Der erste Mai brach an. Es war ein wunderschöner warmer Morgen, und Lillyth bat Guy, seine Arbeit für einen Tag zu vergessen, damit sie den Tag zusammen verbringen konnten. Lillyth packte einen Picknickkorb, und sie ritten durch die Wiesen und die Wälder, den Fluss hinauf, ehe sie einen abgeschiedenen Platz unter herrlich belaubten Bäumen gleich am Wasser wählten. Sie stiegen von ihren Pferden ab und ließen diese frei laufen, damit sie das süße Gras abweiden konnten. In ihrer abgeschiedenen Lichtung lagen sie mit verschränkten Händen im Gras.
»Guy, sieh dir einmal die Hummel auf dem Löwenmaul an. Beobachte sie genau. Sie kriecht in die Blume hinein, die Blüte wird sich hinter ihr schließen, und wenn sie die Pollen gesammelt hat, wird sie versuchen, wieder hinauszukommen. Es ist das Komischste, was du je gesehen hast. Da kommt sie, sie kriecht rückwärts.« Lillyth streckte den Finger aus, um die Hummel zu berühren.
»Nicht, sie wird dich stechen.« Er zog ihre Hand zurück.
Lillyth lachte. »Natürlich wird sie mich nicht stechen. Sie würde sterben, wenn sie jemanden sticht, das tut sie nur als letzten Ausweg, wenn sie sich fürchtet oder wenn sie verletzt wird.«
»Woher weißt du all diese Dinge, mein Schatz?«
»Ich habe die Natur schon immer geliebt. Im Sommer sitze ich stundenlang und beobachte alles.« Sie rollte sich auf den Bauch. »Sieh dir nur die Glockenblumen unter den Bäumen an. Sie breiten sich wie ein Teppich aus, und rieche nur - ah, himmlisch.«
»Soll ich dir welche pflücken?«, fragte er.
»Oh, nein. Sie verwelken so schnell ohne Wasser, und sie sehen viel schöner aus, wenn sie natürlich wachsen.«
Er hob den Deckel des Korbes. »Hier, du kannst etwas Wasser in diesen Behälter geben, dann bleiben sie frisch. Geh und pflück ein paar davon.«
Mit liebevollem Blick beobachtete er sie, als sie sich anmutig unter den Bäumen bewegte und sehr darauf achtete, keine der Blumen niederzutreten. Lachend kam sie zurück. »Meine Hände sind ganz klebrig von dem Saft der Blüten. Ich werde sie mir im Fluss waschen.«
Sie winkte Guy zu, mit ihr zu kommen. »Sieh dir nur die wunderschönen Schmetterlinge an, die über dem Wasser tanzen.« Sie streckte die Hand aus. »Komm zu mir, Schmetterling!«
»Papillom werden nicht wie ein Hund zu dir kommen, wenn du sie rufst, du dummes Kind.« Guy lachte leise.
»Ich kann einen anlocken, sieh nur!« Lillyth streckte den Arm ins Wasser und hielt ihn dann den Schmetterlingen hin. Beinahe sofort landete einer von ihnen auf ihrem Arm, und sie lächelte Guy an.
»Das ist ein Wunder«, behauptete er ungläubig.
»Nein. Er ist durstig, sieh nur genau hin. Er wird einen winzigen Schlauch aus seinem Mund stecken und die Feuchtigkeit von meinem Arm trinken.«
»Wieso weiß ich solche Dinge nicht?«
»Nun ja, du weißt viele andere Dinge, von denen ich überhaupt keine Ahnung habe, also gleicht sich das aus.«
»Magst du es, wenn es sich ausgleicht?« Er lächelte sie an.
»Oh, ich mag es, wenn du im Hintertreffen bist«, spaßte sie. »Wenn du die Natur genau beobachtest, dann kann sie dich wertvolle Lektionen lehren«, erklärte sie. »Zum Beispiel diese beiden Spatzen drüben in dem Rotdornbusch.« Sie deutete in die Richtung.
»Ich weiß genug über die Natur um zu sehen, dass er sich mit ihr paaren wird.« Er griente.
