki musst du zuerst einmal in einen Rasenmähertraktor hineinbringen.
Damit sind wir aber auch schon wieder beim Fuzzi. Der nach wie vor seinen Traktor beschimpft. Nur mehr zehn Minuten bis zum Start des Rasenmähertraktor-Rennens – und dieses Grafföwea will und will nicht anspringen! Dabei hat gestern alles noch tadellos hingehaut. Wie er mit seinem Fahrer trainiert hat. Genauer gesagt: mit seiner Fahrerin. Fahren muss nämlich die Gucki. Weil die Rennstrecke vom Unterbrunnhuber-Ring in St. Moritz nicht nur aus einer Wiese besteht, sondern auch aus einem Stückerl Feldweg. Weil das aber ein öffentlicher Weg ist, brauchst du da einen Führerschein. Und den hat der Fuzzi halt einmal nicht. Hat wieder einmal der Raffl kassiert. Aber das wissen wir eh schon.
Und was macht die Gucki? Während der Fuzzi durchdreht? Steht einfach da und raucht. Wegen der Lässigkeit. Hat sie früher auch schon gemacht. Wenn sie für die Kreuzschwesternschule bei den Leichtathletik-Landesmeisterschaften gestartet ist. Hundert Meter, Zweihundert Meter und Weitsprung. Ihre Konkurrenz hat irgendwelche Dehnungsübungen gemacht oder irgendwelche Konzentrationsübungen – die Gucki hat geraucht. Auch damals schon Gauloises filterlos. Hat aber trotzdem immer gewonnen.
Außerdem hat sie auch damals schon auf ihr Äußeres geachtet. Die anderen haben die neuesten Sport-BHs und Laufschuhe mit Spikes angehabt – die Gucki ist im alten Turnleiberl vom Opa und bloßfüßig angetreten. Da ist sie heute dagegen direkt professionell zusammengerichtet. Ein Rennoverall im schönsten Dunkelblau. Eigentlich ist es ja die Arbeitskluft vom Kevin. Der Lehrbub vom Fuzzi. Beim Peugeot Leisch. Die vom Fuzzi hätte ihr beim besten Willen nicht gepasst. Ist ja nicht einmal eins sechzig, der Fuzzi. Die Gucki aber bestimmt eins achtzig. Passt ja nicht einmal die vom Kevin. Beim Busen und beim Hintern spannt sie schon ziemlich. Leck Arsch eini!
Allein deswegen zahlt es sich schon aus, dass man zum Rasenmähertraktor-Rennen nach St. Moritz kommt. Nur sind halt leider etliche Zuschauer nicht wegen der Gucki, sondern wegen dem Fuzzi da. Weil er gar so ein großgoscherter Hund ist. Und mit jedem gewettet hat, dass er die gesamte Konkurrenz verblast. Sogar mit einem Weib als Fahrer!
Ist natürlich ein ganzer Haufen Mechaniker da. Dem Fuzzi seine Arbeitskollegen. Inklusive Werkstättenleiter. Noch dazu mit einem Transparent:
FUZZI RACING TEAM
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Weil der Fuzzi beim Umbauen von seinem Rasenmähertraktor in der Firma doch die eine oder andere Schraube mitgehen hat lassen.
Und dann die Chicken Hunter Union St. Anton. Die ist natürlich auch da. Geschlossen. Eh klar! Der Fuzzi ist Klubmitglied, die Gucki ist Klubmitglied – da gibt es nur eins: Ausrücken! Jetzt – wie soll ich das erklären, was die Chicken Hunter Union ist? Wenn ich sag: die Hells Angels des Mühlviertels, dann ist das ein bisserl übertrieben. Aber für einen Oldtimer-Moped-Klub ist die Chicken Hunter Union doch ziemlich sauf- und rauflustig.
Erklär ich wenigstens das mit dem Klubnamen. Also: Fahren tun alle eine Puch SV 50. Im Volksmund Hendl-Stauber. Weil in den sechziger Jahren jeder Mühlviertler so ein Moped gehabt und damit die armen Hendl aufgescheucht hat. Drum Hendl-Stauber. Und auf Englisch halt Chicken Hunter. Eigentlich eh ganz logisch! Heute kann sich keiner mehr einen anderen Klubnamen vorstellen. Beim besten Willen nicht. Aber am Anfang hat es schon ziemlich lang gedauert, bis ihnen die Gucki Chicken Hunter Union eingeredet gehabt hat.
