MITTWOCH, 2. DEZEMBER
1
Gillian ging in die Küche zurück. »Das war Darcys Mutter«, erklärte sie. »Darcy kommt heute nicht in die Schule. Sie hat eine Halsentzündung.«
Das Läuten des Telefons hatte Becky nicht aus der Lethargie reißen können, mit der sie über ihrer Müslischüssel hing und missmutig auf Obst und Flocken starrte, die sich dort in der Milch mischten.
Gerade eben erst zwölf Jahre alt geworden, dachte Gillian, und schon muffig und lustlos wie ein Teenager auf dem Höhepunkt der Pubertät. Waren wir nicht früher anders?
»Hm«, machte Becky uninteressiert. Auf dem Stuhl neben ihr saß Chuck, ihr schwarzer Kater. Die Familie hatte ihn während eines Urlaubs in Griechenland als ein halb verhungertes Bündel Elend am Straßenrand gefunden und in ihr Hotel geschmuggelt. Die restlichen Ferien hatten im Wesentlichen aus dem Problem bestanden, Chuck täglich ungesehen aus dem Hotel hinaus und zum Tierarzt zu bringen und ihn hinterher wieder ebenso heimlich auf das Zimmer zu schaffen. Gillian und Becky hatten ihm stundenlang mit einer Pipette flüssige Nahrung eingeflößt, und zwischendurch schien alles dagegenzusprechen, dass er überlebte. Becky hatte nur noch geweint, aber obwohl alles so schwierig und nervenzehrend gewesen war, waren sie und ihre Mutter einander sehr nah gewesen in der gemeinsamen Sorge.
Am Ende hatte Chucks Lebenswillen gesiegt. Er war mit seiner neuen Familie nach England gereist.
Gillian setzte sich ihrer Tochter gegenüber an den Tisch. Nun musste sie Becky zur Schule fahren. Gemeinsam mit Darcys Mutter bildeten sie eine Fahrgemeinschaft, und diese Woche war Darcys Mutter an der Reihe. Aber natürlich nicht an einem Tag, an dem ihre eigene Tochter gar nicht zur Schule ging.
»Ich habe bei der Gelegenheit etwas Interessantes erfahren«, sagte Gillian, »nämlich dass ihr heute eine Mathearbeit schreibt!«
»Kann sein.«
»Nein, das kann nicht sein, das ist so! Ihr schreibt heute eine Arbeit, und ich hatte keine Ahnung davon.«
Becky zuckte mit den Schultern. Sie hatte einen Kakaobart auf der Oberlippe. Sie trug schwarze Jeans, die so eng waren, dass sich Gillian fragte, wie sie es geschafft hatte, in sie hineinzukommen, dazu einen ebenfalls schwarzen hautengen Pullover und ein schwarzes Tuch mehrfach um den Hals geschlungen. Sie tat alles, um cool zu wirken, aber mit dem Kakao am Mund sah sie einfach aus wie ein kleines Mädchen in einer seltsamen Maskerade. Natürlich hütete sich Gillian, ihr das zu sagen.
»Warum hast du nichts davon erwähnt? Ich habe dich jeden Tag gefragt, ob ihr irgendwann einen Test schreibt. Du hast behauptet, dass nichts ansteht. Weshalb?«
Becky zuckte erneut mit den Schultern.
»Könntest du mir bitte eine Antwort geben?«, fragte Gillian scharf.
»Weiß nicht«, nuschelte Becky.
»Du weißt was nicht?«
»Warum ich es nicht gesagt habe.«
»Ich vermute, du hattest keine Lust zu üben«, stellte Gillian resigniert fest.
Becky schaute sie böse an.
Was mache ich bloß falsch, fragte sich Gillian, was mache ich falsch, dass sie mich manchmal fast hasserfüllt ansieht? Warum wusste Darcys Mutter Bescheid? Warum wussten wahrscheinlich alle Mütter Bescheid?
»Putz deine Zähne«, sagte sie, »und dann komm. Wir müssen los.«
Auf der Fahrt zur Schule sprach Becky kein einziges Wort, sah nur zum Fenster hinaus. Gillian lag es auf der Zunge, sie zu fragen, ob sie sich die Arbeit zutraute, ob sie sich einigermaßen in dem Stoff auskannte, aber sie wagte es nicht. Sie fürchtete die patzige Antwort und hatte das ungute Gefühl, dann möglicherweise in Tränen auszubrechen. Das passierte ihr immer öfter in der letzten Zeit, und sie fand keinen rechten Weg, sich dagegen zu wehren. Sie war drauf und dran, zu einer Heulsuse zu mutieren, die mit ihren Lebensumständen haderte und sich vor dem provozierenden Verhalten ihrer zwölfjährigen Tochter fürchtete. Wie konnte man als Frau von zweiundvierzig Jahren so unsouverän sein?
Becky verabschiedete sich vor der Schule mit ein paar unfreundlichen Worten und stakste dann auf ihren mageren Beinen über die Straße. Ihre langen Haare wehten hinter ihr her, der Rucksack (»Man trägt heute keine Schulranzen mehr, Mum!«) schaukelte auf ihrem Rücken. Sie drehte sich nicht zu ihrer Mutter um. In der Vorschule hatte sie ihr immer noch Kusshände zugeworfen und dabei über das ganze Gesicht gestrahlt. Wie hatte sie sich innerhalb weniger Jahre so sehr verändern können? Natürlich fühlte sie sich an diesem Morgen in der Defensive. Sie wusste, dass die Mathearbeit völlig danebengehen würde und dass es ein Fehler von ihr gewesen war, sich um das Üben zu drücken. Sie musste irgendwohin mit ihrem Ärger über sich selbst.
Gillian fragte sich, ob sie alle so waren. So aggressiv. So uneinsichtig. So mitleidslos.
Sie startete das Auto, fuhr aber nur eine Straße weiter und parkte dort am Bordstein. Öffnete das Fenster ein Stück weit und zündete sich eine Zigarette an. In den Gärten ringsum lag Raureif über den Gräsern. In der Ferne sah sie den Fluss wie ein Band aus Blei dahingleiten, die Themse, die hier schon sehr breit und dem Rhythmus von Ebbe und Flut unterworfen war und dem Meer zustrebte. Der Wind roch nach Algen und die Möwen schrien. Es war kalt. Ein unwirtlicher, grauer Wintermorgen.
Sie hatte einmal mit Tom darüber gesprochen. Fast zwei Jahre war das jetzt her. Genauer, sie hatte versucht, mit ihm darüber zu sprechen. Über die Frage, ob sie als Mutter etwas falsch machte. Oder ob die anderen Kinder genauso waren. Er hatte keine Antwort darauf gewusst.
»Wenn du etwas mehr Kontakt zu den anderen Müttern hättest«, hatte er schließlich gesagt, »dann wüsstest du es vielleicht. Du wüsstest, ob du etwas falsch machst. Du wüsstest vielleicht sogar, wie man es richtig machen könnte. Aber aus irgendeinem Grund weigerst du dich, dir ein Netzwerk aufzubauen.«
»Ich weigere mich nicht. Ich komme einfach nicht richtig klar mit den anderen Müttern.«
»Das sind aber ganz normale Frauen. Die tun dir doch nichts!«
Natürlich hatte er recht. Das war nicht der Punkt. »Aber sie akzeptieren mich auch nicht. Es ist immer so, als ob … ich irgendwie eine andere Sprache sprechen würde. Alles, was ich sage, scheint verkehrt zu sein. Es passt nicht zu dem, was sie sagen …« Ihr war klar gewesen, wie sich das für Tom, den großen Rationalisten, anhören musste. Wie Unfug. Kompletter Unfug.
»Unfug!«, hatte er dann auch prompt gesagt. »Ich glaube, du bildest dir das alles nur ein. Du bist eine intelligente Frau. Du bist attraktiv. Du bist beruflich erfolgreich. Du hast einen einigermaßen gut aussehenden Mann, der ebenfalls nicht ganz erfolglos ist in seinem Beruf. Du hast ein hübsches, gescheites und gesundes Kind. Woher rühren bloß deine Komplexe?«
Hatte sie Komplexe?
Gedankenverloren schnippte sie die Asche ihrer Zigarette aus dem Wagenfenster.
Es gab keinen Grund, Komplexe zu haben. Zusammen mit Tom hatte sie vor fünfzehn Jahren eine Firma in London aufgebaut, die auf Steuer- und Wirtschaftsberatung spezialisiert war. Sie hatten ungeheuer schuften müssen, um das Unternehmen in Schwung zu bringen, aber die Arbeit hatte sich gelohnt: Inzwischen beschäftigten sie sechzehn Mitarbeiter. Tom hatte immer wieder betont, dass er das alles ohne Gillian nie geschafft hätte. Seit Beckys Geburt arbeitete Gillian nicht mehr täglich im Büro, hatte aber immer noch ihre eigenen Kunden, die sie betreute. Drei- oder viermal in der Woche fuhr sie mit dem Zug nach London und erledigte ihren Job. Sie besaß die Freiheit, sich ihre Zeit völlig selbstständig einzuteilen. Wenn Becky sie brauchte, ging sie einfach einen Tag lang nicht ins Büro, holte liegengebliebene Arbeit dafür am darauffolgenden Wochenende nach.
Alles war gut. Sie hätte zufrieden sein können.
