9.

Stefan packte mit einer Faust Judiths langes Haar, schlang es mit einer raschen Bewegung um sein breites Handgelenk und zwang sie, abrupt stehen zu bleiben. Er war von ihr umgeben, von der Essenz ihres Wesens, und es gab nichts in ihm, was nicht auf diese weibliche Verlockung reagiert hätte. Von den leuchtend bunten Farben umgeben zu sein, die dem Licht und der Freude in ihr einen sichtbaren Ausdruck zu verleihen schienen, verstärkte sein zunehmendes Verlangen nach ihr nur noch mehr. Bei dieser Frau fühlte er sich zu Hause.

Sie drehte sich zu ihm um, begab sich in den Schutz seines Körpers und hob ihm ohne jedes Zögern ihren Mund entgegen. Sein Kuss hatte nichts Zartes an sich. Er verschlang sie und fühlte die vereinte Gier beider, die wie eine Flutwelle anschwoll. Seine Hände fanden nackte Haut unter ihrem dünnen T-Shirt, zart und warm und ungeheuer einladend. Sie passte perfekt zu ihm, aber noch entscheidender war, dass es um Judith herum keine Schatten gab, in die er zurückweichen konnte. Sie war wie eine strahlende Sonne, ein Punktscheinwerfer, der hell und heiß brannte, und sie war so verflucht sexy, dass er ihr unmöglich widerstehen konnte.

Ihre schmalen Arme schlangen sich um seinen Hals und ihre weichen Brüste pressten sich an seine Brust, bis er jeden ihrer Atemzüge fühlen konnte und jeden ihrer Herzschläge. Er küsste sie, bis keiner von beiden mehr atmen konnte, doch es war immer noch nicht genug und würde auch nie genügen. Ihre Haut lockte ihn an, glatt und erhitzt und so zart, dass ihn das schlichte Vergnügen, sie zu berühren, beinah laut stöhnen ließ.

Judith war alles, was er wollte, und vor allem war sie alles, was er brauchte, um wieder zum Leben zu erwachen. Es war unmöglich, absolut unmöglich, ihr hier in diesem Raum zu widerstehen, wo sie lebte und atmete und sich mit solcher Schönheit umgab. Er wusste, dass sich in den leuchtenden, lebhaften Farben widerspiegelte, wer sie wirklich war, und genau dieses Leuchten brauchte er. Diese Schönheit. In seiner trüben, glanzlosen Welt voller Gewalttätigkeit und Tod verzehrte er sich nach dem, was ihm nur Judith geben konnte. Er verzehrte sich in einem Maß nach ihr, das sein Vorstellungsvermögen überschritt.

Seine heftige Erektion war eine unablässige schmerzhafte Forderung, die er unmöglich ignorieren konnte. Sein Mund ging von gebieterisch zu fordernd über. Er hinterließ eine Spur von Küssen, die auf ihre Kehle und von dort aus zum Ausschnitt ihres T-Shirts führte. »Ich will nicht, dass du noch etwas anderes als diese goldene Kette trägst«, flüsterte er, und seine Küsse fanden einen Weg zu ihrem Ohr hinauf. Seine Zähne knabberten an ihrem Ohrläppchen. »Sieh zu, dass du aus diesem Zeug rauskommst.«

Er war kein Mann, der lange um etwas bat. Er konnte sich nicht ändern. Das hier war Stefan Prakenskij mit der Frau seiner Träume, seiner anderen Hälfte, nicht Thomas Vincents Eroberung. Thomas wäre höflich gewesen und Stefan wusste nicht, wie man höflich war, jedenfalls ganz bestimmt nicht dann, wenn sich die Lust so brutal mit einem unvertrauten Gefühl vermischte, das aus ihm hervorbrach und allumfassend war.

Er strich mit seiner Handfläche über ihre seidige Haut und ließ sie über die Rippen ihres schmalen Brustkorbs gleiten, während er seine Forderung geltend machte. Ein weiteres Mal ergriff er Besitz von ihrem Mund, versank in den samtigen Tiefen, kostete wilden Honig, küsste sie immer wieder und labte sich an ihrem Zauber.

Stefan hatte schon in jungen Jahren gelernt, jeden Aspekt seines Lebens zu kontrollieren, um zu überleben – seine Gedanken und insbesondere seine Gefühle, aber auch jede Form von Schmerz. Judith zu küssen bedeutete für ihn eine andere Form des Überlebens. Er hatte bis auf einen kümmerlichen Rest jede Menschlichkeit verloren, und hier, in diesem Raum, der zum Bersten mit Freude angefüllt war, war er von Menschlichkeit umgeben. Ihr Geist verband sich mit seinem, bis er nicht mehr sagen konnte, wo sie begann und wo er endete. Hier war ihr Geist mehr als irgendwo anders in ihrem Haus lebendig und stark, umgab ihn, verschmolz mit ihm und verstärkte jedes seiner Gefühle.

Die Wände ihrer Kaleidoskopwerkstatt, der ganze Raum und die Luft, die er umschloss, enthielten die Essenz von Judith, und es war ihm trotz seiner Gaben unmöglich, ihr zu widerstehen. Judith war von Natur aus eine sinnliche Frau und er war allseits von ihrer Leidenschaft für das Leben, für die Freude und für Farben umgeben. Sie war durch und durch weiblich, und hier war, stärker als irgendwo sonst, ihre Sexualität ebenso leicht zu sehen wie ihre mitfühlende Seite. Sie ließ ihn vor Verlangen bersten.

»Du hast viel zu viel an«, brachte er noch einmal durch zusammengebissene Zähne hervor. Eine Lust, die realer als alles war, was er jemals gekannt hatte, ließ ihn beben. »Zieh dich aus.«

Nichts hatte ihn jemals dazu gebracht, die Selbstbeherrschung zu verlieren, nicht die schlimmsten Prügel und auch nicht die geschickteste Liebkosung seines Gliedes, und doch bekam er jetzt bei der einen Frau, die zählte, kaum noch Luft vor Verlangen.

Judith legte ihren Kopf zurück, damit sie ihn mit ihren dunklen Augen ansehen konnte. Dort sah er ebenbürtige Glut, denn ihr Verlangen war genauso stark wie seines. Vielleicht war sie sich etwas weniger sicher als er, worauf sie sich hier einließ, aber er erkannte eine Gier, die sich an seiner messen konnte. Ganz langsam ließ sie ihre Arme sinken und legte ihre Hände um den Saum ihres T-Shirts. Sie zog den störenden Stoff über ihren Kopf, warf das Kleidungsstück auf einen nahen Tisch und schüttelte ihr Haar, damit es um sie herumfiel wie ein lebender Umhang aus schimmernder schwarzer Seide.

