7

Die vier Männer umritten alle zwei Stunden das Land und trafen sich um Mitternacht, um zwei Uhr und dann wieder um vier Uhr in der Halle. Um vier Uhr sah Andre erschöpft aus. »Bleib hier, und ruh dich aus«, riet ihm Nicholas. »Ich reite für dich die Wache.«

»Nein«, protestierte Andre und warf Guy einen Blick zu. »Ich schaffe das schon.«

Guy reichte Andre ein wenig Glühwein. »Dein Bruder versucht, sich dafür zu entschuldigen, dass er dich verletzt hat. Du solltest ihm erlauben, für dich die Wache zu übernehmen und gleichzeitig sein Gewissen zu erleichtern. Andre, geh rauf, und leg dich ins Bett, und sei vorsichtig, welches Zimmer du dir auswählst«, warnte er ihn.

Nicholas griente, und Andre war kühn genug zu fragen: »Besteht denn überhaupt keine Möglichkeit, dass du ihrer müde wirst?«

»Gütiger Himmel, du kannst nicht einmal auf einem Pferd sitzen, und da denkst du daran, ein Frauenzimmer zu reiten! Denkst du denn an gar nichts anderes, Junge?«, wollte Guy wissen.

»An sehr wenig anderes«, gestand Andre. »Ich weiß auch nicht, was in letzter Zeit mit mir los ist, aber ich muss ständig daran denken.« Er lachte.

»Das ist all das blonde Haar und die helle Haut der angelsächsischen Mädchen. Ich habe gehört, dass es nicht gut für die Gesundheit ist, wenn man Tag und Nacht in erregtem Zustand ist. Du solltest lieber die Witwe fragen, ob es dafür nicht eine Medizin gibt«, meinte Nicholas und lachte.

»Die einzige Medizin, die er braucht, ist ein schlimmes Frauenzimmer, drei Mal am Tag, bis er wieder klar denken kann«, riet ihm Rolf.

»Da wir gerade von der Witwe sprechen, wie steht es denn mit dir bei ihr, Rolf? Du besitzt viel Mut, wenn du versuchst, es mit ihr aufzunehmen«, behauptete Guy und lachte.

»Nein, ich habe sie noch nicht ausprobiert, Mann. Ich bin doch erst einen einzigen Tag hier. Wie geht es denn mit der jungen Witwe, wo wir gerade darüber reden, Guy?«

»Mir geht es da genauso wie dir, Rolf. Los, lass uns weitermachen!«

Der Morgen brach kalt und grau an. Um sechs Uhr stiegen die drei Männer aus dem Sattel und gingen ins Badehaus. Die jungen Knappen beeilten sich, ihre Befehle zu erfüllen, und als die drei sich ausgezogen hatten, waren die hölzernen Wannen bereit für sie. Guy sank in das heiße Wasser, und seine schmerzenden Muskeln entspannten sich. Er warf Rolf einen belustigten Blick zu, als beide bemerkten, dass Nicholas in dem Wasser eingeschlafen war.

»Die junge Generation ist doch ein wenig verweichlicht, fürchte ich«, meinte Guy.

»Du solltest nicht zu streng mit ihm sein. Manchmal ist der Standard, den du verlangst, ein wenig zu hoch«, erwiderte Rolf.

»Wir wecken den jungen Teufel besser auf, ehe er ertrinkt«, meinte Guy, und sein Gesicht wurde weich.

 

Das Hämmern an der Tür des Schlafzimmers weckte Lillyth auf. Sie schlang sich die Felldecke vom Bett um und ging zur Tür.

»Wer ist da?«, rief sie.

»Euer Herr und Meister. Warum lasst Ihr mich warten? Öffnet sofort die Tür, sonst werde ich sie aufbrechen.« Er lachte. Es klang so, als sei er gut gelaunt, und Lillyth fragte sich, ob sie sich wohl Zeit lassen sollte, um sich anzuziehen, doch er begann wieder, gegen die Tür zu hämmern, deshalb schob sie den Riegel zurück und öffnete die Tür.

