3 | Warum ist das Aufhören schwierig?
Wie ich bereits erklärt habe, lenkte meine eigene Abhängigkeit mein Interesse auf dieses Thema. Als ich schließlich aufhörte, war es wie ein Wunder. Bei meinen früheren Versuchen, das Rauchen aufzuhören, litt ich wochenlang an schweren Depressionen. Ab und zu war ich relativ fröhlich, doch am nächsten Tag schlug die Depression wieder zu. Es war wie ein Versuch, aus einer schlüpfrigen Fallgrube zu klettern; man ist fast oben, sieht schon die Sonne, doch dann rutscht man wieder hinunter. Schließlich zündet man die berühmte Zigarette wieder an; sie schmeckt scheußlich und man zermartert sich das Hirn, warum man es tun muss.
Eine der Fragen, die ich den Rauchern vor meinen Kursen immer stelle, lautet: »Wollen Sie aufhören zu rauchen?« Irgendwie ist das eine blöde Frage. Alle Raucher würden liebend gern aufhören zu rauchen. Wenn man den unverbesserlichsten Raucher fragt: »Wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten bis zu dem Zeitpunkt, als Sie noch nicht nikotinsüchtig waren, würden Sie dann bei Ihrem heutigen Wissensstand anfangen zu rauchen?«, lautet meistens die Antwort: »Nie im Leben.«
Alle Raucher spüren, dass sie von etwas Teuflischem besessen sind. In den Anfangsstadien redet man sich noch ein: »Ich höre wieder auf, nicht heute, aber morgen.« Schließlich erreichen wir den Punkt, wo wir denken, wir besäßen entweder nicht genug Willenskraft, oder aber die Zigaretten enthielten etwas, was wir haben müssten, um das Leben zu genießen.
Wie ich vorher schon sagte, besteht das Problem nicht darin, zu verdeutlichen, warum das Aufhören so einfach ist; vielmehr ist zu erklären, warum es so schwierig erscheint. Es muss eine Erklärung dafür gefunden werden, warum so viele Menschen überhaupt mit dem Rauchen anfangen, oder warum einmal über 60 Prozent der Bevölkerung geraucht haben.
Die ganze Sache mit der Raucherei ist außerordentlich rätselhaft. Der einzige Grund, warum wir einsteigen, sind die Tausende, die schon drin sind. Und doch wünscht sich jeder Einzelne von ihnen, er oder sie hätte überhaupt nicht damit angefangen, und erzählt uns, es sei reine Zeit- und Geldverschwendung. Wir können nicht ganz glauben, dass sie es nicht genießen. Wir halten das Rauchen für ein Zeichen des Erwachsenseins und geben uns alle Mühe, abhängig zu werden. Dann verbringen wir den Rest unseres Lebens damit, unseren eigenen Kindern einzubläuen, bloß nicht damit anzufangen, und versuchen selbst, es uns wieder abzugewöhnen. Auch verbringen wir den Rest unseres Lebens damit, teuer für unsere Qual zu bezahlen. Ein durchschnittlicher Raucher, der auf ein Päckchen am Tag kommt, gibt in seinem Leben etwa 90 000 DM für Zigaretten aus. Was machen wir mit diesem Geld? (Es wäre nicht so schlimm, es zum Fenster hinauszuwerfen.) Wir benutzen es systematisch, um unsere Lungen mit krebserregenden Teerstoffen zu verklumpen und unsere Blutgefäße allmählich zu verstopfen und zu vergiften. Jeden Tag entziehen wir jedem Muskel und jedem Organ unseres Körpers mehr Sauerstoff, so dass wir von Tag zu Tag träger werden. Wir verurteilen uns selbst zu einem Leben im Schmutz, zu schlechtem Atem, gelben Zähnen, Brandflecken, dreckigen Aschenbechern und dem widerlichen Gestank abgestandenen Rauchs. Das heißt: Sklaverei ein Leben lang. Unser halbes Leben sind wir in Situationen, in denen uns die Gesellschaft das Rauchen verbietet (in Schulen, U-Bahnen, im Theater, im Krankenhaus, in der Kirche usw.); bei jedem Versuch, das Rauchen einzuschränken oder aufzuhören, fühlen wir uns elend. Die andere Hälfte unseres Lebens dürfen wir zwar rauchen, wünschen uns aber, wir müssten es nicht. Was für ein Hobby ist denn das, das man, wenn man es ausübt, am liebsten los sein würde und kaum ist man es los, das Verlangen nach einer Zigarette so stark ist? Sein Leben lang wird man von der Hälfte der Gesellschaft wie eine Art Aussätziger behandelt; schlimmer noch: Ein sonst intelligentes, vernunftbegabtes menschliches Wesen straft sich ein Leben lang mit Selbstverachtung. Der Raucher hat nur Verachtung für sich übrig, wenn er unachtsamerweise wieder einmal den klein gedruckten Warnhinweis liest, wenn eine Kampagne gegen Krebs oder Mundgeruch läuft, wenn er Atemschwierigkeiten oder Schmerzen in der Brust hat, wenn er der einsame Raucher in einer Gruppe von Nichtrauchern ist. Was hat er nun davon, dass er mit diesen schrecklichen schwarzen Schatten im Hinterkopf durchs Leben gehen muss? ABSOLUT NICHTS! Vergnügen? Genuss? Entspannung? Eine Hilfe? Eine Energiespritze? Lauter Illusionen, außer Sie betrachten das Tragen von zu engen Schuhen als eine Art Vergnügen, weil es immer so angenehm ist, wenn Sie sie ausziehen! Wie gesagt besteht das wirkliche Problem nicht nur darin, herauszufinden, warum Raucher solche Schwierigkeiten haben, aufzuhören, sondern auch, warum überhaupt jemand raucht.