Ihm stockte der Atem. Die Spitzenkörbchen ihres BHs glitten von ihrem Körper und ließen ihre üppigen, hochangesetzten Brüste wie eine Opfergabe zurück. Ihre Brustwarzen hatten sich bereits flehentlich aufgestellt und ihre Brüste waren erwartungsvoll gerötet und hoben und senkten sich im Einklang mit ihrem schweren Atem. O Gott, war sie schön, noch schöner, als er sie sich vorgestellt hatte.

Er zog sie an sich, indem er seine Hand um ihren Nacken schlang, und sein Mund brach von Neuem über ihre Lippen herein. Es war ausgeschlossen, ihr zu widerstehen. Er küsste sie immer wieder, lange, berauschende Küsse, während sich seine Hände über ihre Haut bewegten, sich auf ihre Brüste legten, seine Daumen ihre Brustwarzen neckten und ihn fühlen ließen, dass jede Liebkosung seiner Hände sie beide wie Blitzschläge durchzuckte.

Stefans Lippen hinterließen eine Spur von Küssen, als sie sich zu ihrer Brust hinabbewegten und das weiche Fleisch in die Glut seines Mundes zogen, während seine Hände auf die Knöpfe ihrer Jeans sanken. Seine Knöchel streiften ihren festen Körper, als er ihre offene Jeans vorn auseinanderzog. Er hakte seine Finger in den Bund, der tief auf ihren Hüften saß, und auch durch den seidenen Stringtanga, zog den Stoff nach unten und ließ seinen Mund dem Pfad zu ihrem Nabel folgen, während sie die Jeans von ihren Füßen trat.

Seine Hände packten ihre Hüften, während sein Körper pochte und Forderungen stellte. »Wie erfahren bist du, Judith?« Seine Stimme klang jetzt heiser.

»Was ändert das schon?« Ihre Stimme klang gereizt und jederzeit bereit, den Rückzug anzutreten.

Er sah ihr fest in die Augen. »Ich möchte dir nicht wehtun und ich glaube nicht, dass ich sanft mit dir umgehen werde, nicht beim ersten Mal.«

Glut loderte in ihren Augen auf. Sie feuchtete ihre Lippen an. »Ich bin seit mehr als fünf Jahren mit niemandem zusammen gewesen und davor nur zweimal.«

Er stöhnte. Es war nicht das, was er hören wollte, und trotzdem konnte er nicht anders, als hocherfreut zu sein. Judith gehörte ihm ganz allein. Zweimal zählte nicht. Sie hätte ebenso gut Jungfrau sein können. Er legte seine Stirn an ihren zarten Bauch und holte tief Atem, um zumindest einen Anflug von Selbstbeherrschung zurückzuerlangen. Er hatte nie die Selbstbeherrschung verloren – bis er Judith begegnet war. Er hatte seinem Körper nie einen eigenen Willen erlaubt – bis er Judith begegnet war.

»Ich will dich mit jeder Faser meines Wesens, moj padschij angel, aber es könnte durchaus sein, dass das im Moment keine gute Idee ist.« Er kniete sich hin, legte die Arme um ihre Taille und blickte zu ihr auf. »Ich weiß nicht, inwieweit ich mich tatsächlich beherrschen kann, und auch das ist eine vollkommen neue Erfahrung für mich.«

Stefan Prakenskij schüttete der Frau, die zu ihm gehörte, sein Herz aus und Thomas Vincent konnte ihm gestohlen bleiben. Wenn es dazu kommen würde, dann nur mit Stefan und nur wahrheitsgemäß hier in diesem Raum der Freude und der Schönheit, hier mit dieser Frau, von der er mit Sicherheit wusste, dass sie zu ihm gehörte.

»Wenn wir das tun, dann musst du mir versprechen, dass es hiermit nicht enden wird. Ich will, dass du mir in die Augen sehen und wissen wirst, dass du es ebenso sehr wolltest wie ich und dass wir unsere Chancen damit nicht verspielt haben. Sag es, Judith, solange ich noch die Kraft habe aufzuhören.« Er musste wissen, dass sie nicht versuchen würde, ihm anschließend aus dem Weg zu gehen. Ihre Hand sank auf sein Haar hinab und ihre Finger wanden sich durch seine dichte Mähne. Sie sah ihn mit ihren dunklen Augen an, die so geheimnisvoll waren und in denen er das Verlangen sehen konnte, das sie nach ihm verspürte – nach Stefan. Er hatte sich ihr anvertraut, diesen kleinen Teil von ihm, der noch übrig war. Es schien so wenig zu sein, doch er hatte noch nie einem anderen Menschen gestattet, auch nur zu wissen, dass Stefan Prakenskij existierte. Prakenskij war nicht mehr als ein Phantom, über das einige tuschelten, ohne sich jemals wirklich sicher sein zu können, dass es ihn überhaupt gab.

Er hielt dieses kleine Stück Menschlichkeit in seinem Innersten verborgen, wo kein Feind es jemals herausholen konnte. Es war das Einzige, was ihn verletzbar machte, das Einzige, was ihm von der Liebe seiner Mutter geblieben war. Seine Loyalität gegenüber seinen Brüdern war ein Teil davon und es war sehr, sehr zerbrechlich.

Judith sah ihn. Es mochte zwar sein, dass sie seinen Namen nicht kannte, aber sie sah ihn. Sie starrten einander an, Judith splitternackt, entblößt und für ihn geöffnet, Stefan vollständig bekleidet, aber nackter und verletzbarer, als sie es sich vorstellen konnte.

Judith feuchtete ihre Lippen an. »Ich will dich, Thomas, auf jede Art und Weise, auf die ich dich haben kann.«

Sein Körper reagierte schon, bevor sein Verstand dieses leise geflüsterte Einverständnis begriffen hatte. Seine mächtige Erektion wurde dicker und viel härter als jemals zuvor, und ein schmerzhaftes Verlangen vermischte sich mit der dunklen Lust, die so schnell zunahm, dass er nur noch mit Mühe an seiner Selbstbeherrschung festhalten konnte. Er konnte Judith nicht retten, jetzt nicht mehr, dazu war es zu spät, wenn sie ihn mit diesen Augen ansah, wenn ihr Körper gerötet war und ihre Brüste sich bei jedem abgehackten Atemzug hoben und senkten – und wenn sie ihn ebenso sehr brauchte wie er sie.

