16
»Verlange das nicht von mir, Ashley.« Tanners Stimme klang belegt, angespannt und verriet mehr Qual, als eine sterbliche Seele ertragen konnte. Er wünschte sich mehr als alles andere, Ashley zu lieben. Nein, noch mehr wünschte er sich, Slater zu töten.
Ashley presste sich an ihn. Sie spürte, dass Tanner sich versteifte. »Warum sträubst du dich, Rebell? Fürchtest du dich davor, mich noch einmal zu spüren?«
»Da hast du verdammt Recht. Du bist gefährlich, Yankee. Wenn ich mit dir zusammen bin, kann ich mich nicht einmal an meinen eigenen Namen erinnern, geschweige denn an Slaters Namen.
»Das macht nichts, Rebell, solange du dich an meinen erinnerst«, flüsterte sie an seinen Lippen.
Sie zupfte an seinem Hemd. Er presste die Lippen aufeinander. Sie beobachtete fasziniert, wie ein kleiner Muskel am Mundwinkel zu zucken begann. Seine Augen verdunkelten sich, als er in ihre Augen sah, und dann verweilte sein Blick auf ihrem sinnlichen Mund. Sie leckte sich unbewusst über die Lippen. Sie nahm seinen Blick wie eine körperliche Liebkosung wahr, nur viel stärker. Sie öffnete die Lippen und atmete schneller.
»Willst du mich, Tanner?«
»Brauche ich Luft zum Atmen? Brauche ich Nahrung? Oder Wasser zum Trinken? Dies kann nicht beschreiben, wie verzweifelt ich dich will.«
»Ich bin hier, Tanner, und ich will dich genauso.«
»Ich werde meine Meinung nicht ändern«, warnte er. »Wenn du einen richtigen Abschied willst, gebe ich ihn dir. Aber du kannst nichts tun oder sagen, was meine Meinung hinsichtlich Slater ändert.«
Ashleys Vertrauen in ihre Fähigkeit, Tanner umzustimmen, geriet nicht ins Wanken. Sie würde niemals aufgeben, solange sie noch atmen konnte oder die schwache Hoffnung bestand, Tanner von seinem Kurs abzubringen. Sie und Tanner gehörten zusammen, doch sie wollte ihn zu ihren Bedingungen haben, ohne dass ihn die Geister seiner Vergangenheit verfolgten.
»Du redest zu viel, Rebell. Hilf mir, dich auszuziehen.« Sie zog sein Hemd aus der Hose. »Ich habe das Schlafzimmer noch nicht gesehen, aber es muss ein Bett darin stehen.«
Tanners Hände zitterten, als er sein Hemd aufknöpfte. Ashley machte sich bereits an seinem Revolvergurt zu schaffen. Er schob ihre Hände beiseite und schnallte ihn ab. Er fiel zu Boden. Ashley hatte es geschafft, seine Hose aufzuknöpfen, bevor Tanner sie stoppte.
»Nein. Deine Kleidung zuerst.«
Sie starrte zu seinem nackten Oberkörper auf. Sie fand den Anblick wundervoll erregend, die harten Muskeln und die gebräunte Haut. Da war so viel Kraft in seinem Körper, so viel männliche Schönheit in seinem markanten Gesicht. Seine Hüften waren schmal, der Bauch flach und muskulös. Teile von ihm waren gewaltig, besonders dieser Teil, der noch mit seiner Hose bedeckt war.
Ashleys Mund wurde trocken, als Tanner nach ihr griff. Er machte sich mit zitternden Händen an den kleinen Knöpfen am Oberteil ihres Kleides zu schaffen. Schließlich gab er auf und riss das Kleid bis zur Hüfte auseinander, dass die Knöpfe in alle Richtungen flogen. Als das Kleid zu ihren Füßen lag, zitterte er am ganzen Körper.
»Es ist zu verdammt lange her«, grollte er an ihrem Mund.
Sein Kuss war nicht sanft, ebenso wenig waren es seine Hände, als er ihr die restliche Kleidung vom Körper riss. Als sie nackt war, hielt er sie auf Armlänge von sich und sah sich an ihr satt. Sein glühender Blick schien sie zu versengen, und ihr Verlangen wurde übermächtig. »Ich werde mich immer daran erinnern, wie du jetzt aussiehst, die Augen voller Leidenschaft und dein Körper heiß vor Verlangen.«
Ashley wollte ihm sagen, dass es nicht nötig war, sie sich für die Erinnerung einzuprägen, denn so könnte es jeden Tag sein, wenn er zur Vernunft kommen würde. Aber sie spürte, dass er jetzt nicht in der Stimmung war, auf etwas anderes zu hören als auf das Rauschen seines Bluts. »Jetzt kannst du mich ausziehen«, sagte er und zerrte an seinem Hosenbund.
