Hinter der hohen, von der rot brennenden Wintersonne überglühten Klostermauer saß Bradley Reynolds, mit nackten Beinen und ohne ein körperliches Unbehagen zu fühlen. Der brennend heiße tunesische Sand versengte die Seiten seiner Schenkel, aber Bradley zwang seinen Geist, im tonlosen Rhythmus mit den anderen braungekleideten Mönchen zu meditieren, die mit ihm zusammen einen Kreis bildeten. Aber die anderen waren so jung. Es fiel ihm schwer, sein geistiges Auge auf die ewige Leere zu konzentrieren, wenn sein körperlicher Blick ihm immer wieder Bilder von ihren leuchtenden Gesichtern zeigte, mit glatter Haut, vollen Lippen und kristallklaren Augen. Ich war auch einmal wie sie, erinnerte er sich liebevoll, aber da hatte ich noch nicht gelernt, in meiner jugendlichen Maßlosigkeit auch Sanftmut zu üben.
Eine neue Gewalt durchdrang seine selbstauferlegte Einsamkeit. Bradley hörte den schnellen, harten Schlag von sirrenden Hubschrauberrotoren. Resigniert gab er auf, und mit einem kurzen Blick gegen die Sonne erkannte er die plumpe, vollgefressene Gestalt eines Helikopters, der in einer sich verengenden Kreisbahn herniedersank.
Sie hatten es also nicht lassen können, ihn noch einmal zu stören, als wäre das Alter nicht schon Fluch genug. Die Ankunft des Hubschraubers galt ihm; dessen war Bradley sich sicher. Mehr als zehn Jahre waren vergangen, seit sie das letzte Mal hier eingedrungen waren, aber der Teufel wartete eben nie zu lange mit neuen Versuchen.
Die jüngeren Mönche hatten den Helikopter ebenfalls bemerkt, und ihr aufgeregtes Geschnatter erfüllte die Luft. Aus purem Starrsinn verfiel Bradley wieder in sein meditatives Schweigen. Zuerst fiel es ihm leicht, die andere, die äußere Welt zu isolieren – die mit den Stimmen, den schwirrenden Rotorblättern, dem weichen Fleisch und der jungen Haut –, aber als der Hubschrauber sich dem Boden näherte, wirbelte er den Sand hoch, und die winzigen gelben Splitter stachen schmerzhaft in sein braunes, verwittertes Gesicht. Bradley verzog das Gesicht und mußte plötzlich an das Ende denken, wenn die Erde des Grabes auf sein Gesicht herabrieseln würde. Vielleicht würde ihm erst dies – der körperliche Tod – jenes Vergessen bringen, nach dem er sich schon so lange sehnte.
Seit fünfunddreißig Jahren schon ertrug Bradley Reynolds die Abgeschiedenheit des Klosters. Als Jonathon, besessen von seiner Suche nach Wissen, das Sonnensystem verlassen hatte, hatte auch Bradley beschlossen, die menschliche Welt zu verlassen. War er hierhergekommen, um eine Wahrheit zu finden, oder nur, um sich zu verstecken? Diese Frage hatte er nie zufriedenstellend beantworten können, und oft fürchtete er, daß dies der Grund dafür sein könnte, daß die Erleuchtung, so nah sie auch gelegentlich kommen mochte, sich seinem Zugriff doch immer wieder entzog. Der Sand hatte sich gesetzt. Er entspannte sich, und seine meditative Trance verschwand. Das Schwirren hörte auf. Der Hubschrauber war gelandet.
Bradley erhob sich und verließ den zerbrochenen Kreis. Zwei der jüngeren Mönche rannten schon eifrig über den Sand auf den wartenden Helikopter zu. Bradley beobachtete sie kurz; ihre dunklen Kutten flatterten wie die Hügel müder Fledermäuse. An der Seite des Hubschraubers prangte das blau-grüne Emblem des Vereinigten Kongresses. Jemand berührte seinen Arm, als er sich umwandte. Ein hübsches, fleischiges Mädchen von zwanzig Jahren mit kahlgeschorenem Schädel, ebenfalls eine Klosterbewohnerin. Sie war die Tochter eines schwedischen Reeders. Er scherte sich nicht um den Namen, den man ihr gegeben hatte; selbst jetzt noch zogen zu viele Gesichter an ihm vorüber, als daß er sich eines besonders hätte merken können.