Ihr femininer Duft war zu verlockend und zu verführerisch, um ihr zu widerstehen. Seine Hände fielen wie von selbst auf ihre Schenkel hinunter und rissen sie auseinander, um ihm das zu geben, was er so dringend brauchte. Er wartete nicht – er konnte nicht länger warten. Ohne jede Einleitung fiel sein Mund über sie her. Er gab zwei Dinge, die er brillant beherrschte – töten und Lust bereiten. Bei dieser Frau war alles, was er mit ihrem Körper tat, echt. Seine Zunge gelangte auf Anhieb durch die samtigen Falten, und als er fühlte, wie sie daraufhin erschauerte, schmeckte er den wilden Honig, nach dem er gelechzt hatte.

Er wusste, dass sie sein Leben für alle Zeiten verändert hatte. Die Art, wie sich ihre Hände in seinem Haar zu Fäusten ballten, das Beben ihres Körpers, ihr liebliches leises Stöhnen, das seiner Sucht Nahrung gab, und ihr exotischer Geschmack würden seine Sehnsucht nach ihr für immer bestehen lassen. Nichts anderes zählte, nichts anderes, als sie zu haben. Er hatte sein ganzes Leben lang auf einen Grund gewartet, auf etwas, nur eine einzige Sache, die all dem Sinn verlieh. Und dieses eine hatte sich nun als eine Frau namens Judith erwiesen.

Sie schrie auf, als er sie leckte, eine Katze, die süße, heiße Sahne schleckte, und ihre atemlosen Schreie trugen nur noch mehr zu dem drängenden Verlangen bei, das wie ein Tsunami in ihm anschwoll. Er konnte nichts gegen die knurrenden Laute der Lust tun, die aus seiner Kehle kamen, gegen die verzweifelte Gier, die sich immer mehr zu einer unersättlichen Lust auswuchs. Ihre heiße Scheide zuckte und versorgte ihn mit mehr Honig, auf den er sich stürzte wie der Verhungernde, der er war.

Mehr, mein Engel, gib mir alles. Ich brauche es, dass du dich mir ganz hingibst.

Er forderte sie auf, ihm vollständig zu vertrauen. Je mehr sie sich entspannte, je mehr sie sich in seine Hände begab, desto besser würde es für sie werden. Seine Hand auf ihrer Hüfte schloss sich fester und gab ihr Halt, als ihre Knie unter ihr nachzugeben drohten, während sein Finger tief in diesen heißen, samtigen Tunnel glitt. Er stöhnte, als er fühlte, wie klein und eng sie war. Er war gut bestückt und sie musste bereit sein, ihn in seiner vollen Größe aufzunehmen. Ihre inneren Muskeln klammerten sich eng um seinen Finger und er saugte an ihr und schleckte die einladende, überlaufende Flüssigkeit. Der süße Nektar der Götter floss in seinen hungrigen Mund. Er war der Teufel, der den Engel in Versuchung führte, und nichts anderes zählte, nur dass sie seiner vorsätzlichen Verführung erlag.

Judith schrie wieder auf, und diesmal klang das Geräusch erstickt, als sie Stefan beide Hände auf die Schultern legte, um Halt zu finden, als ihre Knie weich wurden und ihr Körper in ihrer zunehmenden Anspannung heftig zitterte. Sie spreizte die Beine weiter, warf ihren Kopf zurück, keuchte, begab sich vollständig in seine Obhut und brachte ihm das Vertrauen entgegen, das er von ihr verlangt hatte. Ihre Lust überstieg alles, was sie jemals gekannt hatte, und er hörte immer noch nicht auf. Sein verruchter, sündhafter Mund trieb sie immer höher hinauf, bis sie glaubte, sie könnte zerspringen, einfach in eine Million Splitter bersten oder sich im Taumel seines berauschenden Mundes verlieren.

Und dann benutzte er wieder seine Finger, ließ seinen Mund aber auf ihrem empfindlichsten Knopf liegen, saugte daran und ließ seine Zunge darüber schnellen, bis ihr Atem ein keuchendes Schluchzen war. Seine forschenden Finger dehnten sie, neckten sie und dehnten sie noch ein bisschen mehr. Sie spürte einen winzigen stechenden Schmerz, ein Brennen, das sich in die erlesene Lust mischte und sich gleich darauf auflöste, als die Verzückung sich steigerte und etwas in ihrem Inneren sich immer enger zusammenzog.

»Ich halte das nicht mehr aus.« Sogar in ihren eigenen Ohren klang ihre Stimme wie ein heiseres, flehentliches Stöhnen.

Lass los, mein Engel, und fliege für mich.

Sie hatte gar keine andere Wahl, nein, wirklich nicht. Nicht wenn sich die Flammen zu einem gewaltigen Feuersturm ausweiteten und ihr Körper sich hilflos aufbäumte, um sich gegen seinen Mund und seine Finger zu stoßen. Sie fühlte, wie sich jeder Muskel in ihrem Körper anspannte und sich derart zusammenzog, dass es beängstigend war, und dann zersprang sie, und ihre leisen Schreie füllten den Raum.

Stefan hielt ihre Hüften fest, um ihr Halt zu geben, während er aufstand, mit einer Hand seine Jeans auszog, sie von sich wegdrehte, ihr eine Hand auf den Rücken presste und sie über einen der Tische bog. Sein Hemd ließ er an. Sein Körper war mit Narben bedeckt. Messerkämpfe, Schusswunden, Striemen von Peitschenhieben – all das war auf der Straßenkarte seines Körpers eingezeichnet. Vielleicht würde sie ihm abkaufen, dass er sich ein paar Wunden beim Militär zugezogen hatte, aber es wäre unmöglich, sie alle zu erklären, und er wollte sie nicht belügen.

Sie schluchzte fast und ihr Körper reckte sich ihm entgegen. »Immer mit der Ruhe, mein Engel, wir werden es langsam angehen.« Er hoffte, dass er es konnte.

