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Harolds Armee hatte Winchester, Southampton und die ganze Südküste beschützt. Seine Schiffe hatten vor der Isle of Wight den ganzen Sommer über auf die Normannen gewartet, als die überraschende Nachricht kam, dass die Norweger, angeführt von Hardrada, in Humber eingefallen waren. Harold versammelte seine Armee und marschierte sofort nach Norden. Er hatte eine kleine Streitmacht von Rittern zurückgelassen, die ihm militärischen Dienst schuldeten, die aber nicht zu seiner regulären Armee gehörten. Diese Streitmacht sollte Wache halten und jede Armee davon abhalten, an der Küste zu landen.

Athelstan und Wulfric und ihre Ritter gehörten zu dieser Streitmacht, aber am siebten Tag im September waren alle ihre Vorräte aufgebraucht. Nicht einmal Futter für die Pferde gab es noch, und sie hatten vor, am folgenden Morgen nach Hause zurückzukehren.

William der Normanne kam offensichtlich nicht. Es war nur ein falscher Alarm gewesen, und die Ernte zu Hause war viel dringender. Die Männer, die sich nach ihrer langen Wache langweilten, hatten es sich angewöhnt, jeden Abend zu spielen, und es gab auch immer genügend Frauen, die der Armee folgten.

Wulfric schlug Athelstan freundschaftlich auf den Rücken.

»Ich habe heute Abend zwei dralle Frauenzimmer für uns, unsere Freiheit wird schon sehr bald zu Ende sein, nicht wahr?«

Der ältere Mann sah ihn überrascht an. »Wie hast du das nur ohne Geld geschafft, Wulfric?«

»Das war ganz einfach! Ich habe ihnen einen Platz bei uns zu Hause angeboten. Schutz und ein Platz zum Leben ist in diesen Zeiten sehr verlockend. Morgen, ehe sie aufwachen und feststellen, dass die Vögel ausgeflogen sind, sind wir schon weg.« Er lachte.

Athelstan runzelte die Stirn. »Ich mag es nicht, mein Wort zu geben und es dann nicht zu halten. Was würde es schon schaden, zwei weitere Leibeigene zu haben?«

»Vielleicht würde unseren Ladys der Gedanke nicht gefallen«, erklärte ihm Wulfric.

»Alison würde sie auf den ersten Blick durchschauen. Ich denke, diesmal hast du Recht.« Auch Athelstan lachte.

 

Am Samstagmittag kamen die beiden Kompanien der Ritter in Godstone an, und es gab ein großes Durcheinander, als alle wieder vereint waren. Wulfric erklärte seinen Männern, dass er die Nacht in Godstone bleiben und erst am nächsten Morgen nach Hause nach Oxstead reiten würde. Die Pferde wurden in die Ställe geführt, und alle Rüstungen und Waffen wurden in die Waffenkammer hinter dem großen Schlafsaal gebracht, wo die Knappen sie säuberten. Die Kettenhemden und Helme wurden an die Wand gehängt, zusammen mit den Streitäxten, Kriegsbeilen, Schwertern, Schilden und den mit eisernen Stacheln versehenen Kugeln, die auch Morgensterne genannt wurden. Die Männer waren verschwitzt, schmutzig und sattelmüde, sie alle gingen hinunter zum Fluss, um zu baden. Lord Athelstan und Wulfric besuchten das Badehaus, in dem große Bottiche mit heißem Wasser gefüllt wurden und die Mägde aus dem Haus ihnen beim Baden halfen.

Während Lady Alison ihrem Ehemann Athelstan den Rücken einseifte, meinte Wulfric: »Meine Braut hat mich nicht begrüßt, und sie hilft mir auch nicht bei meinem Bad. Ich wünsche mir ihre Gesellschaft, meine Lady Warum versteckt sie sich vor mir?«

»Lillyth bekommt gerade ein neues Gewand gemacht. Sie wird heute Abend zusammen mit uns essen, Wulfric, keine Angst. Sie möchte für Euch besonders schön aussehen, Ihr wisst doch, wie die jungen Mädchen heutzutage sind.«

Er brummte unzufrieden und schwor sich insgeheim, dafür zu sorgen, dass er später am Abend mit ihr allein sein konnte.

