21

Als Hugh von Godstone weggeritten war, war es ihm schwer gefallen, Adela zurückzulassen. Je weiter er ritt, desto mehr war er in Gedanken bei ihr. Er machte sich Sorgen, dass man sie in seiner Abwesenheit belästigen könnte, obwohl er sie wieder und wieder gewarnt hatte, kein Risiko einzugehen, indem sie allein umherlief, nicht einmal bei Tage. Er hatte sich schon beinahe entschieden, Adela zu bitten, seine Frau zu werden. Sein ganzes Leben lang war er ein überzeugter Junggeselle gewesen, hauptsächlich, weil er noch nie eine Ehe erlebt hatte, die glücklich war, doch wenn er Guy und Lillyth beobachtete, begriff er, dass er seine Jahre verschwendete, dass es Zeit war, sein Glück mit beiden Händen zu packen, ehe es zu spät war.

In Godstone sang Adela vor sich hin, während sie ihre Tagesarbeit verrichtete. Ihre Gedanken gingen wieder und wieder zu Hugh Montrose, und sie war sich klar darüber, dass sie sich auf die Rückkehr ihres Mannes freute und sich nicht wie in der Vergangenheit davor fürchtete. Sie lachte vor sich hin, als sie an den Tag dachte, an dem sie die Matratze geöffnet hatte, um das geknotete Band daraus zu entfernen. Sie wollte Morag gegenüber sehr großzügig sein und entschied sich, ihr ein wenig Marmelade zu bringen. Sie wollte Morag nach der uralten Sitte ausfragen, die junge Frauen einhielten, wenn sie einen Heiratsantrag bekommen wollten. Wenn sie sich recht daran erinnerte, musste man dafür einen Kuchen mit Mehl und Asche backen, musste eine Hälfte davon essen und die andere unter das Kopfkissen legen. Oder war es so, dass man einen

Kuchen mit schwarzen und weißen Bohnen darin backen musste? Wenn man eine weiße Bohne fand, war die Antwort ja. Nun ja, Morag würde es ihr sagen können.

Morag war nicht in ihrer Hütte sondern sie war bei einer Bauersfrau, die in den Wehen lag. Eine Entbindung hatte für eine Frau immer etwas morbide Faszinierendes, also ging Adela zu Elfridas Hütte. Die Hütte war voller Frauen. Elfridas Tochter lag auf einer Binsenmatratze auf dem Boden, ihr Leib war von dem Kind gewölbt. Offensichtlich lag sie schon seit zwei Tagen in den Wehen, und als letzte Rettung hatte man schließlich nach Morag geschickt. Morag war in einer Zwickmühle gefangen. Sie nahm an, dass das Mädchen schon viel zu viel gelitten hatte und sowieso sterben würde, also fürchtete sie sich davor, sie zu berühren. Sie wollte nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wenn das Mädchen starb, und wie die menschliche Natur nun einmal war, wusste sie, dass genau das eintreten würde, wenn sie es versuchte und das Leben des Mädchens dennoch nicht zu retten war. Sie sah sich die Frauen genauer an. Die jüngeren Frauen, die sich wahrscheinlich irgendwann einmal im gleichen Zustand befinden würden, baten für das Mädchen um Hilfe. Die älteren Frauen, die aus dem Alter heraus waren, in dem sie Kinder bekamen, waren grober und behaupteten, dass es in der Natur der Frau lag, im Kindbett zu leiden.

Schließlich fühlte sich Morag herausgefordert, denn ihre Stellung in der Hackordnung des Dorfes stand auf dem Spiel. Ohne die junge Frau zu berühren, befahl sie den anderen Frauen, eine leere Eierschale mit Hopfen und Malz zu füllen, sie im Feuer zu erwärmen und die zukünftige Mutter dazu zu bringen, das Ganze zu trinken.

