37 Caleb
Ich gehe schnell zum Wagen und öffne die Beifahrertür für Mrs Reynolds. Dann strecke ich die Hand aus und helfe ihr aus dem Cadillac. »Sie sehen heiß aus«, sage ich zu ihr.
Sie tätschelt meine Wange und erwidert: »Wenn ich bloß sechzig Jahre jünger wäre, Sonnyboy.«
»Haben Sie gemacht, was ich gesagt habe?«, sage ich dicht an ihrem Ohr.
Sie schnaubt. »Ich habe Margaret gezwungen, diesen albernen Satz zu sagen, den wir uns ausgedacht haben.«
Mrs Reynolds und ich sind heute Abend Komplizen. Der Pavillon ist fertig. Meine Arbeit hier ist getan. Ich habe die alte Dame angewiesen, Maggie bis sechs Uhr in der Stadt rumfahren zu lassen. Ich habe schon seit einer Woche im Kopf, wie dieser Abend aussehen soll. Ein perfekter Abend.
Als ich mich umdrehe und mein Blick auf Maggie fällt, bin ich verloren. Und sprachlos.
Mrs Reynolds sagt: »Guck nicht so überrascht, Caleb. Es steht dir nicht gut zu Gesicht.«
Maggie kommt auf mich zu, ihr Kleid betont Kurven, von denen ich mir bis vor Kurzem nicht hätte träumen lassen, dass sie sie hat.
»Der Pavillon sieht großartig aus«, sagt sie.
Ich lasse sie keinen Moment aus den Augen. Himmel, ich kann meinen Blick nicht von ihr abwenden. Diese zwei ungewöhnlichen Frauen sind meine Rettung.
Maggie errötet, dann schwebt sie davon, um sich zu Mrs Reynolds in den Pavillon zu gesellen.
Ich habe im Pavillon einen Tisch aufgebaut, inklusive Drei-Gänge-Menü, zu dem mir mein Taschengeld und das Little-Italy-Restaurant verholfen haben. Ich habe einen kleinen Heizstrahler angebracht, der den Pavillon warm halten soll, und ein tragbares Radio aufgestellt, das im Hintergrund leise Musik spielt.
Nachdem ich Maggie einen Stuhl vorgezogen habe, strecke ich meine Hand nach Mrs Reynolds aus. »Würden Sie gerne tanzen, Mylady?«
Sie lacht, aber ich nehme ihre Hand und wirble sie in meine Arme. Sie kreischt. »Caleb, bitte, ich bin eine alte Frau. Wo ist mein Krückstock?«
»Ich dachte, alte Frauen mögen junge Männer«, necke ich sie und tanze langsam mit ihr, bis das Lied aus ist.
Ich führte sie zu ihrem Stuhl und ziehe ihn für sie vor. »Du behältst ihn besser im Auge, Margaret. Er ist gefährlich.«
Ich zucke zusammen, als ich den Rumpf beuge, um mich zu setzen.
»Was hast du?«, fragt Maggie.
»Nichts«, sage ich, nachdem alle ihr Essen haben. Ich nehme einen Löffel voll Minestrone und sehe hoch. Maggie kauft mir das nicht ab. Mrs Reynolds ebenso wenig. »Okay, okay, ich habe heute an einem Ringwettkampf teilgenommen. Keine große Sache.«
»Ich wusste gar nicht, dass du zur Mannschaft gehörst.«
»Es war eine einmalige Sache, denke ich.«
Mrs Reynolds isst ihre Suppe auf und droht mir mit dem Löffel. »Du hast vielleicht eine gebrochene Rippe.«
»Ich bin sicher, sie ist nur geprellt«, sage ich und versuche damit sowohl sie als auch mich selbst zu überzeugen. Kurz bevor ich Vic in der zweiten Runde geschultert habe, hat er mich zu Boden geworfen und fünf Punkte kassiert.
Ich habe den Kampf gewonnen, aber der Trainer hat mich trotzdem zusammengestaucht, weil ich in der ersten Runde unsauber gekämpft habe.
»Ich kann es kaum erwarten, dass die Narzissen blühen«, sagt Maggie. Ihre Augen strahlen im Kerzenlicht. Meine Hände sind feucht vor Nervosität. Ich habe keine Ahnung, warum. »Du musst ein Foto für mich von ihnen machen und es mir nach Spanien schicken.«
Ich kann immer noch nicht glauben, dass sie wirklich fortgeht. Ausgerechnet jetzt, wo ich mich in sie verliebt habe.
»Da wir gerade von Spanien sprechen …« Mrs Reynolds reicht ihr einen Umschlag. »Genieße deine Reise, aber denke immer daran, woher du kommst.«
Maggie hebt ein mit Wasser gefülltes Glas. »Wer könnte schon Paradise vergessen?«
Wir stoßen mit unseren Gläsern an.