»Genau da irrst du dich, mein Lord.« Sie warf ihm einen triumphierenden Blick zu. »Sie will ihn gar nicht haben, siehst du, wie sie mit ihm schimpft und nach ihm pickt? Sie wird es nicht zulassen, dass er sich mit ihr paart, bis er ein Nest gebaut hat, in das sie ihre Eier legen kann. Für sie ist es die gleiche Sicherheit, die eine Ehe für mich ist.« Sie berührte liebevoll sein Gesicht.
»Was kannst du mir sonst noch zeigen?«, wollte er wissen.
»Nun, mal sehen, ob ich etwas finde.« Sie drehte die Blätter an einem Busch um, bis sie gefunden hatte, was sie suchte. Es war eine pelzige Raupe. Sie riss das Blatt ab, auf dem die Raupe saß und brachte es Guy »Wenn du jetzt ganz still bist und ganz genau hinhörst, kannst du hören, wie die Raupe das Blatt frisst.«
»Lillyth, das sind alles Lügen, du willst, dass ich dir alles glaube!« Er warf das Blatt beiseite und griff nach ihrer Hand. »Komm, wir werden schwimmen, hier kann uns niemand sehen.«
»Das Wasser ist viel zu kalt für mich, Liebling. Du kannst schwimmen, und ich werde dir zusehen«, drängte sie ihn. In der Tat sah sie fasziniert zu, wie er sich auszog. Seine Haut war olivbraun, als wäre er ständig von der Sonne gebräunt. Für Lillyths Augen war sein Körper herrlich. Er hatte ein paar alte Narben aus den Schlachten, doch das trug noch zu der mächtigen Kraft bei, die sein nackter Körper ausstrahlte. Er lief zum Wasser und tauchte unter. Alle seine Bewegungen waren anmutig, als er durch das Wasser glitt und dabei kaum spritzte. Er erinnerte sie an einen Otter, den sie einmal gesehen hatte, der geschmeidig durch das Wasser geglitten war.
»Du hattest Recht«, rief er ihr zu. »Es ist ziemlich kalt.« Er watete aus dem Fluss und schüttelte das Wasser von seinem Körper. Dann kam er zu ihr, blieb vor ihr stehen und zeigte ihr seine ganze Männlichkeit. Sie wollte seine starken Arme um ihren Körper fühlen, und sie stellte sich schon vor, wie es wäre, wenn sie ihre Schenkel um seinen schlanken, gebräunten Körper schlang. Sie holte das Leinentuch aus dem Korb und streckte vorsichtig die Hand aus, um ihn abzutrocknen, doch als sie seinen Körper berührte, erwachte die Leidenschaft in ihm, und schon im nächsten Augenblick lag er neben ihr im Gras und zog sie aus, bis sie genauso nackt war wie er. Er bedeckte ihren Körper mit Küssen, angefangen bei ihren Zehen, über ihre Beine, ihren Bauch, bis hin zu ihren Brüsten, die sehr groß und fest im frühen Stadium ihrer Schwangerschaft waren. Sie blieb nicht still liegen, sondern streichelte seinen Rücken, bis hin zu seinem festen Po. Als sie mit der Zungenspitze über seine harten Brustwarzen strich, richteten sie sich auf, genau wie ihre. Sanft schloss sich ihre Hand um ihn, sie neckte ihn, bis er es nicht länger ertragen konnte, ehe sie ihm erlaubte, in sie einzudringen. Schon sehr schnell wurden seine Stöße hart, seine Stimme rau vor Leidenschaft, bis sie sich unter ihm wand und pulsierte. Sie fühlte den harten Boden unter ihrem Körper und nicht das weiche Bett, an das sie gewöhnt war. Vielleicht war das auch der Grund dafür, dass es ihr vorkam, als würde er noch tiefer in sie eindringen als sonst. Die Eindringlichkeit seiner Stöße wurde beinahe unerträglich, und als sie dann gemeinsam den Höhepunkt der Erfüllung erreichten, schrie sie auf und erschlaffte dann in seinen Armen.
Später lag sie mit dem Kopf in seinem Schoß, und er fütterte sie mit Leckerbissen aus dem Korb. Ihre Augen blitzten schelmisch. »Die Angelsachsen haben ein Lied, das sie am ersten Mai singen. Möchtest du es hören?«
Er nickte.