Adela sah voller Entsetzen zu, als sie die Frau, die sich in den Wehen wand, dazu brachten, den Inhalt der Eierschale zu schlucken. Das arme Geschöpf musste sich in der Folge erbrechen und fing dann an zu schreien. Das Gerede in der Hütte war makaber. Eine Frau behauptete, dass das Kind zu groß war, um herauszukommen, dass es die Eingeweide des Mädchens zerstören und dieses verbluten würde. Eine andere stimmte ihr zu. »Es sind immer die Köpfe!«, behauptete sie. »Alle Kinder, die in dieser Familie geboren werden, haben große Köpfe. Die Geburt wird das arme Mädchen zerreißen.«

Adela verließ die stinkende Hütte und lief so schnell sie konnte zurück zur Halle.

»Lady Alison, Ihr müsst schnell kommen! Elfridas Tochter liegt schon seit Tagen in den Wehen, und sie nehmen in ihrer Ignoranz schon zu Zaubersprüchen Zuflucht. In dieser Hütte ist es wie in einem Alptraum. Ich hasse es, dorthin zurückzugehen, aber wir müssen versuchen, der armen Seele zu helfen.«

Als Alison das Mädchen sah, das in ihrem eigenen Schweiß lag und dessen geisterhafte Blässe zeigte, dass der Tod schon auf sie wartete, übernahm sie sofort die Führung.

»Räumt diese Hütte!«, befahl sie. »Verschwindet alle, du auch, Elfrida - raus.«

Sie sah Morag an. »Ihr solltet es besser wissen, Frau, schämt Euch! Geht zur Halle zu Adela. Sie wird Euch saubere Laken geben. Und geht zur Vorratskammer und holt mir etwas Polei. Ihr erkennt es an der blassroten Farbe.«

Als Alison allein mit der jungen Frau war, untersuchte sie diese und stellte fest, dass das Kind mit dem Po zuerst kommen wollte. Sanft und langsam schob sie den kleinen Körper zurück durch den Geburtskanal, so weit sie konnte und brachte ihn in die richtige Lage für die Geburt. Das Mädchen stieß ein paar bemitleidenswerte Schreie aus, doch sie hatte schon so viele Stunden geschrien, dass sie keine Kraft mehr hatte. Als die beiden Frauen zurückkamen, gab Alison ihnen ihre Befehle. Sie legten das Mädchen auf saubere Laken und mischten das Kraut mit warmem Wasser. Es schmeckte scharf und aromatisch, sofort hörte sie auf, sich zu übergeben. Das Kraut würde helfen, das Kind auszutreiben, ob es nun tot war oder noch lebte. Es war wie ein Wunder. Ganz plötzlich erschienen zwei Füße, dann glitt der Po heraus und schließlich kamen auch noch mit ein wenig Hilfe von Alison die Schultern und der Kopf heraus. Alison seufzte erleichtert auf, genau wie Adela und Morag, die neben ihr standen.

Die junge Mutter war gnädigerweise in Ohnmacht gefallen und würde sich sehr wahrscheinlich wieder erholen, wenn die Blutungen aufhörten. Alison lehnte sich zurück. »Wir Frauen haben tausend Dinge in unserem Leben, die wir nicht ertragen können, aber irgendwie schaffen wir es doch immer wieder. Wir schaffen es!« Die anderen Frauen stimmten ihr schweigend zu.

»Schickt Elfrida rein, sie wird sich jetzt um ihre Tochter kümmern können.«

Adela ging langsam zurück in die Halle. Sie fragte sich, ob sie wirklich heiraten wollte, mit allem, was damit zusammenhing. Die Antwort kam laut und deutlich: Ja! So war das Leben nun einmal.

 

Als Guy seine Geschäfte in London abgeschlossen hatte und sich die Männer auf ihrem Weg nach Berkhamstead befanden, waren Guy und Lillyth zum ersten Mal, seit sie sich kannten, allein. In der Einsamkeit ihres gemütlichen Zimmers erblühte ihre Liebe erneut. Er konnte es nicht ertragen, wenn sie nicht in seiner Nähe war, ständig suchten seine Hände und seine Lippen nach ihr.