Er sah sie an. Mit dem Schlaf in ihren Augen und dem Mund ganz sanft und warm ist sie noch viel begehrenswerter, dachte er.

Sie sah ihn an. Nach einer ganzen Nacht, in der er Wache gehalten hat, sieht er noch nicht einmal müde aus, überlegte sie. Er ist frisch, und sein Blick ist klar, als hätte er die ganze Nacht geschlafen.

»Ich habe Männer gebeten, hier heraufzukommen, um einen Kamin zu bauen, damit wir in kalten Winternächten ein Feuer anzünden können. Es wäre mir nicht recht, wenn Ihr nackt hier steht.« Er deutete auf ihre nackten Beine und Füße.

Sie wandte sich verärgert ab. Dieser verdammte Kerl, dachte sie. Er bringt mich immer wieder in Verlegenheit, und dann macht er sich über mich lustig. Sie warf den Kopf zurück und ging dann nach nebenan, in ihr eigenes Zimmer, um sich anzukleiden.

Ihre Mutter entdeckte sie und folgte ihr in ihr Zimmer. Sie zog eine Augenbraue hoch, als sie sah, wie Lillyth gekleidet war. »Ich habe gesehen, wie er dich ansieht, und ich kann dir sagen, er ist verloren. Aber gib nicht zu schnell nach, Lillyth, er würde nichts schätzen, was ihm zu leicht in den Schoß fällt. Er wird die Jagd genauso sehr genießen wie den Sieg. Halte ihn so lange hin, wie es dir möglich ist.«

Lillyth sah ihre Mutter mit offenem Mund an. »Was auch immer du denkst, du irrst dich. Ich würde diesem normannischen Hund nicht erlauben, mich auch nur zu berühren!«

»Lillyth, er wird dich zwingen, und ich möchte nicht, dass du verletzt wirst, Kind. Ich rate dir auf keinen Fall, dich ihm zu widersetzen.«

»Ich fürchte mich nicht vor ihm!«, rief sie kühn, dann schlug sie die Hand vor den Mund, weil sie fürchtete, dass er sie hören konnte.

Rolf kam die Treppe hinaufgelaufen. »Guy, es gibt Schwierigkeiten mit den Leuten aus dem Dorf. Es hat einen Kampf zwischen den Normannen und den Angelsachsen gegeben.«

Beide Männer liefen mit gezogenen Schwertern davon.

»Aedward!«, hauchte Lillyth.

Angst stieg in ihr auf, als sie sich mit dem Ankleiden beeilte. Sie packte das Erste, was ihr in die Hand kam, ein rosafarbenes Unterkleid und eine Tunika. Schnell bürstete sie ihr Haar, dann warf sie es über die Schulter, sie machte sich nicht einmal die Mühe, es zu bedecken, ehe sie so schnell sie konnte loslief.

Sie hatten Aedward nicht entdeckt, wie Lillyth befürchtet hatte, doch Rolf hielt einen der Dorfbewohner mit eisernem Griff fest, und einer der normannischen Ritter lag auf dem Boden. Jemand hatte mit einem hölzernen Knüppel auf seinen Kopf eingeschlagen, und er blutete stark.

Guy kniete nieder, um den jungen Ritter zu untersuchen. »Es ist Giles. Bringt ihn in die Halle und bittet Lady Alison, sich seine Wunde anzusehen.«

Lillyth war überrascht, weil er ihre Mutter Alison nannte.

»Was ist hier passiert, wie hat das alles begonnen?«, wollte er dann wissen.

»Das angelsächsische Schwein hat über unser kurzes Haar und unsere glatt rasierten Gesichter gelacht, deshalb hat Giles ihm mit seinem Panzerhandschuh ins Gesicht geschlagen. Der Angelsachse hat sich einen Knüppel genommen und hat ihn beinahe umgebracht«, antwortete Gilbert.

»Zieht ihn aus«, befahl Guy Dann nahm er einem seiner Männer eine Peitsche ab.

