KAPITEL SECHZEHN

Darth Vader war gekommen, um Luke Skywalker zu holen. Er war gekommen, um den Jungen zu suchen, der ihm so viele Schwierigkeiten bereitet, der so viel Zerstörung verursacht hatte. Den Jungen, der auf irgendeine unerklärliche Weise Anakins Namen trug.

Nachdem sich herausgestellt hatte, dass Luke und alle anderen nicht mehr hier waren, war Vader trotzdem geblieben. Er hatte gespürt, dass sich in den Eingeweiden dieser Station noch etwas anderes verbarg. Etwas Vertrautes. Eine Gegenwart, die eigenartig beunruhigende Eindrücke aus der Vergangenheit heraufbeschwor. Erlebnisse, an die Vader seit vielen Jahren nicht mehr gedacht hatte. Es handelte sich um Eindrücke von Padme. Er roch ihren Duft, hörte ihre sanfte, melodische Stimme und erinnerte sich an unendlich viele andere Details, die er zu vergessen versucht hatte.

Dies bedeutete, dass sich jemand in dieser Station befand, der etwas mit seiner Vergangenheit zu tun hatte - und dieser Jemand musste sterben.

Als er so durch die Korridore gegangen war, hatte er fast ... nun, Angst hatte er sicherlich keine gehabt. Die Angst hatte er längst überwunden, und er setzte sie sogar als Waffe gegen seine Feinde ein. Nein, er war wachsam gewesen. Hatte sich gefragt, wer wohl hinter der nächsten Biegung auf ihn wartete.

Es hatte ihn erleichtert, Ferus vorzufinden. Der alte Mann war keine unbekannte Variable aus der Vergangenheit. Er kannte Ferus. Mit ihm war einfach umzugehen. Eigentlich hätte er ihn schon lange beseitigen müssen. Ferus hatte keine Macht über ihn. Seine Worte waren ohne Bedeutung. Er war nichts als ein gebrechlicher alter Mann, der von der Vergangenheit brabbelte. Und doch brachte sein Anblick - und Padmes Namen auf seinen Lippen - Vader zur Raserei. Ferus hätte schon längst tot sein müssen. Wie alle Jedi. Und es weckte Vaders Zorn, dass er immer noch wie eine Bossuk-Kakerlake umherlief.

Aber nicht mehr lange. Vader fachte seine Wut noch an, ließ sie in seinem Innern köcheln. Seine Wut war gleichzeitig seine Kraft. Auch das hatten die lächerlichen Jedi niemals begriffen. Sein Zorn war bodenlos und damit seine Kräfte grenzenlos.

Im Angesicht dessen war Ferus ein Garnichts. Noch weniger als das. Ein Insekt, das man unter den Füßen zerquetschen musste.

Vader legte die Distanz zwischen sich und Ferus zurück, noch bevor der alte Mann sein Lichtschwert zünden konnte. Ich könnte ihn mit einem einzigen Hieb töten, dachte Vader. Doch es war keine Eile geboten. Und er musste sich eingestehen, dass er neugierig war. Aus Ferus war ein solch trauriges, heruntergekommenes Subjekt geworden. Dickbäuchig. Verweichlicht. Es war sicherlich interessant, ihn in dem Glauben zu lassen, er könne es noch mit Vader aufnehmen.

Vaders Klinge sauste nieder, doch Ferus blockte sauber ab. Ein gedämpftes Summen erfüllte die Luft, als die blaue und die rote Klinge aufeinandertrafen.

„Deine Technik hat sich verschlechtert", merkte Vader an. Er parierte Ferus' ersten Gegenschlag wie beiläufig.

Ferus antwortete nicht. Er atmete schwer, keuchte bei jedem Sprung und jedem Stoß. Vader parierte die einzelnen Hiebe mit kaum mehr als einer Bewegung aus dem Handgelenk.

„Und du bist selbstzufrieden geworden", sagte Ferus schließlich, als er einen diagonalen Schlag führte. Doch Vader tat einen Schritt zurück, und Ferus' Klinge fuhr durch die leere Luft. „ Du glaubst, dass es niemand mit dir aufnehmen kann, habe ich recht, Anakin?"

„Anakin ist tot!", brüllte Vader und schlug mit voller Kraft zu. Es war an der Zeit, dieses Spiel zu beenden.

Dennoch schaffte Ferus es irgendwie, dem Hieb auszuweichen. Und auch dem nächsten und übernächsten wich er leichtfüßig aus. Seine blaue Klinge wirbelte durch die Luft und blockierte jeden einzelnen von Vaders Hieben.