Nachdem wir gegessen haben, öffne ich die Schachteln von Irina, der Chefköchin von Auntie Mae’s. Als ich eine Kuchenauswahl vor Maggie und Mrs Armstrong hinstelle, könnte man glatt schwören, dass sie verwandt sind, so ähnlich sind sich ihre seligen Mienen.
Wir nehmen uns jeder eine Gabel und langen zu.
»Das war der wundervollste Tag meines Lebens seit Alberts Tod, Gott habe ihn selig. Ich danke euch beiden. Aber diese müden Knochen müssen sich jetzt ausruhen.«
»Geht es Ihnen gut?«, fragt Maggie besorgt. Wir helfen ihr gemeinsam, aufzustehen.
»Bleibt ihr zwei ruhig sitzen und genießt den Abend. Ich muss mich nur ein wenig ausruhen.«
Maggie lässt sich durch die Beteuerungen der alten Dame nicht davon abhalten, ihr die Treppe hinaufzuhelfen, während ich die Teller abwasche. »Ist mit ihr alles okay?«, frage ich Maggie, als sie zurück nach draußen kommt.
»Ich glaube schon. Sie war gestern beim Arzt. Er möchte noch einige weitere Untersuchungen bei ihr machen, aber sie ist zu dickköpfig, um hinzugehen.«
Ich sehe Maggie an. In ihrer Gegenwart wird jeder von ihrer Bescheidenheit und Ehrlichkeit angesteckt. »Lust zu tanzen?«
»Ich kann nicht«, sagt sie. »Mein Bein …«
Ich nehme ihre Hand in meine und führe sie zurück in den Pavillon. »Tanz mit mir, Maggie«, dränge ich, während ich einen Arm um ihren Rücken lege und sie an mich ziehe.
Wir wiegen uns im Takt der Musik. Langsam entspannt sie sich in meinen Armen. »Ich hätte nie gedacht, dass es so sein würde«, sagt sie an meiner Brust.
Als ihr Bein zu schmerzen beginnt, räume ich auf dem Boden Platz frei und wir legen uns Seite an Seite nebeneinander.
»Was hast du je in Kendra gesehen?«, fragt sie mich.
Verflucht, ich weiß es nicht. »Sie war beliebt und hübsch. Ein Mädchen, mit dem alle Jungs gehen wollten. Sie sah mich immer an, als wäre ich der einzige Junge auf der Welt, der sie glücklich machen könnte.«
Maggie setzt sich auf. »Okay, jetzt klingst du wirklich wie ein Idiot.«
»Ich war einer.«
Sie legt sich wieder neben mich, mein Arm dient ihr als Kissen.
Wir sehen zu, wie die Kerzen eine nach der anderen herunterbrennen. Ich küsse ihre weichen Lippen und zeichne ihre Kurven mit den Händen nach, bis ihr Atem schneller geht und sie wehrlos in meinen Armen liegt.
»Lass mich deine Narben sehen«, sage ich, als wir beide außer Atem sind und mit dem Rumknutschen aufhören, um Luft zu schnappen. Ich fasse den Saum ihres Kleides und schiebe den Stoff langsam höher.
Sie hält meine Hand mir ihrer fest und streicht den Stoff wieder glatt. »Nein.«
»Vertrau mir.«
»Ich … kann nicht«, murmelt sie. »Nicht, wenn es um meine Narben geht.«
Ihre Worte treffen mich wie eine Zellentür, die vor meiner Nase zuschlägt. Denn selbst wenn sie glaubt, sie habe mir vergeben, selbst, wenn sie versprochen hat, sie habe mir vergeben, selbst, wenn sie mich küsst, als sei ich ihr Held, wird mir in diesem Moment endlich klar, dass die Wut in ihrem Inneren immer noch schwelt. Und dass sie mir nie hundertprozentig vertrauen wird.
Ich lasse mich frustriert auf den Rücken zurückfallen und lege einen Arm über meine Augen. »Das mit uns wird nicht funktionieren, oder?«
Maggie setzt sich auf. »Ich bemühe mich«, sagt sie. Ihre Stimme ist voller Bedauern.
Ich will Maggie erzählen, dass ich ihrem Bein das nicht angetan habe, aber ich kann nicht. Was ist, wenn Leah recht hat? Ich kann nicht zulassen, dass meine Schwester ins Gefängnis geht, obwohl ich für ihren Fehler bereits bezahlt habe. Ich werde damit leben müssen, für immer derjenige zu sein, der in den Augen aller die Schuld für den Unfall trägt.
In der Unfallnacht sollte ich Leah eigentlich nach Hause fahren. Aber ich war zu betrunken und außer mir wegen Maggies Anschuldigungen. Bei Kendra zu bleiben und dafür zu sorgen, dass sie mit keinem anderen nach Hause ging, war wichtiger als alles andere. Mein verfluchtes Ego. Ich hatte keine Ahnung, dass Leah sich meine Autoschlüssel geschnappt hatte – bis sie wie eine Irre zurück in die Party platzte und schluchzend etwas von einem Unfall stammelte.
Der Rest ist, wie es so schön heißt, Geschichte.