Sie blickte in den Rückspiegel und sah ihre dunkelblauen Augen und über ihrer Stirn die rotblonden Locken. Ihre wilden, langen Haare ließen es nicht zu, dass sie jemals wirklich ordentlich aussah, und sie konnte sich nur zu gut erinnern, wie sehr sie als Kind darunter gelitten hatte: unter den Locken. Der rötlichen Farbe. Den unvermeidlich damit einhergehenden Sommersprossen im Gesicht. Dann war sie an die Universität gekommen und hatte Thomas Ward kennengelernt, ihren ersten Freund, der dann auch der Mann ihres Lebens werden sollte, die große Liebe. Er hatte ihre Haarfarbe bewundert und ihre Sommersprossen einzeln gezählt, und plötzlich hatte sie angefangen, sich selbst schön zu finden und das Besondere an ihrem Aussehen zu schätzen.
Daran solltest du auch manchmal denken, dachte sie, an all das Gute, das durch Tom in dein Leben gekommen ist. Du bist mit einem wunderbaren Mann verheiratet.
Sie hatte ihre Zigarette zu Ende geraucht und überlegte, ob sie ins Büro fahren sollte. Es wartete eine Menge Arbeit auf sie, und aus Erfahrung wusste sie, dass Arbeit am besten gegen das Grübeln half. Sie beschloss, zu Hause noch eine letzte Tasse Kaffee zu trinken, sich dann umzuziehen und auf den Weg nach London zu machen.
Sie startete ihren Wagen.
Vielleicht sollte sie sich wieder einmal mit Tara Caine treffen. Ihre Freundin arbeitete als Staatsanwältin in London und war – laut Tom, der sie nicht besonders mochte – eine radikale Feministin. Auf jeden Fall taten Gillian die Gespräche mit ihr gut.
Bei ihrem letzten Treffen hatte Tara ihr auf den Kopf zugesagt, dass sie in einer handfesten Depression steckte.
Vielleicht hatte sie recht.
2
Samson hatte lange nach unten gelauscht, und erst als er ganz sicher war, dass sich niemand im Treppenhaus aufhielt, huschte er auf Strümpfen hinunter. Er wollte möglichst schnell und ungesehen in seine Schuhe und in seinen Anorak kommen und dann nach draußen entschwinden, aber als er gerade vornübergebeugt dastand und sich die Schnürsenkel zuband, ging die Küchentür auf und seine Schwägerin Millie erschien. Die Art, wie sie sich auf ihn zubewegte, erinnerte Samson an einen Raubvogel, der eine Beute erspäht hat.
Er richtete sich auf.
»Hallo, Millie«, sagte er unsicher.
Millie Segal gehörte zu den Frauen, denen, noch ehe sie überhaupt die vierzig erreicht haben, bereits die zweischneidige Beschreibung Sie ist sicher einmal hübsch gewesen anhaftete. Sie war blond, hatte eine gute Figur und gleichmäßige Gesichtszüge, aber es hatten sich so tiefe Kerben und Falten in ihre Haut eingegraben, Folgen exzessiven Bräunens und zu vieler Zigaretten, dass sie älter aussah, als sie tatsächlich war, und außerdem verhärmt und seltsam verbittert wirkte. Letzteres lag weniger an dem ungesunden Lebenswandel als an der Tatsache, dass sie eine zutiefst unzufriedene Frau war. Frustriert. Samson hatte manchmal mit seinem Bruder darüber gesprochen. Dieser hatte ihm erklärt, dass Millie in der festen Überzeugung lebte, vom Schicksal benachteiligt zu sein, und zwar nicht, weil ihr jemals irgendetwas Tragisches zugestoßen war, sondern weil sie in der Summe unzähliger kleiner täglicher Ungerechtigkeiten und Enttäuschungen die gesamte große Benachteiligung ihrer Person sah.
Wenn Gavin, ihr Mann, sie fragte, was es denn genau sei, was ihr so sehr das Leben vergälle, dann antwortete sie immer: »Alles. Einfach alles zusammen.«
Unglücklicherweise wusste Samson, dass er selbst in diesem Alles zusammen keine kleine Rolle spielte.
»Dachte ich mir doch, dass ich dich gehört habe«, sagte Millie. Sie war noch nicht angezogen. Wenn sie erst später arbeiten musste, schlüpfte sie morgens rasch in einen Jogginganzug und machte ihrem Mann das Frühstück, ehe dieser zu seiner Frühschicht aufbrach. Gavin arbeitete als Busfahrer. Oft musste er schon um fünf Uhr aus dem Bett. Millie kochte ihm dann Kaffee, briet Speck mit Rühreiern, schob Weißbrot in den Toaster und schmierte die Sandwiches, die er mit zur Arbeit nahm. Sie konnte eine recht angenehme Fürsorglichkeit an den Tag legen, aber Samson war überzeugt, dass sie dabei nicht von echter Warmherzigkeit getrieben wurde. Gavin zahlte für das üppige Frühstück nämlich einen hohen Preis: Er musste sich die ganze Zeit über ihr Nörgeln und Jammern und ihre Vorwürfe anhören, und Samson hatte schon manchmal überlegt, ob sein Bruder sich nicht viel lieber allein mit einer Tasse Kaffee und einem selbstgestrichenen Marmeladentoast zu dieser frühen Stunde in die Küche setzen und friedlich seine Zeitung lesen würde.
»Ich bin gleich weg«, sagte Samson und schlüpfte in seinen Anorak.
»Hat sich etwas wegen einer Arbeit ergeben?«, fragte Millie.
»Noch nicht.«
»Bemühst du dich überhaupt?«
»Natürlich. Aber die Zeiten sind schwierig.«
»Du hast diese Woche noch nichts zum Haushaltsgeld dazugegeben. Ich muss schließlich einkaufen. Und beim Essen bist du dann weniger zurückhaltend.«
Samson kramte seinen Geldbeutel aus der Hosentasche, zog einen Schein hervor. »Reicht das erst einmal?«
»Viel ist es nicht«, sagte Millie, nahm aber natürlich das Geld. »Besser als nichts.«
Was will sie eigentlich?, fragte sich Samson. Nur wegen des Geldes hat sie mich nicht abgefangen.
Er sah sie fragend an.
Millie sagte jedoch nur: »Gavin kommt heute Mittag. Wir essen um zwei. Ich habe erst nachmittags Dienst.«
»Ich komme nicht zum Essen«, sagte Samson.
Sie zuckte mit den Schultern. »Musst du wissen.«
Da ganz offensichtlich nichts weiter anstand, nickte er ihr kurz zu, dann öffnete er die Haustür und trat hinaus in den kalten Tag.
Eine Begegnung mit Millie machte ihn immer nervös, unsicher und beklommen. Er bekam schlecht Luft in ihrer Gegenwart. Hier draußen ging es ihm sogleich besser.
Er hatte einmal ein Gespräch zwischen Millie und seinem Bruder angehört, und seitdem wusste er, dass Millie nichts so ersehnte wie seinen Auszug aus dem gemeinsamen Haus. Nicht, dass ihm das vorher nicht klar gewesen wäre, Millie hatte nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie ihn als Störenfried empfand, aber es fühlte sich noch einmal anders an, wenn man sie so unverblümt darüber reden hörte. Zudem hatte er nicht gewusst, dass sie auch seinen Bruder deswegen massiv unter Druck setzte.
»Ich wollte mit dir in einer Ehe leben, in einer ganz normalen Ehe«, hatte sie gezischt. »Und was ist das hier jetzt? Eine Art Wohngemeinschaft?«
»So kannst du das nicht bezeichnen«, hatte Gavin geantwortet, unbehaglich und mit der Erschöpfung eines Menschen, der ein unerquickliches Thema schon viel zu oft hat abhandeln müssen. »Er ist mein Bruder. Er ist ja nicht irgendein Untermieter!«
»Wäre er das bloß! Dann würden wir wenigstens noch Miete bekommen. Aber so …«
»Es ist auch sein Haus, Millie. Wir haben es beide von unseren Eltern geerbt. Er hat dasselbe Recht, hier zu wohnen, wie wir.«
»Das ist keine Frage des Rechts!«
»Sondern?«
»Des Taktgefühls. Des Anstands. Ich meine, wir beide, wir sind verheiratet. Wir werden vielleicht irgendwann einmal Kinder haben. Eine richtige Familie sein. Er ist allein. Er ist das fünfte Rad am Wagen. Jeder andere Mensch würde doch merken, dass er stört, und würde sich etwas anderes suchen.«
»Wir können ihn nicht zwingen. Wenn er geht, dann müsste ich ihn entweder auszahlen, was ich nicht kann, oder wir müssten ihm Miete zahlen, wenigstens anteilig. Meine Güte, Millie, du weißt doch, was ich verdiene! Es würde verdammt eng für uns.«
»Als dein Bruder dürfte er gar kein Geld von dir nehmen.«
»Aber er müsste ja dann irgendwo Miete zahlen. Er ist arbeitslos. Wie soll er das machen?«
»Dann lass uns ausziehen!«
»Willst du das wirklich? Ein Häuschen mit Garten kannst du dir dann aber abschminken. Nichts gegen eine Etagenwohnung, aber bist du sicher, dass du damit zurechtkommst?«
Samson, der draußen vor der Tür gestanden, gelauscht und geschwitzt hatte, hatte ein wenig verächtlich sein Gesicht verzogen. Damit würde sie natürlich nicht zurechtkommen. Millie ging das Prestige über alles, womöglich sogar über die Befreiung aus der gemeinsamen Wohnsituation mit dem ungeliebten Schwager. Millie stammte aus einfachen Verhältnissen. Die Ehe mit einem Hauseigentümer in einem gutbürgerlichen Stadtteil war der große soziale Aufstieg in ihrem Leben – auch wenn es sich nur um ein schmales Reihenhaus an einer viel befahrenen Straße handelte. Sie liebte es, ihre Freundinnen einzuladen und mit dem tatsächlich von ihr sehr schön angelegten und gut gepflegten Garten zu protzen. Sie würde es nicht fertigbringen, diese Welt zu verlassen. Nein, Millie wollte nicht ausziehen. Sie wollte, dass Samson auszog.