Wahrscheinlich sagen Sie: »Alles schön und gut. Ich weiß das, aber wenn Sie mal am Glimmstängel hängen, ist es sehr schwer, wieder davon loszukommen.« Aber warum ist es denn so schwer, und warum müssen wir überhaupt rauchen? Raucher suchen ein Leben lang nach der Antwort auf diese Fragen.
Manche fürchten sich vor den heftigen Entzugserscheinungen. Doch die wirklichen Entzugserscheinungen bei der Nikotinentwöhnung sind so schwach (siehe Kapitel 6), dass den meisten Rauchern nie bewusst wird, dass sie Drogenabhängige sind.
Manche sind der Ansicht, Zigaretten böten einen intensiven Genuss. Das tun sie nicht. Sie sind schmutzige, ekelhafte Dinger. Fragen Sie doch einen x-beliebigen Raucher, der sich einbildet, er rauche nur wegen des Genusses, ob er auf das Rauchen verzichtet, wenn ihm seine eigenen Zigaretten ausgegangen sind und er nur eine Marke kaufen kann, die ihm überhaupt nicht schmeckt. Raucher würden lieber alte Hanfseile rauchen als überhaupt nichts.
Genuss hat damit nichts zu tun. Mir schmeckt Hummer, aber ich habe nie das Stadium erreicht, dass ich täglich zwanzig Hummer hätte verspeisen müssen.
Andere Dinge im Leben genießen wir, sitzen aber nicht mit einem Gefühl des Elends herum, wenn sie gerade nicht verfügbar sind.
Manche graben tief in der Psyche nach Gründen, nach dem »Freudschen Syndrom«, dem »Kind an der Mutterbrust«. Doch in Wirklichkeit ist es gerade umgekehrt: Wir fangen doch üblicherweise an zu rauchen, weil wir zeigen wollen, dass wir erwachsen und reif sind. Wenn wir vor allen Leuten an einem Schnuller nuckeln müssten, wäre uns das unerträglich peinlich.
Manche glauben, es sei im Gegenteil das Macho-Gefühl, Rauch oder Feuer aus den Nüstern zu blasen. Auch dieses Argument hält nicht stand. Eine brennende Zigarette im Ohr wäre lächerlich. Wie viel lächerlicher ist es, Krebs erregende Teerstoffe in seine Lungen einzuatmen.
Manche sagen: »Es hat etwas mit meinen Händen zu tun!« Warum sollte man sich die Zigarette dann anzünden?
»Es ist eine orale Befriedigung.« Warum dann anzünden?
»Es ist das Gefühl, wie der Rauch meine Lungen füllt.« Ein grässliches Gefühl – man bezeichnet es als Ersticken.
Viele glauben, Rauchen helfe gegen Langeweile. Auch das ist ein Irrtum. Langeweile ist ein geistiger Zustand.
Dreiunddreißig Jahre lang glaubte ich, dass mich das Rauchen entspannte, mir Selbstvertrauen und Mut gab. Gleichzeitig wusste ich, dass es mich umbrachte und ein Vermögen kostete. Warum ging ich nicht zu meinem Arzt und fragte ihn nach einer Alternative, die mir Entspannung, Selbstvertrauen und Mut geben würde? Ich tat es nicht, weil ich wusste, dass er mir eine Alternative vorschlagen würde. Es war nicht mein wirklicher Grund, es war nur eine Ausrede.
Manche sagen, sie rauchen nur, weil ihre Freunde rauchen. Sind sie wirklich so dumm?
Die meisten Raucher, die sich darüber Gedanken machen, kommen irgendwann zu dem Schluss, das Rauchen sei nur so eine Gewohnheit. Auch das ist keine wirkliche Erklärung, doch nachdem alle üblichen rationalen Begründungen verworfen werden mussten, scheint es die einzige Entschuldigung, die noch übrig bleibt. Leider ist auch dieser Schluss ein Trugschluss. Täglich ändern wir unsere Gewohnheiten, darunter auch sehr genussbringende. Meine Essgewohnheiten stammen noch aus meinen Rauchertagen. Ich esse weder morgens noch mittags; ich nehme nur eine Mahlzeit am Tag zu mir, und die am Abend. Doch im Urlaub ist das Frühstück meine Lieblingsmahlzeit. An dem Tag, an dem ich wieder heimkomme, nehme ich ohne die geringste Anstrengung meine normale Gewohnheit wieder auf.
Warum hängen wir an einer Gewohnheit, die schrecklich schmeckt, uns umbringt, uns ein Vermögen kostet, schmutzig und ekelhaft ist und die wir liebend gern ablegen würden, wenn alles, was wir tun müssten, darin bestünde, sie einfach bleiben zu lassen? Warum ist das so schwer? Die Antwort lautet: Es ist nicht schwer. Es ist lächerlich einfach. Sobald Sie die wirklichen Gründe begreifen, warum Sie rauchen, werden Sie damit aufhören – einfach so. Und in spätestens drei Wochen werden Sie sich nur noch wundern, warum Sie überhaupt so lange geraucht haben.
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