Meingott, ich derzähl ja schon wieder Sachen, die gar nicht hergehören! Weil ja in einer Minute schon das Rasenmähertraktor-Rennen losgeht. Was ich eigentlich sagen wollte, ist ja nur, dass jetzt ein ganzer Haufen Leute da ist, mit denen der Fuzzi gewettet hat, dass sein Traktor gewinnt. Muss der Fuzzi also schön langsam mit dem Zählen anfangen: Wie viel Fassl Bier wird ihn dieser 5. Juni kosten? Wenn er es genau wissen will, kann er auch schon mit dem Rechnen anfangen: Wie viel Geld wird ihn dieser 5. Juni kosten? Aber ohne Taschenrechner scheibt sich da nix!
Alles, aber auch wirklich alles hat der Fuzzi schon kontrolliert! Vom Vergaser bis zur Zündkerze: nix! Jetzt hat er aufgegeben und hockt teilnahmslos auf seinem Werkzeugkoffer. Gut, dass da kein Vorschlaghammer drin ist. Sonst: Gnade Gott dem armen Rasenmähertraktor!
Da drückt ihm die Gucki ihr halbvolles Bierflaschl in die Hand, greift unter die Traktorverkleidung – eine einzige schnelle Bewegung –, tritt auf den Kickstarter, und beim dritten Kick ist der Kawasaki-Motor auch schon da. Aber mit einem gewaltigen Röhren! Und wie sie dann Gas gibt, damit der Motor auf Betriebstemperatur kommt: was für ein Hammer! In null Komma nix sind alle fünfundzwanzig anderen Rasenmähertraktoren zu akustischen Zniachtln degradiert.
Ein so ein Höllenlärm, dass einem Hören und Sehen, vor allem aber das Denken völlig vergeht. Trotzdem gibt es einen, der in diesem Krawall denken kann. Nämlich der Fuzzi. „So ein Rabenviech, ein elendiges!“, denkt er. „Da hat dieses Saumensch gestern nach dem Training den Benzinhahn abgedreht und kein Wort gesagt! Und ich such und such und find nix – und sie sagt immer noch kein Wort! Na wart nur, Gucki! Das zahl ich dir heim, du hinterlistiges Luder, du –!“
Aber akkurat jetzt, wo es spannend wird – wo man endlich einmal ganz genau feststellen könnte, wie viele Schimpfwörter der Fuzzi wirklich auf Lager hat – akkurat jetzt fangt auch schon das Rasenmähertraktor-Rennen an. Und der Fuzzi muss schweren Herzens auf seine Schimpfwörter-Litanei verzichten und seinen Pflichten als Rennstall-Leiter nachkommen. Sprich: das Rennen beobachten und seinen Fahrer, dieses hurnsverfluchte Weib, mit guten Ratschlägen versorgen.
Nur: Welchen Rat soll er seinem Fahrer denn geben, wenn der vom Start weg unangefochten an der Spitze liegt und in der dritten von fünfundzwanzig Runden auch schon den ersten Konkurrenten überrundet hat? Aber kaum hat sich der Fuzzi ein frisches Bier aufgemacht und sich sozusagen innerlich gemütlich zurückgelehnt, ist auf einmal sein Hirnschmalz doch gefragt.
Jetzt schon interessant: Männer ein ausgesprochenes Konkurrenzdenken – jeder gegen jeden! Kaum geht es aber gegen eine Frau, halten sie auch schon zusammen. Wie Pech und Schwefel! Wie jetzt: Kaum hat die Gucki die ersten paar überrundet, ist es auch schon vorbei mit dem Überholen. Nix geht mehr! Vor ihr drei Traktoren nebeneinander – und breiter ist die Rennstrecke halt einmal nicht!
Und alle drei miteinander kriechen im Schneckentempo dahin. Nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Verfolger zur Gucki aufgeschlossen haben. Die weiß auch schon ganz genau, was dann kommen wird: Einer von denen wird durchgelassen – und dann wird wieder dichtgemacht. Und dann der Nächste und wieder der Nächste. Und sie landet zum Schluss auf Platz dreiundzwanzig, weil sie diese drei Arschlöcher bis zum Ende des Rennens nicht und nicht überholen lassen!
Wird jetzt bestimmt wer sagen: „Selber schuld!“ Weil er sich fragt, was die Gucki überhaupt bei so einem blöden Rennen macht. Da hat sie vor drei Tagen eine Frauenleiche gefunden, praktisch ein gefundenes Fressen für eine Journalistin – und dann hat sie nichts Besseres zu tun, als mit einem Rasenmähertraktor Rennen zu fahren? Für was ist sie denn bei einer Zeitung?