Auf den letzten Satz ihres Mannes hatte sie dann auch nichts erwidert, aber das Schweigen war äußerst beredt gewesen.
Samson schüttelte den Gedanken an jenes bedrückende Gespräch ab und machte sich auf seinen Weg durch die Straßen. Er folgte dabei einem ganz bestimmten System und einem genauen Zeitplan, und heute lag er bereits fünf Minuten zurück – weil er so lange gezögert hatte, sich durch das Treppenhaus nach unten zu wagen, und weil er dann auch noch von Millie aufgehalten worden war.
Er hatte seine Arbeit im Juni verloren. Er hatte als Fahrer eines Heimservices für Tiefkühlkost gearbeitet, aber Tiefkühlgerichte waren teuer, die Wirtschaftskrise verunsicherte die Menschen, die Aufträge waren dramatisch zurückgegangen. Schließlich hatte die Firma die Anzahl ihrer Fahrer reduzieren müssen. Samson hatte es kommen sehen, und er war der Mitarbeiter, der zuletzt eingestellt worden war. Es hatte ihn als Ersten getroffen.
Er schritt zügig voran. Das Haus, das er und Gavin von den Eltern geerbt hatten, lag an jenem Ende der Straße, das auf eine viel befahrene Durchgangsstraße mündete, daher lauter war und weniger vornehm. Schmalbrüstige Häuser, handtuchschmale Gärten. Dieselbe Straße bot in der entgegengesetzten Richtung, die zum Thorpe Bay Golfclub hin führte, ein ganz anderes Bild: größere Häuser, verziert mit Türmchen und Erkern, großzügige Grundstücke mit hohen Bäumen, gepflegten Hecken, von schmiedeeisernen Zäunen oder hübschen, niedrigen Steinmauern umgeben. Imposante Autos, die in den Einfahrten parkten. Es herrschte dort eine angenehme, friedliche Ruhe.
Southend-on-Sea lag vierzig Meilen östlich von London und zog sich weitläufig am nördlichen Ufer der Themse entlang, bis hin zum Übergang des großen Flusses in die Nordsee. Die Stadt bot alles, was das Herz begehrte: Einkaufsmöglichkeiten, Schulen und Kindergärten, Theater und Kinos, den obligatorischen Vergnügungspark an der Uferpromenade, lange Sandstrände, Segel- und Surfclubs, Pubs und vornehme Restaurants. Viele Familien, denen London zu teuer war und die es überdies für ihre Kinder als in jeder Hinsicht gesünder empfanden, nicht in der riesigen Metropole aufwachsen zu müssen, zogen hier hinaus. Southend umfasste mehrere Stadtteile, darunter auch Thorpe Bay, wo Samson wohnte. Thorpe Bay bestand zu einem großen Teil aus den weiten, sanft gewellten Wiesen des Golfclubs und aus großzügigen Tennisanlagen, die sich gleich hinter dem Strand, getrennt nur von einer Straße, befanden. Wer hier wohnte, schien mitten in einer Idylle gelandet zu sein: baumbestandene Straßen, liebevoll angelegte Gärten, gepflegte Häuser. Der Wind, der vom Fluss kam, trug den Geruch nach Salz und Meer in sich.
Samson war hier aufgewachsen. Er konnte sich nicht vorstellen, jemals woanders zu leben.
Kurz bevor er die Thorpe Hall Avenue erreichte, begegnete ihm die junge Frau mit dem großen Mischlingshund. Sie führte das Tier jeden Morgen spazieren. Um diese Uhrzeit befand sie sich bereits auf dem Rückweg. Samson hatte sie mehrfach zu ihrem Haus verfolgt und war sich einigermaßen sicher, was ihre Lebensumstände anging: kein Mann, keine Kinder. Ob sie geschieden oder nie verheiratet gewesen war, vermochte er nicht zu sagen. Sie wohnte in einer recht kleinen Doppelhaushälfte, besaß allerdings einen großen Garten. Sie schien von daheim aus zu arbeiten, denn außer zum Einkaufen und zum Hundespaziergang verließ sie ihr Haus tagsüber nicht. Sie erhielt allerdings häufig Lieferungen von Kurierdiensten. Samson schloss daraus, dass sie für eine Firma arbeitete, deren Aufträge sie zu Hause ausführen konnte. Vielleicht hatte sie ein Schreibbüro. Vielleicht erstellte sie Gutachten oder Redaktionen für einen Verlag. Er hatte mehrfach registriert, dass sie für einige Tage verreist war. In dieser Zeit wohnte eine Freundin bei ihr und führte auch den Hund aus. Offensichtlich musste sie sich gelegentlich bei ihrem Arbeitgeber blicken lassen.
Ein Stück weiter kehrte eine ältere Dame den Gehweg vor ihrem Haus. Diese Dame war sehr häufig draußen anzutreffen. Heute fegte sie das Laub zusammen, die allerletzten wenigen Blätter, die von dem Baum in ihrem Garten über den Zaun gesegelt waren. Sie kehrte die Straße oft selbst dann, wenn es nach menschlichem Ermessen absolut nichts zu tun gab. Samson wusste, dass sie alleinstehend war. Selbst einem weniger gründlichen Beobachter als ihm wäre ihr Bedürfnis aufgefallen, irgendetwas zu tun, das sie für eine Weile auf der Straße sein ließ, um wenigstens den einen oder anderen Morgengruß zu erhaschen. Sie erhielt nie Besuch, hatte also entweder keine Kinder oder zumindest nur solche, die sich nicht um sie kümmerten. Auch waren ihm nie Freunde aufgefallen, irgendwelche Bekannte, die sie aufgesucht hätten.
»Guten Morgen«, sagte sie atemlos, kaum dass sie ihn erblickt hatte.
»Guten Morgen«, murmelte Samson. Er hatte es sich zum eisernen Grundsatz gemacht, in keinerlei Kontakt mit den Menschen zu treten, die er beschattete, denn es war wichtig für ihn, nicht aufzufallen. Aber bei dieser Frau brachte er es nicht fertig, grußlos vorüberzugehen. Zudem hätte er sich damit vielleicht noch nachdrücklicher in ihr Gedächtnis gebohrt. Der unfreundliche Mann, der hier jeden Morgen vorbeiläuft … So war er in ihrer Erinnerung wenigstens positiv besetzt.
Er hatte jetzt die Häuserreihe erreicht, die sich gegenüber einer hübschen, im Sommer dicht belaubten Grünanlage befand. Eines der Häuser gehörte der Familie Ward. Samson wusste über diese Leute mehr als über alle anderen, weil Gavin die Hilfe von Thomas Ward in Anspruch genommen hatte, als es damals nach dem Tod der Eltern Probleme wegen der Nachlasssteuer gab. Ward und seine Frau arbeiteten als Wirtschafts- und Finanzberater in London, und Ward hatte den verzweifelten Gavin seinerzeit zu äußerst kulanten Bedingungen beraten, weshalb dieser bis heute nichts auf ihn kommen ließ. Obwohl Thomas Ward ansonsten genau das Bild abgab, das beiden Brüdern nicht unbedingt sympathisch war: das ziemlich große Auto, die Anzüge aus feinem Zwirn, die dezenten, aber zweifellos teuren Krawatten …
»Man darf Menschen eben nicht nach ihrem Äußeren beurteilen«, sagte Gavin stets, wenn die Rede auf Ward kam. »Ward ist in Ordnung, da gibt es gar nichts!«
Samson wusste, dass Gillian Ward nicht täglich in die Londoner Firma fuhr. Es war ihm nicht gelungen, eine echte Regelmäßigkeit in ihren Arbeitszeiten zu entdecken. Wahrscheinlich gab es keine. Aber natürlich hatte sie ja auch noch die zwölfjährige Tochter, um die sie sich kümmern musste, Becky, die häufig so verschlossen und trotzig wirkte. Samson hatte den Eindruck, dass Becky ziemlich rebellisch sein konnte. Sie machte ihrer Mutter das Leben bestimmt nicht immer leicht.
Er stutzte, als er plötzlich Gillians Wagen sah, der die Straße hinunterkam, in die Garageneinfahrt einbog und dort stehen blieb. Das war ausgesprochen merkwürdig. Er wusste, dass sie und die Mutter einer Klassenkameradin einander wochenweise abwechselnd die Kinder zur Schule fuhren, aber in dieser Woche war die andere dran, da war er völlig sicher. Vielleicht hatte sie die Kinder gar nicht zur Schule gebracht, bloß wo war sie dann gewesen? Zu dieser frühen Stunde?
Er blieb stehen. Ob sie vorhatte, ins Büro zu fahren? Mit dem Auto bis zur Bahnhaltestelle, entweder Thorpe Bay oder Southend Central, dann weiter mit dem Zug bis Fenchurch Station in London. Er war ihr mehrfach gefolgt, daher kannte er ihren Weg genau.