»Das sollst du wissen, Angelsachse. Hättest du deine Faust benutzt, dann hätte ich dich nicht bestraft. Erhebe nie wieder eine Waffe gegen einen Normannen. Wenn so etwas noch einmal passiert, hast du dein Leben verspielt. Zwanzig Peitschenhiebe!«

Sie banden ihn zwischen zwei Bäumen fest, Guy hob den Arm und versetzte ihm den ersten Schlag.

Lillyth schrie auf, doch er blickte nicht einmal in ihre Richtung. Kalt und methodisch schlug er wieder und wieder auf den Rücken des Angelsachsen ein, bis das Blut floss. Beim neunzehnten Schlag wurde Lillyth ohnmächtig, und Aedward hob sie hoch und trug sie in seine Hütte. Beinahe sofort wachte sie aus ihrer Bewusstlosigkeit auf.

»Oh, Aedward, Gott sei Dank geht es dir gut. Er ist ein Monster! Ich dachte, er sei freundlich. Ich habe nicht gewusst, dass er so grausam und unmenschlich ist.« Ihr Gesicht war kreidebleich, und sie zitterte ein wenig.

»Er hat getan, was er tun musste, Lillyth, aber du solltest solche Dinge nicht mitansehen müssen.«

»Ich bin gekommen, weil ich Angst um dich hatte, Aedward. Wie geht es deinem Arm? Lass mich einmal sehen.«

Er zog sein Hemd aus und zeigte ihr den Stumpf. »Er heilt gut.«

Ein riesiger Schatten fiel von der Tür in den Raum. Lillyth zuckte schuldbewusst zurück. »Oh, mein Gott!«, schluchzte sie.

Guy kam in die Hütte, seine Augen blitzten gefährlich. »Ich finde Euch immer wieder mit nackten jungen Männern, cherie«, sagte er gefährlich ruhig.

Angst schnürte ihr den Hals zu, machte das Atmen so schwer, dass sich ihre Brust heftig hob und senkte. Sie sah Blut an seinen Händen. »Bleibt von mir weg!«, rief sie.

»Ich muss Euch mein Handeln nicht erklären, Lillyth, aber ich werde es tun. Mein Urteil war hart, weil es so sein musste. Er hat eine Waffe benutzt, die meinen Mann beinahe umgebracht hätte, vor der gesamten Bevölkerung. Seine Strafe musste schnell und deutlich ausfallen, denn sonst würde das jeder versuchen. Wenn ich Williams Rechtsprechung gefolgt wäre, hätte ich ihm den Arm abgeschlagen, den er gegen die Normannen erhoben hat.«

»Er hat Recht, Lillyth«, sagte Aedward ruhig.

»Wie alle anderen Frauen, so seid auch Ihr unehrlich. Ihr habt mir gesagt, dass all Eure Männer tot sind, doch offensichtlich gibt es hier einen Ritter, der bei Hastings gegen uns gekämpft hat. Wie viele Ritter verbergt Ihr noch vor mir?« Er ging auf Aedward zu, und Lillyth breitete beide Arme aus, um Aedward zu beschützen. »Er ist mein Bruder!«, rief sie.

Guy sah den jungen Mann an, und in der Tat erinnerte ihn seine blonde Schönheit an die von Lillyth. Er war verwirrt. »Sicher traut Ihr mir doch nicht zu, Euren Bruder umzubringen. Denkt Ihr so schlecht von mir, Lillyth?« Er wandte sich zu Aedward. »Wenn Ihr mir Eure Treue schwört, dann dürft ihr in die Halle kommen. Ich brauche einen Übersetzer. Es gibt mehr als genug Arbeit für uns alle. Seid Ihr einverstanden?«

»Meinen Dank, Sir. Ich bin einverstanden«, meinte Aedward und wünschte, Lillyth hätte nicht für ihn gelogen. Als sie die Halle betraten, gab Lillyth ihrer Mutter ein Zeichen, damit diese schwieg. Sie lief zu ihr hin. »Mein Bruder Aedward hat die Erlaubnis bekommen, wieder mit uns zusammen im Haus zu leben«, erklärte sie ihr schnell.