Na, na! Da tut man der Gucki aber wirklich unrecht, wenn man ihr mangelnden journalistischen Ehrgeiz unterstellt. Sicher, den Mittwoch hat sie einfach verschlafen. Aber am Donnerstag hat sie längst gewusst, wer das Mordopfer ist. Während die anderen Zeitungen nur ein Foto in der Hand gehabt haben. Frau ohne Kopf hat die Kronen Zeitung geschrieben. Dabei war es genau genommen ein Kopf ohne Frau. Aber das ist bei der Kronen Zeitung öfter so: dass das Gegenteil von dem wahr ist, was drinnen steht.
Und am Freitag, wie die anderen Journalisten dann auch gewusst haben, dass die Leiche Milena Syrowatka geheißen hat und Altenpflegerin im Bezirksaltenheim St. Johann ob der Aist war, aber sonst auch schon gar nix, hat die Gucki locker ein paar Trainingsrunden mit dem Rasenmähertraktor drehen können. Hat ja längst einen Tatverdächtigen mit einem erstklassigen Mordmotiv gehabt. Ist nicht einmal viel dabei gewesen, dass sie das herauskriegt. Man muss nur wissen: wie?
Aber genau das weiß sie jetzt bei diesem geschissenen Rasenmähertraktor-Rennen überhaupt nicht: wie? Wie kommt sie an diesen drei Arschlöchern vorbei? Trotzdem denkt die Gucki keinen Moment ans Aufgeben. Kommt nicht in Frage! Ist also nicht so erfreut, wie sie der Fuzzi an den Rand der Rennstrecke winkt. Aber was soll’s? Ist ja auch schon wurscht!
Der Fuzzi wechselt bei diesem Boxenstop keinen Reifen. Und füllt auch kein Benzin nach. Er plärrt der Gucki derartig ins Ohr, dass sogar der Kawasaki-Motor von ihrem Traktor dagegen ein Lercherlschas ist. Jeder andere wäre auf der Stelle taub geworden. Die Gucki aber nickt. Und nickt noch einmal. Und nach dem dritten Nicken prescht sie lost, dass es nur so Dreckbatzen und Grasbüschel auf den Fuzzi herunterregnet. Macht nix! Hauptsache, sein Fahrer hat ihn verstanden!
Aber natürlich! Ist ja nicht begriffsstutzig, unsere Gucki! Reiht sich wieder hinter den drei Traktoren ein, die ihr den Weg versperren. Lässt sich dann aber auf der einzigen Geraden der Rennstrecke zurückfallen. Bis die drei fast die enge Linkskurve erreicht haben. Dann aber gibt sie Gas, was geht! Und rast auf die unfairen Arschlöcher los, wie wenn ihr Gasseil blockieren tät, dafür aber die Bremsen komplett hin wären. Ist das vielleicht die Taktik vom Fuzzi: rammen?
Da war die Taktik von der Gucki, mit der sie sämtliche Informationen über das Mordopfer ruckzuck herausgekriegt hat, viel harmloser. Trotzdem effektiv. Ist am Donnerstag einfach ins Altersheim spaziert und hat sich mit dem Turrini und mit einer Flasche Eierlikör in den Aufenthaltsraum gesetzt. Und war in kürzester Zeit auch schon von einem Rudel Heiminsassen umringt. Die den braven Hund streicheln wollten. Oder ein Stamperl Eierlikör trinken. Oder beides.
Hat sie in kürzester Zeit so einiges erfahren. Über die undankbaren Kinder, die die Oma nie besuchen. Über das Essen im Heim, das schmeckt, dass der Sau graust. Über das Fernsehprogramm, das immer schlechter wird. Und so weiter. Musst du schon ein bisserl eine Geduld haben, wenn du von alten Leuten was erfahren willst. Weil die ja sonst keinen haben, der ihnen zuhört.
Aber das kann die Gucki wirklich: zuhören. Hat sie in den zehn Jahren bei den Mühlviertler Nachrichten gelernt. Lernen müssen! Weil ja bei uns im Mühlviertel nicht nur die alten Leute, sondern eigentlich alle ein bisserl umständlich sind. Weil alle schon ein bisserl länger brauchen, bis sie zu dem kommen, um was es eigentlich geht. Weil sie halt gern vom Hundertsten ins Tausendste kommen.
Jessas! Genau das ist mir jetzt auch passiert! Direkt peinlich! Wo doch ein jeder schon unbedingt wissen will, wie es mit dem Rasenmähertraktor-Rennen weitergegangen ist. Aber was soll ich machen? Ich bin halt auch einmal ein Mühlviertler. Da hapert es halt ein bisserl mit dem Erzählen. So von wegen geradlinig. Aber der gute Wille ist da! Also: Auf zum Grand Prix von St. Moritz!