Er beobachtete, wie sie im Haus verschwand. Das Licht in der Diele ging an. Da die hübsche, rot lackierte Haustür der Wards ein rautenförmiges Fenster in der Mitte aufwies, konnte man von der Straße aus durch den Flur hindurch bis in die gegenüberliegende Küche blicken. Einmal hatte er durch dieses praktische Fenster beobachtet, wie sich Gillian morgens erneut an den Frühstückstisch gesetzt hatte, nachdem ihre Familie schon verschwunden war, wie sie sich noch eine Tasse Kaffee eingeschenkt und diese dann in langsamen, kleinen Schlucken leer getrunken hatte. Neben ihr hatte die Zeitung gelegen, aber sie hatte nicht hineingeschaut. Sie hatte nur an die gegenüberliegende Wand gestarrt. Damals hatte er zum ersten Mal gedacht: Sie ist nicht glücklich!
Dieser Gedanke hatte ihn geradezu schmerzhaft getroffen, denn die Wards waren ihm lieb geworden. Sie passten absolut nicht in das Muster der Menschen, die er bevorzugt beschattete, nämlich alleinstehende Frauen, und er hatte sich schon recht beunruhigt gefragt, weshalb er sich trotzdem an ihnen festgebissen hatte. An einem Sommerabend, an dem er sich in den Straßen herumgedrückt und in den Garten der Wards gestarrt, die kleine Familie lachend und plaudernd beim Grillen auf der Terrasse beobachtet hatte, war ihm plötzlich die Erleuchtung gekommen: Sie waren perfekt. Das zog ihn so magisch an. Die absolut perfekte Familie. Der gut aussehende, gut verdienende Vater. Die attraktive, intelligente Mutter. Das hübsche, lebhafte Kind. Der niedliche schwarze Kater. Ein schönes Haus. Ein gepflegter Garten. Zwei Autos. Kein Reichtum, kein Geprotze, aber solider Mittelstand. Eine Welt, die in Ordnung war.
Die Welt, von der er immer geträumt hatte.
Die Welt, in die er nie gelangen würde, aber er hatte festgestellt, dass es ihn tröstete, wenigstens als Zaungast an ihr teilzunehmen.
Er trat näher an das Haus heran, direkt an das Gartentor, und versuchte, in die Küche zu spähen. Tatsächlich konnte er Gillian sehen, die am Tisch lehnte. Aha, sie hatte sich wieder einmal einen Kaffee nachgeschenkt. Hielt den dicken Keramikbecher in den Händen, trank mit diesen kleinen, nachdenklichen Schlucken, die er schon einmal beobachtet hatte.
Worüber dachte sie bloß immerzu nach? Sie schien oft ganz versunken in ihre Gedanken.
Er ging eilig weiter, er konnte es sich nicht leisten, allzu lange an einer Stelle zu verharren, jedenfalls nicht mitten auf der Straße. Zu gern würde er herausfinden, worin Gillians Kummer bestand, und ihm war klar, warum: weil er hoffte, sich dann selbst beruhigen zu können. Es musste etwas Vorübergehendes sein. Nichts, bitte nichts, was mit ihrer Ehe, mit ihrer Familie zu tun hatte. Vielleicht waren ihre Mutter oder ihr Vater krank und sie machte sich Sorgen. Irgendetwas in dieser Art.
Er lief die Thorpe Hall Avenue hinunter, an den langgestreckten Parkanlagen und Tennisplätzen von Thorpe Bay Garden vorbei, überquerte die Thorpe Esplanade, wo der hektische frühmorgendliche Verkehr nur langsam abflaute, und war nun am Strand. Der kalt, verlassen und winterlich vor ihm lag. Keine Menschenseele war zu sehen.
Er atmete tief durch.
Er fühlte sich so erschöpft wie andere nach einem langen und harten Arbeitstag, und er wusste, woran das lag: daran, dass er Gillian gesehen hatte. Dass er ihr fast direkt begegnet wäre. Dieser Umstand, auf den er sich zuvor nicht hatte einstellen können, hatte ihn emotional so sehr gestresst, dass er, wie ihm jetzt nachträglich erst klar wurde, geradezu im Laufschritt an den Strand geeilt war. Nur fort. In die Stille. Dort konnten sich seine Nerven beruhigen.
Er beobachtete so viele Menschen. Prägte sich ihre Tagesabläufe ein, ihre Gewohnheiten, versuchte, ihre genauen Lebensumstände zu ergründen. Er hätte niemandem erklären können, was ihn so sehr daran faszinierte, aber es war wie ein Sog, in den man geriet. Es war unmöglich, aufzuhören, wenn man einmal damit angefangen hatte. Er hatte von Computerfreaks gelesen, die sich im Second Life ein Parallelleben aufgebaut hatten, und tatsächlich schienen diese Menschen und das, was sie antrieb, am stärksten mit ihm selbst verwandt zu sein. Ein Leben neben dem eigentlichen Dasein. Schicksale, in die man sich hineinträumen konnte. Rollen, in die man schlüpfte. Manchmal war er der erfolgreiche Thomas Ward mit dem schönen Haus und dem teuren Auto. Manchmal war er ein cooler Typ, der weder stotterte noch rot wurde und der die hübsche Frau mit dem Hund zu einem Date bat – natürlich ohne sich einen Korb einzuhandeln. Er brachte damit Glanz und Freude in seinen Alltag, und wenn das gefährlich war oder grenzwertig – und ihm schwante, dass ein Psychologe eine Menge bedenklicher Bezeichnungen für sein Hobby gefunden hätte –, so war es doch die einzige Möglichkeit, die ihm blieb, mit der Tristesse, die ihn umgab, umzugehen.
Aber allmählich veränderte sich etwas, und das beunruhigte ihn.
Er ging ein paar Schritte den Strand entlang. Hier war es windiger als oben in den Straßen, und er war schnell ziemlich durchgefroren. Er hatte seine Handschuhe vergessen und blies sich immer wieder warmen Atem in seine Hände. Natürlich blieb er bei seinen klar abgezirkelten Beobachtungsrundgängen. Er hatte sogar in seinem Computer eine Datei über seine Objekte angelegt, und er vergaß an keinem Abend, pflichtschuldig alles zu notieren, was er gesehen und erlebt hatte. Aber er tat es nicht mehr mit derselben Hingabe wie früher. Und er begriff auch, warum das so war: Es lag an den Wards, besonders an Gillian Ward. Die Wards wurden immer wichtiger für ihn. Sie wurden zu seiner Familie. Sie waren ständig in seinen Tagträumen, es gab nichts, was er nicht über sie wissen, was er nicht mit ihnen zusammen erleben wollte.
Wahrscheinlich war es eine zwangsläufige Entwicklung, dass sein Interesse an den anderen Menschen, die ihn einmal so gefesselt hatten, langsam erlahmte. Er hatte das unbestimmte Gefühl, dass dies nicht gut war. Er verstand jetzt, warum er sich von Anfang an einen größeren Kreis an Objekten, deren Leben er beobachtete und schriftlich festhielt, gesucht hatte: damit nicht der Einzelne zu viel Bedeutung bekam. Damit er teilnehmen konnte an ihrem Leben, sich jedoch nicht darin verlor.
Mit Gillian könnte ihm das passieren.
Der Wind, der von Nordosten blies, war wirklich kalt. Kein Tag, um ihn am Strand zu verbringen. Im Sommer hatte es Spaß gemacht, von morgens bis abends durch die Straßen zu streifen und der bedrückenden Atmosphäre daheim zu entgehen. Jetzt im Winter sah das natürlich anders aus. Der einzige Vorteil war, dass es früh dunkel wurde und er spätestens ab fünf Uhr sehr bequem in die hell erleuchteten Räume der Häuser blicken konnte. Dafür fror man sich jedoch alle möglichen Körperteile ab.
Er hob den Kopf in den Wind, witterte wie ein Tier. Er fand, dass die Luft nach Schnee roch. Sie hatten nicht oft Schnee hier im Südosten Englands, aber er würde wetten, dass sie in diesem Jahr eine weiße Weihnacht bekämen. Obwohl sich bis dahin natürlich noch eine Menge ändern konnte.
Definitiv zu kalt, entschied er, um hier weiterzulaufen.
Er verließ den Strand, und als er oben auf der Uferpromenade an einem Kiosk vorbeikam, blieb er stehen. Leider hatte er praktisch sein ganzes Geld vorhin der raffgierigen Millie in die Hand drücken müssen, aber nach längerem Kramen in sämtlichen Taschen seiner Kleidung brachte er doch zwei Pfund zusammen. Das reichte für einen heißen Kaffee.
Er trank ihn im Stehen im Windschutz der Bretterbude und genoss das Prickeln, das die Hitze der Tasse in seinen Händen erzeugte. Direkt vor seiner Nase befand sich der Ständer mit den Tageszeitungen. Er las die Schlagzeilen, blieb an der besonders reißerisch aufgemachten Titelseite der Daily Mail hängen: Grausamer Mord in London!
Er verrenkte sich, um ein Stück von dem darunter stehenden Text zu erhaschen. Eine ältere Frau war in einem Hochhaus in Hackney ermordet worden. Die Tat zeichnete sich durch extreme Brutalität aus. Die Frau hatte geschätzte zehn Tage in der Wohnung gelegen, ehe sie von ihrer Tochter gefunden wurde. Es gab keinerlei Hinweise auf das mögliche Motiv des Täters.
»Schlimme Sache«, sagte der Kioskbesitzer, der gesehen hatte, wohin Samsons Augen glitten. »Ich meine, vor allem das mit den zehn Tagen. Dass jemand so lange tot ist und niemand merkt es. Was ist nur aus unserer Gesellschaft geworden?«
Samson murmelte etwas Zustimmendes.
»Die Welt wird mit jedem Tag schlechter«, meinte der andere.