 

Sobald das Fleisch gar war, begann das Fest. Das Feuer der Angelsachsen wurde in einer Grube mitten in der großen Halle angezündet, darum herum wurden die Tische aufgestellt. An diesem Abend wurden zusätzliche Tische aufgebaut, um Platz für die Ritter aus Oxstead zu schaffen, das Bier floss üppig, weil die Männer sich in den letzten Wochen mit kleinen Rationen hatten zufrieden geben müssen. Das trübe Wetter zusammen mit der Hitze des Feuers, das schon den ganzen Nachmittag über gebrannt hatte, machte es erstickend heiß in der Halle. Doch das schien die festliche Stimmung der Leute nicht zu schmälern.

Lillyth wählte ein blassblaues seidenes Wams und eine dazu passende Tunika, sie wartete absichtlich auf ihre Mutter und ihren Vater, um mit ihnen zusammen hinunter in die Halle zu gehen.

Wulfric löste sich schnell aus der Gruppe seiner Männer und kam zum Fuß der Treppe, um sie mit einem herzhaften Kuss zu begrüßen.

Sein Bart kratzt, dachte Lillyth und schämte sich sofort dafür, dass Aedwards Bart sie nicht gestört hatte. Sie sah in Wulfrics Augen und versuchte, ehrlich zu sein. »Willkommen, mein Lord. Es ist gut zu wissen, dass Ihr für ein weiteres Jahr vor Euren Feinden in Sicherheit seid.«

Sie sah seinen gierigen Blick, der ihr das seidene Gewand vom Leib zu reißen schien und schrak vor der heißen, nackten Lust zurück, die sie darin las. Statt sich jedoch vor ihm zurückzuziehen, senkte sie den Blick ihrer Augen mit den goldenen Wimpern und reichte ihm die Hand, damit er sie zu ihrem Platz am Haupttisch führen konnte. Sie bekam den Platz zwischen ihrem Vater und Wulfric, der sie nicht aus den Augen ließ.

Dieses verdammte Luder, dachte er, so kühl und so abweisend, es gelingt ihr immer wieder, mir das Gefühl zu geben, ich sei ein tollpatschiger Trampel. Warte nur, warte, schwor er sich insgeheim und leckte sich über die Lippen.

Der Lärm in dem Raum war ohrenbetäubend. Es gab so viele attraktive junge Frauenzimmer, die das Essen servierten, und einige von Athelstans verheirateten Rittern hatten ihre Ehefrauen bei sich, doch die Augen der meisten Männer ruhten auf Lillyth. Einer von Wulfrics Männern wandte sich an seine Begleiter. »Eine Nacht zwischen ihren Schenkeln, das ist alles, was ich will, nur eine einzige Nacht.«

Seine Gefährten brachen in schallendes Gelächter aus und zwinkerten einander zu. Einer von ihnen sagte: »Du meinst wohl eine Minute, nicht wahr? Eine Minute mit einem so reizenden Ding würde genügen, und du würdest deinen Pfeil abschießen, und dein Seil würde für den Rest der Nacht ganz schlaff zwischen deinen Beinen hängen!« Er brüllte vor Lachen über seinen eigenen Witz, und die anderen stimmten mit ein und machten grobe und zotige Bemerkungen.

Lillyth war so nervös, dass sie das Erste aussprach, was ihr in den Sinn kam, weil sie das Thema vermeiden wollte, das doch irgendwann angesprochen werden musste.

»Wie ich gehört habe, hat der König seine Armee nach Norden geführt?«

Wulfric lachte sarkastisch. »Zwei Dummköpfe!«

»Dummköpfe? Zwei, mein Lord?«, fragte sie.

»William, weil er das gute Wetter in diesem Jahr nicht genutzt hat und die Stürme im Oktober nicht riskieren will.«

»Und der andere Dummkopf?«, fragte sie höflich.

»Harold, natürlich«, erklärte er. »Während er auf die Normannen gewartet hat, haben die Norweger ihn angegriffen!«

Nachdem Lillyth in Gedanken nach einer höflichen Bemerkung suchte, die sie in Anwesenheit ihrer Eltern machen konnte, sprach Wulfric weiter. »Also werden uns am nächsten Samstag die Ketten der Ehe miteinander verbinden, meine Lady«

»Oh, nein, mein Lord, nicht in der nächsten Woche. Das ist nicht möglich.« Sie war vollkommen aus dem Gleichgewicht gebracht, obwohl sie das sorgfältig vor ihm verbarg.

