KAPITEL ZWEI
„Hast du etwas gesagt?", flüsterte Luke.
„Welchen Teil von still hast du nicht verstanden?", zischte Han Solo.
„Ich dachte, ich hätte meinen Namen gehört", sagte Luke.
„Dann denke etwas leiser", antwortete Han bissig.
Chewbacca knurrte sie beide an.
Luke hielt den Mund. Forderte einen ein Wookiee mit einer riesigen Blitzschleuder zur Ruhe auf, gehorchte man ihm besser. Vor allem, wenn er die einzige Deckung zwischen einem selbst und einem Raum voller bewaffneter Soldaten war.
Luke seufzte. Auf Yavin 4 hatte sich diese Mission so einfach angehört. Geht zum königlichen Palast von Nyemari, holt euch die Zugangscodes der Herzogin für die Imperiale Militärbastion auf Nyemari, und macht euch wieder aus dem Staub! Luke verstand einfach nicht, warum sie so kläglich gescheitert waren. Wie konnten er und Han nur in diese winzige Schuhschachtel geraten, in der sie lediglich ein dünner Vorhang aus dramassianischer Schimmerseide von den Wachen der Herzogin trennte. Dieses hauchdünne Fähnchen von Vorhang und natürlich Chewbacca, der sich als Wache ausgab. Offenbar sahen für die Nyemarianer alle Wookiees gleich aus.
Han hätte sich wie immer am liebsten die Bahn frei geschossen, doch Luke und Leia hatten es ihm ausgeredet. Ihr Befehl lautete, sich einzuschleichen - unbemerkt. Und Leia hatte darauf bestanden, dass sie diesem Befehl Folge leisteten. Mittlerweile hatte sich Leia abgesetzt, um den Westflügel des Palasts zu erkunden, während Han und Luke sich den Norden und Süden vorgenommen hatten. Sie hätte sich schon vor einer Stunde wieder mit ihnen treffen sollen, war aber bisher noch nicht aufgetaucht. Luke versuchte sich keine Sorgen zu machen. Leia konnte gut auf sich selbst aufpassen. Und doch ...
„Meinst du nicht, wir sollten uns auf die Suche nach ihr machen?", flüsterte Luke.
Han setzte ein schiefes Lächeln auf. „So wie ich die Prinzessin kenne ..."
In diesem Augenblick ertönte ein ohrenbetäubender Knall, und ein Regen aus Zement prasselte auf sie nieder, als ein schwarzer Luftgleiter geradewegs durch die Mauer rumste. Schlagartig brach Chaos im Raum aus. Die Wachen flohen in alle Richtungen vor dem Fahrzeug, dessen Laserkanonen mit Sperrfeuer Löcher in antike Tapeten, Kristallvasen und mehrere Dutzend Schuhkisten schlug.
„... wird sie uns finden", schloss Han und sprang mit feuerndem Blaster aus der Kammer.
„Worauf wartet ihr noch?", schrie Leia und winkte sie her. Ihre braunen Zöpfe waren mit Zementstaub überzogen.
Luke, Han und Chewbacca sprangen in den Gleiter. Eine Phalanx Wachen drang in den Saal. Laserblitze zuckten durch die Luft.
„Wir müssen hier verschwinden!", rief Luke über den Lärm hinweg. Er wirbelte herum und feuerte ein paar Lasersalven in Richtung ihrer Verfolger, während der Gleiter abhob.
„Danke für die großartige Idee!", rief Leia und lenkte den Gleiter geradewegs auf ein riesiges Stahlglasfenster zu. „Runter!"
Luke legte die Hände über den Kopf und machte sich bereit für den Aufprall. Stahlglassplitter hagelten auf sie herab, als sie in den freien Luftraum hinausflogen. Zwei Stockwerke unter ihnen startete eine Flotte von königlichen Gleitern und heftete sich an ihr Heck. Leia gab Schub, bis sie über 650 km/h erreicht hatten.
„Ich dachte, Sie wollten das hier unauffällig machen", rief Han über den Lärm des brüllenden Antriebs hinweg.
„Planänderung." Leia riss den gestohlenen Gleiter hart nach rechts, wobei die Maschine so stark kippte, dass es die Insassen beinahe hinausschleuderte. Sie lenkte das Gefährt gekonnt durch das Labyrinth aus Wolkenkratzern. Konnte sie einen nicht umfliegen, steuerte sie geradewegs hindurch. Die königliche Garde war zu allem entschlossen, aber mit Leias Flugkünsten konnte sie es nicht aufnehmen. „Irgendwelche Beschwerden?"