Seine Hand legte sich um seinen Schwanz und fand mit der breiten, empfindlichen Eichel ihren feuchten Eingang. Ihre Scheide war glühend heiß, als sie die ersten zwei Zentimeter umschloss und so fest zupackte, dass er innehalten musste. Er warf seinen Kopf zurück und sein Körper erschauerte vor Lust. »Halt still, Judith«, flehte er sie an. »Ich möchte dir nicht wehtun.«

Judith versuchte, sich nicht mehr zu winden und das furchtbare rastlose Verlangen einzudämmen, das sie ergriff, als sie fühlte, wie sich die heiße Spitze seines dicken Schafts in sie schob. Ihr Atem stockte. Zwischen ihren Beinen fühlte sie gemeißelten Stahl, so heiß wie ein Brandeisen, der in sie eindrang, sie dehnte und sie verbrannte. Aber vor allem ließ sich die Essenz des Mannes so tief in ihr nieder, dass sie eines wusste: Sie würde ihn nie mehr von dort vertreiben können. Die Empfindungen schlugen so schnell über ihr zusammen, dass sie weder Luft schnappen noch die Schreie ihres Körpers zurückhalten konnte, die Forderungen, die er stellte. Mit dieser Form von Sex hatte sie keinerlei Erfahrung, und doch reagierte alles in ihr darauf. Sogar der Hauch von Furcht, der sich verräterisch in ihrem Verstand kräuselte, erhöhte ihre Lust.

Sie fühlte, wie ein Schluchzen in ihr aufstieg, und Tränen brannten hinter ihren Augen. Sie hatte sich zu dieser Form von heftiger Leidenschaft nicht für fähig gehalten, zu einem so großen und unglaublichen Verlangen, dass nichts anderes mehr zählte, als ihn tief in sich begraben zu haben. Ihr war ganz egal, ob es spannte oder brannte. Sie wollte von ihm in solche Höhen hinaufgeführt werden, dass sie sich in ihm verlor. Sie war bereit, ihm alles zu geben, was ihre Person ausmachte, solange er ihr dasselbe gab.

»Verdammt noch mal, halt still«, flehte Stefan. Er musste sie daran hindern, sich so sinnlich zu bewegen und ihm ihren Körper lockend entgegen zu wölben, während sie versuchte, ihn tiefer in ihre kochend heiße Scheide hineinzuziehen.

Sie zischte durch zusammengebissene Zähne etwas, das so klang, als bemühte sie sich stillzuhalten. Doch ihren weichen, runden Hintern und ihren langen, geraden Rücken zu fühlen, um den sich ihr Haar ausbreitete, war genauso sinnlich wie ihre sich aufbäumenden Hüften.

Er drang weitere zwei Zentimeter in sie ein, stieß sich durch diese engen, erdrosselnden Falten aus seidigem Feuer und keuchte, als die Flammen über ihn rasten. Es fiel ihm schwer, sich nicht tief in sie zu rammen und sich in dieses paradiesische Inferno zu stürzen. Sowie er spürte, dass sie sich anspannte, hielt er still und blieb, wo er war, umgeben von lebendigem Samt, der sich um ihn herum so eng wie eine Faust zusammenballte.

»Keine Sorge, mir fehlt nichts«, keuchte sie. »Mach weiter.«

»Was ist los?« Er konnte nicht aufhören, nicht jetzt. Er schloss die Augen und betete zu einem Gott, von dem er sicher war, dass es ihn nicht gab.

»Ich will es«, beharrte Judith, und ihr Tonfall war flehentlich, atemlos und drängend. »Es brennt ein bisschen, wenn du mich dehnst, aber du fühlst dich ganz erstaunlich an. Hör bitte nicht auf.«

Er stieß seinen angehaltenen Atem aus und drang tiefer in ihre enge Scheide vor. »Du bist so verflucht eng.« Sie versengte ihn bis in die Zehenspitzen. Er holte Luft und bewegte sich noch ein wenig voran.

»Du bist so verflucht groß«, keuchte Judith. Mit einem kleinen Aufschrei reckte sie sich ihm entgegen und nahm weitere fünf Zentimeter von ihm auf.

Er öffnete und schloss seine Finger. Blut rauschte tosend in seinem Kopf und zwischen seinen Beinen pulsierte ein Presslufthammer, hart und fordernd. Mit ihrem Winden raubte sie ihm fast den Verstand, von seiner Selbstbeherrschung ganz zu schweigen. Er packte ihre Hüften, und als ihr Körper seinem mit einem Ruck entgegenkam, rammte er sich in sie, begrub sich tief in ihr und trieb sich durch diese strammen, nahezu unnachgiebigen Muskeln. Er stieß gegen ihren Gebärmutterhals und sie schrie wieder auf und holte mehrfach tief Luft.

»Bitte, Thomas, bitte …« Ihr Flehen riss ab und ging in ein Keuchen über, als er sich zu bewegen begann.

Stefan steigerte langsam den Rhythmus und behielt ihre Reaktionen so genau wie möglich im Auge. Sie verbrannte ihn bei lebendigem Leib und gab den Flammen mit ihrer Leidenschaft und mit ihrem eigenen Verlangen Nahrung, eine Frau, die Magie beherrschte und ihn in Sex und Sünde einhüllte. Sein Schwanz fühlte sich an wie Stahl, als er sich immer wieder in sie rammte und in dunklen, glühend heißen Tiefen verschwand. Mit Bedacht veränderte er seine Position und sie stieß einen weiteren Schrei aus, als er sich an ihrer empfindlichsten Stelle rieb.

Ihre langen Haare waren überall und ihre Brüste schaukelten bei jedem festen Stoß. Ihr Anblick raubte ihm den letzten Funken Selbstbeherrschung und er gab sich dem wilden Verlangen nach dieser einen Frau hin, das sich sein ganzes Leben lang in ihm aufgestaut hatte. Er schnappte hörbar nach Luft und packte ihre Hüften noch fester, als er sich immer wieder heftig nach vorn bewegte und sie zu sich zurückriss.

Er streckte sie beide auf einer Folterbank reiner fleischlicher Lust, von deren Existenz er nichts geahnt hatte, und die Spannung baute sich auf, bis ihre Schreie Musik in seinen Ohren waren und sein schwerer Atem sich den tiefen Stößen seiner Hüften anpasste. Er konnte nicht aufhören und er wollte nicht, dass es jemals endete. Bei ihr fühlte er sich, als hätte er seine fehlende Hälfte gefunden, während Flammen über seine Haut züngelten und sein Schwanz eine Glut schmiedete, die sie beide aneinanderschweißte.

Lust steigerte sich zu rasender Gier und vermischte sich mit einem viel zarteren Gefühl, das sein Herz ergriff und es einzig und allein ihr in die Hände legte. Er rammte sich immer wieder in sie, und ihr Flehen und das Geräusch, mit dem ihre Körper zusammenkamen, verwoben sich mit den übrigen Sinneseindrücken und steigerten die Anspannung ins Unerträgliche. Judith keuchte und ein schluchzendes Flehen entrang sich ihr, als sie von einer Woge schockierender Orgasmen überflutet wurde. Ihre Muskeln packten zu wie ein Schraubstock, den sie über ihn zerrte, ein stürmischer, fast schon brutaler Überraschungsangriff, der ihm seine eigene barbarische Erlösung entriss.