»Es gibt so vieles in London, das ich dir zeigen möchte«, meinte er, doch ein Kuss führte zum nächsten, und sie verließen drei Tage lang ihr Zimmer nicht. Sie lebten für ihre Liebe, sie blieb ihnen Tag und Nacht, und nichts anderes war wichtig für sie. Sie saßen stundenlang zusammen, Lillyth lehnte sich an ihn, er streichelte ihr Haar und liebkoste sie. Sie lachten und sprachen oft gleichzeitig die gleichen Worte aus. Sie waren so ineinander versunken, dass sie eins wurden. Ihre Nächte waren voller Magie, und beide fürchteten sich vor der Zeit, wenn ihre Idylle enden würde. Sie badeten zusammen, genossen das sinnliche Gefühl des warmen Wassers auf ihrer nackten Haut. Sie tranken Wein aus dem gleichen Becher und schmeckten den Nektar von den Lippen des anderen. Lange Stunden nachdem die Sonne schon aufgegangen war, lagen sie noch zusammen im Bett, und einen ganzen Tag lang kleideten sie sich nicht einmal an, so sehr genossen sie einander.

An einem Abend saß Lillyth nach dem Bad nackt auf dem Bett, ihr goldrotes Haar hing wie ein Umhang um ihren Körper. Verzaubert sah er sie an. »Du bist herrlich. Was tust du da?«, fragte er neugierig.

»Ich reibe meinen Körper mit Minzeblättern ein, damit ich für dich gut rieche.«

»Und damit auch gut schmeckst«, fügte er hinzu.

»Daran habe ich gar nicht gedacht.« Sie kicherte.

»Ich denke an wenig anderes«, erklärte er, und seine Stimme war rau vor Verlangen. Er schob ihr Haar über ihre Schultern, damit er ihre nackten Brüste sehen konnte. Sie musste sich auf die Lippen beißen, um nicht vor Verlangen aufzustöhnen. »Unterdrück es nicht«, flüsterte er. »Ich liebe es, wenn du voller Leidenschaft aufschreist. Gütiger Gott, du riechst und schmeckst so herrlich. Einige eurer englischen Sitten liebe ich.«

»Wonach riechen denn französische Frauen?«, murmelte sie.

»Nach Knoblauch«, log er.

»Guy! Das ist nicht wahr. Ich habe gehört, was über die Franzosen erzählt wird.«

»Dass wir die besten Liebhaber der Welt sind? Dass wir mehr Tricks im Bett vergessen haben als andere Männer je lernen werden?«, flüsterte er ihr anzüglich zu.

»Zum Beispiel?«, wollte sie voller atemloser Erwartung wissen.

Er schob sie auf das Bett zurück und drehte sie auf ihren Bauch, dann setzte er sich rittlings über sie. Seine Finger begannen sie federleicht zu streicheln, an ihren Schulterblättern fing er an, über ihren Rücken hinunter, sodass sie voller Erwartung erbebte. Er strich über die Rückseite ihrer Schenkel, hinauf bis zu ihrem Po. Dann fuhr er mit den Fingern über die kleinen Falten unter den Pobacken, drehte Lillyth herum und begann mit den federleichten Liebkosungen auf ihren Brüsten. »Das nennt man patte-d'araignee, und es soll dich verrückt machen, aber im Augenblick bin ich es, der vor Verlangen verrückt ist.« Er begann sie zu küssen, aber ganz anders als je zuvor. Er küsste sie auf französische Art, lange, hingebungsvolle Küsse, in denen die Zunge den Mund der Geliebten streichelt. Sie wurde so erregt, dass es fünf-oder sechsmal deutlich zwischen ihren Schenkeln pulsierte, ohne dass er in sie eingedrungen war.