Im Nu waren Hose und Unterhose ausgezogen, und Tanner stand ihr so nackt gegenüber wie sie. Ashleys Augen weiteten sie sich, als ihr Blick über seinen Körper schweifte. Er war herrlich - riesig und pulsierend - und sie freute sich über seine Erregung, sein Verlangen. Sie leckte sich unbewusst über die Lippen und griff nach ihm.
Tanner stöhnte auf und schob ihre Hand beiseite.
»Nein, noch nicht. Wenn dies unser letztes Mal sein soll, dann möchte ich nicht, dass es zu schnell endet.«
Er ließ sich vor ihr auf die Knie sinken und bedeckte ihre Brüste mit Küssen, saugte erst an einer Knospe, dann an der anderen. Als er ihnen mit der Zunge genügend Aufmerksamkeit gewidmet hatte, küsste er eine heiße Spur hinab zwischen ihre Schenkel. Er teilte sie mit zwei Fingern, und Ashley seufzte verlangend. »Du folterst mich, Rebell!«
»Du weinst für mich, Yankee«, sagte er, als er seine feuchte Hand zurückzog. Er legte sie behutsam auf den Boden, ließ seinen Mund den Fingern auf ihrem erotischen Weg in die Weichheit ihrer Weiblichkeit folgen. Sie schrie auf, als seine Zunge tief in sie eintauchte.
Sie versuchte, ihn mit sich auf den Boden zu ziehen, doch davon wollte er nichts wissen. Mit Mund und Zunge setzte er seine süße Tortur fort, bis Ashley innerlich zu erbeben begann. Doch Tanner ließ es nicht geschehen. Er zog seinen Mund fort und richtete sich so abrupt auf, dass Ashleys Knie nachgaben. Er fing sie auf, hob sie an und legte ihre Beine um seine Hüften. Sie unterstützte ihn begierig und war enttäuscht, als Tanner ihr immer noch versagte, was sie sich so sehnsüchtig wünschte.
»Sag mir, wie du es willst, Yankee. Hart und schnell oder langsam und sanft?«
»Beides!« schrie Ashley. Sie wand sich in dem Bemühen, seine Erektion in sich zu zwingen, doch Tanner versagte sich ihr weiterhin. »Verdammt, worauf wartest du?«
»Auf den richtigen Zeitpunkt«, antwortete Tanner rätselhaft. Während ihre Beine noch um seine Hüften geschlungen waren, trug er sie ins Schlafzimmer und ließ sich aufs Bett sinken. Sie landete auf ihm.
Er versuchte, sie unter sich zu rollen, doch sie umschlang ihn fest mit den Beinen und weigerte sich. »Jetzt bist du an der Reihe zu leiden«, flüsterte sie. Ihre Zähne knabberten spielerisch und sinnlich an seinem Hals, und sein Körper verkrampfte sich.
Ihre Lippen glitten tiefer zu seinen flachen Brustwarzen, und Tanner stöhnte leise auf. Sein Atem ging stoßweise, als sie ihn noch tiefer hinab küsste; es war ihm klar, was sie vorhatte. Endlich berührte sie ihn mit der Zunge und öffnete den Mund für ihn.
Wogen der Lust erfassten ihn. Er presste die Zähne aufeinander und ertrug es noch ein paar Minuten lang, bevor er sie an den Schultern packte und hochzog, bis sie auf ihm saß. »Hexe«, grollte er an ihrem Mund. Er hatte nie dieses völlige Vertrauen und die Hingabe gekannt, die Ashley ihm gab. Ellen hatte er von Herzen geliebt, doch niemals mit der wilden Leidenschaft, die er für Ashley empfand.
Mit einem Laut, der wie ein Schluchzen klang und voller Verlangen war, ihn in sich zu haben, erhob Ashley sich ein wenig auf ihm in offenkundiger Einladung. Mit einem Stöhnen der Kapitulation drang Tanner in sie ein. Es war, als würden Blitze von ihrem Körper auf seinen überspringen und eine Flamme in ihm zu entzünden, die für den Rest seiner Tage brennen würde. Er tauchte tiefer in sie ein als jemals zuvor, und Ashley geriet in Ekstase, wild und hemmungslos wie er.