Stefan brach über Judith zusammen, achtete jedoch sorgsam darauf, sie bloß nicht mit seinem Körpergewicht niederzudrücken, als er um Luft rang. Er presste sein Gesicht an ihren Rücken, atmete tief ihren Duft ein und fühlte ihr seidiges Haar an seinem Gesicht. Alles okay mit dir?

Sie streckte eine Hand hinter sich und streichelte seinen Oberschenkel. Er konnte ihren Herzschlag in den Muskeln fühlen, die ihn umgaben. Total. Was ist mit dir?

Ich habe mich nie besser gefühlt.

Sie zögerte. Mich erschreckt ein bisschen, wie intensiv das zwischen uns ist. Ich habe nicht erwartet, dass Sex so explosiv sein kann. Ich kann mich nicht zusammenreißen.

Er wartete für die Dauer eines Herzschlags. Bereue es nicht, Judith. Es ist zu gut zwischen uns. Entzieh dich mir nicht, weil es beängstigend ist. Wir können gemeinsam herausfinden, wie wir damit umgehen.

Sie schwieg wieder einen Moment lang. Ich hätte es dir vorher sagen sollen. Ich tue nichts zur Verhütung. Ich war mit niemandem zusammen und habe nicht erwartet, dass es dazu kommen könnte.

Ich hätte dich davor schützen sollen. Es tut mir leid, Judith. Ich habe nicht daran gedacht. Er konnte die Worte nicht laut aussprechen, und selbst telepathisch gelang es ihm kaum, diese Lüge hervorzubringen. Die verfluchte Wahrheit sah nämlich so aus, dass er wünschte, sie bekäme ein Kind von ihm. Und auch diese schockierende Erfahrung machte er zum ersten Mal.

Judith verstummte. Sie drehte ihren Kopf auf eine Seite und ihre langen Wimpern senkten sich über den benommenen Ausdruck in ihren Augen, als sie ihn ansah. Ich bin eine erwachsene Frau, Thomas. Ich kann mich selbst schützen. Ich hätte diejenige sein sollen, die daran denkt. Und einem Teil von mir wäre es, ehrlich gesagt, lieb, wenn ich ein Baby bekäme.

Ein Baby von mir, korrigierte er sie. Mein Baby.

Die Intimität der telepathischen Verständigung, während ihre Körper eng miteinander verbunden waren, verstärkte seine Lust. Er schlang beide Arme um ihre schmale Taille und drückte Küsse auf ihre Wirbelsäule. Ich liebe diese Werkstatt.

Ich auch. In ihrem Kopf erklang leises Gelächter.

Judith versuchte nicht, sich zu rühren, und er konnte jedes Nachbeben spüren, das ihren Körper erschütterte.

Dieser Raum wird mir immer der liebste sein, obwohl ich durchaus gewillt bin, jeden einzelnen Raum im Haus auszuprobieren, um zu sehen, ob andere genauso erregend sind wie dieser hier. Langsam und widerstrebend zog sich Stefan aus ihrem Körper zurück. Er ließ eine Hand auf ihrem Kreuz liegen, damit sie blieb, wo sie war, denn er wollte nicht riskieren, dass sie seine Narben sah, während er sich seine Jeans anzog. »Wie viele Tische gibt es in dieser Werkstatt?« Er wollte sich behutsam zurückziehen, um ihr Zeit zu geben, sich damit zu arrangieren, wie rasch sich ihre Beziehung entwickelte.

Judith richtete sich bedächtig und gelassen auf. Sie strich ihr Haar zurück und drehte sich zu ihm um. Ihre Schenkel waren feucht von seinem Samen, ihr Körper war gerötet, ihre Brustwarzen aufgestellt, und ihre goldene Kette glitzerte. Mit ihren leicht glasigen Augen sah sie so aus, als sei sie gründlich geliebt worden, und sie beobachtete ihn mit einer Mischung aus Verletzlichkeit und Schock. »Die Tische sind zum Arbeiten da«, brachte sie mühsam hervor.

»Ich bin gern bereit zu arbeiten«, neckte er sie und sah, wie sich eine noch tiefere Röte in all diese zarte Haut stahl.

Sie schnitt ihm eine Grimasse und bückte sich, um ein weiches Tuch aufzuheben. »Irgendwann in den nächsten Tagen kannst du dir dein eigenes Kaleidoskop anfertigen. Ich zeige dir, wie es geht.«

Stefans innere Alarmanlage schrillte. Judith durchschaute Menschen mühelos. Sie sah die unterschiedlichen Seiten in ihnen, denn sonst hätte sie keine individuellen Kaleidoskope anfertigen können, die zu einer bestimmten Person passten und ihren Bedürfnissen entsprachen. Um in ihn hineinzuschauen, brauchte sie nur zu sehen, welche Dinge er für sein Kaleidoskop auswählte. Er war nicht sicher, ob er wusste, was Thomas Vincent für seine Objektkammer auswählen würde, aber was auch immer es sein mochte – es würde eine vollkommen andere Auswahl sein als die, die Stefan Prakenskij treffen würde.

Er achtete darauf, sie weiterhin anzulächeln, obwohl er sie forschend musterte. Seine argwöhnische Natur unterstellte ihr zwangsläufig alle möglichen Gründe dafür, seinen Charakter eingehender erkunden zu wollen. Sie hatten sich gerade geliebt, und er hatte entschieden, dass diese Frau seine Frau sein würde – die einzige, die er jemals für sich allein haben wollte, und doch wandte sich sein Verstand sofort irgendwelchen Komplotten zu. Das zeigte ihm mehr als alles andere, wie sehr ihn seine Ausbilder kaputt gemacht hatten.

»Das klingt, als würde es Spaß machen«, sagte er, weil sie auf eine Reaktion wartete.

Ohne ihren Blick von ihm abzuwenden tupfte sie mit dem Tuch seinen Samen auf, und kein anderer Anblick war jemals so sexy gewesen. Obwohl er seine Gier erst vor wenigen Minuten restlos gestillt hatte, durchfuhr seinen Schwanz ein heftiger Ruck. Beinah hätte er laut gestöhnt. Wem versuchte er da etwas vorzumachen? Er würde ein ganzes Leben dafür brauchen, die Gelüste zu stillen, die sie in seinem Körper geweckt hatte. Fast hätte er ihr das Tuch aus der Hand gerissen, weil es ihm verhasst war zu sehen, dass sie die Spuren seiner Besitznahme wegwischte. Er zwang sich, Ruhe zu bewahren und auch nicht zu protestieren, als sie sich anzog.