Die Gucki kommt also – wie gesagt – in einem Höllentempo auf ihre drei Vordermänner zugeschossen. Schaut aus, wie wenn sie den in der Mitte rammen tät. Aber im letzten Moment verreißt sie ihren Traktor und schießt den Arschwichser in der Außenkurve ab. Aber schon mit so einem Karacho, dass er nicht nur von der Rennstrecke fliegt, sondern auch gleich über die Böschung, die gut zwanzig Meter weit weg ist. Der ärgert sie nimmer!
Und was ist mit unserer Gucki? Die fliegt zwar mitsamt ihrem Traktor auch ein paar Meter durch die Luft, kommt aber irgendwie doch wieder auf den Rädern zum Stehen. Und startet jetzt eine mörderische Aufholjagd. Obwohl sich keiner mehr traut, dass er sich der Gucki in den Weg stellt, katapultiert sie auch die anderen beiden Arschwichser, die sie so lang sekkiert haben, mit einem grimmigen Lächeln aus dem Rennen.
Eigentlich Zeitverschwendung und natürlich auch ein unnötiges Risiko, für die Gucki aber eine Frage der Ehre. Und: Soviel der Fuzzi auch gewettet hat – für ihn gilt das genauso. Nicht umsonst sind er und die Gucki seit zehn Jahren befreundet. Seit die Gucki im Mühlviertel ist.
Seither ist sie auch überall als Emanzen verschrien. Aber nicht nur wegen dem, wie sie daherkommt. Weil sie sich grundsätzlich von keinem Mann die Schneid abkaufen lasst! Und weil sie alles mindestens mit derselben Brutalität angeht wie ein Mann: Rauchen, Saufen, Stänkern, Fußballspielen und eben auch Rasenmähertraktor-Fahren. Und jetzt zeigt sie diesen Rotzbuben, wie man mit der Geiß ackert!
Startet die Gucki also eine Aufholjagd wie im Bilderbuch. Jeder Fahrer, der noch im Rennen ist, liegt vor ihr. Der Führende sogar drei Runden. Wär doch gelacht, wenn sie das nicht schafft! Sind ja eh noch zehn Runden zu fahren.
Braucht dann aber doch acht Runden, bis sie sich auf den zweiten Platz vorgekämpft hat. Und der Arsch-Hinum, der noch immer einen ziemlichen Vorsprung hat, ist schon ein ernstzunehmender Gegner. Aber nicht, weil er so ein schneidiger Fahrer ist – weil er der Präsident vom Golfklub St. Moritz ist und dann auch noch der größte Honda-Händler im ganzen Bezirk Freistadt. Fährt er natürlich den größten Rasenmähertraktor vom Golfklub, den ihm seine Honda-Mechaniker ordentlich auffrisiert haben.
Nutzt dir aber auch nicht viel, wenn du von einem Weib mit einer Wut im Bauch gejagt wirst. Ein Weib, das dich noch dazu statt Hans Hinum nur Arsch-Hinum nennt. Vor allen Leuten! Nur weil du mit ihr einmal in deiner Eigenschaft als Golfklub-Präsident eine kleine Meinungsverschiedenheit gehabt hast. Na gut, eine Klage hast du ihr und den Mühlviertler Nachrichten angedroht. Streitwert fünfzigtausend Euro. Aber: dass man da gleich so nachtragend sein muss?
Die allerletzte Runde. Wird knapp. Erst auf der langen Geraden kann die Gucki aufschließen. Jetzt noch die enge Linkskurve. Dann kommt auch schon das Ziel. Der Arsch-Hinum natürlich ganz links. Innen kommt sie nicht vorbei. Muss sie es halt außen probieren. Geht im Notfall auch, wenn du um das mehr Gas gibst, was der Weg länger ist.
Und die Gucki gibt Gas! Alles oder nichts! Ihr Traktor fährt nicht in die Kurve – er schlittert hinein. Während die Gucki ihr ganzes Gewicht auf die linke Seite verlagert und wie ein Motorradlfahrer seitlich von seiner Rennmaschine hängt. Aber als die zwei Traktoren aus der Kurve herauskommen, liegt die Gucki gut einen halben Meter vor dem Herrn Golfklub-Präsidenten und baut diesen Vorsprung bis ins Ziel auf eine ganze Traktorlänge aus.
Dort muss sie allerdings erst der Fuzzi vom Traktor herunterkletzeln. Weil sie es allein nicht mehr schafft, aus ihrer liegenden Position aufzustehen. Trotzdem gibt es für die Gucki das allerhöchste Lob, das der Fuzzi zu vergeben hat: „Fast so gut wie ich0!“