Sie hob den Kopf und flüsterte in sein Ohr. »Hurra, hurra, der erste Mai ist da. Heute beginnt das Bumsen im Freien zum ersten Mal!«
Er sah sie streng an. »Ich glaube, du genießt es, mich zu schockieren.« Doch seine Mundwinkel zuckten, und er konnte das Lächeln nicht unterdrücken.
»Das war einer der glücklichsten Tage meines Lebens, mein Liebling«, gestand sie ihm leise. Er griff nach ihrer Hand und zog sie an seine Lippen.
Ihr Glück sollte schon bald zerstört werden.
Die Pferde trotteten am späten Nachmittag langsam auf den Stall zu. Die Sonne ging unter, und die Schatten wurden länger. Guy und Lillyth summten ein französisches Chanson, als sie eine kleine Gruppe von Menschen entdeckten, die auf sie zugeritten kam. Als sie auf dem Hof angekommen waren, stellten sie fest, dass ihre Besucher Madame St. Denys mit einem ihrer bewaffneten Ritter waren. Bei ihnen befand sich jedoch ein Fremder. Die Witwe von St. Denys deutete auf Guy, der Fremde stieg von seinem Pferd und wandte sich dann auf Französisch an Guy
»Mein Lord Guy de Montgomery?«
»Der bin ich.« Guy nickte.
»Den Heiligen sei Dank. Seit über vier Monaten versuche ich Euch zu finden. Ich bringe Nachrichten von Eurer Lady, Eurer Ehefrau aus der Normandie, mein Lord. Sie plant, nach England zu kommen und Eure Kinder mitzubringen. Verzeiht mir meine Verspätung, mein Lord, aber meine Überfahrt hat sich immer wieder wegen der Stürme verzögert. Dann bin ich nach Berkhamstead gereist, weil ich glaubte, ihr wärt bei Mortain. Von dort reiste ich nach London, und jetzt bin ich endlich hier.«
»Ja, ja«, antwortete Guy irritiert und streckte die Hand nach dem versiegelten Paket aus, das ihm der Fremde reichte. »Ihr müsst eine Erfrischung zu Euch nehmen, wir werden uns später unterhalten.«
Schnell sah er zu Lillyth, die bewegungslos und weiß wie der Tod auf ihrem Pferd saß. Sie starrte die Frau von St. Denys an, die allerdings zufrieden lächelte.
In Lillyths Kopf dröhnten die Worte: Es kann nicht sein, es kann nicht sein. Sie griff nach dem Zaumzeug, um vom Pferd zu steigen, doch Guy war schnell an ihrer Seite, um ihr zu helfen. Sie wich sofort von ihm zurück, und er konnte den Schmerz und den Vorwurf in ihrem Blick nicht ertragen.
Er bat seine Gäste in die Halle und suchte mit seinen Blicken nach Alison. »Sie weiß alles! Helft mir«, flüsterte er.
»Ich werde nicht seinen Bastard austragen«, schwor sich Lillyth, die schnell in die Vorratskammer lief. Sie war von dem Schock vollkommen wahnsinnig. Sie griff in ein Vorratsgefäß, zählte sieben Lorbeerbeeren ab und schluckte sofort drei davon. Das Entsetzliche dessen, was sie da tat, wurde ihr klar. Sie warf die vier restlichen Beeren auf den Boden und lief weinend aus der Vorratskammer. Man brauchte sieben Beeren, um eine Schwangerschaft abzubrechen. Bei weniger als sieben klappte es nicht, aber mehr Beeren als sieben waren gefährlich und konnten einen umbringen.
Alison fand Lillyth in ihrem Zimmer. Lillyth tobte und weinte, sie verfluchte Guy und wollte sich nicht trösten lassen. Sie schluchzte, ihr Körper schwankte hin und her, und in ihrem Kummer riss sie sich am Haar.
»Ich kann es nicht ertragen, ich kann es nicht ertragen. Ich wünschte, ich wäre tot! Er hat andere eheliche Kinder, während ich seinen Bastard in mir trage. Ich werde ihn nicht auf die Welt bringen - eher werde ich mich umbringen«, schluchzte sie. »Er hat mich betrogen. Auf dieser Welt gibt es nichts mehr für mich. Die Welt ist leer. Es gibt nichts mehr! Nichts, was ich haben will, nichts, dem ich noch vertraue. Es ist die Hölle! Die Hölle ist hier auf Erden, nicht irgendwo anders, wohin man wegen seiner Sünden geht. Sie ist hier, jetzt! Oh, Gott, oh, Gott, oh, Gott.« Ihr ganzer Körper bebte vor Schluchzen.