Es war der Name. Das war die einzige Erklärung. Schon das Erklingen seines alten Namens hatte Vader aus dem Tritt gebracht.

Das war inakzeptabel.

„Für einen alten Mann bewegst du dich gut", gab Vader zu. Er war Ferus zwar bei Weitem überlegen, doch die Plastoid-Rüstung erschwerte das Manövrieren. Und er würde niemals mehr die körperliche Anmut zurückerhalten, die er einst als Anakin besessen hatte.

Vader verdrängte den Gedanken voller Abscheu. Anakin hatte nichts gehabt, was er wollte. Nichts. Er ließ die Abscheu noch wachsen. Dies war, was er brauchte. Keine Anmut, keine stinkende Jedi-Konzentration. Er brauchte den Zorn.

Die Dunkelheit. Kontrolle.

Ferus machte einen Satz nach vorn und führte das Lichtschwert in einer Hackbewegung nach unten. Die Klinge verfehlte Vaders Gesichtsmaske um nur wenige Zentimeter. Die Anstrengung des Kampfes trieb Ferus den Schweiß ins Gesicht. Aber er lebte immer noch. „Nicht älter als du, Anakin", keuchte er.

Und das stimmte. Sie waren ungefähr gleich alt. Damals waren sie jung und dumm gewesen, leicht manipulierbar durch ihre Jedi-Meister. Aber nun war Vader der absolute Meister, und Ferus war lediglich dieses schwache, gebückte Etwas. Wäre Anakin zu so etwas geworden, wenn er in diesem zerbrechlichen menschlichen Körper geblieben wäre? In diesem schlaffen Sack aus losem Fleisch?

Vader war furchtbar wütend auf sich selbst, dass er überhaupt darüber nachdachte. Es war nicht von Bedeutung, was aus Anakin geworden wäre. Anakin war nichts. Er existierte nicht und hatte auch nie existiert.

„Es gibt keinen Anakin", sagte Vader.

„Und doch steht er hier vor mir", konterte Ferus. „ Derselbe eingebildete, hinterhältige, verängstigte kleine Junge, der du schon immer warst. Du hast Obi-Wan getötet, weil er die Angst hinter deiner Maske sah. Du hast Padme getötet, weil sie das Monster in dir erkannte."

Der Hass schwärzte Vaders Sichtfeld und stürzte die Welt in Dunkelheit. Alles bis auf Ferus' abscheuliches, wissendes Grinsen war ausgeblendet. Ferus war derjenige von ihnen, der sich nicht geändert hatte. Er war immer noch dasselbe unerträgliche Kind. Vader hätte der Galaxis einen Gefallen tun und ihn schon damals in der Akademie umbringen sollen. Aber besser spät als nie.

Ferus stürmte mit einer schwindelerregenden Reihe von Hieben nach vorn. „Du kannst mich töten, wenn du willst. Aber Anakin wirst du niemals töten. Ich habe den Verdacht, dass er eines Tages dich töten wird."

„Vielleicht eines Tages." Vader zuckte mit einer seiner behandschuhten Hände, und Ferus' Lichtschwert flog quer durch den Raum. „Aber unglücklicherweise ist heute dieser Tag für dich, nicht für mich." Er stieß Ferus die

Klinge durch das Herz und sah voller Vergnügen zu, wie sein alter Feind zu Boden sank und das Leben aus seinen Augen wich.

Der lächerliche alte Mann hatte keine Ahnung, wovon er sprach, sagte sich Vader. Anakin war tot und für immer verschwunden. Und nun gab es niemanden mehr, der ihn zurückbringen konnte.

Ferus lag regungslos da, als die Schritte im Korridor verklangen. Er lag auf dem Rücken in einer Blutlache und spürte, wie das Leben Hauch um Hauch aus ihm wich. Und er trug ein Lächeln auf dem Gesicht, denn er wusste, dass er erfolgreich gewesen war.

Gerne hätte er Darth Vader getötet.

Gerne hätte er die Galaxis gerettet.

Doch es reichte, dass er Prinzessin Leia gerettet hatte.

Er hatte immer geglaubt, dass das Sterben schmerzhaft sein würde. Doch er empfand kaum Schmerzen. Er empfand kaum noch etwas. Alles, was ihn mit dieser Welt verband, löste sich langsam.