Sie warf den Kopf zurück, wölbte den Rücken und ritt schamlos auf ihm. Ashleys letzter Gedanke vor ihrem Höhepunkt war, dass sie zueinander passten, als hätte Gott ihn für sie allein geschaffen. Sein Pulsieren gegen ihr Zentrum der Lust verstärkte die köstliche Erfüllung und ließ sie die wundervollen Wogen der Lust, von denen sie erfüllt war, noch intensiver empfinden. Sie gab keinen Laut von sich; sie weinte stumm vor lauter Freude.
Tanner schrie kapitulierend auf, als er sich nicht mehr zurückhalten konnte, und sein Höhepunkt war ebenso stark wie der Ashleys. Er schenkte der inneren Stimme, die ihn mahnte, sich aus ihr herauszuziehen und sich auf das Bettzeug zu ergießen, nur flüchtig Beachtung, und als er sich daran erinnerte, war es längst zu spät. Als er von dem Gipfel herunterkam, wo er Glückseligkeit gefunden hatte, drang ein einziger Gedanke durch den Nebel von Leidenschaft und Lust: er liebte sie. Darauf folgte ein anderer Gedanke: Er hatte Ellen geliebt, jedoch bei ihr versagt. Er verdiente keine zweite Chance.
Ashley kam langsam zur Besinnung, und es wurde ihr bewusst, dass Tanner noch immer tief in ihr war. Allmählich erkannte sie, dass er nicht seine übliche Vorsicht hatte walten lassen. In ihrem Unterbewusstsein lauerte die winzige Hoffnung, dass sein Samen zu einem Kind führen würde.
Ein leises Seufzen des Bedauerns kam über Tanners Lippen. Er bezweifelte ernsthaft, dass diese eine Unachtsamkeit ein Kind zur Folge haben würde, doch ein perverser Teufel in ihm sehnte sich nach einem Baby von Ashley. Er schob diesen Gedanken beiseite. Ein Kind würde sein und Ashleys Leben komplizieren.
»Ich wollte nicht, dass dies geschieht, Ashley. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich jemals so habe gehen lassen. Hoffentlich wirst du nicht schwanger.«
»Ich hoffe, dass ich schwanger werde.«
»Nein! Es würde dein Leben ruinieren. Du musst ledig sein, schon vergessen. Eine Schwangerschaft würde das Ende deines Jobs als Lehrerin bedeuten und deine Chancen verderben, einen Ehemann zu finden.«
»Ich habe bereits einen Ehemann. Ich will keinen anderen.« Sie schenkte ihm ein seltsames Lächeln. »Ich habe mich nie mehr verheiratet mit dir gefühlt als jetzt.« Sie bewegte sich auf ihm, und ihre Augen weiteten sich, als sie spürte, dass er in ihr wuchs. »So will ich dich, mein Ehemann, hart und pulsierend in mir. Nicht nur heute, sondern für immer.«
Tanner stöhnte vor Bestürzung auf. Ihre erotischen Worte waren ein potentes Aphrodisiakum. Er wurde sofort hart. Er drehte sie auf den Rücken und nahm sie kraftvoll. Die Flammen, die gerade erst in ihm herabgebrannt waren, wurden zu einem wahren Feuersturm, bis er spürte, dass Ashley sich um ihn zu verkrampfen begann. Dann nahte sein Höhepunkt, fast so stark wie der vorherige. Er wollte sich Sekunden, bevor es ihm kam, aus ihr zurückziehen, doch Ashley hielt ihn gefangen, um seinen Samen in sich aufzunehmen.
Der Abend wurde zur Nacht und hüllte sie in einen Kokon warmer Dunkelheit und glückseliger Befriedigung. Kurz bevor das Grau der Morgendämmerung durch das Schlafzimmerfenster sickerte, liebte Tanner Ashley noch einmal. Dann erhob er sich leise und begann sich anzuziehen.