Ihre Mutter traf eine schnelle Entscheidung. »Ich werde dir ein heißes Würzgetränk bringen, das deine Nerven beruhigt, damit du dich wieder fängst. Ich bin gleich wieder da.«
Sie lief hinunter in die Vorratskammer, holte sieben Lorbeerbeeren aus dem Krug und zerstieß sie, dann mischte sie diese mit ein wenig Honig. Sie gab Himbeersirup dazu und kehrte schnell damit zu Lillyth zurück.
»Trink das hier«, befahl sie, und Lillyth schluckte unter Schluchzen pflichtschuldig die Mischung hinunter.
Guy bat Rolf, sich um die Besucher zu kümmern und öffnete langsam das Siegel des Briefes. Er war datiert am 31. Dezember 1066.
An meinen Ehemann:
Ich habe kein Wort mehr von dir gehört, seit du vor drei Monaten nach England gesegelt bist, doch erreichen uns täglich Neuigkeiten von Williams großem Sieg und dem unsagbaren Reichtum der Angelsachsen. Mein Entschluss zum Neuen Jahr ist es, diesen Reichtum mit dir zu teilen. Wenn ich richtig vermute, dann hast du nicht gezögert, eine Menge des neuen Landes für dich und deine kostbaren Brüder zu beanspruchen, während ich und die Kinder zurückgeblieben sind, um für uns selbst zu sorgen. Ich treffe Vorbereitungen, um die Normandie zu verlassen. Sobald ich von dir höre, werde ich abreisen.
Margarite de Montgomery
Er zerknüllte den Brief in der Faust und warf ihn auf den Tisch, dann stand er zögernd auf. Er musste zu Lillyth gehen. Er ging die Treppe hinauf und suchte sie im Zimmer ihrer Mutter. Als er durch die Tür kam, krümmte sich Lillyth vor Schmerzen und griff sich an den Bauch. Blut floss auf den Boden, als sie fiel. Er lief zu ihr, um sie aufzuheben und legte sie auf das Bett.
»Sie verliert das Kind«, erklärte Alison Guy
»Nein, nein, ich habe nur drei der Beeren geschluckt, ich schwöre es, die anderen habe ich weggeworfen.«
Guy sah entsetzt aus, und Lady Alison wurde ganz blass. »Oh, mein Gott! Erzähl es mir ganz genau, Lillyth, wie viele Beeren hast du geschluckt?«
»Nur drei, nur drei«, antwortete sie schwach.
»Bist du ganz sicher? Du irrst dich auch bestimmt nicht?«
»Nein, ich habe genau drei Beeren genommen«, antwortete sie matt.
»Sie blutet sehr. Ich muss versuchen, die Blutung aufzuhalten. Bleibt eine Weile bei ihr, ich werde in die Vorratskammer gehen. «
Er nickte. Dann ging er zu Lillyth. »Warum hast du das getan?«, fragte er.
Sie sah ihn in ihrem Elend vorwurfsvoll an, dann wurde sie ohnmächtig. Ihr Blut bedeckte das Bett, und Guy bekam Angst.
»Oh, Gott, lass sie nicht sterben. Wenn jemand sterben muss, dann lass es mich sein«, betete er verzweifelt.
Die Minuten, bis Alison zurückkehrte, kamen ihm endlos vor, und er fühlte sich hilflos, weil er nichts für Lillyth tun konnte. Sie blutete drei Tage lang und wachte während dieser Zeit nur sehr selten aus ihrer Bewusstlosigkeit auf. Guy und Alison wechselten sich ab und wachten an ihrem Bett. Wieder und wieder wechselten sie die Laken, zogen sie um und wuschen sie. Schließlich hörten die Blutungen auf, und Lillyth erwachte aus ihrer Bewusstlosigkeit, doch beinahe sofort fiel sie in einen tiefen, erschöpften Schlaf.