»Das ist richtig«, sagte Samson. Er trank seinen Kaffee aus. Das Wechselgeld reichte noch für eine Daily Mail.
Er kaufte die Zeitung und zog nachdenklich weiter.
3
Wenigstens hatte sie endlich aufgehört zu zittern.
Detective Inspector Peter Fielder von der Metropolitan Police London, bekannter unter dem Begriff Scotland Yard, war nicht sicher gewesen, ob sie überhaupt vernehmungsfähig war, aber er wusste, dass die Zeit drängte. Carla Roberts hatte vermutlich bereits seit über einer Woche tot in ihrer Wohnung gelegen, ehe sie nun von ihrer Tochter am Tag zuvor entdeckt worden war, und dieser Umstand hatte ihrem Mörder bereits jede Menge Vorsprung verschafft. Es galt rasch zu handeln, aber zunächst war aus dieser wie Espenlaub zitternden jungen Frau, die ihr Baby an sich gepresst hielt und zu weinen begann, als eine Polizeibeamtin es ihr für einen Moment abnehmen wollte, absolut nichts herauszuholen gewesen. Ein Streifenwagen hatte sie am Abend ins Krankenhaus gefahren, wo sie übernachtet und etliche Medikamente bekommen hatte: An diesem Morgen nun hatte man sie in ihr Haus in Bracknell zurückgebracht.
Die Beamten, die sie begleiteten, hatten Fielder über sein Handy verständigt, dass es Keira Jones besser zu gehen schien. Daher saß er nun in dem hübsch eingerichteten, warmen Wohnzimmer und trank ein Mineralwasser, und ihm gegenüber saß Keira, kreideweiß im Gesicht, aber deutlich gefasster als am Vortag. Ihr Mann, Greg Jones, war daheim. Als Fielder eintraf, hatte er gerade das Baby gefüttert und gewickelt und dann wieder ins Bett gelegt, und nun stand er am Fenster, die Arme vor der Brust verschränkt, weniger Abwehr als ein gewisses Schutzbedürfnis ausstrahlend. Er war deutlich erschüttert, versuchte aber, einigermaßen ruhig und gefasst zu bleiben.
»Mrs. Jones«, sagte Fielder vorsichtig, »ich weiß, es ist nicht leicht für Sie, jetzt mit mir zu sprechen, und es tut mir wirklich leid, Sie bedrängen zu müssen, aber wir haben leider keine Zeit mehr zu verlieren. Nach der ersten Schätzung des Rechtsmediziners könnte Ihre Mutter bereits seit etwa zehn Tagen tot sein, das heißt, sie ist unglücklicherweise recht spät gefunden worden …«
Keira schloss kurz die Augen und nickte.
»Wir haben einen kleinen Sohn, der gerade eine ziemlich anstrengende Phase durchläuft, Inspector«, sagte ihr Mann, »und meine Frau ist seit Monaten am Ende ihrer Kräfte. Ich arbeite den ganzen Tag und kann ihr nur wenig helfen. Meine Schwiegermutter fühlte sich von ihr vernachlässigt, aber …«
»Greg!«, sagte Keira leise und gequält. »Sie fühlte sich nicht einfach vernachlässigt. Ich habe sie vernachlässigt.«
»Lieber Himmel, Keira, ich arbeite hart. Wir haben ein kleines Kind. Du konntest nicht ständig nach Hackney fahren und deiner Mutter die Hand halten!«
»Ich hätte sie wenigstens öfter anrufen müssen.«
»Wann haben Sie sie denn zuletzt angerufen?«, fragte Fielder. »Oder genauer: Wann hatten Sie überhaupt zum letzten Mal in irgendeiner Form Kontakt mit Ihrer Mutter?«
Keira überlegte einen Moment. »Das war … ja, das war am vorletzten Sonntag. Ist also über eine Woche her. Da rief sie relativ spät abends an, gegen zehn Uhr.«
»Danach haben Sie nicht mehr mit ihr gesprochen?«
»Nein.«
Fielder rechnete nach. »Das muss dann also Sonntag, der 22. November gewesen sein. Heute haben wir den 2. Dezember. Vieles spricht dafür, dass sie ziemlich bald nach dem Gespräch mit Ihnen … überfallen wurde.«
»Ermordet wurde«, flüsterte Keira.
Er nickte. »Ja. Ermordet wurde.«
»Es ist furchtbar«, sagte Greg Jones, »ganz furchtbar. Aber wer konnte so etwas ahnen?«
Fielder blickte zum Fenster hinaus. In dem gepflegten Vorgärtchen standen eine Schaukel, ein Sandkasten und eine Rutschbahn. Bunt und fröhlich, von dem stolzen Vater vermutlich selbst liebevoll und etwas verfrüht für den kleinen Sohn aufgebaut. Die Jones’ schienen eine glückliche Familie zu sein. Weder Keira noch Greg wirkten kaltherzig oder egozentrisch. Es war vieles zusammengekommen: Greg hatte Stress im Beruf, Keira Stress mit dem Baby. Der Weg hinüber nach Hackney war weit und umständlich, mit einem Kleinkind im Schlepptau sicher noch anstrengender. Die alleinstehende Großmutter war bei all dem durch das Raster der jungen Familie gerutscht. Carla hatte besonders ihrer Tochter wahrscheinlich ständig ein schlechtes Gewissen verursacht, aber Keira hatte dennoch keinen Weg gefunden, sie in ihr Leben zu integrieren.
Es war einfach so wie in vielen Familien.
»Ihre Mutter war geschieden?«, fragte Fielder. Keira hatte diese Angabe bereits in der ersten kurzen Vernehmung am Tatort gemacht, aber Fielder wollte Näheres darüber wissen.
»Ja«, sagte Keira. »Seit zehn Jahren.«
»Haben Sie Kontakt zu Ihrem Vater? Hatte Ihre Mutter Kontakt zu ihm?«
»Nein.« Keira schüttelte den Kopf. »Wir wissen nicht einmal, wo er sich aufhält. Er hatte eine Firma, die mit Baustoffen handelte, und wir haben immer gut gelebt und dachten, es sei alles in Ordnung. Aber dann stellte sich heraus, dass er völlig verschuldet war. Alles brach zusammen, und er setzte sich schließlich wohl ins Ausland ab – auf der Flucht vor seinen Gläubigern.«
»Zuvor wurden Ihre Eltern aber noch geschieden?«
»Ja. Als die Pleite offensichtlich wurde, flog auch das Verhältnis meines Vaters mit einer jüngeren Mitarbeiterin auf. Meine Mutter reichte sofort die Scheidung ein.«
»Dass Ihr Vater sich im Ausland aufhält, wissen Sie aber nicht sicher?«
»Nein. Wir haben das nur vermutet.«
»Aber Sie wissen, dass er seit Jahren keinen Kontakt mehr zu Ihrer Mutter hatte?«
»Ja. Das hätte sie mir sonst sofort erzählt.«
Fielder machte sich eine Notiz. »Wir werden versuchen, Ihren Vater ausfindig zu machen. Kennen Sie Namen und Adresse seiner damaligen Geliebten?«
Keira schüttelte den Kopf. »Mit Vornamen heißt sie, glaube ich, Clarissa. Den Nachnamen weiß ich nicht mehr. Ich wohnte damals nicht mehr bei meinen Eltern, sondern studierte in Swansea. Ich habe nicht allzu viele Details mitbekommen. Ich meine … «, unvermittelt begann sie zu weinen. »Meine Mutter rief mich damals oft an«, schluchzte sie. »Sie war verzweifelt, weil ja ihr Leben zusammenbrach. Mein Vater hatte sie jahrelang mit einer anderen Frau betrogen, und nun war auch noch das ganze Geld weg, und das Haus wurde zwangsversteigert … Es ging ihr sehr schlecht, aber ich habe sie häufig abgewimmelt. Ich wollte … ich wollte irgendwie nichts mit alldem zu tun haben …« Sie weinte heftiger.
Greg trat an sie heran und strich ihr mit einer unbeholfenen Bewegung über die Haare. »Mach dir doch nicht so viele Vorwürfe. Du warst im Studium, du hattest dein eigenes Leben. Du konntest dich nicht um die Probleme deiner Eltern kümmern.«
»Ich hätte mehr für meine Mutter da sein müssen. Damals und auch jetzt. Dass sie tagelang ermordet in ihrer Wohnung liegt, und keiner merkt es! Das hätte nicht passieren dürfen!«
Nebenan begann das Baby zu wimmern. Fast ein wenig erleichtert verließ Greg das Zimmer. Die Situation überforderte ihn, aber schließlich, dachte Fielder, war das kein Wunder. Etwas Unfassbares war in das Leben der Jones’ eingebrochen. Sie würden sich nie wirklich davon erholen.
Keira zog ihre Handtasche zu sich heran, holte ein Taschentuch heraus und putzte sich die Nase.
