Kapitel 24
Am späten Nachmittag schlenderte Philippa
langsam die Hecken entlang. Es war ihr letzter freier Tag, und sie
hatte das Bedürfnis, jeden Augenblick zu genießen. Morgen würden
sie alle zurückkommen, die Mädchen würden lachen und sich
Geschichten von Festen und Tänzen erzählen, und die Pferde würden
voller Energie herumtollen. Und auch die anderen Pferdemeisterinnen
würden nach und nach eintreffen. Sogar Margret war im Ostreich auf
dem Anwesen ihrer Familie gewesen.
Beere trottete neben Philippa her und lief
gelegentlich zu den trockenen Hecken, um einen Geruch oder ein
Geräusch zu erforschen. Der Schnee, der am Morgen gefallen war,
glitzerte auf den Zweigen und den Steinen entlang des Weges. Der
Himmel hatte am Nachmittag aufgeklart, und nun senkte sich die
Sonne auf die Türme der Weißen Stadt. Der Winter hatte ernsthaft
begonnen.
Beere trottete vor ihr in den Stall. Philippa
nahm sich die Zeit, das Wasser in Sonis Eimer zu wechseln und ihr
eine frische Gabel Heu zu geben, dann schlenderte sie zum Wohnhaus.
Es war noch eine Stunde bis zum Abendessen, wo sich die wenigen
Frauen, die an der Akademie geblieben waren, zu einem ruhigen Mahl
in der Küche der großen Halle trafen. Bis dahin konnte sie sich im
Lesesaal entspannen, ein Feuer anmachen und ein bisschen
lesen.
Als sie die Tür öffnete, war sie überrascht,
dort bereits Irina Stark vorzufinden, die vor der Feuerstelle
kniete. Irina legte ein Stück Holz auf die Asche und stocherte mit
dem Schürhaken in den Kohlen, bis es brannte. Sie stand auf und
klopfte sich die Hände ab.
»Guten Abend, Irina«, begrüßte Philippa sie.
»Bist du gerade zurückgekommen?«
Irina nickte. »Vor einer Stunde.«
Philippa setzte sich in einen der Armsessel
neben dem Feuer, öffnete ihr Buch und streckte die Beine in die Wär
me. »Ich hoffe, deiner Familie geht es gut.«
Irina sagte so lange nichts, dass Philippa die
Brauen hochzog und zu ihr aufsah. Die Pferdemeisterin starrte ins
Feuer und mahlte mit ihrem eckigen Kiefer. Schließlich sagte sie
mit tonloser Stimme: »Meine Familie hat letztes Jahr ihr Haus
verloren. Ich habe die Ferien bei einer Freundin in Oscham
verbracht.«
Philippa holte Luft. »Oh, Irina. Das tut mir
leid … ich hatte ja keine Ahnung.«
Irina verschränkte die Arme, drehte sich um und
sah auf Philippa hinunter. »Nein«, erwiderte sie. »Das hattest du
nicht, oder? Niemand weiß etwas über eine Nachwuchslehrerin oder
interessiert sich auch nur für sie.«
»Das ist nicht gerecht«, widersprach
Philippa.
»Gerecht«, antwortete Irina mit ihrer seltsam
mono tonen Stimme. »Nichts, was mir widerfahren ist, ist
gerecht.«
Philippa seufzte im Stillen und unterdrückte den
Wunsch, dass Irina sich mit ihrer schlechten Laune sonst wohin
scheren möge. »Was meinst du damit?«
Irina starrte wieder in die Flammen und schwieg
so lange, dass Philippa schon hoffte, sie würde das Thema fallen
lassen.
Doch dann holte die andere Frau tief und geräuschvoll Luft. »Das
Geschäft meines Vaters ist vernichtet worden«, erklärte Irina. »Ich
habe an der Grenze gedient und täglich Erkundungsflüge über der
Meeresenge geflogen.« Als sie den Kopf hob, erschrak Philippa über
die Verbitterung auf ihrem Gesicht. »Ihr Boten habt keine Ahnung
davon, oder? Ihr mit euren Prozessionen, euren schicken
Vorführungen und Spielen.«
»Das solltest du eigentlich besser wissen,
Irina«, entgegnete Philippa scharf.