Am vierten Tag saß sie im Bett, als Guy das Zimmer betrat. Sie wandte das Gesicht ab, doch Guy hatte bemerkt, dass all die sanften Rundungen aus ihrem Gesicht verschwunden waren. Ihre Wangenknochen standen hervor, als wollten sie sich durch ihre Haut bohren. Er ging auf sie zu, doch mit ihrem Blicken hielt sie ihn auf, dann erklärte sie mit ruhiger Eindringlichkeit: »Ich hasse dich! Du hast alle Liebe getötet, die ich für dich empfunden habe.«
Er sah sie eine Minute lang an, dann erklärte er mit der gleichen Eindringlichkeit: »Du hast meinen Sohn getötet, genauso zielstrebig, wie du auch deinen Mann getötet hast!«
Den ganzen Tag lag Lillyth mit dem Gesicht zur Wand, und als die Nacht hereinbrach, konnte sie nicht schlafen. Sie fühlte sich vollkommen leer. Sie trauerte tief um den Verlust ihres Kindes. Es war das gleiche Kind, das ihr noch vor wenigen Wochen ein so großes Glück geschenkt hatte. Sie konnte den Verlust nicht ertragen, sie fürchtete, dass sie den Verstand verlieren würde. Am Anfang konnte sie es auch nicht ertragen, an Guy zu denken, wenn sein Bild vor ihr erstand, schob sie es aus ihrem Bewusstsein weg. Doch langsam kehrten ihre Gedanken immer häufiger zu ihm zurück, und sie dachte über die Umstände ihrer Situation nach, untersuchte sie vorsichtig, so wie man einen wunden Zahn mit der Zunge untersucht. Sie wollte weg von ihm, wohin war ihr gleichgültig. Lillyth fühlte, dass sie es nicht ertragen könnte, jeden Tag in seiner Nähe zu sein.
Ich hasse ihn, ich hasse alle Männer, redete sie sich immer wieder ein. Als sie am nächsten Morgen die ersten zaghaften Schritte nach unten in die Halle machte, war Guy weg. Niemand wusste, wohin er geritten war, er hatte seine Satteltaschen gepackt und war abgereist, vielleicht nach Oxstead, vielleicht aber noch weiter weg.
Lillyth erholte sich schnell. Innerhalb weniger Tage fühlte sie sich so wohl wie zuvor, doch gefühlsmäßig war sie tot. Tag um Tag errichtete sie eine harte Schale um ihre Gefühle und schwor sich immer wieder, dass niemand sie je wieder so verletzen würde. Von jetzt an würde sie die Männer ausnutzen, so wie diese sie ausgenutzt hatten.
Jetzt erfuhr sie auch von ihrer Mutter die Wahrheit über die Lorbeeren. Tief in ihrem Inneren wehrte sie sich gegen die Tatsache, dass ihre Mutter den Entschluss gefasst hatte, ihr Kind abzutreiben. Gefühlskälte herrschte zwischen den beiden, ganz besonders, nachdem Lillyth herausgefunden hatte, dass ihre Mutter gewusst hatte, dass Guy verheiratet gewesen war, als er die Scheinzeremonie in der Kirche veranstaltet hatte. Lillyth fühlte sich von allen betrogen und hielt sich dementsprechend von allen fern.
Nach drei Wochen kehrte Guy zurück. Er war schlecht gelaunt, ernst und kurz angebunden zu jedem, der in seine Nähe kam, Rolf und Guys Brüder fanden sich damit ab, dass er wieder so war, wie er gewesen war, ehe Lillyth in sein Leben getreten war. Guy und Lillyth gingen sich aus dem Weg, so gut es nur ging, doch wenn das nicht möglich war, verhielten sie sich wie Fremde. Lillyth war nach außen hin ruhig, doch in ihrem Inneren brodelte der Groll. Wann immer sie Guy sah, fühlte sie sich ganz krank, und sobald sie allein war, zitterte sie nach diesen Begegnungen von Kopf bis Fuß. Die Anspannung zwischen ihnen war so groß, dass man sie fast mit Händen greifen, dass man sie schmecken und riechen konnte. Jeder war sich dessen deutlich bewusst, weil die Eindringlichkeit der Gefühle alle mit einbezog, die in ihre Nähe kamen.