»Er war auch nie sehr erpicht darauf, meine Mutter zu besuchen oder einzuladen«, sagte sie mit einer Kopfbewegung zu der Tür hin, durch die ihr Mann verschwunden war. »Er arbeitet hart, und an den Wochenenden sucht er Entspannung … Wissen Sie, meine Mutter war nicht gerade ein Mensch, der gute Laune um sich verbreitete. Sie jammerte furchtbar viel. Wegen der Scheidung, der Pleite, wegen allem. Sie konnte dadurch sehr … anstrengend sein. Meiner Ansicht nach tat sie sich deshalb auch so schwer, Freunde zu finden. Die meisten Leute … ertrugen sie nach einer Weile einfach nicht mehr. Es klingt furchtbar, was ich sage, oder? Ich will nicht schlecht über sie reden. Außerdem … egal, wie sehr sie anderen auf die Nerven gehen konnte … nie hätte sie einen solchen Tod verdient. Nie!«
Fielder betrachtete sie mitfühlend. Er hatte die tote Carla Roberts gesehen. An Händen und Füßen mit Paketklebeband gefesselt, hatte sie in ihrem Wohnzimmer gelegen. Der Täter hatte ihr ein zusammengeknäultes Stück Stoff in den Rachen gestoßen, ein kariertes Küchengeschirrtuch, wie sich herausstellte. Die erste Untersuchung hatte ergeben, dass sich Carla Roberts daraufhin offenbar hatte erbrechen müssen und mit aller Kraft versucht hatte, das Tuch aus ihrem Mund zu würgen.
»Was ihr hätte gelingen müssen«, hatte der Rechtsmediziner noch am Tatort gesagt. »Für mich sieht es so aus, als habe der Täter das Tuch mit der Faust so lange in ihren Rachen gepresst, bis sie an ihrem Erbrochenen erstickt war. Es muss ein grausamer Todeskampf gewesen sein.«
Fielder hoffte, dass Keira ihn nie nach diesen Details fragen würde.
»Mrs. Jones«, begann er, »Sie sagten gestern bereits, dass Sie, nachdem auf Ihr wiederholtes Klingeln niemand öffnete, mit dem Zweitschlüssel selbst die Wohnung Ihrer Mutter aufgesperrt haben. Wie sind Sie zuvor ins Haus hereingekommen? Haben Sie für die Eingangstür auch einen Schlüssel?«
»Ja, aber unten war sowieso offen. Ich klingelte, wartete aber gar nicht ab, sondern stieg gleich in den Aufzug. Oben klingelte ich dann wieder. Und wieder. Schließlich schloss ich auf.«
»Dachten Sie da schon, dass etwas passiert sein könnte?«
Keira schüttelte den Kopf. »Nein. Ich hatte mich ja nicht angekündigt, und ich dachte, meine Mutter sei einfach nicht zu Hause. Einkaufen oder spazieren oder so. Ich wollte in der Wohnung auf sie warten.«
»Besitzt außer Ihnen noch jemand einen Schlüssel zu der Wohnung?«
»Nicht dass ich wüsste.«
»Wie es aussieht«, sagte Fielder, »hat Ihre Mutter den Täter selbst in die Wohnung gelassen. Jedenfalls gibt es keinerlei Einbruchspuren. Natürlich ist es zu früh, endgültige Schlüsse zu ziehen, aber es könnte sein, dass Ihre Mutter den Täter kannte.«
Keira sah ihn entsetzt an. »Dass sie ihn kannte?«
»Wissen Sie etwas über den Bekanntenkreis Ihrer Mutter?«
Er konnte sehen, dass Keira schon wieder Tränen in die Augen stiegen, aber für den Moment gelang es ihr, sie zurückzudrängen.
»Sie hatte eigentlich keinen. Das war ja genau das Problem. Sie lebte völlig isoliert. An dem Abend, an dem … ich zuletzt mit ihr sprach, habe ich ihr ja noch Vorwürfe deswegen gemacht. Dass sie immer nur zu Hause sitzt, dass sie sich keine Freundschaften aufbaut, dass sie nie etwas unternimmt … Sie hörte sich das geduldig an, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass sich etwas ändern würde.«
Fielder nickte. Das passte ins Bild. Ein Mensch, der in einem intakten sozialen Umfeld lebt, liegt nicht zehn Tage lang tot in der Wohnung, ohne dass es irgendjemandem auffällt.
»Seit wann arbeitete Ihre Mutter nicht mehr?«
»Seit fast fünf Jahren. Sie hatte nach der Scheidung Arbeit in einer Drogerie gefunden, aber das machte ihr wenig Spaß. Schließlich ist sie mit sechzig Jahren in Rente gegangen. Zum Glück hatte sie noch Ansprüche aus einer Tätigkeit während der ersten Jahre ihrer Ehe, sonst hätte sie finanziell übel dagestanden. Aber so kam sie über die Runden.«
»Gab es in dieser Drogerie jemals Ärger mit Mitarbeitern?«
»Nein. Sie kam mit allen zurecht und die anderen auch mit ihr. Aber der Kontakt brach nach ihrem Fortgang ab. Ich glaube nicht, dass sie noch mit irgendjemandem aus dieser Zeit in Verbindung stand.«
»Und sonst? Gab es nicht irgendein Hobby, das sie vielleicht gelegentlich mit anderen Menschen zusammengebracht hätte?«
»Nein. Nichts.«
»Und im Haus? Stand ihr da jemand näher?«
»Auch nicht. Jeder dort scheint ziemlich anonym und allein vor sich hin zu leben. Und meine Mutter war nicht der Mensch, der auf andere zugehen konnte. Dafür war sie zu schüchtern, zu unsicher. Andererseits hat sie auch niemals jemandem etwas getan. Sie war ein guter Mensch. Ein freundlicher Mensch. Ich verstehe einfach nicht, weshalb ihr irgendjemand so viel Hass entgegengebracht hat. Ich begreife es nicht!«
Fielder dachte an die Brutalität, mit der Carla umgebracht worden war. Möglicherweise hatte der Täter kein Problem speziell mit Carla, der freundlichen, etwas wehleidigen und verhuschten Rentnerin gehabt. Vielleicht hatte er ein generelles Problem mit Frauen. Ein Sadist. Ein Psychopath. Ein tief gestörter Typ. Die Tat sah danach aus.
»Gibt es sonst noch etwas, das ich wissen müsste?«, fragte er.
Keira überlegte. »Ich glaube nicht«, meinte sie und fügte dann plötzlich hinzu: »Oder doch. Ich weiß nicht, ob es wichtig ist, aber an dem Abend, an dem ich zuletzt mit meiner Mutter telefonierte, erwähnte sie etwas Eigentümliches … oder zumindest erschien es ihr eigentümlich. Sie sagte, der Fahrstuhl käme so oft nach oben zu ihr. Aber nie würde jemand aussteigen.«
»Da war sie sicher? Dass niemand ausstieg?«
»Ja, offenbar. Sie hätte das sonst wohl gehört. Und da außer ihr sowieso niemand dort oben wohnte, kam ihr das mit dem Aufzug seltsam vor.«
»Seit wann hatte sie diese Besonderheit registriert? Hat sie dazu etwas gesagt?«
»Sie sprach von ein oder zwei Wochen. Und dass es davor eben nicht so gewesen sei. Weil ich gemeint hatte, vielleicht sei das System so eingerichtet, dass der Aufzug in bestimmten Abständen in jede Etage fährt … Aber sie ließ das Thema dann fallen. Sie merkte, dass ich das Gespräch beenden wollte.« Keira biss sich auf die Lippen.
Fielder neigte sich vor. Er verspürte Mitleid mit der jungen Frau. Die Mutter zu verlieren war schlimm und einschneidend, sie durch ein brutales Verbrechen zu verlieren war geradezu unfassbar. Dann aber auch noch zeitlebens die Gewissheit in sich tragen zu müssen, allzu nachlässig, genervt und abweisend mit ihr umgegangen zu sein, würde sich für Keira Jones, da war er sicher, als fast unerträglich erweisen.
»Mrs. Jones«, sagte er, »hatten Sie den Eindruck, dass sich Ihre Mutter bedroht fühlte?«
Keiras Augen füllten sich erneut mit Tränen. »Ja«, stieß sie hervor, und es klang wie ein Schluchzen. »Ja. Ich glaube, sie hatte Angst. Sie konnte nur nicht sagen, wovor. Sie fühlte sich bedroht, ja. Und ich habe mich keine Sekunde lang darum gekümmert.«
Sie ließ den Kopf auf die Knie sinken und begann zu schreien.
4
Darcys Mutter buk Muffins.
Warum backen heutzutage alle Mütter immerzu Muffins?, fragte sich Gillian und spürte, wie sie bei diesem Gedanken erste, leise nagende Kopfschmerzen bekam. Wer sollte all die Muffins, die täglich von Millionen Müttern gebacken wurden, eigentlich essen?
Diana, Darcys Mutter, löffelte den Teig aus der großen Keramik-Rührschüssel in ihre Förmchen. Die Küche duftete nach Schokolade, nach Butter und Mandeln. Auf dem Tisch standen dicke, rote Kerzen und eine Kanne mit Vanilletee. Daneben ein Schälchen mit Kandiszucker.
»Nimm dir doch noch Tee«, sagte Diana.
Sie war eine attraktive Frau. Blond und schlank. Sie spielte sehr gut Tennis und Golf. Sie konnte fantastisch kochen. Sie verstand es, ein Haus gemütlich einzurichten. Ihre Töchter liebten sie. Bei Klassenfesten meldete sie sich zum Schmücken, und sie kam zu Schulausflügen auch gern als Begleitperson mit. Daher liebten sie auch die Lehrer.
Und sie buk Muffins.