»An den Grenzen geht es hart zu«, fuhr Irina
fort. »Wir sind beinahe jede Woche auf den Feind getroffen.«
»Aber du hast keine Ahnung von der Art Dienst,
den Soni und ich geleistet haben.«
»Ich weiß, dass Soni ein Bote ist und meine
Starke Lady ein Kämpfer. Der Prinz bittet nur um Kämpfer, wenn
Gefahr in Verzug ist. Niemand will einen Kämpfer für irgend welche
Vorführungen oder Ausstellungen haben.«
Philippa schnaubte. »Wie albern, deshalb
verbittert zu sein! Du klingst wie eine Erstklässlerin, die sich
über ihre Aufgaben beklagt. Du bist doch viel zu alt für so einen
Blödsinn.«
»Was weißt du denn schon? Eines Tages wirst du
Leiterin werden, und ich werde immer noch Erstklässlerinnen zeigen,
wie man die Richtung wechselt und Hufe auskratzt.« Irina kehrte ihr
den Rücken zu, stolzierte zum Fenster, setzte sich dort auf den
Sessel und blickte hinaus auf den verschneiten Hof. Die Dunkelheit
hatte sich über die Akademie gesenkt, und über dem Stalldach
leuchtete ein blasser, silberner Mond.
Philippa hatte sich nicht gerührt und starrte
auf den breiten Rücken der anderen Frau. Sie hatte keine Ahnung,
was
sie sagen sollte oder ob sie überhaupt etwas sagen sollte. Margret
wüsste sicherlich, was zu tun war, aber …
»Hör zu, Irina.« Sie schritt durch den Raum und
blieb neben Irina stehen. »Vor vierzehn Jahren waren Soni und ich
im Südturm von Isamar, als wir angegriffen wurden. Wir flogen neben
Alana, als Sommerrose von einem Pfeil getroffen wurde. Es war ein
riesiges, dickes, widerliches Ding, wie die Klinge eines Messers,
und sie hatten überhaupt keine Chance. Es hätte genauso gut Soni
oder mich treffen können. In vielen Nächten habe ich mir gewünscht,
ich wäre es gewesen, doch das liegt in
Kallas Hand, nicht in unserer – ebenso wie die Entscheidung, ob wir
an einen Kämpfer oder an einen Boten gebunden werden.«
Irina stieß lautstark die Luft aus. Für Philippa
klang es nach Abscheu.
»Ja«, sagte Philippa ganz ruhig. »Ich glaube,
dass wir uns entscheiden können, zufrieden zu sein. Wenn du lieber
unglücklich sein möchtest, ist das deine Sache. Wenn ich an deiner
Stelle wäre, würde ich mich freuen, dass mein Pferd und ich den
Grenzdienst überlebt haben.«
»Ich kann mir nur wünschen«, erwiderte Irina
dumpf, »dass meine Familie dem Fürsten so nah stünde wie deine.
Dass ich gleich zur Seniorlehrerin ernannt werden würde, so wie du.
Jeder weiß, dass dein Bruder und Fürst Friedrich …«
»Das genügt!«, zischte Philippa. »Mit
Selbstmitleid wirst du nichts gewinnen, Irina. Wenn dir deine
Stellung hier nicht gefällt, dann bitte doch um deine
Versetzung.«
Irina drehte sich im Sessel herum und starrte
mit zu sammengekniffenen Augen zu Philippa hoch. »Warte nur ab,
Philippa«, sagte sie leise. »Warte nur, bis der Fürst stirbt. Wir
werden ja sehen, was dann geschieht.«
Zwei Tage später brachen Philippa und Soni vor
dem morgendlichen Unterricht mit einem aufgeregten Tup zu einem
Flug auf. Die Luft war eiskalt, der Himmel klar und fahlblau.
Larkyn stand, eingerahmt von Beere und Molly, auf der Koppel und
sah aufgeregt zu. Philippa gab dem Fohlen zehn Minuten mehr Zeit
und beobachtete die Kraft seiner Flügelschläge, die Leichtigkeit,
mit der er Sonis Flugformationen folgte. Versuchsweise ließ sie
Soni eine Große Wende fliegen; Tup war nur kurz verwirrt, neigte
dann einen Flügel nach links und folgte ihr. Philippa blickte über
ihre Schulter zu ihm und hätte beinahe laut gelacht, weil die
Haltung seines Kopfes und die aufrechten kleinen Ohren unverhülltes
Vergnügen ausdrückten. Er streckte die langen, schmalen Flügel mit
der Anmut und dem Selbstvertrauen eines reiferen Pferdes und
drängte so stark, dass Soni das Tempo anziehen musste, um vorne zu
bleiben.