»Danke, mein Lord«, wandte sich Lady Alison an Guy »Komm mit nach oben, Aedward, dann kümmere ich mich um deinen Arm. Lady Hilda wird froh sein, wenn sie sieht, dass du dich ein wenig erholt hast.«

Guy folgte ihnen nach oben. »Ich möchte nachsehen, wie weit die Leute mit dem Kamin gekommen sind. Heute Abend sollte er fertig sein. Ein Feuer in unserem Zimmer wird in dieser kühlen Nacht sehr willkommen sein, findet Ihr nicht auch, cherie?«

Aedward biss bei diesen Worten die Zähne zusammen, und Lillyth presste die Lippen aufeinander und überhörte die Herausforderung.

Lady Alison wandte sich an Guy »Ich habe mich um den Mann gekümmert, den Ihr ausgepeitscht habt, aber er sollte heute Nacht besser hier bleiben, zusammen mit dem Normannen mit dem gebrochenen Schädel. Wir wollen hoffen, dass es nicht noch mehr Schwierigkeiten gibt, denn meine Betten sind überfüllt. Ich teile mir ein Zimmer mit Lady Hilda hier unten.«

Guy sah Lillyth in die Augen. »In meinem Bett haben zwei Platz«, sagte er.

Rolf kam in die Halle, um nach weiteren Anweisungen zu fragen. Guy befahl ihm, morgen allen Angelsachsen die Haare zu schneiden und ihre Gesichter zu rasieren. »Die Unterschiede sind zu groß. Je eher wir alle gleich aussehen, desto eher werden wir auch gleich denken. Ich möchte, dass meine Männer durch das Land reiten und nachsehen, wie weit Williams Armee gekommen ist. Er soll wissen, dass wir die Städte in der Nähe Londons gesichert haben. Wenn ich William richtig einschätze, wird er mittlerweile Dover eingenommen haben und auf seinem Weg die Küste entlang sein. Wähl du einen Mann für mich aus, Rolf. Ich denke, wir reiten besser zu diesem Ort mit dem Namen Oxstead und auch zu einer anderen Stadt in der Nähe, die Sevenoaks heißt. Wenn wir diese Städte erst einmal gesichert haben, dann möchte ich, dass Nick und Andre sich dort einrichten. Ein wenig Verantwortung wird den beiden im Augenblick nicht schaden. Übrigens, erinnerst du dich an die Wölfe, die wir in der letzten Nacht gehört haben? Ich möchte mit den Schäfern sprechen und herausfinden, wie viele Schafe sie durch die Wölfe verlieren. Ich habe eine Idee, wie wir das ändern können. Wir werden den jungen Aedward mit uns nehmen, das wird es uns leichter machen, den Leuten zu erklären, was wir vorhaben.«

»Kannst du dir nicht einige deiner Verbesserungsvorschläge für morgen aufheben? Meine Knochen brauchen dringend Schlaf«, meinte Rolf.

»Du wirst wohl alt«, lachte Guy und schlug ihm heftig auf den Rücken.

 

Als Guy zurückkam, war es beinahe Zeit zum Essen. Lillyth saß in ihrem Zimmer und hörte die Arbeiter nebenan. Sie konnte genau sagen, wann Guy zurückkam. Sie hatte ihr Haar mit einigen der rosafarbenen Bänder geflochten und bewunderte das Ergebnis jetzt in einem Handspiegel aus poliertem Silber, als Guy den Türgriff ihres Zimmers herunterdrückte und feststellte, dass die Tür verschlossen war. Er hämmerte heftig dagegen. Lillyths Herz schlug schneller, als sie den Riegel beiseite schob und die Tür öffnete.

»Müsst Ihr die Tür vor mir verriegeln, cherie?«, fragte er und zog lässig eine Augenbraue hoch.

»Ich verriegele sie gegen alle, mein Lord«, versicherte sie ihm ruhig.