Im Augenblick allerdings hatte sie ein Thema am Wickel, das sich mit der gemütlichen, vorweihnachtlichen Atmosphäre in ihrer Küche nicht recht vertrug: den Mord, der an einer alleinstehenden alten Frau in London verübt worden war. Angeblich sprach man überall davon, nur Gillian hatte bislang nichts mitbekommen. Becky hatte der kranken Darcy die Hausaufgaben bringen wollen, daher waren sie hinübergegangen. Die Mädchen hatten sich in Darcys Zimmer verzogen, und Gillian war zum Tee eingeladen worden. Eigentlich wollte sie ablehnen. Sie hatte, obwohl todmüde gerade erst aus dem Büro zurückgekommen, Becky hinüber zu ihrer Freundin begleitet, weil sie sie im Dunkeln nicht allein herumlaufen lassen wollte, aber sie verspürte nicht die geringste Lust auf eine Unterhaltung. Doch Diana fragte noch in der Tür als Erstes: »Und? Was sagst du zu diesem grässlichen Verbrechen?«, und natürlich fragte Gillian zurück, um was es denn ging, und damit war ihr Schicksal besiegelt. Diana, immer auf der Suche nach jemandem, mit dem sie tratschen konnte, hatte sie in die Küche gezogen und erzählte ihr dann haarklein alles, was sie wusste.
»Sie soll über eine Woche in ihrer Wohnung gelegen haben, und niemand hat etwas bemerkt! Ist das nicht grauenhaft? Ich meine, so einsam zu sein, dass es ewig dauert, bis überhaupt jemandem auffällt, dass man tot ist?«
»Noch grauenhafter finde ich es, in der eigenen Wohnung ermordet zu werden«, sagte Gillian. »Wie ist der Täter hineingekommen? Weiß man da etwas?«
»Also, angeblich gibt es nicht die geringsten Einbruchspuren. Es heißt, sie hat ihn selber eingelassen. Könnte also ein Bekannter von ihr gewesen sein. Denn so unvorsichtig ist ja eigentlich niemand, dass er einfach die Wohnungstür aufreißt, wenn es klingelt, zumal wenn man völlig allein lebt!«
Diana widmete sich eine Weile mit Hingabe ihrem Muffin-Teig, und Gillian trank ihren Tee und machte sich eine Menge Gedanken; über den Mord in London und über perfekte Mütter, und die ganze Zeit über versuchte sie, entspannt zu atmen, weil das manchmal half, wenn sich Kopfschmerzen ankündigten.
Diana hatte alle Förmchen gefüllt, schob sie in den Backofen, schaltete die richtige Temperatur ein, setzte sich dann an den Tisch und nahm sich ebenfalls einen Tee.
»Sie soll eine erwachsene Tochter haben. Die hat sie gefunden.«
»Wie entsetzlich!«, sagte Gillian.
»Na ja, aber zuvor hat diese Tochter nicht einmal bemerkt, dass ihre Mutter seit zehn Tagen nichts mehr von sich hören ließ. Schon seltsam. Das könnte mir mit meinen Töchtern nicht passieren.«
Gillian dachte an das provozierende Verhalten, das Becky ihr gegenüber an den Tag legte. Würde sie dies von ihrer Tochter auch im Brustton der Überzeugung sagen? Das könnte mir nicht passieren?
»Und wie … wurde sie umgebracht?«, fragte sie beklommen.
»Darüber wahrt die Polizei Stillschweigen«, sagte Diana bedauernd. »Täterwissen und so, weißt du. Man will Nachahmungstaten und falsche Geständnisse ausklammern. Schreibt die Zeitung. Sie soll aber auf eine extrem brutale Art getötet worden sein.«
»Es muss jemand sein, der pervers ist«, sagte Gillian angewidert.
Diana zuckte mit den Schultern. »Oder jemand, der einen unbändigen Hass auf diese Frau hatte.«
»Ja, aber so sehr kann man kaum hassen. Das ist jedenfalls absolut nicht normal. Ich hoffe, sie fassen den Täter bald.«
»Das hoffe ich auch«, stimmte Diana inbrünstig zu.
Beide Frauen schwiegen eine Weile bedrückt. Dann wechselte Diana abrupt das Thema.
»Kommst du zur Weihnachtsfeier im Handballclub? Am Freitag?«
»Davon wusste ich gar nichts. Eine Feier?«
»Becky erzählt dir wohl gar nichts!«, meinte Diana in argloser Grausamkeit.
»Vielleicht hat sie es erzählt und ich habe nicht richtig zugehört«, sagte Gillian, aber sie wusste, dass es so nicht gewesen war. Sie hörte zu, wenn Becky etwas erzählte. Aber Becky erzählte kaum je etwas. Das war das Problem.
»Du kommst aber doch?«, vergewisserte sich Diana. »Jeder soll ein paar Kekse mitbringen oder irgendetwas. Wird sicher schön.«
»Ja, bestimmt.« Und du wirst sicher deine blöden Muffins mitbringen!
Ich stehe das durch, dachte sie, irgendwie stehe ich das durch!
Unter dem Hinweis, Tom komme bald nach Hause und sie müsse das Abendessen vorbereiten, gelang es Gillian eine Viertelstunde später, sich loszueisen. Sie fühlte sich wie befreit, als sie und Becky endlich auf der dunklen Straße standen. Der kalte Wind tat ihr gut. Von irgendeinem Moment an hatte sie die weihnachtlich geschmückte Küche, den Duft nach Gebackenem, die perfekte Diana kaum mehr ertragen können.
»Warum hast du mir nicht erzählt, dass ihr übermorgen eine Weihnachtsfeier im Handballclub habt?«, fragte sie, als sie schon beinahe daheim angekommen waren. Wie üblich hatten sie den Weg schweigend zurückgelegt.
»Keine Lust«, murmelte Becky.
»Keine Lust worauf? Es mir zu erzählen? Dorthin zu gehen?«
»Es zu erzählen.«
»Weshalb?«
Becky betrat wortlos die Einfahrt. Toms Wagen parkte vor der Garage. Er fuhr meist morgens früher als Gillian nach London und kehrte später zurück. Gillian musste noch Becky und den Haushalt in ihrem Tagesablauf unterbringen, daher hatten sie sich für getrennte Wege entschieden.
Gillian packte ihre Tochter am Arm. »Ich möchte eine Antwort!«
»Worauf?«, fragte Becky.
»Auf meine Frage. Weshalb hast du es mir nicht erzählt?«
»Ich will endlich einen eigenen Internet-Anschluss!«
»Das ist auch keine Antwort.«
»Alle in meiner Klasse …«
»Blödsinn! Nie im Leben haben alle in deiner Klasse einen eigenen Internet-Anschluss. Das Internet …«
»… ist furchtbar gefährlich, da treiben sich böse Männer herum, die in den Chatrooms versuchen, junge Mädchen anzulocken und dann …«
»Leider gibt es die, ja«, sagte Gillian. »Aber das ist nur eine Gefahr des Internets. Ich finde vor allem, dass du einfach zu jung bist, um unkontrolliert jeden Tag stundenlang vor dem Computer zu hängen. Das ist nicht gut.«
»Warum?«, fragte Becky.
»Weil es wichtiger ist, dass du deine Hausaufgaben erledigst, deine Freunde triffst, Sport treibst«, sagte Gillian und fand selbst, dass sie sich wie eine Gouvernante anhörte.
Becky verdrehte die Augen. »Mum, ich bin zwölf. Du behandelst mich immer, als wäre ich fünf.«
»Das stimmt doch überhaupt nicht.«
»Doch. Sogar wenn ich nur zu Darcy gehen will, kommst du mit, weil du denkst, mir könnte etwas zustoßen auf dem Weg dorthin. Dabei hasst du es wie die Pest, dich mit ihrer Mutter zu unterhalten. Warum lässt du mich nicht alleine gehen?«
»Weil es dunkel ist. Weil …«
»Warum kannst du mir nicht einfach vertrauen?«, fragte Becky. Dann sah sie ihren Vater, der die Haustür geöffnet hatte und im hellen Licht des Eingangs stand. Ohne eine Antwort ihrer Mutter abzuwarten, lief sie auf ihn zu und warf sich in seine Arme.
Gillian folgte ihr langsam und nachdenklich.
5
Sie schrak hoch, als der Lichtkegel über die Wand hinter dem Fernseher glitt, und schon im nächsten Moment fragte sie sich, ob sie ihn sich nicht eingebildet hatte. Oder geträumt hatte. Sie war eingeschlafen, trotz des spannenden Krimis, der gerade lief. Aber das passierte ihr oft. Sie war ein Morgenmensch. Lag ab halb sechs in der Früh wach und fühlte sich voller Tatendrang. Abends hingegen … Manchmal ging sie schon um acht Uhr ins Bett.
Sie richtete sich in ihrem Sessel auf.
Sie lauschte nach draußen. Sie konnte nichts hören.
Es war ihr drei- oder viermal aufgefallen in der letzten Zeit. Dass ein Auto hier herauskam. Am Abend, in der Dunkelheit. Sie hatte den Motor gehört, sie hatte das Licht der Scheinwerfer über die Wände des Wohnzimmers streichen sehen. Und dann – nichts. Kein Laut, kein Licht, gar nichts. Als habe jemand angehalten, den Motor ausgeschaltet, die Scheinwerfer ebenfalls.
Um im Dunkeln dort zu stehen und … was zu tun?
Anne Westley war keine ängstliche Frau. Beim ersten Mal war sie aufgestanden und vor die Haustür getreten, war dann sogar den Plattenweg durch ihren Garten gelaufen bis zum Tor. Hatte versucht, irgendetwas zu erkennen, aber das war hier draußen fast unmöglich. Der Wald wuchs bis direkt an das Grundstück heran. Eine Nacht ist eigentlich nie völlig schwarz, das wusste Anne, aber hier draußen war sie es. Nahezu undurchdringlich schwarz.