Auch Tups Landungen waren sicher und ganz und
gar nicht ungeschickt, wie es sonst so häufig bei Jährlingen der
Fall war. Er schlidderte noch nicht einmal auf der dünnen
Schneedecke, die auf dem Gras lag. Stattdessen galoppierte er mit
hoch erhobenem Kopf neben Soni her, zitterte vor Übermut mit den
Flügelspitzen, und sein Schweif wehte wie eine stolze Fahne im
Wind. Dann zog er an Soni vorbei, galoppierte bis ans Ende der
Koppel, wo Larkyn auf ihn wartete, und kam mit rutschender
Hinterhand zum Stehen, wobei er beinahe mit den Fesseln den Boden
berührte. Philippa und Soni trabten gesetzt hinter ihm her. Beere
sprang über den Zaun und lief ihnen mit freudig heraushängender
Zunge entgegen.
Philippa glitt von Soni hinunter und gab die
Zügel der wartenden Rosella. »Ich hätte Ihnen vor den Ferien raten
sollen, Schwarzer Seraph mehr Gewicht aufzulegen, Larkyn.
Und ich hätte Ihnen einen Sattel mitgeben sollen. Er ist mehr als
bereit.«
Larkyn hatte ein Halfter über Tups Kopf
geschoben und befestigte die Halter an seinen Flügeln. Mit
ungewöhnlich zurückhaltender Stimme fragte sie: »Soll ich denn
jetzt damit anfangen, Meisterin Winter?« Philippa betrachtete sie
misstrauisch. Das Mädchen hielt den Kopf gesenkt und spielte an
einem Flügelhalter herum, der aussah, als sitze er längst
perfekt.
»Ja, bitte«, erwiderte Philippa trocken. Larkyn
warf ihr einen kurzen Blick unter halb gesenkten Lidern zu und sah
dann schnell wieder weg. Philippa seufzte und entfernte sich. Bald
würde sich ihre Klasse versammeln, und sie musste das Tempo ihrer
Ausbildung verschärfen. Der Tag der Prüfung rückte näher; schon
kommenden Sommer würden sie den Höhepunkt ihrer sechsjährigen
Ausbildung erreichen. Natürlich wurden auch die Schülerinnen der
ersten und zweiten Klasse geprüft. Philippa hatte mit Margret
darüber gesprochen, was mit Larkyn geschehen sollte. Es schien kaum
möglich, dass sie die Flugformationen der ersten Klasse bewältigen
konnte. Irina hatte Margret berichtet, dass Larkyn noch nicht
einmal auf dem Pony reiten konnte, ohne herunterzufallen.
Philippa ging durch das Tor, und Rosella und
Larkyn folgten mit den Pferden. Sie trennten sich an der Ecke der
Stallungen, wo Philippa in Richtung Halle abdrehte.
Beere lief neben ihr her, doch als sie die Mitte
des Hofes erreicht hatten, blieb der Oc-Hund stehen, winselte und
drehte den Kopf zurück zu den Pferden.
»Beere.« Philippa strich über den seidigen Kopf
des Hundes. »Du kannst ruhig mit ihnen gehen. Los! Ich habe sowieso
jetzt meine Klasse.«
Beeres Schwanz stand gerade vom Körper ab, er
winselte wieder, rührte sich jedoch nicht vom Fleck. Philippa
blickte zu den Stallungen und versuchte herauszufinden, was den
Hund beunruhigte.
Dann entdeckte sie die untersetzte Gestalt von
Irina Stark, die im Schatten des Mansardendachs stand. Die Lehrerin
schien weder Philippa noch den Oc-Hund zu bemerken, als sie
aufmerksam Schwarzer Seraph beobachtete, den Larkyn aus der Sonne
führte.
Philippa legte ihre Hand auf Beeres Nacken. »Ich
sehe sie«, murmelte sie dem Hund zu. »Ich weiß auch nicht, was das
zu bedeuten hat, Beere, aber ich sehe sie. Geh jetzt. Behalte sie
im Auge.« Beere bellte einmal kurz und lief in Richtung
Stall.
Beunruhigt überquerte Philippa den Hof und stieg
die Stufen zur Halle hinauf.
»He«, sagte Rosella heiter zu Lark, als sie
Futter für die geflügelten Pferde holten. »War Erdlin gut? Wissen
die Leute im Hochland, wie man richtig feiert?«
»O ja. Selbst mein Bruder Edmar hat getanzt.«
Lark grinste.
»Und hat dir der hier keinen Ärger gemacht, weil
er nicht fliegen durfte?« Sie deutete mit dem Kinn auf Tup.
Lark verzog das Gesicht zu einer Grimasse und
schüttelte den Kopf. »Oh, doch, er hat mir Ärger gemacht, Rosella.