Sie hat sich immer unter Kontrolle, das kleine Luder, dachte er.

»Warum nicht?«, wollte er wissen.

»Die Vorbereitungen sind für den Zeitpunkt getroffen, wenn die Ernte eingebracht worden ist. Es gibt so viel vorzubereiten.« Sie versuchte, entschuldigend zu lächeln.

»Ich werde Euch zwei Wochen geben, von diesem Abend an.« Er zog die Augenbrauen zusammen, während er auf ihren Widerspruch wartete und auf weitere Taktiken, die Hochzeit hinauszuschieben.

Lillyth wandte sich schnell zu ihrem Vater und bezog ihn in die Unterhaltung mit ein. »Vater, du weißt doch, dass wir immer eine Jagd veranstalten, wenn die Ernte eingebracht ist, und dann gibst du für alle ein großes Fest, auch für die Bauern.«

Er nickte zustimmend.

»Mutter und ich dachten, das sei die beste Zeit für die

Hochzeit. Es wäre bei weitem nicht so kostspielig für dich, mein Lord.«

Ihr Vater sah sie liebevoll an. »Was auch immer du wünschst, mein Kind.«

Wulfric sah sie an. »Wann?«, fragte er direkt.

Ihre Gedanken gingen zum Kalender, und ihr war klar, dass sie höchstens drei Wochen herausholen konnte.

»Am dreißigsten Tag des Septembers, mein Lord, wenn es Euch recht ist?«, antwortete sie freundlich.

Ein breites Grinsen überzog sein Gesicht, weil er sie endlich festgenagelt hatte. »Es ist mir recht«, flüsterte er, und seine Hand legte sich unter dem Tisch auf ihren Schenkel. Sie rückte ein Stück näher an ihren Vater, doch der stand vom Tisch auf, ging zu seinen Männern am anderen Ende der Halle hinüber und machte mit ihnen Pläne zum Einbringen der Ernte. Ihr Blick suchte verzweifelt nach Wulfrics Knappen, als sie ihn endlich entdeckt hatte, bat sie ihn, das Trinkhorn des Lords aufzufüllen. Sicher würde das seine Hände beschäftigen. Als der Knappe das schäumende Bier in das Horn füllte, streckte Wulfric die andere Hand aus und tätschelte dem Jungen die Wange. Lillyth glaubte in ihrer Unschuld, er möge Kinder gern, und sie sei vielleicht nur blind für seine guten Seiten.

Er nahm die Hand von ihrem Schenkel, und als er das tat, entdeckten beide gleichzeitig, dass er einen schmutzigen, fettigen Abdruck auf der feinen blauen Seide hinterlassen hatte. Voller Abscheu blickte sie auf den Fleck, und er war verlegen und ärgerte sich, dass er sich die Hand nicht abgewischt hatte, ehe er sie berührte.

Unberührbar - sie tut so, als hätte ich sie beschmutzt, dachte er heftig, bei Gott, ich werde sie beschmutzen, und wenn es das Letzte ist, was ich tue.

Sobald sich die Gelegenheit bot, entschuldigte sich Lillyth und zog sich zurück. Wulfrics Männer wollten alle mit ihm anstoßen, die ganze Gesellschaft betrank sich und lärmte. Während der ganzen Zeit hielt Wulfric nach einer passenden Gelegenheit Ausschau. Schließlich zog sich auch Lady Alison zurück, und er entspannte sich ein wenig bei dem Gedanken, dass der Wachhund jetzt nicht mehr jeden seiner Schritte beobachtete.

Er schlüpfte die Treppe hinauf und betrat ohne anzuklopfen Lillyths Zimmer. Sie saß auf einem niedrigen Hocker, nur in einem dünnen Unterkleid, und Edyth bürstete ihr wunderschönes Haar, das bis auf den Boden reichte. Er warf Edyth einen bösen Blick zu und deutete mit dem Kopf zur Tür des Zimmers. Sie ließ sofort die Bürste fallen und verschwand, ließ ihn mit Lillyth allein.

»Mein Lord, es gehört sich nicht, dass Ihr mich hier besucht!«, hauchte Lillyth.