»Ooh«, hauchte sie, überrascht über die Reaktion ihres Körpers auf seine Küsse.

»Maraichinage«, erklärte er.

»Warum klingen diese Worte nur so schlimm und sinnlich, wenn du sie auf französisch sagst?«

»Ah, cherie, da gibt es noch mehr.«

»Nein, nein. Bitte, Guy, das ist zu viel. Ich kann nicht mehr ertragen.«

Er lachte kehlig. »Ich habe doch gerade erst begonnen«, versprach er ihr.

 

Sie sangen, lachten und flüsterten Liebesgedichte, ihre Stimmen klangen rau vor Verlangen, bis ihre Seelen sich so verbanden wie ihre Körper. Am vierten Tag wanderten sie meilenweit durch London, kauften Essen von Straßenhändlern, segelten über den großen Fluss und lachten über all die komischen Leute, die ihnen begegneten. Guy kaufte ihr Schmuckstücke und Bänder und alles, was ihr gefiel. Lillyth schenkte Guy eine Medaille, auf der graviert stand: »Meinem geliebten, meinem über alles geliebten Ehemann.« Es drängte sie, zu ihrer Zuflucht zurückzukehren, und als Lillyth am Fenster stand und nachdenklich hinausblickte und wünschte, es könnte für immer so sein, trat Guy hinter sie und legte von hinten die Hände auf ihre Brüste. Sie fühlte die Wärme seines Körpers durch den dünnen Stoff ihres Unterkleides. Allein die Berührung seiner Hände genügte, um sie zu erregen. Er kleidete sie aus und bedeckte jeden Teil ihres Körpers mit seinen Küssen. Sie lag auf ihm, neckte ihn mit ihren Brüsten und Schenkeln, und als er sie herumrollen wollte, um sich über sie zu schieben, schüttelte sie den Kopf, setzte sich rittlings über ihn und bestieg ihn, zum herrlichsten Ritt ihres Lebens.

 

Am fünften Tag kehrten Guys Männer zurück, und sie alle genossen ihren letzten Tag in London. Guy war an Williams Hof eingeladen worden, also kleidete er sich an seinem letzten Abend sorgfältig in seine beste Kleidung, bat Lillyth, nicht auf ihn zu warten, und ging. Der Hof war überfüllt, und er erkannte in der Menge viele Freunde und Bekannte. Das hauptsächliche Thema war Williams Rückkehr in die Normandie. Robert de Mortain würde in Berkhamstead bleiben, und Williams anderer Bruder, Bischof Odo, sollte in London als Führer des Staates handeln, bis William, wahrscheinlich noch vor Weihnachten zurückkehrte.

Guy schwor Odo seine Treue und versprach ihm, gegen jeden Aufstand der Angelsachsen oder von anderen zu kämpfen, wann immer er gebraucht wurde. Es fiel ihm schwer, die Gesellschaft zu verlassen. Es wurde elf Uhr, dann war Mitternacht schon lange vorüber, ehe Guy zu dem Gasthof mit viel zu viel Wein in seinem Körper aufbrach. Zweimal verlief er sich, und ehe seine unsicheren Schritte in dem Gasthof ertönten, war es schon drei Uhr am Morgen. Lillyth war außer sich vor Sorge, und als sie sah, in welchem Zustand er sich befand, wurde sie wütend.

»Wo bist du gewesen?«, schrie sie ihn an.

»Bei Hofe«, antwortete er knapp.

»Du hast herumgetändelt, und das erlaubt William an seinem Hofe nicht! Du bist irgendwo mit einer Dirne gewesen. Du stinkst nach Wein. Wenn du glaubst, du kannst das Bett mit mir teilen, dann hast du dich geirrt, Sir!«, fuhr sie ihn wütend an.

»Wohin soll ich denn gehen?«, beklagte er sich.