„Sei tapfer, mein Freund! Du hast dich wacker geschlagen." Obi-Wan kniete neben ihm. Aber nicht der leuchtende, durchscheinende Geist, wie Ferus ihn kannte, sondern der echte Obi-Wan, wie er zu seinen Lebzeiten gewesen war. Der Jedi-Meister nahm Ferus' Hand. „Das Ende ist niemals das Ende", sagte er. „Nur die nächste Reise."

Wieder ein Rätsel, dachte Ferus verdrießlich. Es war typisch Obi-Wan, dass er sich sogar in einem Augenblick wie diesem auf frustrierende Weise vage ausdrückte. Ferus hätte gelacht, doch es fehlte ihm die Kraft. Obi- Wan lächelte, als ob er es wüsste.

Und dann verschwand Obi-Wan, und eine andere Gestalt erschien neben Ferus.

Ferus keuchte. Das Blut in seiner Kehle brachte ihn zum Husten. Seine Lippen formten sich zu einem Namen, den er seit Jahren nicht mehr ausgesprochen hatte.

Weiche Finger fuhren über seine Stirn. „Dachtest du wirklich, dass ich dich hier allein lassen würde?"

Du hast mich all diese Jahre allein gelassen, wollte Ferus sagen. Ich hatte immer gehofft, dass du auf mich warten würdest. Ich hatte immer gehofft, dass ich dich wiedersehen würde.

Roan Lands, der seit fast zwei Jahrzehnten tot war, sah ihn voller Warmherzigkeit und Humor an. Roan, der Ferus nach seinem Verlassen des Jedi-Tempels aufgenommen hatte und der ihm das wahre Leben gezeigt hatte. Roan, der für den größten Teil seines Lebens Ferus' Partner und Freund gewesen war. Roan, den er für immer verloren geglaubt hatte.

Ferus' Angst war verschwunden, verdrängt von einem tiefen, beruhigenden Gefühl des Friedens. Er hatte alles für die Leute gegeben, die er liebte - alles, was in seiner Macht stand. Er hatte den Auftrag erfüllt, den Obi-Wan ihm erteilt hatte und Anakins Tochter beschützt, bis sie stark genug war, um sich selbst schützen zu können. Er hatte, so gut er es vermochte, gekämpft, und so lange er konnte. Und jetzt, da Roan hier war, konnte Ferus gehen.

„Ich bleibe bei dir", sagte Roan und drückte Ferus' Hand. „Solange du mich brauchst."

Ferus schloss die Augen. Seine Wahrnehmung beschränkte sich nun nur noch auf Roans Stimme und auf die Wärme seiner Hand. „Du bist nicht allein", hörte er Roan sagen.

Und dann hörte er gar nichts mehr.

„Du bist nicht allein", flüsterte Leia, als sie Ferus' Hand noch fester drückte und sich wünschte, sie könnte ihm Kraft geben.

Doch das konnte sie nicht.

Ihr blieb nichts, als neben seinem Körper zu knien und zuzusehen, wie sich sein Brustkorb langsam und flach hob und senkte - bis er sich schließlich nicht mehr bewegte. Ein schwaches Lächeln erschien auf Ferus' Gesicht, und Leia hoffte, dass er friedlich gestorben war.

Er war tot.

Leia hatte Ferus schon ihr ganzes Leben lang gekannt, hatte jedoch das Gefühl, den wahren Ferus erst in den letzten Monaten richtig erkannt zu haben. Und in diesem Moment übermannte sie das Gefühl, dass sein Tod in ihrem Innern ein Loch aufriss, als hätte sie einen Teil ihrer Familie verloren - oder gar einen Teil ihrer selbst. Ferus war die letzte Verbindung zu ihrer Vergangenheit auf Alderaan und zu ihrem Vater gewesen. Er hatte immer den Eindruck erweckt, als wolle er ihr dringend ein Geheimnis verraten und als hätte er sich gewünscht, sie würde ihm die richtigen Fragen stellen. Doch diese Mühe hatte sie sich nie gemacht.

Und nun lebte er nicht mehr.

Wäre sie nur früher zurückgekommen, dann hätte sie seinen Tod vielleicht aufhalten können oder denjenigen, der dafür die Verantwortung trug.

Leia wusste, dass sie gehen musste. Die Sonne würde bald explodieren. Und wer immer Ferus auf dem Gewissen hatte, konnte sich nach wie vor hier befinden - und sie entdecken.

Doch sie regte sich nicht. Sie blieb an Ferus' Seite und hielt seine Hand. Nur noch ein bisschen, sagte sie sich. Dann gehe ich.

Sie wollte ihn nicht allein lassen.