»Ist es nicht erlaubt, dass wir Zeit miteinander verbringen? Darf ich Euch nicht umwerben, wie es einem Verlobten zusteht?«, verlangte er zu wissen.

»Mein Lord, verzeiht mir, ich habe keine Erfahrung in der Ehe, so wie Ihr es habt.« Doch sofort lenkte sie ein. »Oh, verzeiht mir, Wulfric, ich wollte Euch nicht an den Schmerz erinnern, den Ihr erlitten habt, als Ihr Eure Frau im Kindbett verloren habt.«

Er winkte ab und kam näher. »Denkt nicht mehr daran, Mädchen, ich denke auch nie an sie.«

Die arme Frau, dachte Lillyth traurig.

»Vielleicht wird Gott uns mit einem Sohn segnen, für den, der Euch so grausam genommen wurde«, sprach sie nervös weiter. Sie überlegte, ob sie sich zurückziehen sollte oder ihn angreifen, wenn seine Annäherungsversuche kühner wurden.

Er griff in ihr Haar und hob es von ihrer Brust, sein Blick ruhte gierig auf ihren Brustspitzen, die sich unter der dünnen Seide abzeichneten. Sein Atem ging vor Erregung schneller.

»Ich kann viele Kinder haben, Lillyth. Aber ich möchte Euch zu meiner Freude.«

Die Tür des Zimmers öffnete sich, Lady Alison tat so, als sei sie über seinen Anblick schockiert. Edyth hatte keine Zeit verloren, ihre Herrin davon zu unterrichten, was Wulfric getan hatte.

»Lord Wulfric, ich kann meinen Augen nicht glauben, dass Ihr den Ruf meiner Tochter so entehrt«, keuchte sie.

»Nein, Madam. Lillyth, sagt Eurer Mutter, dass wir nur miteinander reden wollen. Es ist Euer Verlangen, genauso wie das meine, dass wir einander besser kennen lernen.«

»Sprecht nicht von Verlangen, Sir, denn ich weiß, wohin das führt. Nein, kein Wort mehr. Ihr werdet dieses Zimmer augenblicklich verlassen, und ich werde vergessen, was ich gesehen habe.« Lady Alison sah ihn böse an, bis er keine andere Wahl hatte, als sich zurückzuziehen oder eine entsetzliche Szene zu machen, doch insgeheim setzte er auch das mit auf die Liste der Dinge, die Lillyth am letzten Tag des September würde ausgleichen müssen.

 

Die Männer, Frauen und Kinder des Lehngutes von Godstone waren am nächsten Morgen alle auf den Feldern, um die Ernte einzubringen. Jeder Bauer hatte das Anrecht auf acht Pfund Korn, ein Sester Bohnen und ein Schaf, daher hatte die Ernte einen beachtlichen Umfang. Die Holzäpfel waren im Obstgarten gepflückt worden, und Lady Alison überwachte die Herstellung von Gelee, das in Fässern gelagert wurde, die mit Bienenwachs versiegelt wurden. Männer mähten das Korn und das Heu, und die Frauen und Kinder banden die Garben zu Bündeln und stapelten sie gegeneinander gestellt auf, bis die Männer die Bündel mit großen Wagen einsammelten, die von Ochsen gezogen wurden. Es gab viele verschiedene Getreidearten zu ernten. Roggen und Weizen für das Brot, Hafer und Gerste als Viehfutter und zur Herstellung von Bier. Auch im Waschhaus war heute Morgen viel zu tun. Die Ritter hatten all ihre Kettenhemden und ihre Hemden, Hosen und wollenen Unterhosen zurückgebracht. Leinen mit Wäsche wurden am Küchengarten vorbei aufgespannt, bis hin in den Obstgarten. Leinenwamse und Kopftücher und feine Leinenhemden wurden alle gewaschen, so lange das Wetter noch warm und sonnig war.

