V
Das Schiff, das mich im Juni 1665 von Cambridge nach Hause brachte, war ein abgetakelter alter, mit Werg geflickter Heringsfänger, doch in meinen Augen stand es unter Gottes besonderem Schutz.
Das Wetter war klar und ruhig. Ich stand auf dem Vordeck, hielt mich an der Reling fest und schaute angestrengt nach Osten, um auch ja nicht den ersten Blick auf die Insel zu verpassen, die ich fünf Jahre zuvor so ungern verlassen hatte. Joel war an meiner Seite, erfüllt von einer Sehnsucht, die wahrscheinlich noch größer war als die meine. Mein Herz machte einen Satz, als er mit scharfen Augen als Erster den zarten Strich ausmachte, an dem man die Insel erkannte. Zuerst wurde jener Strich zur flachen Erhebung, dann zu einer deutlich erkennbaren Klippe und schließlich zu dem breiten Küstenstreifen, an dem ich die glücklichsten Tage meiner Kindheit verbracht hatte. Ich rief Samuel, der Ammi Ruhama auf dem Arm hielt, etwas zu. Er blickte auf und sah die Insel in der Ferne zwischen den Brechern aufragen. Aus seinen Augen sprachen Liebe und die Freude über mein Glück.
Als wir von Bord gingen, hieß uns eine große Menschenmenge willkommen: Großvater, kaum vom Alter gezeichnet; Tante Hannah, gebrechlich und runzlig, die gestützt von einigen ihrer Enkel zur Anlegestelle gehumpelt war. Makepeace, geschmeidig wie eine Hauskatze, an der Hand seinen jungen Stiefsohn und neben sich seine Frau Dorcas mit ihrer gemeinsamen kleinen Tochter im Arm, die sie nach Solace benannt hatten. Ein wenig hinter dieser ersten Gruppe von Wartenden standen Iacoomis, seine Frau und all die Kinder, eine deutlich angewachsene, gesunde Schar. Während ich von meiner eigenen Familie umringt wurde, schaute ich zu Joel hinüber, sah mit Freude, wie die Kinder um ihn herumwuselten und das jüngste gleich versuchte, in seine Arme zu klettern, während die älteren ihm anerkennend die Hand auf den Rücken oder die Schulter legten, denn sie alle brannten darauf, den frischgebackenen Harvard-Absolventen bei seiner Heimkehr zu feiern. Seine Mutter Grace legte ihre fleischige Hand auf seine schmale Leibesmitte und schnalzte missbilligend mit der Zunge, weil er so abgemagert war. Und in der Tat war nichts mehr von dem pummeligen Jungen übrig, der damals die Insel verlassen hatte. Man sah seiner Mutter an, dass sie sich sogleich vornahm, ihn in den kommenden Wochen aufzupäppeln.
Ich dachte an Caleb. Bei ihm gab es niemanden, der sich so um ihn kümmern würde. Schweren Herzens hatte er beschlossen, in Cambridge zu bleiben, obwohl die Abschlussstudenten in der Zeit zwischen der Disputation und der Feier frei hatten. Von seinem einzigen engeren Verwandten, Tequamuck, konnte man wohl kaum erwarten, dass er seinen ehemaligen Lehrling, der mittlerweile in den höchsten Kreisen der englischen Gesellschaft verkehrte, mit Freuden willkommen hieß. Ich weiß nicht, ob Caleb seinen Onkel fürchtete oder ihm aus alter Zuneigung eine Konfrontation mit seinem Verlust ersparen wollte. Doch was ich wusste, war, dass die ungewohnte Trennung von seinem Freund, noch dazu in einer solchen Zeit der Freude und des Feierns, beide viel Überwindung kostete. Aber ich wusste auch, dass Joel Caleb nicht gedrängt hatte, mitzukommen, denn er verstand schließlich besser als jeder andere, welcher Riss sich durch Calebs Leben zog.
Joel lachte und scherzte mit seinen Leuten, doch es war nicht zu übersehen, dass er dabei die Blicke über die Anlegestelle schweifen ließ. Bestimmt suchte er nach Anne. Ihr Treffen kam jedoch erst am Nachmittag, als die Familie Merry sie von der Plantage holte. Am Abend des folgenden Tages vollzog Großvater ihre Trauung. Anne war, wie bereits früh zu erahnen gewesen war, zu einer Schönheit geworden. Längst blickten ihre grünen Augen nicht mehr scheu zu Boden, sondern schauten selbstbewusst und voller Freude in die Welt hinaus. Joel ließ sie fast nie aus den verträumten Augen. Das Fest war wunderbar. Meiner Schätzung nach kam etwa die Hälfte des Stammes der Takemmy, einschließlich des sonquem, nach Great Harbor, um mitzufeiern, wobei sie im Gepäck die herrlichsten Leckereien hatten, um Iacoomis’ bereits üppig gedeckte Tafel noch zu bereichern. Nur die Aldens und ihre Anhänger hielten sich fern, obwohl sich auch einige ihrer Gefolgsleute, angesteckt von der überbordenden Fröhlichkeit, den Feierlichkeiten anschlossen.