Esme hatte Emma gebeten, ihn zu heiraten, und Emma war begeistert. Wegen ihres offensichtlichen Zustandes waren sie heimlich in die Kirche gegangen, hatten geheiratet und es dann später bekannt gegeben. Emma fühlte einen Augenblick lang Panik, als sie erfuhr, wie Montgomery Lillyth betrogen hatte, doch schnell schob sie diese Gedanken beiseite und sagte sich heftig, dass Esme ihr gehörte, selbst wenn ein Dutzend anderer Frauen irgendwo auf ihn warteten.
Adela und Hugh hatten sich auch entschieden, zu heiraten, doch fühlten die beiden, genau wie Edyth, die mittlerweile offiziell mit Andre verlobt war, dass sie ihr Glück vor Lillyth verbergen mussten. Die einzige Möglichkeit das zu tun, war, den Kontakt zu ihr abzubrechen und sich auch nicht mehr mit ihr zu unterhalten. Das war ohnehin nicht sehr schwierig, denn Lillyth hatte sich von allen zurückgezogen und zog es vor, allein zu sein.
Lillyth wusste, dass es so nicht weitergehen konnte. Es wurde unerträglich für sie. Als sie erfuhr, dass Vater Sebastian nach Berkhamstead zurückkehrte, begann sich ein Plan in ihrem Kopf zu formen. Sie wusste, dass sie es in Godstone nicht länger aushalten könnte und dass sie irgendwo anders hingehen musste. Doch wie sollte sie überleben? In diesen Zeiten bräuchte sie den Schutz eines Normannen. Robert de Mortain kam ihr in den Sinn. Wer stand in diesem Land höher als er? Nur der König persönlich! Sie besaß Roberts Ring, hatte seine Einladung, was brauchte sie noch mehr?
Ein Teil von ihr wich zurück, als sie daran dachte, was es bedeuten würde, wenn sie zu Robert ging. Sie würde die Dirne eines Normannen werden. Sie lachte laut auf über sich selbst! Sie war bereits über ein halbes Jahr die Dirne eines Normannen gewesen. Warum sollte sie also jetzt noch Skrupel haben?
In diesen Tagen traute Lillyth niemandem, doch sie begriff, dass sie den Mönch in ihr Vertrauen würde ziehen müssen, wenn er sie mitnehmen sollte. Sie entschied sich, bis zum Tag vor seiner Abreise zu warten. Sie zeigte ihm Roberts Ring und erklärte ihm, dass sie zusammen mit ihm reisen wollte, doch dass Guy de Montgomery nichts von ihrer Reise erfahren durfte. Vater Sebastian war auf seinem eigenen Pferd mit zwei Packpferden nach Godstone gekommen. Lillyth packte ihre Sachen mit den seinen zusammen, sodass sie am Morgen auf die Packpferde geladen werden konnten. Sie nahm nur wenige Dinge mit. Sie brauchte einen warmen Umhang, ein passendes Reitkleid und nur eine Samttunika mit einem passenden Unterkleid. Überflüssiges Gepäck wäre nur eine Last, außerdem hatte jedes Kleid für sie eine ganz besondere Bedeutung. Erinnerungen an Guy hingen in jeder Falte ihrer Kleider. Sie hatte die Absicht, die Vergangenheit rücksichtslos hinter sich zu lassen.
Jetzt saß sie in dem kleinen Schlafzimmer, das sie mittlerweile allein bewohnte. Sie hatte vor, lange vor der Morgendämmerung aufzustehen, um sich für die Reise, die vor ihr lag, fertig zu machen. Ihr Haar bedeutete ein kleines Problem für sie, doch dann beschloss sie, es in lange, feste Zöpfe zu flechten, die sie um ihren Kopf legen konnte. Sie entschied sich, das jetzt schon zu tun. Es dauerte über eine Stunde, bis sie die letzte Haarnadel in ihr Haar steckte. Sie legte ihr Reitkleid und den warmen Umhang zurecht, dann zog sie sich aus und zitterte unkontrolliert, als sie in ihr Bett kletterte. Sie wusste, dass es schon nach Mitternacht war und dass sie in weniger als vier Stunden abreisen wollte, doch sie konnte nicht schlafen. Ihre Füße waren eiskalt, und ganz gleich, wie sehr sie sich auch in dem leeren Bett bewegte, sie wurde nicht wärmer. Doch dann erstarrte sie plötzlich. Jemand versuchte, in ihr Zimmer einzudringen. Gott sei Dank hatte sie daran gedacht, den Riegel vor die kleine Tür zu legen.