 

Das England der Angelsachsen war um diese Zeit mit Reichtümern der Erde und Köstlichkeiten erfüllt. Es war ein Königreich, dessen fruchtbarer Boden reichhaltige Ernte an Körnern und Früchten hervorbrachte. Überall gab es üppige Felder, grüne Wiesen, weite Ebenen, fruchtbare Weiden, reiche Herden Milchvieh und starke Pferde. Das Land wurde von gurgelnden Brunnen, breiten Strömen und majestätischen Flüssen bewässert, die überquollen von Fischen und Wasservögeln. Reiche Haine und Wälder bedeckten die Hügel, und es gab Kastanienwälder, in denen es vor Wild wimmelte. England war wie ein Juwel, das im Meer leuchtete, und es war ein Juwel, das darauf wartete, gepflückt zu werden.

Lillyth rief Edyth in ihr Zimmer. »Warum gehen wir heute nicht auf die Felder, Edyth. Ich liebe diese Jahreszeit, wenn alles so wunderschön ist. Die Bauern singen auf den Feldern, und die jungen Leute haben so viel Spaß, sie lachen und necken einander. Ich weiß, dass sie arbeiten, aber es gefällt ihnen so sehr, dass es aussieht, als würden sie spielen«, meinte sie. »Leih mir ein schlichtes Gewand, damit ich mitkommen kann, ohne Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen, ich werde meine Mutter fragen, welche Kräuter und Pflanzen wir für ihre Arzneien sammeln sollen. Beeil dich!«

Sie hatte das Gefühl, es sei alles dringend, und wenn sie die kurze Zeit nicht ausnutzte, die ihr blieb und das Beste daraus machte, wäre sie für immer vorüber.

Die Mädchen machten sich mit großen Körben am Arm auf den Weg. Sie hatten ihr Haar geflochten, trugen einfache weiße Kopfbedeckungen und schlichte braune Tuniken aus Leinen. Wie Diamanten glänzten die Tautropfen auf dem Gras, als sie über die Grasbüschel und durch den wilden Thymian zu dem Bach liefen, wo Lillyth Storchschnabel für ihre Mutter sammelte.

»Ist Storchschnabel nicht ein komischer Name?«, fragte sie Edyth.

»Dort drüben blüht Ochsenauge, das ist auch ein komischer Name«, antwortete Edyth.

»Blumen haben komische Namen, wenn du erst einmal darüber nachdenkst. Es gibt auch Gänsebart und Mäuseohr«, lachte Lillyth.

»Ich kenne eine Blume, die hat einen noch komischeren Namen. Die Leibeigenen nennen sie Löwenzahn Bettseucher, ich frage mich, warum nur.«

Die Mädchen bogen sich vor Lachen.

»Sie sollen das Wasser aus der Blase holen, wenn es nicht mehr so recht läuft, daher hat die Blume den komischen Namen.« Lillyth lachte noch immer.

Sie kamen an ein Kornfeld, das noch abgeerntet werden musste. Das Korn bog sich im Wind, und die sonnendurchflutete Luft des Herbstes ließ Erde und Himmel sanft erscheinen. Edyth pflückte blaue Kornblumen, und Lillyth sammelte Mohn. Der Duft der Blumen stieg ihnen in die Nase, als der Wind hindurchfuhr, und die Schmetterlinge flogen auf. Sie ruhten sich einen Augenblick im Schatten einer Hecke am Rande des Feldes aus, in dem herrlich tiefen Gras, und Lillyth fand, dass die Schönheit der Erde die Schatten aus ihren dunklen Gedanken vertrieb.

Sie hörten Stimmen hinter der Hecke, und Lillyth legte schnell einen Finger auf die Lippen, damit Edyth schwieg. Sie lauschten und hörten einen Jungen, der mit einem Mädchen sprach.

»Faith, wir werden uns nicht mehr lange auf dem Feld treffen müssen, unsere Hütte ist beinahe fertig.«

»Morgan, ich liebe dich so sehr«, antwortete sie. »Aber solltest du nicht eigentlich jetzt die Schweine hüten?«

»Ich habe meine Arbeit heute gewechselt, weil ich wusste, dass du zur Ernte auf dem Feld sein würdest. Edmund hat gesagt, er sei zu alt, um seinen Rücken beim Mähen des Kornes anzustrengen. Er hat mir angeboten, sich um die Schweine im Wald zu kümmern, aber ich musste ihm versprechen, ihn abzulösen, ehe die Abenddämmerung anbricht. Es ist komisch, dass die meisten Menschen sich vor dem Wald fürchten. Ich bin so sehr daran gewöhnt, dass ich die Arbeit liebe.«

»Du bist so tapfer.« Faith seufzte.