»Du kannst nach nebenan gehen, zu deinen Männern«, erklärte sie und schob ihn aus dem Zimmer, dann schloss sie die Tür hinter ihm ab. Nach einer Weile überlegte sie, ob er womöglich zu ihr zurückgegangen sei. Sie hätte ihn niemals wegschicken dürfen. Sie lief zur Tür, schloss sie auf und blickte nach draußen in den nur schwach beleuchteten Flur. Dort stand er, leicht schwankend, an genau der Stelle, an der sie ihn verlassen hatte. Erleichtert atmete sie auf. »Oh, um Himmels willen, komm rein«, schalt sie. Sie führte ihn zum Bett, legte ihn darauf und war entschlossen, ihm zu zeigen, wie wütend sie auf ihn war. Doch noch ehe ihr eine Bemerkung einfiel, die ihn tief genug treffen würde, drang schon lautes Schnarchen an ihr Ohr. Sie öffnete empört den Mund, doch dann meldete sich ihr Sinn für Humor, und sie begann zu lachen. Sie wälzte sich auf dem Bett vor Lachen, hielt die Knie angezogen und lachte, bis ihr die Tränen über die Wangen liefen.

 

Als sie in Godstone ankamen, stellten sie fest, dass die Bauarbeiten schon weit fortgeschritten waren. Frühling lag in der Luft, und die Arbeit, die jetzt erledigt werden musste, machte es nötig, dass Guy vom Morgen bis zum Abend unterwegs war. Während Guy in London gewesen war, hatte sich der Mann, den sie vom Gut von St. Denys bekommen hatten, von den offenen Wunden der Peitschenhiebe auf seinem Rücken erholt. Seine Frau und ihre Familie waren Guy sehr dankbar für alles, was er für sie getan hatte und schworen ihm, dass der Mann nie wieder weglaufen würde, deshalb glaubte Guy sicher, dass er das zusätzliche Land bekommen würde, das er bestellen wollte. Er entschied sich, dort Hopfen anzupflanzen, mit dem Bier gebraut wurde. Ihm war der Gedanke gekommen, Fässer mit Bier nach Frankreich im Austausch gegen Wein zu exportieren. Ihm gefiel die Atmosphäre in der Brauerei, mit dem prasselnden Feuer unter dem riesigen Kupferkessel. Aus den hölzernen Gärkesseln kam ein aromatischer Duft, der sich mit dem scharfen Geruch aus dem Kessel und mit dem sanften Aroma aus den Kühlpfannen mischte. Er glaubte, dass ein gut gebrautes Bier mit gutem, klarem Wasser begann, das es in Godstone im Überfluss gab. Fässer wurden von den Böttchern bereits angefertigt.

Guy hatte auch vor, alle Bauern die Kunst im Umgang mit Pfeil und Bogen zu lehren. Er überwand die Bedenken seiner Ritter wegen dieser Idee. Sie glaubten fest an einen Code der Ritterlichkeit, der es niedrig geborenen Menschen nicht erlaubte, Waffen irgendwelcher Art zu tragen. Er hatte den Standpunkt vertreten, dass die Bauern in der Lage sein würden, zu jagen und sich selbst mit Nahrungsmitteln zu versorgen, und außerdem könnten sie helfen, wenn sie sich verteidigen mussten. Einen nach dem anderen überzeugte er die Ritter mit seinen Argumenten. Andre war mittlerweile in der Lage, wieder als volle Arbeitskraft eingesetzt zu werden. Zusammen mit Aedward übernahm er die Leitung von Oxstead, Guy war sehr erfreut über die Art und Weise, wie sein Bruder erwachsen wurde und Verantwortung übernahm.