»Tanner, geh nicht.«
»Dies sollte unser Abschied sein, erinnerst du dich?«
Ashley empfand eine tiefe Traurigkeit, als sie zu seinem entschlossenen Gesicht aufschaute. »Hat dir denn die vergangene Nacht nichts bedeutet?«
»Du wirst nie wissen, wie viel sie mir bedeutet hat«, sagte Tanner ehrlich. »Wenn ich bei dir bin, fällt es mir schwer, mich an einen Mann namens Pratt Slater zu erinnern. Aber ich kann es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, ihn ungestraft davonkommen zu lassen.«
»Tote brauchen sich keine Sorgen um ihr Gewissen zu machen«, erinnerte Ashley ihn. »Ich würde lieber mit deinem unangebrachten Schuldgefühl leben, als damit, dass du tot bist, weil du deinem Gewissen gefolgt bist. Du hast die Waffe nicht abgedrückt, mit der sich Ellen getötet hat.«
»Halte mir keine Predigten, Yankee. Ich weiß, was ich tue. Ellens Finger mag sich am Abzug gekrümmt haben, doch es war Slater, der ihren Lebenswillen zerstört hat. Und ich war nicht in der Lage, ihren Selbstmord zu verhindern. Das macht mich ebenso verantwortlich wie Slater.«
Mit Ashley ging der Zorn durch. »Geh nur, du verdammter sturer Rebell, verschwinde von hier! Töte Slater, lass dich selbst töten oder lande im Gefängnis. Mir ist das gleichgültig. Ich habe alles in meiner Macht Stehende getan, um dich von deinem dummen, lächerlichen und gefährlichen Kurs abzubringen. Mehr kann ich nicht tun.«
Tanner fühlte sich scheußlich. Es ist die Hölle, auf sein Gewissen zu hören, dachte er bedrückt.
»Versprich mir etwas, Yankee.«
»Wenn es unbedingt sein muss.«
»Ganz gleich, was mit mir geschieht, vertrau niemals Männern wie Sam Stark.«
Ein Hoffnungsfunke glomm in Ashley auf. Tanner war so besorgt um sie, dass es immer noch die Möglichkeit gab, das er sich anders besinnen würde.
»Ich werde dir überhaupt nichts versprechen, Rebell.« Sam Stark hat Geld und Einfluss, und ich werde jemanden brauchen, der sich um mich kümmern wird, wenn ich dein Kind habe.« Sie empfand kein Schuldgefühl, ihn aufzustacheln - es war zu seinem eigenen Besten. Er war nur zu verdammt stur, um es zu erkennen.
Er ballte die Hände zu Fäusten. »Wenn du ein Kind bekommst, werde ich mich selbst darum kümmern.«
Ashley versuchte ihre Freude über seine Antwort zu verbergen. »Wie willst du das machen, wenn du tot oder im Gefängnis bist?«, höhnte sie. »Versprich mir, dass du nicht auf Slater losgehen wirst, bis wir wissen, ob ich in der vergangenen Nacht schwanger geworden bin oder nicht. Wenn du so sehr dagegen bist, dass ein anderer Mann dein Kind aufzieht, musst du mir dieses Zugeständnis machen.«
Ashley hielt den Atem an und wartete. Sie schickte ein stummes Gebet zum Himmel, dass sie in der vergangenen Nacht schwanger geworden war, und betete, dass Tanner es ernst gemeint hatte, als er behauptet hatte, er würde sich um sein Kind kümmern. Sie war nicht zu stolz, um ein ungeborenes Kind als Druckmittel zu benutzen, um damit Tanner zu Vernunft zu bringen. Was war Stolz im Vergleich zum Leben des Mannes, den sie liebte?
»Angenommen, du kriegst ein Kind«, sagte Tanner ruhig.
»Wenn ich ein Kind bekomme, wirst du der Erste sein, der es erfährt. Versprichst du mir, bis dahin mit deiner Rache zu warten?«
»Ich verspreche es. Solange die Möglichkeit besteht, dass du ein Kind erwartest, solltest du besser die Scheidung noch nicht einreichen. Und ich will nicht, dass du dich mit Sam Stark einlässt. Wenn du nicht willst, dass ich mich einmische, dann schlage ich dir vor, ihn zu entmutigen.«
»Ich habe Mr Stark nie ermutigt«, stellte Ashley heftig klar. »Wie gehen wir jetzt vor?«
Tanner sah sie mit unergründlichem Blick an. »Wir warten und sorgen dafür, dass es keine weiteren Gelegenheiten gibt, ein Kind zu zeugen. Wir haben bis jetzt Glück gehabt.« Er wandte sich zum Gehen.
»Tanner! Warte.«
Er drehte sich zu ihr um.
»Willst du mir keinen Abschiedskuss geben?« Sie erhob sich auf die Knie und hielt das Laken auf ihre nackten Brüste.
Tanner stöhnte auf. »Verdammt, Yankee, du machst es nicht leicht für mich.«
Sie hob ihr Gesicht, bot ihm die Lippen dar. »Ich hoffe es.«
Tanner konnte der Einladung nicht widerstehen. Er nahm ihr Gesicht in seine großen Hände und zog es an seine Lippen. Sein Kuss war zärtlich und berührte sie bis in die Seele. Sie kämpfte gegen die Tränen an und ließ ihnen erst freien Lauf, als er fort war.
