Richtiges Benehmen

Wir haben einen neuen Lehrer. Er ist lang, dünn und blond. Er soll sich bei uns bewähren, wir sind nämlich seine erste Klasse. Außerdem ist er verlobt und will heiraten, wenn alles mit uns klappt. Das hat Herr Löwer uns wenigstens erzählt.

Am liebsten macht er Wettrechnen. Da müssen wir alle aufstehen und er fragt zum Beispiel: „Wie viel ist vier mal vier?“ Wer zuerst die richtige Antwort weiß, darf sich gleich setzen. Das ist immer der Frieder. Ich stehe meistens am Schluss noch. Frieder und Herr Löwer finden sich gegenseitig toll.

Der Rest der Klasse bedauert, dass Herr Göring nicht mehr bei uns ist. Der Staat hat ihn pensioniert. Neulich hat er uns mal besucht und brachte uns Karamellen mit, sogar die dicken. Wir haben uns sehr gefreut, nicht nur über die Bonbons. Herr Göring wohnt ja nicht in Kattenbach, sondern in der Stadt. Deshalb kam er wieder mit seinem alten Fahrrad, wie sonst immer. Er kann noch so gut Rad fahren, warum kann er da nicht mehr Lehrer sein?

Herr Göring hat sich wie einer von uns hingesetzt und zugehört. Da ist Herr Löwer rot geworden und hat sich dauernd über seine dünnen Haare gestrichen.

Als der Schulrat vorige Woche da war, ist er genauso gewesen. Dabei hat er zwei Wochen lang mit uns „Richtiges Benehmen“ geübt.

Aber es hat alles geklappt. Jedenfalls hat der Schulrat seinen Bauch in seinen dunkelgrauen Anzug gestopft und unserem Lehrer ein paarmal kräftig die Hand geschüttelt. Da wurde Herr Löwer noch röter und wir haben am nächsten Tag einen Ausflug gemacht.

 

Jedes Jahr im Sommer haben wir Waldfest in Kattenbach. Es gibt ein Kettenkarussell und eine Bude mit vielen bunten süßen Sachen. Ich esse am liebsten die grünen Zuckerstangen und die dicken Negerküsse.

Oben auf der Schanze gibt es einen hölzernen Tanzboden, der eingezäunt ist, damit niemand beim Tanzen runterfällt und niemand ohne Bezahlung reinkommt.

Im großen Zelt gibt es Bratwurst und Bier. Aber auch Limonade und Cola. Außerdem haben wir noch eine Losbude. Da kann man herrliche Dinge gewinnen. Ich gewinne aber höchstens mal einen Trostpreis.

Vor dem Waldfest bin ich immer besonders brav, das heißt, ich bemühe mich, es zu sein, denn all die schönen Sachen kosten Geld. Aber mein Geld langt trotzdem nie.

Letztes Jahr hat jemand beim Karussellfahren gebrochen. Gisi und ich haben das mit einem Putzlappen und einem Wassereimer weggemacht. Wir haben uns geekelt und beinahe noch selbst gebrochen. Danach durften wir aber ein paar Runden umsonst mitfahren. Wir mussten erst aussteigen, als sonst keine Fahrgäste mehr da waren.

Es ist wunderbar, so durch die Luft zu fliegen. Mir wird da nie schlecht. Aber Inge ist es mal schlecht geworden. Hinter ihr saß jemand, der den Sitz vor sich festhielt und beim Fliegen nach vorn schnellen ließ, direkt an Inges Kopf.

Mama war gleichzeitig mit dem Arzt bei Inge. Sie musste ein paar Tage still im Bett liegen, wegen ihres Gehirns. So was ist gemein und gefährlich für den Vordermann. Niemand hat später gewusst, wer meiner Schwester das Ding an den Kopf geknallt hat.

 

Unser Lehrer hat am Waldfestsamstag geheiratet. Ich habe die Braut gesehen. Sie ist blond, hat aber Dauerwellen und ein blaues Glasauge. Das bewegt sich nicht und wir müssen da dauernd hingucken.

Frau Mühlbauer aus unserem Haus hat zur Frau Bollmann gesagt, die sie beim Einkaufen getroffen hat, Herrn Löwers Braut hätte Geld. Die Wohnung sei ganz neu eingerichtet und das hätten ihre Eltern bezahlt. Da hat Frau Bollmann geantwortet, dass er sonst bestimmt keine Frau mit Glasauge geheiratet hätte. Frau Mühlbauer hält die Leute immer fest, damit sie mit ihnen reden kann. Und sie spricht jedes Mal über andere. Wir Kinder wissen das, weil meistens jemand von uns gerade in der Nähe ist. Da wir für die Erwachsenen normalerweise nicht zählen, erfahren wir auf diese Art, was so alles passiert.

 

Am Sonntagmorgen sagte unser Lehrer zu seiner Frau, dass er sich auf dem Waldfest mal blicken lassen müsse. Er gehöre ja jetzt zur Gemeinde.

Dann ist er zum Frühschoppen gekommen. Hauptlehrer Weiß und der Bürgermeister waren auch da. Außerdem unser Polizist. Die haben sich gefreut und den „Jungen Ehemann“ hochleben lassen.

„Der Frühschoppen“ hat bis zum Montagabend gedauert. Da brachten ein paar Männer unseren Herrn Löwer nach Hause.

Jetzt haben die Leute genug Gesprächsstoff! Wir haben ja noch Ferien, unser Lehrer kann sich also noch vom Waldfest erholen. Ob er das vom Klatsch aber auch kann, weiß ich nicht.

 

Lockenkopf 1 - Warum weint man, wenn einem etwas gefällt?
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