Er hat beinahe ein Loch in die Stallwand getreten.«
»Und was hast du getan?«
»Na ja, ich bin mit ihm hinausgegangen und habe
ihn auf der Weide laufen lassen, aber …« Lark beugte sich nah zu
Rosella, bereit, ihrer Freundin zu beichten, dass sie auf Tup
geritten war.
»Larkyn?« Das war die Stimme von Meisterin
Stark. Lark streckte sich und legte einen Finger auf die Lippen.
Rosella nickte.
»Ja, Meisterin«, rief sie. Sie tauchte aus der
Futterkammer auf und trat in den Stallgang, wo die Pferdemeisterin
über die Wand von Tups Stall gebeugt stand und das Fohlen
musterte.
»Beine und Brust von Schwarzer Seraph sind
ausgewachsen«, erklärte Meisterin Stark.
»Ich weiß. Meisterin Winter sagt, er solle
langsam stärker belastet werden.« Lark stellte sich neben ihre
Lehrerin.
»Na, dann sollte er das wohl.«
Lark senkte den Blick und hatte Angst, man
könnte ihr das Geheimnis von ihrem Gesicht ablesen. Tup wimmerte,
und sie nutzte die Gelegenheit, sich zu entschuldigen, in den Stall
zu treten und Getreide in den Eimer zu füllen.
»Ich besorge Ihnen einen Sattel. Wir werden es
gleich versuchen«, erklärte Meisterin Stark.
»Ja, Meisterin.« Als die Pferdemeisterin zur
Sattelkammer ging, lehnte sich Lark gegen Tup. Sie drückte ihre
Wange an seine Schulter und spürte die Muskeln, die sich über
seiner Brust spannten, seinen Flügeln Kraft verliehen und seinen
starken kleinen Körper festigten. Die Hinterläufe bildeten hinter
seinem kurzen Rücken einen eleganten Bogen. Selbst seine Beine
waren muskulös, trotz ihrer schlanken Form.
Meisterin Stark kam mit einem Flugsattel auf der
Hüfte und einer Seidendecke in der Hand zurück. Sie reichte die
Decke über die Mauer und trat dann selbst in den Stall. Tup
schnaufte und zog sich von ihr zurück, woraufhin Lark ihn
überrascht anblinzelte. »Tup«, murmelte sie. »Bleib stehen. Es ist
doch nur ein Sattel.«
Sie legte die Seidendecke über seinen Rücken,
zog sie über seine Rippen und steckte sie unter den Spitzen seiner
gefalteten Flügel fest. Doch als sie zur Seite trat, damit
Meisterin Stark mit dem Sattel an ihn herankam, legte er die Ohren
an. Molly meckerte und zog sich in eine Stall ecke zurück. Lark
vernahm ein Rascheln im Sägemehl des Gangs, blickte auf und
entdeckte, dass Beere um die Ecke gekommen war, mit den
Vorderbeinen auf dem Gatter stand und Meisterin Stark
fixierte.
Die Pferdemeisterin sprach jetzt ernst auf Tup
ein. »Komm schon, Kleiner. Schluss mit dem Unsinn.« Sie trat näher
an ihn heran, doch Tup zog sich bis ganz an die Wand zurück und
hatte die Ohren zurückgelegt. Die Pferdemeisterin zog eine Gerte
aus ihrem Gürtel und fuchtelte damit in der Luft herum.
Plötzlich wirbelte Tup herum und zeigte seine
Hinterläufe. Er hob einen Hinterlauf, als wollte er zutreten, hielt
ihn aber in der Luft und beobachtete Meisterin Stark über seine
Schulter hinweg.
»Tup!«, schrie Lark. »Nicht!«
Meisterin Stark ließ den Sattel ins Stroh fallen
und hob die Gerte, um Tup damit auf den Hintern zu schlagen. Ohne
nachzudenken, sprang Lark nach vorn und hielt die Gerte mit beiden
Händen fest, so dass sie nicht zum Ziel gelangte.
Vor lauter Überraschung ließ Meisterin Stark die
Gerte beinahe fallen. Sie blickte auf Lark hinunter.
»Verschwinde!«, sagte sie in einem schärferen Ton, als Lark ihn
jemals an ihr gehört hatte. »Ich weiß, wie man mit einem boshaften
Fohlen umgeht!«
»Aber er ist gar nicht boshaft!«, schrie Lark.
Meisterin Stark zerrte an der Gerte, doch Lark ließ sie nicht los.
Sie
nahm am Rande wahr, dass Rosella zum Gatter gekommen war.