Das Kompliment ermunterte Morgan, sie in seine Arme zu nehmen. Er strich ihr über das zerzauste goldbraune Haar und küsste ihre roten Lippen. Morgan versuchte nicht einmal, seine Leidenschaft vor ihr zu verbergen. Ihre Berührung hatte ihn sofort erregt, und er drückte sie ins Gras hinter der Hecke, bis sie sich ihm natürlich und willig öffnete.

Lillyth und Edyth hielten beide die Luft an. Beide Mädchen waren sehr daran interessiert zu sehen, was hinter der Hecke vor sich ging. Es dauerte nicht lange, bis der junge Mann erschöpft auf dem Boden lag. Als er Anstalten machte, zu gehen, hielt Faith ihn fest. »Nein, Morgan, bleibe noch ein wenig bei mir. Mir gefällt die Zeit danach viel zu sehr.«

Es war offensichtlich, dass die beiden einander sehr liebten. Ihre Vereinigung war wunderschön und natürlich gewesen, und sie waren so sehr darauf bedacht, einander glücklich zu machen, dass es die beiden jungen Frauen überhaupt nicht abgestoßen hatte. In der Tat war es Lillyth wegen des körperlichen Teils der Ehe jetzt viel leichter ums Herz.

»Ich kann es gar nicht erwarten, bis ich verheiratet bin, Lillyth.« Edyth seufzte. »Die Bauern wissen gar nicht, wie glücklich sie sein können. Sie können einander lieben, ohne verheiratet sein zu müssen.«

»Es ist wahr, dass wir sehr genau beobachtet werden, um sicherzugehen, dass unsere Jungfräulichkeit erhalten bleibt, aber ich bin sehr froh darüber. Es ist viel einfacher, den Regeln zu folgen, die für uns festgelegt wurden«, meinte Lillyth.

»Es war gar nicht einfach für mich, an dem Abend, an dem Walter zurückgekehrt ist. Weißt du eigentlich, wie das ist, wenn dich ein Mann anfleht, mit ihm zu schlafen und er dich die ganze Zeit über küsst und auf eine Art und Weise berührt, die dich sehr verletzlich macht?«, flüsterte Edyth.

Lillyth errötete, als sie an Aedward dachte. Sie wusste aus eigener Erfahrung, dass das, was Edyth sagte, die Wahrheit war. »Mein Vater hat eine sehr hohe Meinung von Walter. Er ist einer der Ritter, denen er am meisten vertraut. Er hat dich gebeten, ihn zu heiraten, Edyth?«

»Ja. Deine Mutter hat vorgeschlagen, dass wir am gleichen Tag unseren Eheschwur sprechen wie du und Wulfric. Die Kirche wird wundervoll geschmückt sein, und ich habe ein neues Kleid für deine Hochzeit genäht. Es ist tiefrosa, mit einem blassen, muschelfarbenen rosa Unterkleid. Walter hat mit dem Priester gesprochen, es ist alles geregelt.«

»Das ist wundervoll, Edyth, ich freue mich so sehr für euch beide.«

»Ich war so wütend auf dich, als du das Datum gewählt hast, das erst in drei Wochen ist. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor«, beklagte sich Edyth.

»Nein, Edyth, die Zeit wird wie Schnee im Sommer dahin-schmelzen«, widersprach Lillyth traurig.