»Ich habe ganz schön Hunger«, kündigte sie mit einem schelmischen Lächeln an. »Hast du Lust, etwas zu essen?«

»Klar, aber da wir gerade hier unten sind, könntest du mir eigentlich auch gleich noch schnell den Rest des Hauses zeigen. Von außen sieht man so gut wie nichts von dem unteren Stockwerk. Daher haben mich die vielen Fenster überrascht. Ich hatte erwartet, dass diese Räume eher etwas von einem Keller an sich haben.« Er wollte sich einen kompletten Überblick über den Grundriss des Hauses und die exakten Gegebenheiten verschaffen. Die Fenster erschwerten es zwar, für ihre Sicherheit zu sorgen, doch ihre Gärten schirmten sie ab und boten ihr, zumindest um diese Jahreszeit, einen dichten Sichtschutz.

Sie lächelte erfreut. »Zum Malen ist eine Menge Licht erforderlich. Ich bin aber nicht nur Malerin, sondern auch Restauratorin. Für beides braucht man viel Licht, ebenso wie für die Anfertigung von Kaleidoskopen. Ich bin gern von Farben umgeben, und meine Gärten sind alle sehr unterschiedlich. Ich mische die Blumen mit höheren Gräsern und Sträuchern, weil das dazu beiträgt, mir ein Gefühl von Sicherheit zu geben.«

Er legte seinen Arm um ihre Taille und beugte sich hinunter, um sie zu küssen. Falls er von ihrer Seite aus das kleinste Zögern wahrnahm, ignorierte er es. Er würde sie sehr oft küssen, denn er hätte sie, ehrlich gesagt, immer und ewig küssen können.

»Lass uns zusehen, dass du etwas zu essen bekommst, Judith. Du kannst auf dem Weg die Türen aufmachen, an denen wir vorbeikommen, und mich einen schnellen Blick in die Räume werfen lassen. Die komplette Führung verschieben wir auf ein anderes Mal.«

Sie schlang ihm die Arme um den Hals und zog ihn an sich. »Ich kann kaum glauben, dass ich dich nicht schon mein Leben lang gekannt habe. Alles fühlt sich brandneu an und doch so behaglich und vertraut. Es ist schon ein wenig beängstigend, wie richtig es mir vorkommt, mit dir zusammen zu sein.«

Hinter ihrem Rücken hob Stefan seine Hand, um seine Faust zu inspizieren, die von der Ausbildung und von Kämpfen vernarbt und schwielig war. Ein Teil von ihm konnte es immer noch nicht fassen, wie lebendig er sich plötzlich fühlte und dass er tatsächlich ein Leben in diesem Haus mit dieser Frau in Betracht zog – ein kühner Traum. Eine Frau wie Judith hatte er nicht verdient. Aber er würde bis zu seinem letzten Atemzug um sie kämpfen und alles tun, was nötig war, um sie glücklich zu machen.

»Ich weiß, dass es dir so vorkommen muss, als hätte plötzlich der Teufel vor deiner Tür gestanden, und vielleicht ist es ja auch so. Aber ich weiß mit Sicherheit, dass wir füreinander geschaffen sind, Judith.«

Sie drückte ihm Küsse auf die Kinnpartie und trat dann zurück. »Komm schon, bevor wir wieder von vorn anfangen.«

»Von mir aus können wir das gern tun.«

Sie lachte. »Von mir aus auch, aber leider musste ich Airiana bitten, an meiner Stelle in meinem Laden zu arbeiten, und sie hat selbst noch etwas zu tun. Das heißt, wenn wir essen wollen, müssen wir es jetzt tun, und ich bin wirklich ausgehungert. Außerdem«, sagte sie und sandte ihm ein weiteres schelmisches Lächeln, »will ich sehen, wie gut du in Wirklichkeit kochen kannst.«

Stefan ließ sich von ihr an der Hand nehmen und zur Tür führen. Er atmete tief ein und sog die Gerüche von ihnen beiden in sich auf, die sich miteinander verbunden hatten. Jetzt roch die Werkstatt nach ihnen beiden, nach Sünde und Sex. Er war die Sünde und sie war der Sex. Er lächelte in sich hinein, als er ihr zur Tür hinaus und in den Flur folgte. Direkt gegenüber von der Werkstatt, in der sie die Kaleidoskope anfertigte, befand sich eine weitere Tür. Sie stieß sie auf und trat zurück.

»Dieses kleinere Schlafzimmer hier unten habe ich nur für den Fall, dass ich die ganze Nacht aufbleibe, was häufig vorkommt, und dann mache ich einfach hier unten ein Nickerchen.«

»Ein weiteres Schlafzimmer, das wir erkunden können«, murmelte er beifällig und wurde mit Gelächter belohnt.

Bei dem Raum neben dem Schlafzimmer handelte es sich um ein weiteres Bad, diesmal nur mit Toilette und Dusche, doch es war sehr geräumig. Allmählich wurde ihm klar, dass Judith Platz um sich herum brauchte und eigentlich keine geschlossenen Räume mochte. Sie machte auch diese Tür wieder zu und ging zur nächsten Tür, die viel weiter hinten vom Flur abging, auf derselben Seite wie die Kaleidoskopwerkstatt.

»Hier male ich, aber hier gehe ich auch meiner Arbeit als Restauratorin und Konservatorin nach.«

Stefan trat ein, ehe sie die Tür wieder schließen konnte. Auch in diesem Raum war Judith so deutlich vorhanden, dass er sie fühlen konnte. Dieses Studio war total durchorganisiert, ein starker Kontrast zu dem fröhlichen Chaos der angrenzenden Werkstatt. Auch hier führten zweiflügelige Glastüren in einen Garten hinaus und eine lange Fensterreihe ließ den Sonnenschein hinein, aber damit endete die Ähnlichkeit. Hier war aufgrund der Chemikalien, die sie benutzte, die Entlüftung von größter Bedeutung, und sie hatte nicht nur mehrere Abluftventilatoren an der Decke hängen, sondern auch die Fenster waren so angeordnet, dass bei geöffneten Türen die Zugluft genutzt werden konnte.

Ein kleiner Kühlschrank stand in einer Ecke und er zog fragend eine Augenbraue hoch.

»Ich wickele meine volle Farbpalette in Plastik und friere sie ein, um ein Austrocknen zu verhindern.«

»Ich werde viel von dir lernen können.« Er sah sich die Gemälde an, die sie gerade konservierte. Sie waren in verschiedenen Behandlungs- und Trockenstadien.