Er warf ihr einen bewundernden Blick zu. »Ihr habt viele wunderschöne Kleider, Lillyth. Ich fühle mich neben Euch schäbig.«

»Ihr könntet Euch ohne große Schwierigkeiten ein paar neue Kleidungsstücke machen lassen. Wir haben wunderschönen Samt und Leinen, ich könnte Euch ein paar schöne neue Hemden machen.«

»Wenn Ihr das für mich tun könntet, würde es mich wirklich freuen.« Er lächelte. »Es wird mir auch eine Freude sein, Euch zum Essen zu begleiten. Ich bin gleich zurück, ich möchte nur noch einen Augenblick mit meinen Arbeitern sprechen.«

Er ging zurück in das größere Zimmer, wo die Männer mittlerweile den Kamin fertig gebaut hatten.

»Ausgezeichnete Arbeit!«, lobte er sie. »Ich habe noch eine andere Aufgabe, ehe ihr zum Essen geht. Schlagt eine bogenförmige Öffnung in diese Mauer hier, um die beiden Schlafzimmer zu einem zu machen. Das Holz ist dick, aber ihr habt die Arbeit bei dem Kamin so gut gemacht, ich bin sicher, ihr könnt Wunder wirken. Sorgt dafür, dass hinterher alles sauber gemacht wird, und holt einen der Diener, damit er ein Feuer anzünden kann. Vielen Dank, Männer!«

Guy war hungrig, er hatte den großen, gesunden Appetit eines Mannes. Neben ihm schien Lillyth nur sehr kleine Portionen zu essen, ab und zu zögerte sie und spielte mit ihrem Essen.

»Ihr solltet versuchen, mehr zu essen, Lillyth. Ihr seid viel zu zierlich, zu dünn«, drängte er.

»Liebt Ihr fette Frauen, mein Lord?« Sie lächelte.

»Nein, ganz sicher nicht, cherie, aber Ihr scheint mir nicht kräftig genug zu sein. Wenn Ihr krank werdet, dann könnt Ihr Euch nicht so schnell wieder erholen.« Er nahm ihre schlanke Hand und spielte mit ihren Fingern.

Schnell senkte sie den Blick und sah sich dann in der Halle um. Sie zählte ein Dutzend Frauen, die ihre Kopfbedeckung weggelassen hatten.

»Ich habe Euch doch gesagt, wir werden eine neue Sitte schaffen. Morgen werden sie alle Bänder in ihr Haar flechten, weil sie jetzt sehen, wie wunderschön Ihr ausseht.« Er lächelte.

Sie war erstaunt, dass er in der Lage schien, ihre Gedanken zu lesen. Unter dem Tisch stieß ihr Oberschenkel gegen den seinen, er war sofort erregt. Er war dankbar, dass der Tisch seinen Zustand vor seinen Rittern verbarg.

»Mein Lord, ich habe ein Problem«, wandte sich Lillyth zu ihm und sah ihn mit ihren grünen Augen direkt an. »Ich kann das Badehaus nicht mehr benutzen, ständig sind Eure Männer dort. Könntet Ihr dafür sorgen, dass ich morgen allein baden kann?«

»Ich werde eine Wanne in Euer Zimmer bringen lassen, dann könnt Ihr baden, wann immer Euch der Sinn danach steht.«

Die Bilder, die ihm bei diesem Gedanken in den Sinn kamen, halfen ihm auch nicht dabei, sein körperliches Unbehagen zu lindern. »Können wir bald nach oben gehen?«, drängte er.

Sie stellte fest, dass Aedward zusammen mit Nicholas und Andre am Tisch saß, sie zeigten großes Interesse an seinem Schnurrbart und der vornehmen Art, wie er sich kleidete. Sie alle waren ungefähr im gleichen Alter und unterhielten sich angeregt. Rose, das junge Mädchen, das neben Nicholas saß und am gestrigen Abend geweint hatte, unterhielt sich fröhlich mit Aedward, doch anstatt eifersüchtig zu sein, beobachtete Nicholas das Benehmen des Angelsachsen dem Mädchen gegenüber und hoffte, etwas daraus zu lernen. Aedwards Blicke gingen immer wieder zu Lillyth, sie fragte sich schon, ob er wohl einen verzweifelten Plan gemacht hatte. Sie hoffte inständig, dass es nicht so war, er hatte unter den Normannen schon genug gelitten.