Am Nachmittag rief Sam Stark Neil in sein Büro. »Was weißt du über Tanner MacTavish?«, fragte er und reichte ihr einen Schwenker mit Brandy aus seinem privaten Bestand.
Neil zuckte mit den Schultern und trank von dem Brandy. »Nicht viel. Der Mann ist notorisch schweigsam.«
»Hat er mit einem deiner Mädchen geschlafen?«
»Meines Wissens nicht.«
»Warum nicht?«
»Keine Ahnung. Er scheint nicht interessiert zu sein.«
»Hat er die neue Lehrerin erwähnt?«
»Nicht bei mir. Sollte er? Ich habe sie gesehen. Sie ist ziemlich fade.«
Stark lachte. »Du hast wirklich keine Ahnung. Hast du gewusst, dass Miss Webster und MacTavish zusammen in der Stadt eingetroffen sind? Sie behauptet, er sei ein vertrauenswürdiger Freund der Familie und habe sie auf Geheiß ihres Bruder begleitet.«
»Warum interessiert dich das so sehr? Die Lehrerin ist nicht dein Typ.«
»Da irrst du dich, Neil. Diese feurige Rothaarige ist genau mein Typ. Und ich will wissen, was sie vor mir und dem Stadtrat verheimlicht. Ich will sie unbedingt haben, Neil. Ich brauche etwas, das ich gegen sie verwenden kann, irgendetwas, das ich benutzen kann, um sie in mein Bett zu bekommen.«
»Und was soll ich dabei tun, Sam? Dies ist nicht wirklich meine Arbeitsmethode.«
»Sie sollte es werden. Lock MacTavish in dein Bett. Männer können sehr gesprächig sein, wenn sie sexuell befriedigt sind. Hole Informationen aus ihm raus. Finde so viel wie möglich über ihn und Miss Webster heraus. Ich werde dafür sorgen, dass sich die Mühe für dich lohnt.«
»Eins weiß ich bereits. Er ist verdammt scharf darauf, Pratt Slater zu sehen.«
»Slater? Was, zur Hölle, will er mit Slater?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber er hasst den Mann. Ich würde nicht darauf wetten, dass Slater ihre Begegnung überlebt.«
Stark strich sich nachdenklich über seinen Schnurrbart. »Interessant. Das ist im Augenblick alles, Neil. Ich verlasse mich darauf, dass du mir etwas bringst, das ich nutzen kann.«
Später, als der Trubel im Saloon in vollem Gang war, klopfte Neil diskret an Tanners Tür. Tanner war noch wach und hatte stundenlang über das Versprechen gegrübelt, das er Ashley gegeben hatte. Es würde ihm verdammt schwer fallen, die Hände von Slater zu lassen, wenn er in die Stadt zurückkehrte. Vielleicht würde Slater Verstand genug haben, um fortzubleiben, bis Tanner erfuhr, ob Ashley ein Kind bekam oder nicht. Er hatte in der vergangenen Nacht unverantwortlich gehandelt und wollte Ashley nicht dafür leiden lassen.
Tanner hörte das Klopfen an seiner Tür fast nicht, so vertieft war er in seine Gedanken. Seine Aufmerksamkeit war schließlich geweckt, als Neil leise seinen Namen rief. Er sprang auf und starrte auf die Tür.