Jetzt, da Emma ihre Schwangerschaft nicht länger verbergen konnte, entschied sich Lillyth, die Sache in die eigene Hand zu nehmen. Sie ließ mit der Bitte, sie aufzusuchen, nach Esme schicken. Er kam sofort in der Hoffnung, der Lady des Hauses einen besonderen Dienst zu erweisen und sich dafür den besonderen Dank ihres Ehemannes zu verdienen.

»Ah, Esme, Edyth und ich werden heute Morgen nach Oxstead reiten. Wir brauchen einen Begleiter, auf den wir uns verlassen können. Würdet Ihr mir die Ehre erweisen, Sir?«

»Die Ehre ist ganz meinerseits, meine Lady, es ist mir eine Ehre, Euch zu Diensten zu sein.« Er verbeugte sich tief.

»Danke. Ich bin sicher, wir werden bereit sein, bis Ihr die Pferde gesattelt habt.«

»Ich werde sie persönlich satteln, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist, Madame.«

Als er gegangen war, rief Lillyth: »Edyth, wo bist du? Ich bin gekommen, um deinen Tag ein wenig aufzuhellen! Wir werden ausreiten, um Andre in Oxstead zu besuchen, und wir werden zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Ich werde sehen, ob ich nicht in den äußerst fruchtbaren Verstand unseres charmanten Esmes einen Samen fallen lassen kann.«

Edyth war begeistert. Andre hatte sich ihr gegenüber schon zweimal beinahe erklärt, ehe Guy ihn nach Oxstead geschickt hatte. Sie hatte ihn verzweifelt vermisst und hoffte, dass es ihm genauso ging. Sie wäre verzweifelt, wenn sie feststellen müsste, dass eine der Frauen von Oxstead ihm mehr zusagte.

Während des Rittes unterhielt sich Lillyth mit Edyth und bezog Esme immer wieder in die Unterhaltung mit ein. Lillyth sprach von ihrem Ehemann und seinen Plänen. Sie wandte sich zu Esme. »Mein Mann wird sehr erfreut sein, wenn Andre und Edyth heiraten. Oxstead ist ein sehr großer Besitz, und Guy findet, dass verheiratete Männer wesentlich verantwortlicher sind.«

Edyth öffnete überrascht den Mund, deshalb zwinkerte ihr Lillyth schnell verschwörerisch zu, ehe sie etwas sagen konnte. An Edyth gewandt, meinte sie dann: »In Sevenoaks wird auch ein großes Haus gebaut, für den Zeitpunkt, an dem Nicholas dort die Herrschaft übernimmt. Guy ist klar, dass sein Bruder noch sehr jung ist, deshalb wird er einen verheirateten Mann aussuchen, der Nicholas Stellvertreter sein soll.« Sie wandte sich an Esme und lächelte. »Eine Frau ist einfach notwendig im Leben eines Mannes, findet Ihr nicht auch, Sir?«

»Ah, ja, zweifellos haben sich die Gedanken unseres Befehlshabers über das Leben eines verheirateten Mannes sehr gewandelt, seit er das Glück hatte, eine so bezaubernde Braut zu gewinnen.«

»Guy glaubt daran, dass einem Mann, der nicht genügend Mut hat zu heiraten, auch in anderen Dingen der Mut fehlt«, erklärte sie überaus freundlich. Schnell wechselte sie das Thema. »Edyth, erinner mich bitte daran, dass ich mir die Vorräte an Leinen in Oxstead ansehe. Wenn es nicht genügend Laken gibt, müssen wir die Frauen anweisen, mehr davon zu weben. Guy bringt den Bauern viele neue Fertigkeiten bei, ich denke, es wäre ein hervorragender Gedanke, den Bauersfrauen das Weben und die Kunst des Stickens beizubringen. Man weiß nie, ob man nicht ein künstlerisches Talent entdeckt, so wie Lady Emma es besitzt.«

Esme schwieg, eine steile Falte erschien zwischen seinen Augen. Lillyths Mundwinkel zogen sich ein wenig hoch, als sie feststellte, dass der Samen, den sie gesät hatte, auf fruchtbaren Boden gefallen war.