„Was … was ist das?“ Ihre Angst überraschte ihn.
„Ein Hubschrauber“, antwortete er sanft.
„Ist es … was glaubst du … ist es ein Zeichen?“
Verwirrt schüttelte er den Kopf. „Nein. Er ist für mich.“ Er tätschelte sanft ihre Hand. „In ein paar Stunden sind sie wieder fort.“
„Als er kam, dachte ich … in meiner Meditation … ich dachte, es sei das Auge Gottes.“
Ihre Offenbarung ließ ihn schaudern. Er wies auf den Hubschrauber. „Nun, es ist nicht Gott.“ Eilig schritt er auf die Steinmauer zu, die die üppige Oase des Klosters von dem rauhen Wüstenboden trennte.
Mit seinen siebenundachtzig Jahren besaß Bradley Reynolds noch die Spannkraft eines Mannes, der eine ganze Generation jünger war. Dieses Privileg verdankte er den Jahren, die er im Weltraum verbracht hatte. Die Schwerelosigkeit hatte sein Inneres liebkost und die lebenswichtigen Organe davor bewahrt, an ihrem eigenen Gewicht zu ersticken. Dennoch war er nicht mehr jung. Immer häufiger geschah es, daß sein Körper sich einfach weigerte, Befehle zu erfüllen, denen er einst automatisch gehorcht hatte. Diese Unsicherheit des Körpers führte natürlich zu einer noch tieferen Unsicherheit des Geistes. Menschen starben, so glaubte er, letzten Endes aus Gründen, die sie sich selbst schufen, aber Bradley gab sich nicht auf. Er war diesem Problem zum ersten Mal vor fünfunddreißig Jahren begegnet: etwas Sinnvolles zu entwickeln, um ein strahlendes Alter zu verleben. Sollte er sich mit gekreuzten Beinen hinsetzen und seinen Geist zum Glauben mesmerisieren, oder sollte er das Universum durchsuchen, durchforschen und durchstöbern nach dem rechten Zeichen, dem einen, kostbaren Kiesel, der die augenblickliche Offenbarung des Ganzen brächte? Als er jung war, hatte er das letztere versucht; im Alter neigte er zu ersterem. Und jetzt, da der Tod unerbittlich näherkam, erschienen ihm beide Methoden lächerlich. Ohne Zweifel habe ich versagt, dachte er, denn den Beweis dafür hatte er unübersehbar in dem unschuldigen Staunen der jungen Klosterschwester gefunden: In ihrer Welt gab es einen Gott, in seiner nicht. Er konnte ihrer klammernden Umarmung nicht entrinnen.
Bruder Ling, dessen weiße Kutte achtlos den Staub aufwirbelte, trat Bradley hinter dem Innentor entgegen. Bradley hatte Ling mehr als drei Jahrzehnte lang geliebt und ihm gedient, aber danach kannte er diesen zierlichen, gelben Mann nicht besser als zuvor. Warum muß ich mich heute mit solchen trostlosen Gedanken quälen? fragte er sich. Es mußte an dem Hubschrauber liegen. Auch diesen Schmerz würde er ihnen zum Vorwurf machen.
„Ja, sie sind wieder meinetwegen gekommen“, sagte er zu Ling, denn er wußte, daß dieser nach dem Hubschrauber fragen wollte.
„Und du wirst mit ihnen sprechen?“
„Ich – nein.“ Dann nickte er. „Nein, schick sie in meine Zelle.“
Das Kloster war aus den Ruinen eines alten Maurentempels erbaut worden. Die Steine waren vom Alter verwittert, und doch hatte die tödliche Gleichförmigkeit der Wüstenumgebung sie konserviert. Jede Nacht stieg Bradley auf die Spitze des östlichen Turmes und betrachtete die Sterne. Das sollte eine Abschiedsgeste sein, mit der er das Universum, das er einst bewohnt hatte, verließ und ein anderes betrat; aber in der nächsten Nacht kam er dann doch wieder zurück und starrte nach oben.