»Bitte, lassen Sie mich das machen, Meisterin!«,
bat das Stallmädchen. »Er wird mich nicht treten. Ich lasse ihn
daran riechen und gewöhne ihn daran.«
»Unsinn«, erklärte Meisterin Stark.
Tup stampfte mit der Hinterhand auf. Es war ein
ziemlich wuchtiger Tritt, und Meisterin Stark wich ein Stück
zurück.
»Passen Sie auf«, warnte sie, als sich Lark
hinunterbeugte, um den Sattel aufzuheben. »Sie wären nicht das
erste Mädchen, das von ihrem Pferd getreten würde.«
Lark hörte ihre Worte kaum. Sie vernahm Tups
schnelles Atmen, sah seine zuckenden Flanken und wie sich seine
Flügel versteiften. Als sie näher zu ihm kam, roch sie die
Veränderung an ihm, der süße, lebendige Geruch seiner Haut war dem
scharfen Geruch von Angst gewichen. Das ergab keinen Sinn. Tup
hatte doch keine Angst vor einem Sattel, einer läppischen
Ansammlung von Leder, Holz und Metall.
»Wenn Sie ihm den Sattel nicht anlegen können,
nehmen wir ihn mit zur Trockenkoppel, binden ihn dort an und
gewöhnen ihn daran.«
»Das werden wir ganz bestimmt nicht«, murmelte
Lark. Sie hob den Sattel hoch, während sie um Tups Hinterteil
herumlief und sich seiner Schulter näherte.
Der Sattel war nur halb so schwer wie der, den
sie bei Schweinchen benutzte. Dennoch war auch er steif und
rutschig und hatte zahlreiche Bänder und Riemen und ein breites
geprägtes Bruststück. Sie hatte den Sattel auf ihrer rechten Hüfte,
lehnte sich gegen Tups Schulter und streichelte seinen Hals. »Hier,
Tup«, summte sie. »Hier, guter Junge. Sieh nur, was ich hier habe!
Lass uns nur kurz ausprobieren,
wie es sich anfühlt, ja? Hier, guter Junge, hier, es ist nur ein
Sattel. Die siehst du jeden Tag. Nur ein Sattel.«
Tup wimmerte, und sie bedeutete ihm, mit dem
Klagen aufzuhören. Sie trat zurück, hielt ihm den Sattel unter die
Nase, ließ ihn vorne schnuppern, den hohen Hinterzwiesel ablecken
und mit der Nase den Brustgurt untersuchen. In kürzester Zeit
entspannte er sich und hob den Kopf, als wolle er fragen, was als
Nächstes passieren sollte. Lark richtete den rechten Steigbügel und
die Gurte und hob den Sattel hoch auf seinen Rücken, wobei sie
unablässig etwas murmelte. Er akzeptierte das Gewicht, ohne zu
zucken.
Meisterin Stark beobachtete sie mit
verschränkten Armen. Als Lark Tups Kopf herumzog und ihn lockte,
mit dem unbefestigten Sattel ein paar Schritte durch den Stall zu
gehen, räusperte sich Meisterin Stark. »Gut. Dieses Mal hat es
funktioniert, Larkyn. Aber Sie werden eine starke Hand im Umgang
mit ihm brauchen. Es sind noch Pferde, Flügel hin oder her. Man
muss ihnen klarmachen, wer das Sagen hat.«
Andere Mädchen kamen in den Stall. Die Mädchen
riefen sich untereinander etwas zu, und die Pferde wieherten.
Meisterin Stark wurde abgelenkt und sah sich um, wer da gekommen
war.
»Lassen Sie ihn eine Viertelstunde drauf«,
ordnete die Pferdemeisterin an, ohne Lark noch einmal anzusehen.
»Und morgen wieder. Versuchen Sie es mit dem Sattelgurt, aber seien
Sie vorsichtig. Schwarzer Seraph hat einen boshaften
Charakter.«
Meisterin Stark ging an Rosella und dem Oc-Hund
vorbei, und Lark starrte ihr verwirrt hinterher. Als sie weg war,
flüsterte Rosella: »Tup hat keinen schlechten Charakter. Aber ihr
Pferd. Es tritt, wenn man nicht aufpasst, und der Tritt von einem
Kämpfer ist nicht zum Lachen! Ich möchte wetten, Meisterin Stark
hat den Tritt von ihrem Pferd mehr als einmal zu spüren
bekommen.«
»Tup mag sie nicht.« Lark schüttelte den Kopf.
»Ich verstehe das nicht. Er scheint doch jeden anderen an der
Akademie zu mögen. Nur sie kann er einfach nicht ausstehen.«