Und die Lage ihres Hauses war es auch, was das Auftauchen eines Autos so befremdlich erscheinen ließ. In unmittelbarer Nähe gab es nicht einmal eine Straße. In einiger Entfernung befand sich ein abgelegener Parkplatz, von dem aus verschiedene Wanderwege in die Wälder führten. An den Wochenenden, vor allem im Sommer, herrschte dort ein gewisses Kommen und Gehen, aber im Winter, und schon gar nach Einbruch der frühen Dunkelheit, verirrte sich kaum noch jemand dorthin. Vielleicht mal ein Pärchen zum Knutschen. Aber das würde kaum weiter in den Wald vordringen und dann auch noch sein Auto über den schmalen Pfad quälen, der schließlich an Annes Gartenpforte endete.
Sie stand auf, ging ans Fenster, versuchte hinauszuschauen, sah aber vor allem ihr eigenes Gesicht, das sich in der Scheibe spiegelte. Sie schaltete das kleine Lämpchen in der Ecke sowie auch den Fernseher aus, und das Zimmer lag im Dunkeln. Wieder starrte sie angestrengt in den finsteren Abend. Es war schwierig, irgendetwas zu erkennen. Sie ahnte mehr den Garten mit seinen vielen Büschen, dem hohen Gras, den nun kahlen Obstbäumen. Im Sommer hatte sie Kirschen, Äpfel und Birnen ohne Ende geerntet, hatte wochenlang Marmelade und Gelee eingekocht. Alles in große Gläser gefüllt, die Deckel mit Gummiringen verschlossen, Etiketten aufgeklebt und säuberlich beschriftet.
Und dabei immer an Sean gedacht. Daran, dass er vor allem davon geschwärmt hatte: von den Obstbäumen und von der eigenen Marmelade. Und sie hatte gewusst, dass sie nur seinetwegen erntete und einkochte, denn sie selbst aß Marmelade nicht besonders gern. Im Leben würde sie das alles, was sich dort unten im Keller in den Regalen stapelte, nicht mehr verzehren. Irgendwann würde sie sterben, und dann müssten neben allem anderen tonnenweise Marmeladengläser samt Inhalt entsorgt werden.
Sean und sie hatten das Haus acht Jahre zuvor auf einer Wanderung entdeckt. Sie hatten einen Ausflug nach Tunbridge Wells gemacht, der hübschen Stadt im äußersten Westen der Grafschaft Kent, eingebettet in Wiesen, Felder, Hügel und tiefe Wälder. Die Gegend war berühmt für ihre Obstplantagen und die schier endlosen Hopfenfelder. Es regnete selten hier, die Sommer waren heiß und trocken, und im Frühling lag immer der schwere, süße Geruch der Obstblüten in der Luft. Sean und Anne waren durch einen Wald gestreift, in dem Maiglöckchen und Buschwindröschen blühten, und plötzlich war das Haus vor ihnen aufgetaucht, ein ehemaliges Forst- oder Jagdhaus, wie es schien. Es sah ziemlich verfallen, deutlich unbewohnt und wenig einladend aus. Aber das hatte Sean nicht gestört. Er hatte sich in den Garten verliebt und konnte gar nicht mehr aufhören, davon zu reden.
»Dieses riesige Grundstück! Die vielen Obstbäume. Die Fliederbüsche. Goldregen, Jasmin, was du willst. Der Wald drum herum. Es ist das, wonach ich immer gesucht habe. Ich habe immer darauf gewartet!«
Sie hätte das alles nicht haben müssen. Beide waren sie damals sechzig Jahre alt gewesen, und Anne hätte es vernünftiger gefunden, sich nicht ausgerechnet im Alter mit einem Grundstück zu belasten, das ihnen harte körperliche Arbeit abverlangen würde. Sean hatte natürlich genau andersherum argumentiert. »Gerade wenn wir in ein paar Jahren pensioniert sind, können wir uns das erlauben. Wir haben dann viel Zeit und müssen nichts überstürzen. Was sollen wir in einer Wohnung herumsitzen und aus dem Fenster starren? Komm, lass es uns wagen! Lass uns noch einmal etwas Neues versuchen!«
Es war ihnen tatsächlich gelungen, das Haus zu erwerben. Genau genommen war das auch nicht schwer gewesen, denn es gab niemanden sonst, der es haben wollte. Das Haus gehörte der Gemeinde Tunbridge Wells, und die war froh, es los zu sein.
Und von da an hatten sie ihre gesamte Freizeit, jedes Wochenende und alle Ferien, dort im Wald verbracht und das Haus renoviert, Stück für Stück, in mühevoller Arbeit, die ihnen aber, wie Anne überrascht festgestellt hatte, eine Menge Befriedigung verschaffte. Sie hatten altes Parkett abgeschliffen, Küche und Bäder gefliest, Wände gestrichen, neue Fenster einsetzen lassen, Wände herausgebrochen und großzügige Räume geschaffen, wo vorher eine Vielzahl kleiner verschachtelter Zimmer gewesen waren. Sie hatten eine weitläufige Holzterrasse nach Süden hin angelegt, mit einem Geländer, das sie umschloss, und Stufen, die in den Garten führten. Sie hatten ein paar Bäume gefällt, um mehr Licht und Sonne zu bekommen. Und Anne hatte sich oben unter dem Dach ein Atelier ausgebaut. Einige Jahre zuvor hatte sie das Malen entdeckt. Es war zu einer Leidenschaft geworden.
Sie überlegte, ob sie hinausgehen sollte, aber um wirklich zu sehen, ob dort irgendwo ein Auto parkte, müsste sie bis nach vorne zum Tor laufen. Sie schreckte vor der Kälte zurück, die sie draußen erwartete. Außerdem würde sie wahrscheinlich wieder nichts entdecken. Vielleicht hatte sie sich den Lichtschein diesmal auch wirklich nur eingebildet. Immerhin hatte sie gedöst. Möglicherweise sogar geschlafen.
Aber irgendetwas hatte sie aufgeweckt.
Sie versuchte, das unheimliche Gefühl zu verdrängen, das sie beschlich. Sie war wirklich vollkommen allein hier draußen. Tagsüber kam sie damit ganz gut zurecht, aber abends musste sie sich manchmal zusammenreißen, um sich nicht allerlei beunruhigenden Gedanken hinzugeben.
Sie schaltete das Licht wieder ein, ging in die Küche hinüber – eine wunderschöne Küche aus weißgebeiztem Holz, mit einem Herd in der Mitte des Raumes und einer großen Theke gegenüber der Terrassentür, an der man frühstücken, Zeitung lesen, einen Kaffee zwischendurch trinken konnte. Sie schenkte sich einen Schnaps ein, kippte ihn in einem Schwung hinunter, nahm noch einen. Normalerweise reagierte sie nicht mit Alkohol auf Probleme, aber für den Augenblick schien der Schnaps sie tatsächlich etwas zu beruhigen.
Sie hatte nicht einmal nach Seans Tod versucht, sich mit Alkohol zu trösten. Überhaupt hatte sie keinerlei Hilfe in Anspruch genommen. Ihrer Erfahrung nach half Arbeit am besten über seelische Probleme hinweg, und so hatte sie sich auf den Garten gestürzt, viel gemalt und so das schlimme erste Jahr überstanden. Nun waren weitere zweieinhalb Jahre vergangen, und sie hatte alles im Griff. Sich, ihren Schmerz, das Leben hier draußen in der Abgeschiedenheit.
Sean war gestorben, als alles fertig war. Mitten im Sommer, wenige Wochen nach seinem 65. Geburtstag. Im Juni war er aus dem Berufsleben ausgeschieden, vier Wochen nachdem sich auch Anne aus ihrer Praxis als Kinderärztin verabschiedet und in den Ruhestand zurückgezogen hatte. Anfang Juli wollten sie die Einweihung des neuen Hauses feiern, in ihrem Garten, der im blühenden Jasmin zu versinken schien. Sie hatten fast achtzig Leute eingeladen, beinahe alle hatten zugesagt. Am Tag vor dem Fest war Sean auf das Hausdach geklettert, weil er sich in den Kopf gesetzt hatte, entlang der Regenrinne eine bunte Lichterkette zu befestigen. Beim Abstieg hatte er die oberste Sprosse der Leiter verfehlt und war hinuntergestürzt. Was zunächst nicht allzu dramatisch aussah, denn er hatte sich zwar den Oberschenkelhals gebrochen, aber sonst war nichts passiert. Natürlich war er wütend und enttäuscht darüber, im Krankenhaus zu liegen und sein Fest absagen zu müssen. Aber dann hatte er eine Lungenentzündung bekommen, keinerlei Antibiotika schlugen an, und innerhalb von vier Wochen war er tot, noch ehe Anne wirklich begriff, was eigentlich geschah.
Sie hatte ihn beerdigt, und irgendwann im November war sie ihrerseits auf das Dach geklettert und hatte die Lichterkette abgenommen, die noch immer dort hing, eine blöde, bunte Kette, die bei Gott nicht wert gewesen war, was sie verursacht hatte.
Der zweite Schnaps entspannte Anne endgültig. Sie kam zu dem Schluss, dass sie sich den Lichtschein tatsächlich eingebildet hatte. Und aufgeweckt hatte sie vermutlich irgendetwas im Fernseher. Ein Schrei, ein Schuss. Diese Dinge geschahen schließlich in Krimis.
Dennoch, sie würde die Haustür heute gründlich verriegeln, mit Sicherheitskette, was sie sonst nicht tat. Und in allen Räumen im Erdgeschoss die Läden vor den Fenstern schließen.
Das konnte zumindest nichts schaden.