»Wer ist da?«
»Neil. Kann ich hereinkommen?«
»Es ist spät. Was willst du?«
»Bitte, Tanner, ich brauche deine Hilfe.«
Tanner fluchte in sich hinein, schloss die Tür auf und zog sie auf. »Dies sollte wirklich wichtig sein, Neil.«
Neil stolperte ins Zimmer, schloss die Tür hinter sich und warf sich in Tanners Arme. »Ich habe Angst. Einem der Gäste gefiel es nicht, dass ich heute Nacht nicht mit ihm aufs Zimmer wollte. Er ging wütend, aber ich befürchte, er kommt zurück. In deinem Zimmer wird er mich nicht vermuten.«
Tanner schob sie behutsam zur Seite. »Wo ist Stark?«
»Bei irgendeiner gesellschaftlichen Veranstaltung.«
»Was ist mit deinen Rausschmeißern? Sie sehen aus, als würden sie mit Betrunkenen zurechtkommen.«
»Jetters ist krank und nicht da, und Monty tut, was er kann, ist aber allein. Lass mich einfach nur hier bleiben, bis wir schließen. Ich verspreche dir, dich nicht zu behelligen. Wenn du es nicht willst ... meine ich.« Sie senkte in gespielter Schüchternheit den Blick. »Wir können einfach nur reden.«
Tanner seufzte resigniert. Er durfte Neil nicht aus seinem Zimmer werfen, wenn sie in Gefahr war. Und weil er ohnehin keinen Schlaf fand, würde es wohl nicht schaden, sich ein wenig mit ihr zu unterhalten. Er ging zum Bett und setzte sich. »Nimm dir einen Stuhl, Neil. Es wird eine lange Nacht werden.«
»Das muss nicht unbedingt sein, schöner Mann«, sagte sie lockend. »Es gibt einen angenehmeren Zeitvertreib als nur reden.«
»Ich bin nicht interessiert, Neil.«
»Was ist mit dir los? Magst du keine Frauen?«
»Ich mag sie sehr. Wenn du es wissen willst, ich bin verheiratet. Und ich betrüge meine Frau nicht.« Tanner erschrak selbst über dieses Eingeständnis. Er hatte keine Ahnung, warum er das gesagt hatte.
»Verheiratet? Komisch, du siehst gar nicht wie ein verheirateter Mann aus. Wo versteckst du denn deine Frau?« Das ist gewiss eine ideale Information für Sam, dachte Neil und erwärmte sich für das Thema.
»Der äußere Schein trügt oft. Wenn ich erst mit Pratt Slater fertig bin, werde ich vermutlich die Stadt verlassen.«
»Bist du nicht mit dieser kleinen Lehrerin zusammen hier eingetroffen?« Ihre scheinbar unschuldige Frage warnte Tanner.
»Ja. Miss Websters Bruder bat mich, seine Schwester bis Oregon City zu begleiten. Da ich hier ohnehin etwas zu erledigen hatte, konnte ich seinen Wunsch leicht erfüllen.«
»Verheiratet, wer hätte das geglaubt«, sagte Neil. Sie war immer noch überrascht über die Neuigkeit, dass Tanner eine Frau hatte, die er genug liebte, um ihr treu zu sein. Sie konnte kaum abwarten, Sam zu erzählen, dass er freie Bahn bei der unscheinbaren Miss Webster hatte, obwohl ihr ein Rätsel war, was Sam an der reizlosen Lehrerin so toll fand.
»Du bist anscheinend überrascht. Hat du noch nie einen Mann kennen gelernt, der seine Frau liebt?«
»Da hast du verdammt Recht, so was habe ich noch nie erlebt. Es muss ja etwas sehr Wichtiges sein, das dich davon abhält, zu deinem Frauchen zurückzukehren. Hat es etwas mit Pratt Slater zu tun?«
Tanner entblößte die Zähne in einem harten Lächeln. »Ich habe es dir bereits gesagt; es ist Privatsache. Hast du irgendetwas gehört, das darauf hinweist, wann er zurückkehren wird?«
»Ich habe keine Ahnung. Deine >Privatsache< muss aber dringend sein.«
Tanner unterdrückte ein Gähnen. »Meinst du, dass es jetzt sicher für dich sein wird, zu gehen, Neil? Ich würde wirklich gern etwas schlafen.«
Neil erkannte, das es unwahrscheinlich war, mehr Informationen von Tanner zu bekommen, und sie verabschiedete sich. Morgen würde sie Sam Stark einige interessante Dinge berichten können. Erstens, dass Tanner verheiratet war. Zweitens, dass er seiner abwesenden Frau völlig treu war. Und drittens, dass er es auf Pratt Slater abgesehen hatte.
Ashley fiel es nicht schwer, sich in ihrem Job einzuarbeiten. Sie hatte eine Klasse mit zwanzig Schülern aller Stufen. Als Erstes beauftragte sie einige der älteren Schüler, bei der Unterrichtung der Jüngeren zu helfen, während sie die Lektionen für die ältere Gruppe vorbereitete. Nach und nach lernte sie die Schüler kennen, und die Unterrichtsstunden vergingen mit erstaunlicher Schnelligkeit. Zu ihrem Kummer hatte sie Tanner seit der außergewöhnlichen Nacht vor zwei Wochen nicht gesehen. In jenen Stunden hatten sie einander hemmungslos geliebt, und seitdem fehlte Tanner ihr schrecklich.