Lady Adela wachte sehr früh in dem kleinen Zimmer auf, das sie und ihr Ehemann sich hinter dem Sonnenzimmer teilten. Sie hielt den Atem aus Furcht an, Luke aufzuwecken und blieb still liegen, während sie in Gedanken die Ereignisse des vergangenen Abends noch einmal erlebte. Er hatte seine ehelichen Rechte verlangt, als sie sich zurückgezogen hatten und hatte sie dann noch einmal nach Mitternacht aufgeweckt, um seine Lust zu befriedigen, die ihr Körper immer in ihm zu wecken schien. Das Problem war, dass sie keine Freude an diesen häufigen Vereinigungen hatte. Sie wünschte beinahe, Luke würde sich seine Befriedigung woanders suchen. Jetzt hatte sie sich entschieden, Morag zu besuchen. Der Gedanke, diese Intimitäten jemand anderem anzuvertrauen, ließ alle Farbe aus ihrem Gesicht weichen, doch sie war am Ende dessen angekommen, was sie ertragen konnte. Sie bewegte sich leicht wie ein Schmetterling, als sie jetzt die Decke hob und aus dem Bett schlüpfte, ehe ihr Ehemann aufwachte und sie noch einmal besitzen konnte. Sie zerbrach sich darüber den Kopf, was sie wohl entbehren konnte, um es dem alten Weib zu geben, dann entschied sie sich, ihr ein wenig Lampenöl mitzubringen. Morag machte doch sicher viele geheime Rituale nach Einbruch der Dunkelheit. Lag nicht die Hexenstunde nach Mitternacht? Sie wäre sicher froh, ein wenig Lampenöl zu bekommen. Adela war erleichtert, dass niemand sie so früh am Morgen sah. Als sie zu Morags Hütte kam, war diese leer. Sie wollte gerade verärgert wieder gehen, als Morag die Arme voller Kräuter, roten Fingerhut und stacheligen Disteln kam.

Die Elster Greediguts flog von der Schulter der alten Frau auf einen niedrig hängenden Zweig und schalt Adela mit ihrer krächzenden Stimme aus.

»Komm rein!«, befahl Morag, als stünde sie im Leben über Adela.

Adela betrat schnell die Hütte, ehe sie jemand sah, doch als sie erst einmal im Inneren war, wurde sie schüchtern.

»Du bist wegen deines Mannes hier«, schloss Morag weise.

»Nein - ja - das heißt - sein Verlangen ist so groß. Ich meine, es scheint mir, dass er viel zu oft will.« Das Blut stieg ihr vor Verlegenheit ins Gesicht, dann wich es wieder, und sie wurde ganz blass.

»Was will er?«, wollte Morag wissen und machte es für die hochgeborene Frau so schwierig wie nur möglich.

»Meinen Körper«, antwortete Adela leise.

»Du willst einen Trank, der deine Lust anregt, damit sie so groß ist wie die seine?«, fragte Morag. »Ich werde dir Aloe geben und Dill und Gewürznelken.«

Adela war entsetzt. »Ah, nein, nein! Du hast mich falsch verstanden. Ich brauche einen Trank, der seine Lust beendet.«

»Schierling«, erklärte Morag. »Wenn du ihm zu viel gibst, wird ihn das allerdings umbringen«, warnte sie.

»Ah, da muss es doch auch noch etwas anderes geben«, flehte Adela. »Vielleicht einen Zauberspruch?«

»Impotenz durch die Anwendung einer Schnur«, erklärte Morag.

»Ja, ja, sag mir, wie ich das machen muss!«

»Nimm eine Schnur oder ein Stück Wolle. Rot ist am besten. Mach Knoten in die Schnur und verstecke sie im Schlafzimmer. Ein guter Trick ist es, sie auf seiner Seite des Bettes in die Matratze einzunähen. Er wird so lange impotent sein, bis er die Schnur findet. Also, was hast du mir mitgebracht?«, fragte Morag. Sie nahm schweigend das Lampenöl und bedankte sich nicht dafür.

In Oxstead waren Wulfric und Aedward im Brauhaus und füllten die Fässer mit Bier. Aedward war entschlossen, seinen Bruder davon abzubringen, Lillyth zu heiraten. Er wusste

Dinge über Wulfric, die beinahe unaussprechlich waren, und er zitterte, wenn er an Lillyths Schicksal dachte.

»Wulfric, warum hast du es so eilig, dir eine neue Frau zu nehmen? Du willst doch sicher gern deine Freiheit noch eine Weile länger auskosten, oder?«, fragte er.

»Das war das beste Geschäft, das ich je gemacht habe, Junge. Athelstan wird immer älter, schon bald wird Godstone mir gehören«, meinte Wulfric und hämmerte den Zapfen in ein weiteres Fass.

Aedward war schrecklich wütend. »Du heiratest Lillyth wegen des Reichtums ihres Vaters?«

»Ich heirate Lillyth, weil dies die einzige Möglichkeit ist, sie zu bekommen. Ich würde sie sogar heiraten, wenn sie eine Bäuerin wäre. Ich will sie haben - und ich werde sie haben. So einfach ist das!«

Aedwards Hoffnung erstarb.