Mit wenig Lärm und größtem Erfolg brach Guy die Tür auf, indem er das Scharnier, mit dem die Tür an der Wand befestigt war, löste. Er kam in ihr Zimmer, und es gelang ihm sogar, die Tür wieder hinter sich zu schließen.
»Lil - ich kann es nicht ertragen, von dir getrennt zu sein. Dich jeden Tag zu sehen und nicht mit dir zu sprechen, dich nicht zu berühren, ist eine Qual für mich.«
»Bitte geh«, sagte sie leise.
»Das werde ich nicht«, erklärte er heftig.
Sie erkannte an seinem Gesicht, dass er nicht auf sie hören würde, wenn sie ihn bat, zu gehen. Er würde sich auf keine Diskussion einlassen, er hatte lange genug gewartet. Schon war er in ihrem Bett, und seine groben Hände sagten ihr, dass er sie nicht länger bitten würde. Sich zu wehren und zu schreien, würde ihr nichts nützen, doch sie hatte eine andere Waffe, mit dem sie ihn schlagen konnte. Gleichgültigkeit! Sie würde vollkommen passiv sein, kalt und unbewegt. Sie würde ihn davon abhalten, ihr Innerstes zu besitzen. Was war sie doch für ein Dummkopf gewesen! Wenn sie weiterhin unter dem gleichen Dach mit ihm lebte, musste so etwas ja früher oder später geschehen. Nie wieder, schwor sie sich.
»Das Gesetz bedeutet mir gar nichts! Du gehörst mir. Du wirst immer mir gehören.« In seinem Kopf drehte sich alles, doch die Art, wie sie ruhig dalag, sagte ihm, dass sie ihn nicht wollte. Seine Finger suchten die sanfte, seidige Stelle unter ihren Brüsten, es fiel ihr sehr schwer, passiv und unbewegt zu bleiben.
Er versuchte es mit Überzeugungskraft. »Lillyth, du verstehst das nicht. Wenn ein Mann in der Nähe einer wunderschönen Frau ist, ohne dass seine körperlichen Bedürfnisse erfüllt werden, dann wird es zu schmerzlich für ihn, als dass er es ertragen könnte.«
Sie wandte den Kopf ab und starrte an die Wand, während der ganzen Zeit dachte sie: Er wird jedes Argument und all seine Überzeugungskraft benutzen, um seinen Willen zu bekommen, doch ich werde ungerührt bleiben und sein Liebesspiel nicht zur Kenntnis nehmen.
»Du versuchst, mich zu bestrafen, indem du kalt bist, aber ich werde dich schon auftauen, mein Liebling, auch wenn du mir noch so sehr widerstehst.« Er drang in sie ein, und ein Schauer der Ekstase rann durch seinen Körper, als er fühlte, wie eng sie war. Lillyth biss sich auf die Lippe, um nicht aufzuschreien. Er begann, sich langsam und entschlossen in ihr zu bewegen, jeder Stoß war dazu gedacht, ihre Verteidigung zu durchbrechen, um sie dazu zu bringen, zu reagieren. Sie bemühte sich, Verstand und Seele zu trennen, doch ihr Körper würde sie betrügen, wenn sie sich nicht eisern unter Kontrolle hielt. Sie biss die Zähne zusammen, damit das leise Aufstöhnen nicht über ihre Lippen kam, und er rief laut: »Komm mit mir, Lillyth!«
Ihr Körper reagierte auf ihn, aber sie würde lieber sterben als ihn das wissen zu lassen. Er war ein erfahrener Liebhaber und kannte den Wert von Liebesworten, deshalb flüsterte er jetzt all die Sehnsüchte eines Geliebten in ihre Ohren. Seine Stimme liebkoste sie mit honigsüßen Komplimenten, und seine Hände begleiteten seine Worte.
Nicht bei einem einzigen Wort und auch bei keiner Geste zeigte sie ihm, wie er auf sie wirkte, doch sie war bereits zwei Mal gekommen, ehe Guy sich die Freude des Höhepunktes gönnte. Er blickte auf ihren erstarrten Körper hinunter, und seine grünen Augen zogen sich zusammen.
»Ich hatte Recht. Alle Frauen sind Luder!«, zischte er, ehe er sie verließ.