Heute hatte sie die Schüler bereits entlassen und benotete Aufsätze, als ein ungebetener Besucher in der Schule eintraf.
»Sie sollten nicht so hart arbeiten, Ashley.«
Ashley erschrak. »Mr Stark! Was tun Sie hier?«
»Ich habe Ihnen gesagt, dass wir sehr enge Freunde werden. Ich habe abgewartet, damit Sie sich in Ihren neuen Job einarbeiten können, bevor ich Sie besuche. Wie laufen die Dinge? Brauchen Sie irgendetwas, was Ihnen Ihre Aufgabe erleichtert?«
»Danke für die Frage, aber die vorherige Lehrerin hat alles in bester Ordnung hinterlassen. Die Dinge entsprechen meinen Erwartungen. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen, ich muss Aufsätze korrigieren.«
»Wollen Sie mich loswerden, Ashley?«
»Ich habe keine Zeit, um mich zu unterhalten. Mr Stark.«
»Warum haben Sie mir nicht gesagt, dass MacTavish verheiratet ist? Neil hat mir erzählt, dass er seiner Frau treu ist.« Er lachte rau. »Wussten Sie, dass ich tatsächlich eifersüchtig auf ihn war?«
Ashley starrte Stark an, als hätte er zwei Köpfe bekommen. »Tanner hat gesagt, dass er verheiratet ist?«
»Sie wirken überrascht. Wussten Sie nicht, dass er eine Frau hat? Haben Sie nicht gesagt, er sei ein enger Freund der Familie ?«
»Natürlich wusste ich, dass Tanner verheiratet ist«, sagte Ashley ärgerlich, und versuchte, sich vorzustellen, wie viel Tanner preisgegeben haben mochte. »Seine Frau ist eine Freundin von mir. Was mich verwirrt, ist Ihre Eifersucht. Ich habe Sie niemals auch nur im Geringsten ermuntert.«
»Ich habe mich entschieden, bei Ihnen nicht lockerzulassen, meine Liebe. Sie sind erfrischend und originell. Und irgendwie geheimnisvoll. Sie können vortäuschen, was Sie wollen; ich kann durch Ihre unschuldige Fassade hindurchsehen. Ich will Sie; so einfach ist das.«
»Ich bin nicht verfügbar, nicht interessiert und gewiss nicht für eine schmutzige Affäre zu haben. Diese Stelle als Lehrerin ist wichtig für mich.«
Stark grinste sie an. »Verstehen Sie, was ich meine? Sie sind absolut erfrischend. Ich werde mit großem Spaß die scheinbar unschuldigen Schichten abblättern und die wahre Frau unter dieser unscheinbaren Kleidung entdecken. Heute Abend gegen neun besuche ich Sie in Ihrem Haus.«
»Geben Sie sich keine Mühe, ich werde Sie nicht hereinlassen.«
Er riss sie in seine Arme, zog sie vom Stuhl hoch und zog sie halb über den Schreibtisch, bis sie Nase an Nase waren. »Ich nehme kein Nein als Antwort hin.« Dann presste er die Lippen auf ihre und wollte mit der Zunge in ihren Mund eindringen.
Bei seinem unerwarteten Angriff blieb Ashley die Luft weg, und sie wehrte sich, mehr ärgerlich als ängstlich.
»Ich glaube, Miss Webster mag Ihre Annäherungsversuche nicht!«
Abrupt gab Stark Ashley frei und fluchte leise, als er sich umwandte und Tanner sah. »Ich glaube, wir kennen uns noch nicht.« Er streckte die Hand aus. »Ich bin Sam Stark.«
Tanner ignorierte die Hand und blickte von Stark zu Ashley. Sie war blass, jedoch unversehrt. Zufrieden wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Stark zu. »Ich weiß, wer Sie sind. Anscheinend haben Sie meine ... Miss Webster belästigt. Ich schlage vor, Sie verschwinden jetzt.«
»Sind Sie Ashleys selbst ernannter Beschützer?«
Dass Stark Ashley beim Vornamen nannte, passte Tanner nicht. Am liebsten hätte er dem Mann das alberne Grinsen aus dem Gesicht geschlagen. »Das bin ich, sobald ich in dieser Eigenschaft gebraucht werde. Ihr Bruder hat sie in meine Obhut gegeben. Ich würde meine Pflicht Cole gegenüber vernachlässigen, wenn ich zuließe, dass jemand sie belästigt.«
»Wie kommen Sie auf den Gedanken, dass ich Ashley belästige? Woher wollen Sie wissen, dass meine Absichten unehrenhaft sind?«
Ashley sah sowohl Tanner als auch Stark vernichtend an. »Ich kann meine eigenen Entscheidungen treffen, Gentlemen. Ich habe Mr Stark bereits gesagt, dass seine Bemühungen unerwünscht sind. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, gehe ich heim.« Sie schlug das Buch zu, das sie benutzt hatte, und verließ das Klassenzimmer mit so viel Würde, wie sie aufbringen konnte.