»Malst du gern?« Judiths Gesicht hellte sich auf. Ganz offensichtlich machte es ihr Freude, ihre Liebe zu ihrer Arbeit mit jemandem zu teilen. »Ich versuche mich nur zum Spaß daran, aber ich bin nicht besonders gut. Ich empfinde es jedoch als wohltuend.« Auch das hatte er noch nie einem anderen Menschen erzählt. Er malte und vernichtete anschließend sofort die Leinwand. Ein Mann, der in den Schatten lebte, konnte es sich nicht leisten, etwas derart Persönliches zurückzulassen.

Er betrachtete den erlesenen Seidenkimono, der an der Wand gegenüber den Glastüren hing. Ihre Staffelei war so aufgestellt, dass ihr Blick auf dieses wunderschöne Kleidungsstück fiel.

»Er hat meiner Mutter gehört«, erklärte sie, und aus ihrer Stimme waren Liebe und Andacht herauszuhören. »Ich erinnere mich gern an sie. Hinter dem Haus habe ich einen japanischen Garten, und einige der Pflanzen, die ich hierher mitgebracht habe, habe ich tatsächlich im Garten meiner Mutter ausgegraben, bevor ich das Haus verkauft habe, und sie hier eingepflanzt. Falls ich jemals umziehen sollte, werde ich sie mitnehmen. Ich habe auch noch ihr Teeservice und ein paar andere Dinge. Einen Teil meiner Kindheit haben wir in Japan verbracht und dann hat mein Vater uns hierhergebracht, in die Staaten. Meine Mutter hat das Haus sehr japanisch eingerichtet. Mein Vater und mein Bruder waren begeistert davon und ich war es auch.«

Er fühlte den Schmerz, der in ihr aufstieg. Sie schob ihn hastig von sich. »Tu das in meiner Gegenwart nicht«, sagte er mit scharfer Stimme. »Ich habe mit keinem deiner Gefühle Probleme, Judith. Bei mir kannst du du selbst sein. Egal ob du Hass oder Liebe empfindest, Glück oder Kummer, es ist in Ordnung.«

Sie senkte den Kopf und trat in den Flur hinaus. »Du weißt, was passieren kann, Thomas.«

Inzwischen verabscheute er den Namen Thomas. »Nicht bei mir. Ich habe gespürt, was du anrichten kannst, und wenn du dir selbst gegenüber ehrlich bist, weißt du, dass ich damit umgehen kann. Du hast Angst vor dir selbst, aber du wirst es nie lernen, deine Gabe im Zaum zu halten, solange du nicht beginnst, sie bewusst einzusetzen.«

»Vielleicht ist diese Gabe ein Übel und nicht dazu gedacht, benutzt zu werden.«

Er stieß absichtlich ein höhnisches Schnauben aus. »Du fürchtest dich nicht davor zu gestehen, dass du Rache nehmen willst, Judith. Warum also fürchtest du dich vor etwas so Reinem wie dem Element des Geistes?«

»Das ist nur eine Seite der Medaille, denn ich kann nicht nur aus meinem eigenen Element, sondern auch aus den Gaben meiner Schwestern etwas machen, was nicht sein soll. Ich will nicht, dass ihnen das passiert. Deshalb bin ich so wachsam meinen Gefühlen gegenüber, damit ich nicht in Versuchung gerate.«

Sein Arm hielt sie gefangen, denn er stemmte seine Hand neben ihrem Kopf an die Wand und hinderte sie daran, sich vom Fleck zu rühren. »Du weißt, dass das Unsinn ist, Judith. Ich bin ein gewalttätiger Mann, wenn es notwendig ist. Und ich erkenne Gewalttätigkeit, wenn ich sie sehe. Es kann sein, dass du Rache brauchst. Es kann sogar sein, dass du von Rache träumst, aber einen Menschen in Gedanken zu foltern und zu töten ist etwas ganz anderes, als es tatsächlich zu tun. Du würdest deine Schwestern niemals und unter gar keinen Umständen dafür benutzen, einem anderen Menschen Schmerz zuzufügen.«

Judith blinzelte gegen ihre Tränen an und weigerte sich, ihm in die Augen zu sehen. Stefan nahm ihr Kinn in seine Finger und zwang sie, den Kopf zu heben. »Du schämst dich dafür. Es erfüllt dich mit Scham, dass dir die Mittel zur Rache zur Verfügung stehen und du nicht bereit bist, sie einzusetzen. Deshalb fühlst du dich schuldig.«

Sie riss sich von ihm los. »Du siehst zu viel.«

»Judith, es sollte weder Scham noch Schuldgefühle auslösen, dass du die Menschen, die du liebst, nicht manipulieren und sie dafür missbrauchen willst, einem anderen Menschen Schmerz zuzufügen. Du weißt bereits, dass dieser Preis zu hoch ist – und alles hat seinen Preis. Es muss einen Moralkodex geben, eine Grenze, die man niemals überschreitet, selbst dann nicht, wenn es um so etwas wie Rache geht.«

Sie holte Atem. »Das klingt, als wüsstest du, wovon du sprichst.«

»Ich weiß es besser als du, mein Engel.« Er senkte seinen Kopf und küsste sie zart, doch obwohl es ein zärtlicher, tröstlicher Kuss war, schreckte sie davor zurück und schüttelte den Kopf. »Du magst es nicht, ein Engel zu sein, noch nicht einmal mein Engel.«

»Es ist mir lieber, wenn du mich deinen gefallenen Engel nennst. Dann weiß ich wenigstens, dass du mich nicht auf einen unerreichbar hohen Sockel stellst.«

Sie stand für alle Zeiten auf diesem Sockel, ganz gleich, was sie tat. Keine ihrer Sünden würde sich jemals an seiner geschwärzten Seele messen können. Er trat zurück und gestattete ihr ein Entkommen. Judith zog ihre Schultern zurück und ging auf dem Weg zur Treppe vor ihm her. Sie kamen an der letzten Tür im Erdgeschoss vorbei, die sie jedoch vollkommen ignorierte. Judith hatte ihm ohne jede Scheu ihr Haus gezeigt, denn sie war offensichtlich stolz darauf, doch einen beträchtlichen Teil des unteren Stockwerks hatte sie übersprungen, ohne die Tür auch nur eines Blickes zu würdigen. Sie hatte sogar große Sorgfalt darauf verwandt, in die andere Richtung zu schauen, und damit augenblicklich sein Interesse geweckt.