„Sie sollten dir deine Ruhe lassen, Bruder Bradley.!“
„Vielleicht – aber sie werden es kaum tun.“
„Sie glauben, du wirst dort draußen gebraucht.“
„Niemand wird jemals gebraucht, Bruder Ling.“
Seine Zelle war natürlich völlig kahl. Eine saubere Decke lag ordentlich zusammengefaltet in einer Ecke. Bradley setzte sich mitten auf den Boden und ließ die Tür offen stehen. Sein bärtiges Kinn ließ er müde auf die Brust sinken. Er lächelte. Automatisch war er in die Technik verfallen, die schon vorher gute Dienste getan hatte. Es war eigentlich nicht notwendig gewesen, hierher zu kommen; er hätte draußen bleiben und sie dort empfangen können. Aber dies war sein Revier – sein Schlupfwinkel –, und diese schützende Leere gab ihm Kraft. Wenn sie kamen und ihn fanden, einen gebeugten alten Mann, der auf dem steinernen Boden einer kahlen Mönchszelle hockte, würden sie sogleich verstehen, daß sie gescheitert waren.
Diesmal kam nur ein einziger Mann. Bradley sah den Schock in seinem Gesicht und las seine Gedanken: Kann dies Bradley Reynolds sein? Der erste Mensch auf dem Mars? Der Mann, der mit den Aliens sprach? Der Mann, den wir brauchen, um die Welt zu retten? Bradley erinnerte sich mit Vergnügen an einen Tag vor zwölf Jahren, als Vonda Kelly gekommen war. Ihr Besuch war ihm tiefer im Gedächtnis geblieben als die der anderen, denn sie hatte eine ganze Nacht lang versucht, ihn zur Rückkehr zu bewegen, und dabei hatte sie sogar Sex eingesetzt. Bruder Ling hatte ihn gründlich gezüchtigt, weil er nicht vermocht hatte, ihr zu widerstehen. Aber das Alter ließ einen Mann dort unten schließlich nicht verdorren. Es machte es höchstens leichter, sich auf die weniger körperlichen Aspekte des Daseins zu konzentrieren.
„Dr. Reynolds, ich …“
„Sagen Sie einfach Bradley. Der andere Name – es ist nicht mehr meiner.“
„Sir, mein Name ist Carr, und man hat mich beauftragt, Sie um Ihre Anwesenheit …“
„Nein. Ich bin niemals irgendwo anwesend außer hier.“ Bradley sah, daß er das Spiel bereits gewonnen hatte. Dieser Carr, so unbedeutend wie alle niederen Bürokraten, zögerte. Weil er sich nirgendwo hinsetzen konnte, trat er nervös von einem Fuß auf den anderen. Vor seinen Augen saß Bradley wie angewurzelt am Boden und hatte die Situation völlig in der Hand.
Schließlich faßte Carr sich ein Herz. „Ich habe eine Vorladung.“
Bradley streckte die Hände aus. „Verhaften Sie mich.“
„Ich bin sicher, das wird nicht notwendig sein.“ Carr ignorierte die Handgelenke, die sich ihm darboten. „Wir brauchen nur eine Stellungnahme von Ihnen. Da die ganze Angelegenheit letztlich von Fragen der Zweckmäßigkeit abhängt, könnte Ihre Autorität vielleicht den Ausschlag geben.“
Bradley, der seit fünfunddreißig Jahren keine Nachrichten mehr gehört hatte, fragte: „Wovon reden Sie?“
„Na, von dem Alpha-Libra-Signal. Dem Puzzle.“
Bradley spürte, daß ihm die Situation zu entgleiten drohte. In dem, was Carr sagte, lag etwas Beunruhigendes. Seine Worte schienen zu vibrieren von einer Bedeutung, die weit über ihre oberflächliche Unverständlichkeit hinausging.
Er schwankte unsicher. Schließlich gewann seine Neugier die Oberhand. „Das müssen Sie mir erklären.“
„Ich kann es Ihnen zeigen.“ Carr zog ein Photo aus der geräumigen Tasche seines Mantels. „Das ist es.“
Wieder wich Bradley zurück, aber schon lag das Photo kühl in seinen Händen, und er konnte nicht umhin, es zu betrachten.
„Ein Funkraster“, sagte er, ohne zu zögern.
„Sie meinen, Sie haben es wirklich noch nicht gesehen?“ fragte Carr verblüfft.
„Wann wurde das aufgefangen?“
„Vor zwei Monaten.“
„Und hat man es entziffert?“
„Nur diesen Teil.“ Carr wies in eine Ecke des Photos. „Wir glauben, dies ist ihr Planetensystem. Und das dort – das muß ihre Heimatwelt sein.“
„Das ist ein Riese“, sagte Bradley.