Guy führte sie nach oben, und sie war überrascht, als er vor der Tür ihres Zimmers stehen blieb. Er zog ihre Hand an die Lippen, und ihr Herz wurde weich, als sie sah, wie die Müdigkeit tiefe Linien um seine Augen eingegraben hatte. Er hatte mindestens sechsunddreißig Stunden nicht mehr geschlafen.

»Gute Nacht, Mademoiselle, angenehme Träume. Sorgt dafür, dass Eure Tür verschlossen ist«, riet er ihr, und dann verschwand er.

Sie betrat ihr Schlafzimmer, und dort stand er lässig an dem Durchbruch in der Wand lehnend. Tränen des Zorns und der Frustration traten in ihre Augen. »Mein Gott, was habt Ihr nur getan?«, rief sie. »Wie konntet Ihr nur, wie konntet Ihr?« Er warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Kommt, cherie, das alles nützt Euch nichts. Kommt und wärmt Euch an meinem Feuer.«

Sie war schrecklich wütend. Er war entschlossen, alle Barrieren niederzureißen, die es zwischen ihnen gab. Wenn Wände ihn nicht aufhalten konnten, welche Verteidigung blieb ihr dann noch gegen ihn? Es machte alles nur noch schlimmer, dass er so belustigt war.

»Für Euch ist das nur ein Spiel, aber es ist mein Leben, mit dem Ihr spielt, Normanne! Ihr habt meinen Vater umgebracht, habt mir mein Zuhause genommen, und jetzt erlaubt Ihr mir noch nicht einmal meine Privatsphäre«, rief sie.

»Kommt, Ihr macht viel mehr Aufhebens als nötig ist. Ich gebe zu, ich kann Euch das Leben Eures Vaters nicht zurückgeben, aber Ihr nehmt einen Ehrenplatz an meiner Seite ein. Eure Mutter und Euer Bruder Aedward haben volle Bewegungsfreiheit. Ich denke, Ihr seid viel zu sehr verwöhnt worden, Lillyth. Ihr könnt sehr gut nehmen, aber Ihr habt nicht gelernt, auch zu geben.«

»Ihr wollt mich zu Eurer Dirne machen, um mir das Leben leichter zu machen, aber ich werde das nicht zulassen - Ihr könnt mich nicht dazu zwingen!«

Schnell kam er auf sie zu und zog sie in seine Arme. »Ich könnte Euch zwingen, Frauenzimmer, daran solltet Ihr nicht zweifeln.«

»Ja, holt Eure Peitsche, mein Lord! Schlagt einem weiteren Angelsachsen den Rücken blutig. Wir sind doch nicht besser als der Schmutz unter Euren Füßen. Nun, worauf wartet Ihr noch?«, forderte sie ihn heraus.

»Ich habe andere Waffen«, meinte er lässig, er senkte den Kopf und legte schnell seine Lippen auf ihre. Sein Geschmack erfüllte ihre Sinne, sein männlicher Duft machte sie ganz schwindlig. Ein winziger Funke kommenden Verlangens erwachte, er wuchs und rann heiß durch ihre Adern. Ihre Schenkel wurden an seine gepresst, und sie fühlte sein Verlangen nach ihr. Mit all ihrer Willenskraft entzog sie sich ihm und schluchzte auf.

Er war sehr enttäuscht, dass sie nicht die unterwürfige Witwe war, die er erwartet hatte. Sofort gab er sie frei.

»Frauen - sie alle sind Luder!«, fuhr er sie an.

Sie verließ ihn, ging durch die Öffnung in der Wand in ihr Zimmer, setzte sich auf ihr Bett und weinte leise. Als sie sich die Augen endlich getrocknet hatte, hörte sie seinen gleichmäßigen Atem aus dem Nebenzimmer und wusste, dass er bereits schlief.