»Wohin führt diese Tür?« Es gelang ihm, unschuldig zu wirken, als er die Frage stellte, doch er ließ sie nicht aus den Augen, und ihm fiel auf, dass sie sich plötzlich in sich zurückzog, ihr Gesicht einen erstarrten Ausdruck annahm und Schuldbewusstsein in ihre Augen kroch. Seine Hand legte sich auf den Türknopf, doch die Tür war abgeschlossen.

Sie schüttelte den Kopf und schlug ihre Augen nieder. »Zu einem weiteren Studio. Ich halte es stets verschlossen und gehe nicht oft hinein.« Farbe stieg an ihrem Hals und in ihr Gesicht auf.

Das war schlichtweg gelogen, und sie log nicht gerade gut. Nichts anderes hätte mehr Verdacht bei ihm erregen können. Was zum Teufel verbarg sie? Er versuchte den Gedankensprung zu Jean-Claude nicht zu machen, doch der Mann war besessen von ihr und hatte einen Beobachter auf sie angesetzt, der sie volle fünf Jahre lang ständig fotografiert hatte. War es möglich, dass sie etwas für ihn aufbewahrte? Ihr Hass auf den Mann klang authentisch, aber weshalb sollte sie lügen?

Er arbeitete für seine Regierung, und so lange er nicht mit absoluter Sicherheit wusste, dass er auf einer Abschussliste stand, würde er stets dafür sorgen, dass die Geheimnisse seines Landes gewahrt wurden. Er musste sichergehen, dass Judith unter gar keinen Umständen den Microchip bewachte, den Jean-Claude in den letzten fünf Jahren erfolgreich versteckt hatte. Er musste in dieses Studio hineinkommen. Ein Teil von ihm bekannte, dass er nicht wirklich glaubte, sie stünde noch mit Jean-Claude in Verbindung. Ihm gefiel nur nicht, dass sie Geheimnisse vor ihm hatte.

Er wollte, dass sie sich ihm voll und ganz hingab und nichts zurückhielt. Er blieb stehen und zwang sie, ihn anzusehen. Sie sah schnell wieder weg und senkte ihren Blick dann auf den Boden. Er deutete mit einem kleinen Achselzucken auf die Treppe. Judith ging voraus und er strich mit seinen Fingerspitzen vorsätzlich über den Jeansstoff auf ihrem Hintern.

»Du bist wirklich eine wunderschöne Frau, Judith.« Wenn sie einen Themenwechsel brauchte, würde er ihr den Gefallen tun. Er hatte keine Bedenken, allein zurückzukehren und das herauszufinden, was er wissen wollte. Sie benutzte ihre Alarmanlage nicht und er hatte sich den Lageplan ihres Hauses in allen Einzelheiten eingeprägt. Es würde ihm keinerlei Schwierigkeiten bereiten, sich im Dunkel der Nacht zurechtzufinden, in dem er sowieso die meiste Zeit lebte.

Die Anspannung fiel sofort von ihr ab und sie warf ihm über ihre Schulter einen glühenden Blick zu, während sie auf dem Weg zur Küche vorausging.

»Ich esse gern auf dem Balkon oder im Garten zu Mittag, wenn ich nicht im Laden oder in der Galerie arbeite«, erklärte Judith. »Es ist so schön draußen und die Farben des Himmels und des Waldes in Verbindung mit den Blumen inspirieren mich immer.«

Stefan packte die Behälter mit dem Essen aus und reichte sie ihr. »Ich finde, das klingt gut.«

Er sorgte dafür, dass Judith den unbehaglichen Moment, als sie im Flur vor der abgeschlossenen Tür gestanden hatten, vollständig vergaß. Er brachte sie zum Lachen, küsste sie immer wieder und sprach mit ihr über die Anfertigung von Kaleidoskopen, ein Thema, an dem er sein Interesse nicht heucheln musste. Der Nachmittag zerrann und als sie einen Blick auf ihre Armbanduhr warf, verstand er den Wink und stand auf, um zu gehen.

Ein Auge fürs Detail, wenn nicht gar pedantische Detailbesessenheit, war die geheime Formel, die Männer wie Stefan Prakenskij am Leben erhielt. Er nahm seine Umgebung in jedem Moment bis ins kleinste Detail wahr. Die Nummernschilder von Fahrzeugen, ihre Marken und Modelle, Tiere und Fußspuren, ob Rollläden vor Fenstern hochgezogen oder heruntergelassen waren – jede kleinste Einzelheit war von Bedeutung und konnte ihm das Leben retten. Er hatte diese Dinge in einer harten Schule gelernt, wo ihm ein kleiner Patzer Schläge eintrug, die bewirkten, dass er nur noch kriechen konnte; oder sie hatten ihn bei Schnee und Eis in der Kälte ausgesperrt, bis er kein Gefühl mehr im Körper hatte.

Diese Jahre des Trainings, in denen er starke Schmerzen ertragen und trotzdem durchgehalten hatte, hatten ihn gelehrt, seinen Auftrag ungeachtet aller Entbehrungen und Beschwerden auszuführen und selbst dann weiterzumachen, wenn sein Körper und sein Gehirn protestierten und ihn nur noch seine Willenskraft antrieb. Jetzt war Judith Henderson zu seiner Mission geworden. Er würde sein Ziel erreichen. Er erhob Ansprüche auf sie und niemand – niemand – würde ihn aufhalten. Stefan machte keine halben Sachen; er ging immer aufs Ganze – Leben oder Tod. Für ihn war Judith das Leben und alles andere war der Tod.

Stefan lenkte sein Fahrzeug durch das Tor und die Vögel folgten ihm immer noch auf Schritt und Tritt. Die Torflügel schlossen sich automatisch hinter ihm. Er fuhr, von Wäldern umgeben, in Richtung Schnellstraße, bis er mehrere Kurven durchfahren hatte und wusste, dass sein Wagen längst aus der Sicht- und der Hörweite verschwunden war, falls ihn jemand von der Farm aus beobachten sollte. Dann bog er von der Straße ab, fuhr in den dichten Wald hinein und parkte im Schutz von Bäumen. Er brauchte nur wenige Minuten, um seine Kleider und Schuhe zu wechseln und anschließend Waffen und Werkzeuge an seinem Körper zu verbergen. Heute Nacht hatte er zwei Besuche zu machen. Der erste Besuch galt Judiths abgeschlossenem Studio, der zweite seinem Bruder. Bis dahin würde er schlafen. Er hatte gelernt, überall und jederzeit zu schlafen, selbst wenn es nur für ein paar kurze Minuten war.