„Das ist das Problem.“
„Dann müssen sie …“ Er zuckte heftig die Achseln, als werfe er ein schweres Gewicht ab. „Wer weiß?“
„Wir wollen es herausfinden. Ihre Stellungnahme … eine Konferenz des Ausschusses für Wissenschaft und Astronautik … und vielleicht sieht dann alles anders aus.“
Er brauchte nicht zu fragen, wie. Sie hatten einen Fehler begangen, aber wie sollte er das erklären? Carr wollte eine Stellungnahme von ihm, seine Unterstützung, sein Gewicht, aber der Mann, den sie suchten, war nicht mehr hier: Bradley Reynolds, die Legende, der Spaceman, ein Wesen aus einer anderen Zeit. Wie sollte er Carr beibringen, daß jener jüngere Bradley für den älteren Bradley, den alten Mönch, der ihm jetzt gegenübersaß, genau dies war: ein undeutliches Gesicht in einem wirren Strang verblichener Erinnerungen, ein vergilbtes Photo, eine fremdartige, entfernte Episode aus einer verwitterten Geschichte? Manches von dem, was jener jüngere Mann getan hatte, konnte er verstehen, aber niemals würde er einfach in seinen straffen Körper schlüpfen oder die gleichen leichten, springenden Gedanken entwickeln können. Seine Lider waren jetzt dunkel und runzlig, seine Nase war fleischig, und seine Haut hatte einen leichten Oliventon angenommen. Wir sind mehr als nur Passagiere in der Hülle eines Körpers, dachte er. Das Fleisch formt und verzerrt uns, wirbelt uns herum und richtet uns dahin, wo die Korpuskel, Arterien und Drüsen es verlangen. Die Tatsache, daß der von seinem Körper gesetzte Kurs sich mit der Zeit verlagert hatte, schien kaum von Bedeutung. Der Geist im Innern lernte, vergaß und sortierte Details und Erinnerungen, ohne je zu erfahren, wie der Körper – immer schweigend, immer unangefochten herrschend – diese Dinge abgewogen hatte, bevor er sie zum Bewußtsein brachte. Der Geist erlag Illusionen, der Körper niemals. „Ich bin zu alt“, sagte er zu Carr.
„Zu alt zum Reden?“
„Ja. Weil ich das nicht bin. Ich bin nicht mehr dieser Mann.“
„Aber die alten Leute verehren Sie immer noch.“
Das hatten die anderen auch gesagt. Die Alten und die Sterbenden, deren Zahl so aufgebläht und deren Isolation so starr war, daß sie eine eigene, weltweite Subkultur entwickelt hatten – sie hatten Bradley Reynolds zu ihrem Helden erhoben. Warum? Für sie, für die Müden, die Verbrauchten, die Antiken, strahlte er wie ein fernes, helles Leuchtfeuer – der Mann, der alles getan und es dann fortgeworfen hatte.
„Lassen Sie mich allein.“
„Ich fürchte, ich kann ein Nein nicht akzeptieren. Es geht hier um die Zukunft der menschlichen Rasse.“
Carr griff wieder in die Tasche. Noch einmal die Vorladung? Oder eine Pistole?
„Ich habe nicht nein gesagt. Ich habe gesagt, lassen Sie mich nachdenken!“
Unter der Gewalt von Bradleys Wutausbruch wich Carr zurück zur offenen Tür. „Bis wann?“ rief er vom Gang herein.
„Ich werde Ihnen antworten, wenn es dunkel wird“, versprach Bradley.
Aber es dauerte länger, viel länger, denn er war gezwungen, den Glauben und das Handeln von fünfunddreißig Jahren in seine Überlegungen einzubeziehen. Er saß auf dem Boden seiner Zelle und benutzte die Methoden der Gegenwart, um seine Sehnsüchte der Vergangenheit zu erforschen. Er studierte seine nackten Unterarme, die so knorrig wie alte Ulmen waren, und versuchte dabei, eine einzige Kette von rationalen Gedanken zu erfassen und zu verfolgen. Trotz der harten Steinplatten, auf denen er saß, schien die Welt zu zerschmelzen; die Luft kräuselte sich in unsichtbarer Aktivität. Ereignisse wiederholen sich und kehren wieder, dachte er – Ereignisse und Menschen und Ideen bilden sich wieder und wieder, entwirren und verschlingen sich, wirbeln im Kreis, in endloser Wiederkehr. Man darf sich nicht vor der Rückkehr in die Vergangenheit fürchten. Alles fließt von allein und ohne natürliche Grenzen. Die Forschung bleibt eine Aufgabe ohne Ende. Aber Bradley fühlte, daß das nicht alles sein konnte. Die Ereignisse waren wie eine Speerspitze, und die Zeit und das menschliche Leben waren auf etwas gerichtet. Er weigerte sich, den Menschen als animiertes Senfkorn zu sehen, das geboren wurde, um zu wachsen und zu sterben und dabei Abbilder seiner selbst in endloser Folge hervorzustoßen. Die idiotische Wiederholung der Biologie konnte kein Symbol für die Menschheit sein. Es mußte einen Vektor geben.