Ashley kochte vor stummem Zorn. Von Starks Kuss angewidert, hatte sie ihm ins Gesicht schlagen wollen, als Tanner hereingeplatzt war. Hielt Tanner sie für so ein hilfloses, dummes Ding, das nicht wusste, was Sam Stark von ihr wollte ? Zum Teufel mit dem sturen Mann, dachte sie, als sie sich Tanners Miene in Erinnerung rief, als er hereingeplatzt war, während Stark sie geküsst hatte. Wenn er sie nicht wollte, warum trieb er sich dann in ihrer Nähe herum und verhielt sich wie ein eifersüchtiger Ehemann? Wann würde ihm klar werden, dass es heilsamer war, sein Herz für die Liebe zu öffnen, als Rache zu nehmen?
Nachdem Ashley aus der Schule gestürmt war, starrten sich Stark und Tanner weiterhin mit unverhohlener Feindseligkeit an. Schließlich sagte Stark: »Ich hörte, Sie warten auf Pratt Slaters Rückkehr in die Stadt.«
»Da haben Sie richtig gehört.«
»Gibt es irgendeinen besonderen Grund, weshalb Sie ihn sehen wollen?«
»Es ist persönlich.«
»Nun, dann werden Sie wohl noch ein Weilchen länger warten müssen. Er ist in Portland und wartet auf die Ankunft eines Schiffes. Er trifft dort meinen Partner und bringt ihn nach Oregon City. Das Schiff hat Verspätung wegen schlechten Wetters.«
»Ich werde warten, so lange es sein muss«, sagte Tanner.
»Ihr Geschäft muss ja sehr wichtig sein, wenn es Sie all die Zeit von Ihrer Frau fern hält. Übrigens, wo sagten Sie, haben sie die kleine Lady zurückgelassen?«
»Ich hoffe, Sie haben Neil gut für diese Information bezahlt«, presste Tanner hervor. »Es geht niemanden etwas an, wo meine Frau ist.«
»Geheimniskrämer«, murmelte Stark und ging zur Tür.
Tanner starrte ihm nach. Nur weil der Mann die halbe Stadt besaß, hieß das nicht, dass er sich an Ashley heranmachen durfte. Ashley mochte sich für weltgewandt und erfahren halten, doch in Wirklichkeit war sie unschuldig in punkto Männern. Jede Frau, die vertrauensvoll genug war, mit einem unbekannten Mann durch das halbe Land zu reisen, musste zu naiv sein. Je mehr er daran dachte, wie Ashley sich in Starks Armen gewehrt hatte, desto ärgerlicher wurde er - so ärgerlich, dass er das Schulgebäude verließ und geradewegs zu Ashleys Haus stürmte.
»Yankee, lass mich rein!«, rief er und hämmerte gegen die Tür.
»Verdammt, Rebell, was soll der Lärm?«, rief Ashley, als sie die Tür aufriss.
»Ist alles mit Ordnung mit dir? Stark hat dich nicht verletzt, oder?«
»Ich hätte es nicht zugelassen«, meinte Ashley zuversichtlich. »Weshalb bist du überhaupt in der Schule aufgekreuzt?«
»Ich bin Stark gefolgt«, gab Tanner zu, ohne sich zu schämen, weil er ein Auge auf Ashley gehalten hatte. »Ich sah ihn dorthin gehen und wurde neugierig. Jetzt bin ich froh darüber, dass ich ihm gefolgt bin. Du weißt sicherlich, was er von dir gewollt hat. Diesmal habe ich ihn noch stoppen können, und außerdem habe ich von ihm erfahren, dass Slater in Portland ist und auf das Eintreffen eines Schiffes wartet.«
»Slater.« Der Name hatte einen bitteren Klang für sie. »Erwähne niemals mehr diesen Mann bei mir. Erinnere dich an das Versprechen, das du mir gegeben hast.«
»Du hast nicht... du bist nicht...«
»Ich weiß es noch nicht.«
Bevor Tanner noch mehr sagen konnte, knallte sie ihm die Tür vor der Nase zu.