„Heute nicht", spöttelte Han.
„Tun Sie sich keinen Zwang an", antwortete Leia bissig.
Han streckte sich in seinem Sitz und legte die Hände hinter den Kopf. „Alles in Ordnung für mich, Euer Anbetungswürdigkeit. Sie dürfen mich gerne jeden Tag retten." Er hustete laut und fügte fast unhörbar hinzu: „Besonders dann, wenn es Ihre Schuld ist, dass wir überhaupt gerettet werden müssen."
„Wie bitte?", fragte Leia.
„Ich sagte ..."
Chewbacca unterbrach Han mit einem lauten Brüllen. Luke gab dem Wookiee einen freundschaftlichen Klaps auf den Rücken. „Ich bin Chewbaccas Meinung", sagte er. „Wie wäre es, wenn wir erst fliehen und später streiten?" Oder überhaupt nicht, fügte er im Geiste hinzu. Nach all den Monaten, in denen er mit Han und Leia quer durch die ganze Galaxis gereist war, konnte er eine Pause gut vertragen.
„In dem Fall solltet ihr euch besser festhalten." Leia riss das Steuer nach rechts und brachte sie damit auf Kollisionskurs mit einem dreißigstöckigen Wolkenkratzer. Luke klammerte sich an seinen Sitz, als Leia den Gleiter hart nach oben riss. Das Fahrzeug jagte nun in einem vertikalen Steigflug dicht an der Gebäudeaußenwand entlang. Weiter unten gerieten Imperiale Speeder-Bikes in ihren unbeholfenen Verfolgungsversuchen aus der Bahn oder knallten gegen die Wand. Leia achtete nicht auf sie. Sie hing über dem Steuer, den Blick wie ein Laservisier auf den vor ihr liegenden Kurs gerichtet. Luke konnte nicht anders, als sie bewundern, wie sie geradezu anmutig durch den städtischen Hindernisparcours flog. Die übrigen Verfolger fielen schnell zurück und verloren sich in einem Wald aus Durabeton und Stahlglas.
Es dauerte nicht lange, bis sie das enge Stadtzentrum hinter sich gelassen hatte und einen einsamen Landstrich am Rand der Hauptstadt erreichten. Der Millennium Falke parkte nur wenige Kilometer entfernt in einem Hangar.
„Und jetzt", sagte Leia zu Han, „möchte ich eine Erklärung, warum das alles meine Schuld sein soll!"
„Sie waren diejenige, die den stillen Alarm ausgelöst hat."
„Aber nur, weil Sie über Ihre eigenen Füße gestolpert sind und mich hineingestoßen haben."
„Wollen Sie damit etwa sagen, dass ich ein Tölpel bin?"
„Natürlich nicht! Sie sind ein tölpelhafter, blasterhirniger Wookieetreiber!"
Luke seufzte und ließ sich in seinen Sitz sinken. Der Heimweg konnte lange werden.
Ariern, die Hauptstadt Nyemaris, besaß den modernsten und architektonisch fortschrittlichsten Raumhafen im Meridian-Sektor.
Han hatte sich geweigert, den Millennium Falken auch nur in die Nähe dieser Landemöglichkeit zu steuern.
Stattdessen hatte er das Schiff im Raumhafen von Süd-Anem geparkt. Der war kaum größer als eine geräumige Lagerhalle im Niemandsland zwischen der Stadt und der Wüste. Es schien, als hätte hier seit drei Jahrzehnten niemand mehr nach dem Rechten gesehen. Deshalb wurde dieser Raumhafen nur noch von ergrauten Raumfahrern, Schmugglern und anderen zwielichtigen Gestalten aufgesucht, die auf Nyemari ebenso zwielichtige Geschäfte machten.
In anderen Worten: Es war ein Ort genau nach Hans Geschmack.
Der Nyemarianer Li Preni reparierte hier seit Jahren Schiffe und schuldete Han noch einen Gefallen. Außerdem hegte er eine Vorliebe für den Millennium Falken. Aber Han ließ keinen Fremden an sein Schiff - schon gar keinen Nyemarianer, der seine eigene Mutter für eine Flasche Lum verkaufen würde. Der Falke mochte mit seinen fast abfallenden Schildprojektoren und den schwankenden Energiegeneratoren nicht viel hermachen, aber behandelte man ihn richtig, dann war er der beste Freund, den man sich wünschen konnte. Zudem war er das schnellste Schiff in der Galaxis, und Han überkam immer ein mieses Gefühl, wenn er sich zu weit davon entfernte.