Viele Stunden lang saß er in der schattigen, kalten Zelle, während der Winterregen auf das unsichtbare Land herunterprasselte. Zornige, dunkle Wolken kochten am Horizont auf, und ruhelose Vögel zwitscherten und kreischten. Ihm war, als treibe er ertrinkend in der süßen, schweren Luft Afrikas.
Dann rührte sich etwas in ihm. Es war spät, fast schon Mitternacht. Die Antwort traf ihn wie ein Blitz der Erkenntnis. Es hätte die Erleuchtung sein können, aber es war nur:
Ein Planet. Eine riesige Welt. Bänder von Licht und Farben.
Jupiter, erkannte Bradley, und sogleich fügten sich die Myriaden von Fragmenten säuberlich zusammen, und die Lösung lag vollständig vor ihm.
Bradley lächelte.
Wenn das Alpha-Libra-Signal wichtig für die menschliche Existenz war, dann war Jupiter der Nexus für jedes ernsthafte Studium dieses Rätsels. Er würde vor dem Kongreßausschuß erscheinen. Zunächst würde er idealistisch reden. Der Mensch war nicht allein in der Galaxis. All die wunderbaren Dinge, die man von einer anderen Intelligenz würde lernen können. Dann, wenn er ihre Aufmerksamkeit gefesselt hätte, würde er flugs die Einrichtung eines Laboratoriums im Orbit des Jupiter empfehlen, mit einer ständigen Besatzung, die von dort aus die Geheimnisse jener mysteriösen Welt würde ergründen können.
Sollten sie ablehnen, würde er hierher in das dumpfe Schweigen Afrikas zurückkehren.
Sollten sie seinen Vorschlag aber annehmen, würde er selbst gehen. Das konnten sie ihm nicht verweigern. Er wußte von den mißverständlich als Anti-Senilitätsgesetze bezeichneten Verordnungen, die jede Diskriminierung aus Altersgründen verboten. Er würde ihre eigenen politischen Gesetze gegen sie verwenden. Es lebte niemand mehr, der für die Arbeit im Weltraum besser qualifiziert gewesen wäre als Bradley Reynolds. Er war zu alt – vielleicht –, aber diesen Einwand konnten sie nicht mehr gegen ihn geltend machen.
Bradley stand auf. Das Ende war zu nahe, um noch hierzubleiben. Die Zeit war gekommen, den Kreis seines Lebens zu schließen. Konnte es einen besseren Tod geben, als zu tun, zu denken und zu sehen, was alt und was neu war? Die Erschöpfung würde ihn schließlich zu Boden drücken, aber nur der rauhe, kantige Schleifstein des Lebens konnte seinem Bewußtsein eine neue, scharfe Schneide geben. Ließen sich denn alle Geheimnisse dadurch lösen, daß man mit tauben Beinen auf diesem kalten Steinboden saß? Für manche vielleicht – für Bruder Ling oder für dieses großäugige Mädchen –, aber nicht für ihn.
Als Bradley auf die offene Tür zuging, befolgten seine Beine automatisch die Befehle seines Hirns. Er verspürte weder Steifheit noch Schmerzen, als er ging.
In der Tür hielt er noch einmal inne. Die Zeit hier war kein Verlust, dachte er. Ich habe gelernt. Erst lernen, dann handeln. Der Augenblick war gekommen, wieder aufzutauchen.
Er fand Carr in der Hauptkammer, wo er voller Unbehagen saß und mißtrauische, beinahe ängstliche Blicke auf die schweigenden Mönche warf, die dort in einer Reihe hockten. Bradley sagte mit klarer Stimme: „Ich komme mit Ihnen, sobald Sie fertig sind.“
Nur Bruder Ling sah auf, als er sprach.