In der Kühle jenes Morgens hatte ich Ammi Ruhama bei Samuel gelassen, denn ich wollte nach Speckle schauen. Als ich ihr das Zaumzeug anlegte, berührte sie mich mit ihren Nüstern und trappelte aufgeregt mit den Hufen, voller Vorfreude auf unseren Ausritt. Ich spornte sie nicht an, sondern ging langsam im Schritt, weil ich mir all die Veränderungen auf der Insel anschauen wollte, die die Jahre mit sich gebracht hatten und die besonders groß im Umland unserer Siedlung waren. Die Wildnis, die noch während meiner Kindheit gleich hinter den Stadtgrenzen begonnen hatte, war von Jahr zu Jahr immer weiter zurückgedrängt worden. Jetzt gab es mehrere Meilen gerodetes Land, das weit aus Great Harbor hinausführte. Noch weiter draußen markierten Baumstämme die Waldgebiete, in denen die Siedler ihr Heizmaterial holten. Viele Morgen Land waren in Weideland verwandelt worden, so dass die Herden, die dort grasten, deutlich größer geworden waren.
Ich war froh, als wir endlich zu unberührten, schattigen Wäldchen kamen, die mit hohen Buchen und duftendem Sassafras bestanden waren. Gierig atmete ich die Düfte meiner Kindheit ein und betrachtete das vertraute Spiel des Lichts zwischen den Blättern. Lange saß ich an Vaters weißem Steinhügel, der mittlerweile doppelt so hoch war wie ich selbst und im Sonnenlicht glitzerte. Als wir den Strand im Süden erreichten, fiel Speckle von selbst in Galopp, und ich ließ sie durch die Brandung laufen, bis sie müde wurde.
In den folgenden Tagen ritt ich aus, so oft ich konnte – manchmal allein, oft auch zusammen mit Samuel und dem Kleinen. Ich wollte meine Erinnerungen mit ihnen teilen, soweit es mir möglich war. Doch einige Dinge behielt ich auch für mich, und wenn Samuel mich manchmal dabei ertappte, wie ich gedankenverloren in die Ferne schaute, drängte er mich nicht, ihm alles zu verraten, was mir durch den Kopf ging.
Während der Sommer allmählich ins Land ging und die Ernte reifte, wäre es mir schier unmöglich gewesen, die Insel wieder zu verlassen, hätte es nicht die große Abschlussfeier von Caleb und Joel gegeben, die uns nach Cambridge zurückrief. Wir hatten uns einen, wie ich meinte, wunderbaren Plan ausgedacht, um Joels Freude an diesem Tag noch zu vergrößern. Es war nötig für ihn, vor uns abzureisen, da er, wenn er tatsächlich zum Jahrgangsbesten erklärt wurde, eine Rede schreiben und sich mit den vielen Ritualen auseinandersetzen musste, die an diesem Tag auf ihn zukamen. Gleich mit der nächsten günstigen Strömung sollte eine Bark in See stechen, bis zum Rand gefüllt mit den Erzeugnissen der Insel – Walkstoff für den Winter, Fässer mit gesalzenem Kabeljau, bündelweise Sassafras-Wurzel, die in England zur Linderung für die Übel der Franzosenkrankheit begehrt war. Der Kapitän war damit einverstanden gewesen, Joel auf seinem Schiff mitzunehmen. Wir verabschiedeten uns mit der Gewissheit, uns vierzehn Tage später in Cambridge wiederzusehen, und planten insgeheim, dann Iacoomis als Überraschungsgast zu den Feierlichkeiten mitzubringen.
Anne und ich gingen gemeinsam zur Anlegestelle, um ihm Lebewohl zu sagen. Ich hielt mich etwas abseits, um sie ein paar Augenblicke allein zu lassen. Die Köpfe ganz nah, standen sie da, das Sonnenlicht schimmerte auf ihrem glatten schwarzen Haar. Dann ging Joel an Bord, die Segel bauschten und blähten sich in der frischen Brise, und Anne blieb am Dock stehen und schaute ihm hinterher, bis die Bark hinter der Landzunge verschwand und nicht mehr zu sehen war. Wenn ich später in meinem Kummer nach irgendeinem Hinweis darauf suchte, dass etwas schiefgehen würde, dann glaube ich mich zu erinnern, dass die Bark sehr tief im Wasser lag. Doch vielleicht trügt mich mein Gedächtnis, und es war nur ein Gedanke, der mir später kam, als längst alles geschehen war.