 

Guy sank erschöpft in sein Bett. Doch er war niemals zu müde, seine liebenden Arme nach Lillyth auszustrecken. Als er heute Abend über ihre Brüste strich, zuckte sie zurück.

»Was ist los, Liebes?«

»Meine Brüste fühlen sich wund an. Komisch, ich kann mich gar nicht daran erinnern, gegen etwas gestoßen zu sein.«

»Mmm, heute Morgen war dir übel, n'est-ce pas! Liebling, ich denke, du bist vielleicht schwanger.«

Schnell setzte sie sich auf. »Oh, Guy, glaubst du wirklich?«

Sie lächelten einander an, sie waren beinahe zu glücklich, um es in Worte fassen zu können. Er zog sie neben sich auf das Bett und legte eine Hand auf ihren Bauch.

»Fürchtest du dich, mapetite?«

»Nur ein wenig. Es ist ein Geschenk, das du mir gemacht hast, und ich werde es dir zurückgeben. Ich weiß, dass du dir mehr als alles andere in der Welt einen Sohn wünschst.«

»Zuerst will ich dich, dann will ich einen Sohn«, korrigierte er sie. »Je t'aime, je t'adore«, flüsterte er.

Sie lag an seinem Herzen, erfüllt von dem Wunder.

 

Ende März hatten die Menschen in Godstone mehr Waren hergestellt, als sie verkaufen konnten, und Guy fand, es sei ein guter Gedanke, mit Williams Gefolge zur Küste zu reisen, wenn William in die Normandie zurückkehrte, damit er von dort seine Waren nach Frankreich schicken konnte. Er hatte Stoffe, Ballen von Wolle, Fässer mit englischem Bier, Pelze und Tierhäute. Er nahm Lillyth das Versprechen ab, dass sie ihm nicht folgen würde, wie sie es zuvor getan hatte. Er drängte sie auch, ihrer Mutter gegenüber ihren Zustand zu enthüllen. Sie hatte ihre Schwangerschaft als ein Geheimnis zwischen ihnen beiden für sich behalten wollen, wenigstens noch für eine Weile. Doch nun stimmte sie zu, Lady Alison in ihr Geheimnis einzuweihen, damit Guy sich nicht so viele Sorgen machte, weil er sie verließ.

 

Anfang April lag der Frühling deutlich in der Luft. Die Wälder waren voller Veilchen, und die Vögel waren damit beschäftigt, ihre Nester zu bauen und sich einen Gefährten auszuwählen. Als Guy von der Küste zurückkehrte, war ihr Zimmer voller Narzissen, und das Fenster stand offen, um den blassen Sonnenschein ins Zimmer zu lassen.

 

Rolf erzählte Guy, dass St. Denys in seiner Abwesenheit zu Besuch gekommen war. Mit eigenen Augen hatte er gesehen, wie der Mann, der früher ihm gehört hatte, willig hinter dem Pflug gearbeitet hatte, ohne jegliches Drängen von einem Aufseher mit einer Peitsche.

»Er sah nicht glücklich aus. Ich traue ihm nicht. Er wird niemals zulassen, dass du seine Felder bestellst, wenn er es verhindern kann«, warnte ihn Rolf.

»Das werden wir ja sehen«, meinte Guy lässig.

»Der Unterricht der Bauern im Bogenschießen klappt gut. Einige von ihnen zeigen bemerkenswerte Fertigkeiten, für sie scheint es beinahe natürlich zu sein.«

Guy nickte anerkennend. »Ich würde es mir gern einmal ansehen«, meinte er. Die beiden Männer machten sich in Richtung Schießscheiben auf.