Als sie sich nun dem Haupthangar näherten, beschlich Han der Eindruck, es existierten noch triftigere Gründe für diese miesen Gefühle als sonst. Und Han vertraute immer seinem Bauchgefühl. Nur deswegen war er noch am Leben. Dann sträubten sich ihm die Nackenhaare. Am Rande seines Sichtfeldes bemerkte er schemenhafte Bewegungen. Außerdem hätte er geschworen, hinter sich Schritte zu vernehmen. Doch als er sich umdrehte, war nichts zu sehen.
„Beruhigen Sie sich", sagte Leia. „Ihr kostbares Schiff wird schon noch da sein."
„Was ist denn los, Han?", fragte Luke besorgt.
Man mochte über die Jedi und ihr Getue sagen, was man wollte, aber Luke wusste wenigstens, was Intuition bedeutete. Trotzdem schüttelte Han den Kopf. Wenn er recht hatte und ihm schon wieder ein Kopfgeldjäger an den Fersen klebte, war das nicht Lukes Problem. Immerhin hatte Luke nicht den größten, hässlichsten und gemeinsten Hutt diesseits des galaktischen Kerns übers Ohr gehauen. Seit Monaten versuchte Han, Jabbas Helfershelfer abzuschütteln, und er dachte nicht daran, sich den heutigen Tag vom nächsten Verfolger verderben zu lassen.
„So schnell hatte ich dich gar nicht zurückerwartet", sagte Li Preni, kaum dass er Han wahrgenommen hatte.
Der Nyemarianer kam schnell auf ihn zu. Er sah verschlagen und hinterhältig aus - aber das war alles andere als verwunderlich.
„Du meinst wohl eher, dass du mich überhaupt nicht mehr zurückerwartet hast", antwortete Han. Er wusste, dass Li Preni sich den Falken am liebsten unter den Nagel gerissen hätte. Darüber hinaus hatte er Preni in Verdacht, dass er die Herzogin über ihr Eindringen in den Palast informiert hatte. Preni lehnte sich etwas nach vorn.
„Vielleicht wäre das auch klüger gewesen", zischte der Nyemarianer. Han blieb beinahe die Luft weg, so sehr stank Prenis feuchter, fauliger Atem. Er roch wie ein halb verrottetes Bantha-Aas. „Es hat jemand nach euch gefragt."
„Nach uns?", fragte Luke nervös. „Wer?"
Han überraschte das nicht. Sein Bauchgefühl trog ihn nie. „War es diese Kopfgeldjägerschnecke von Farghul?", fragte er. „Man sollte doch annehmen, dass er auf Iridonia seine Lektion gelernt hat."
Preni schüttelte den Kopf. „Irgendein Glymphide. Bot ein ziemlich fettes Kopfgeld, wenn ihn jemand zur Besatzung des Millennium Falken führt."
„Und was haben Sie ihm gesagt?", fragte Leia.
„Hab ihm gesagt, dass ich noch nie was von euch gehört hab", behauptete Preni.
Chewbacca knurrte und machte einen Schritt auf den Nyemarianer zu. Einen großen Schritt.
„Okay, okay!", kreischte Preni. „Vielleicht habe ich ihm erzählt, dass ihr in der Gegend seid. Aber ich habe nichts davon gesagt, dass ihr heute zurückkommt. Ich schwöre!"
„Aber nur, weil du es nicht wusstest", knurrte Han.
„Lassen Sie ihn", beschwichtigte ihn Leia. „Wir sollten hier verschwinden, bevor irgendjemand kommt."
„Ich habe eine bessere Idee", antwortete Han und zog seinen Blaster. „Wir sollten noch etwas hierbleiben."
„Han ..." Luke tippte auf den Umschlag mit den gestohlenen Zugangscodes, um Han daran zu erinnern, dass sie Wichtigeres zu tun hatten.
„Sieh mich nicht so an, Junge", sagte Han müde. Luke und Leia waren genau gleich. Andauernd erinnerten sie ihn daran, dass es Wichtigeres zu tun gab.
Wie dem auch sei: Nun waren sie an der Reihe, geduldig zu sein. Die Zeit war gekommen, Jabba eine Nachricht zu schicken. Und Han hatte beschlossen, dass der Glymphide genau der richtige Überbringer war.