 

Die Herden waren alle auf die Weiden geschickt worden, und die Winterquartiere wurden gründlich gesäubert. Der Dung war aufgehäuft worden, bereit um auf den Feldern ausgebreitet zu werden. Doch der April wurde von einem anscheinenden Unfall getrübt. Gerrard, einer von Guys Rittern, wurde tot im Wald mit einem Pfeil in seinem Rücken gefunden. Nachdem er beerdigt worden war, rief Guy seine Männer zu einer Besprechung zusammen. Einige behaupteten, dass es ein absichtlicher Mord von den Angelsachsen gewesen war und dass man ihnen niemals das Tragen von Pfeil und Bogen hätte erlauben dürfen. Andere dachten, dass es in der Tat ein Unfall gewesen sein konnte, doch ihrer Meinung nach sollte der Unterricht in der Anwendung von Pfeil und Bogen für die Bauern ausgesetzt werden, bis der Schuldige entdeckt worden war. Guy befragte jeden einzelnen Mann in Godstone, doch er konnte keine Erklärung bekommen, keine zufrieden stellende Antwort auf die Frage danach, was geschehen war. Er zögerte, jemandem die Schuld an diesem Vorfall zu geben, weil er das Gefühl hatte, dass das nicht richtig war. Tagelang schwieg er, ihm kamen viele Gedanken, die er später wieder verwarf. Die Bauern fürchteten sich, seit die Leiche entdeckt worden war. Die Hand der Justiz würde nach ihnen greifen, und davor hatten sie Angst.

Guy kam die Erkenntnis wie ein Blitz, und je mehr er darüber nachdachte, desto mehr war er davon überzeugt, die Wahrheit gefunden zu haben. Er suchte Rolf auf und fragte ihn eingehend aus.

»Als St. Denys hier herumgeschnüffelt hat, hat er da erfahren, dass die Bauern Waffen tragen?«

»Nicht, dass ich wüsste, aber er war schon eine ganze Weile hier, ehe ich davon erfahren habe«, antwortete Rolf.

»Wäre es denn möglich?«, drängte ihn Guy

»Jetzt, wo ich darüber nachdenke, es kann ihm eigentlich nicht entgangen sein. Die Männer haben geübt, und sie laufen öffentlich mit ihren Bögen herum. Sie versuchen nicht, sie zu verstecken. Was denkst du denn?«

»Ich denke gar nichts, ich weiß es! St. Denys hat Gerrard umgebracht, das ist so sicher, wie ich hier stehe. Er hat nach einer Gelegenheit gesucht, mich gegen meine Angelsachsen einzunehmen. Er möchte hier in Godstone Schwierigkeiten schaffen. Die Frage ist, was soll ich dagegen tun?«, überlegte er.

»Ich habe dich gewarnt, dass er seine Felder nicht so einfach aufgeben wird, aber bei Gott, wenn ein Normanne so tief sinkt, dass er einen anderen Normannen umbringt, dann hat er es nicht verdient, zu leben.«

Guy berichtete den Bauern sofort, dass der Mörder entdeckt worden war und dass sie alle vollkommen entlastet waren. Er versicherte ihnen, dass man ihnen weiterhin erlauben würde, Waffen zu tragen. Sie alle seufzten erleichtert auf und waren sich untereinander einig, dass Montgomery ein Herr war, über den sie glücklich sein konnten. Die Gerüchte grassierten in Godstone, und es dauerte nicht lange, bis alle wussten, dass der Schuldige St. Denys war. Zwei Abende später wurde Guys Problem, was er mit seinem Nachbarn anfangen sollte, für ihn gelöst. Man fand St. Denys ertrunken in dem Fluss, der die beiden Besitztümer voneinander trennte. Er hatte keinerlei Verletzung an seinem Körper. Guy bestellte die Felder auf der anderen Seite des Flusses und warf einen begehrlichen Blick auf das restliche Land von St. Denys. Noch ehe der Sommer vorüber war, sollten die Ritter und auch das Land von St. Denys ihm gehören. Er war ein wahrer normannischer Eroberer.